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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 30.11.2020

Der 8. Fall für Kommissar Joona Linna

Der Spiegelmann
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Ein Mädchen wird entführt, ein anderes Mädchen ertrinkt im See – von beiden fehlt jede Spur. Fünf Jahre später wird auf einem Spielplatz in Stockholm ein Mädchen an einem Klettergerüst erhängt aufgefunden. ...

Ein Mädchen wird entführt, ein anderes Mädchen ertrinkt im See – von beiden fehlt jede Spur. Fünf Jahre später wird auf einem Spielplatz in Stockholm ein Mädchen an einem Klettergerüst erhängt aufgefunden. Die Polizei kann einen Augenzeugen ausfindig machen, doch dieser schweigt, er kann oder will nicht reden. Was hat er Schreckliches gesehen, dass es ihm die Sprache verschlagen hat? Die Polizei kommt nicht weiter - erst als Kommissar Joona Linna hinzugezogen wird, kommt Bewegung in den Fall. Mit Hilfe eines Hypnotiseurs redet der Augenzeuge, doch auch das hilft Joona Linna zunächst nicht weiter. In der Zwischenzeit werden weitere Mädchenleichen entdeckt …

Lars Kepler ist das Pseudonym des Autorenduos Alexandra Coelho Ahndoril und Alexander Ahndoril. Beide hatten schon erfolgreich eigene Romane veröffentlicht, bevor sie gemeinsam zu Schreiben begannen. Ihre Kriminalromane mit dem Ermittler Joona Linna gewannen in Schweden Literaturpreise, standen allesamt auf Platz 1 der schwedischen Bestsellerliste, wurden in über 30 Sprachen übersetzt und teils auch verfilmt. Das Ehepaar hat drei Töchter und lebt in Stockholm.

„Der Spiegelmann“ ist ein Thriller, den zu lesen starke Nerven und ein robustes Gemüt erfordert. Es werden Gräuel geschildert, die das normale Maß eines Thrillers bei weitem überschreiten. Dabei geht es um Entführung junger Mädchen mit seelischer und körperlicher Folter, um Vergewaltigung und Verstümmelung, um Missbrauch und Mord. Nichts wird verschleiert oder beschönigt, die einzelnen Handlungen werden detailgenau geschildert.

Der Schreibstil ist klar und eindringlich, dabei sehr lebendig und liest sich angenehm flüssig. Die Figuren sind gekonnt ausgearbeitet, ihre Gedanken und Handlungen präzise und bildhaft beschrieben. Die Spannung ist durchweg auf sehr hohem Niveau, wobei der Täter bis zum großen Showdown am Ende nicht auszumachen ist. Falsche Spuren und ungeahnte Wendungen verwirren und führen den Leser oft in die Irre. Einige Ungereimtheiten und unrealistische Aktionen registriert man erst im Nachhinein, während des Lesens überwiegt die schier unerträgliche Spannung. Nach einigen leider sehr widerlichen und unappetitlichen Szenen im Mittelteil, die es meiner Meinung nach in dieser Ausführlichkeit nicht gebraucht hätte und die zudem irrelevant für die Handlung waren, hat mich der schöne und folgerichtige Schluss dann doch wieder etwas mit dem Buch versöhnt.

Fazit: Ich möchten von diesem Buch weder abraten, noch es ausdrücklich empfehlen. Wer es sich zutraut über schier unerträgliche Gräueltaten zu lesen kann es tun, denn dieser Thriller ist wirklich extrem spannend und psychologisch ausgezeichnet durchdacht.

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Veröffentlicht am 11.11.2020

Macht, Gewalt, Geld und Korruption

Der stumme Zeuge
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Sao Paulo/Brasilien: Olavo Bettencourt hat alles im Leben erreicht - er ist Inhaber einer bedeutenden Werbeagentur, hat eine bildhübsche Frau und einen Sohn, der einmal seine Nachfolge antreten soll, und ...

Sao Paulo/Brasilien: Olavo Bettencourt hat alles im Leben erreicht - er ist Inhaber einer bedeutenden Werbeagentur, hat eine bildhübsche Frau und einen Sohn, der einmal seine Nachfolge antreten soll, und er ist mit allen bekannten Persönlichkeiten von Politik und Wirtschaft befreundet, für die er ihre dunklen Geschäfte abwickelt und dafür lukrative Aufträge erhält. Doch dann erscheint plötzlich ein Inspektor der Bundespolizei mit der Nachricht, seine Limousine wäre überfallen, der Chauffeur erschossen und sein Sohn entführt worden. Aber es war nicht sein Sohn, es war der taubstumme Junge seiner Hausangestellten Irene, der sich im Wagen befand. Während Bettencourts Frau Mara entsetzt und fassungslos reagiert, will er diesen Umstand für seine Zwecke ausnutzen und fasst einen perfiden Plan …

Der Autor Edney Silvestre wurde 1950 in Brasilien geboren und ist in seinem Heimatland ein bekannter Journalist und Fernsehmoderator. Nach mehreren Jahren als Korrespondent in New York lebt er heute wieder in Brasilien. „Der stumme Zeuge“, 2011 im Original erschienen, ist sein zweiter Roman.

Wer einen klassischen Kriminalroman erwartet, wird wohl enttäuscht werden. Die Entführung eines Kindes ist hier der Aufhänger, um die korrupten Machenschaften von Politik, Finanzwelt und Polizei in Brasilien gegen Ende der 1980er Jahre aufzuzeigen. Es gibt keine Ermittlungen, und die wahren Verbrecher sind eher die Herren der Elite als die kleinen Gangster. Was uns der Autor bietet ist eine unterhaltsame Analyse der Klüngelwirtschaft zwischen den einzelnen Interessengruppen und eine interessante psychologische Studie menschlichen Verhaltens in Stresssituationen. Das Geschehen spielt sich innerhalb zwei Tagen ab, unterbrochen von gelegentlichen Rückblenden, wechselt rasch zwischen den verschiedenen Protagonisten und Schauplätzen und zeichnet somit eine Momentaufnahme im Leben verschiedener Gesellschaftsschichten. Da der kriminalistische Teil leider nur als Nebenstory mitläuft, hat die Geschichte auch kein richtiges Ende. Für einige Personen war es ein Wendepunkt im Leben, andere haben Veränderungen zu erwarten – ansonsten bleibt alles offen.

Fazit: Unterhaltsame Story über die korrupten Verhältnisse in Brasilien Ende der 1980er Jahre. Die Bezeichnung „Kriminalroman“ fand ich irreführend, daher von mir Punktabzug.

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Veröffentlicht am 17.10.2020

Auf der Suche nach sich selbst …

Ada
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Mit ihrer Familie hat Ada schon vor Jahren gebrochen, aber um ihren Bruder wieder zu sehen geht sie ins Theater, es ist der 9. November 1989, der Tag des Mauerfalls. Sie verfehlt ihn, lässt sich dann alleine ...

Mit ihrer Familie hat Ada schon vor Jahren gebrochen, aber um ihren Bruder wieder zu sehen geht sie ins Theater, es ist der 9. November 1989, der Tag des Mauerfalls. Sie verfehlt ihn, lässt sich dann alleine von den Massen durch die Straßen Berlins schieben und hängt ihren Gedanken nach. Wer ist sie, wo gehört sie hin? Sie ist jetzt 45 Jahre alt, in Argentinien aufgewachsen, lebt aber seit ihrem 9. Lebensjahr wieder in Berlin - aber ist sie hier auch zu Hause? Um ihre Identität zu klären und zu sich selbst zu finden begibt sie sich in die Hände eines Psychologen, dem sie nach und nach ihre Lebensgeschichte erzählt …

Der Autor Christian Berkel ist ein bekannter deutscher Schauspieler. Er wurde 1957 in West-Berlin geboren und ist mit der Schauspielerin Andrea Sawatzki verheiratet. Das Paar hat zwei Söhne.

In seinem erstem Roman „Der Apfelbaum“ aus dem Jahr 2018 beschreibt Berkel die Geschichte seiner Familie und setzt sich dabei mit Eltern und Großeltern auseinander. Sein zweiter Roman „Ada“ ist als Fortsetzung seiner Familiengeschichte gedacht, wobei es sich bei der Protagonistin Ada um eine fiktive Person handelt, denn Berkel hat keine Schwester. Laut Aussage des Autors ist das Ganze als Trilogie geplant und ein dritter Teil bereits in Bearbeitung.

Es ist Adas Lebensgeschichte die sie nun, 45jährig, bei einem Psychologen aufarbeitet. Sie ist planlos und unzufrieden mit ihrem Leben, zerrissen von Ängsten und Zweifel über ihre Herkunft und ohne Perspektive für die Zukunft. Sie leidet unter dem Schweigen der Eltern, weiß nichts über die NS-Zeit, weiß nicht wie ihre jüdische Mutter den Krieg überstand und wie ihr Vater die Gefangenschaft überlebte. Sie erlebt das Wirtschaftswunder, den Mauerbau und die Studentenrevolten der 68er-Jahre, macht Erfahrungen mit Drogen und fliegt 1969 nach Amerika, um drei Tage in Woodstock dabei zu sein.

Dieses Buch zu beurteilen fällt mir nicht leicht. Dass der Autor schreiben kann hat er hier wieder bewiesen, dennoch konnte mich die Geschichte nicht packen. Wenn in dieser Familie nicht über die Vergangenheit geredet wurde, dürfte es sich wohl eine Ausnahme handeln und man muss es so hinnehmen. (In anderen Familien, so auch in meiner, war die NS-Zeit und ihre Folgen durchaus ein Thema.) Adas Lebensgeschichte, die sie in Ich-Form dem Leser selbst erzählt, fand ich in Ansätzen tatsächlich interessant, störend und verwirrend jedoch waren für mich die rasanten Zeitsprünge und Adas teils bizarren Gedankengänge. Ebenso seltsam fand ich den Schluss, der wohl das Interesse auf eine Fortsetzung wecken soll.

Fazit: Ein Buch das unterhält und durch seine Thematik den Leser zum Nachdenken anregt.

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Veröffentlicht am 08.09.2020

Der rote Mantel …

Das Mädchen, das rückwärts ging
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Die alleinerziehende Mutter Beth aus dem englischen Norfolk macht mit ihrer 8jährigen Tochter Carmel einen Ausflug ins Umland. Bei dichtem Nebel verschwindet das Mädchen und ward nicht mehr gesehen. Die ...

Die alleinerziehende Mutter Beth aus dem englischen Norfolk macht mit ihrer 8jährigen Tochter Carmel einen Ausflug ins Umland. Bei dichtem Nebel verschwindet das Mädchen und ward nicht mehr gesehen. Die Polizei tappt im Dunkeln - die Mutter ist ratlos und gibt sich die Schuld am Verschwinden. So beginnt sie selbst ihre Suche nach dem Kind, indem sie Schritt für Schritt die gemeinsame Vergangenheit rekonstruiert …

„Das Mädchen, das rückwärts ging“ ist der erste Roman der englischen Autorin Kate Hamer. Sie wuchs in Pembrokeshire auf, studierte in Manchester, war danach zehn Jahre als Dokumentarfilmerin tätig und schrieb zunächst Kurzgeschichten. Für ihren Debütroman wurde sie mit einem Preis für den besten Romananfang ausgezeichnet. Kate Hamer lebt mit Mann und zwei Kindern in Cardiff (Wales).

Die Ausstattung des Taschenbuches ist recht ansprechend, zugeklappt ähnelt es einer stabilen Schachtel - Titel und Cover hingegen finde ich völlig unpassend. Warum hat man nicht einfach den englischen Titel „The Girl in the Red Coat“ ins Deutsche übersetzt, zumal sich der rote Mantel wie ein roter Faden durch das ganze Geschehen zieht? Die Geschichte selbst bzw. deren Erzählstil ist meiner Meinung nach weniger gut gelungen. Die Autorin lässt die beiden Protagonisten, die Mutter und das Mädchen, kapitelweise abwechselnd zu Wort kommen, wobei die Sprache der 8-Jährigen eher der einer Erwachsenen ähnelt, die Mutter hingegen manchmal recht kindisch daher plappert.

Ein Kind zu verlieren, nicht zu wissen wie es ihm geht und ob es überhaupt noch lebt, ist wohl das Schlimmste, das einer Mutter passieren kann. Dieses Horrorszenario wird in dieser Geschichte ausführlich geschildert, aber in einer Art und Weise, die mich nicht berühren konnte. Ich habe es gelesen, habe es vernommen, konnte mich aber nicht einfühlen weil es mir nicht gelang, die Handlungsweisen der Beteiligten in irgendeiner Weise nachzuvollziehen. Ein gewisser Spannungsfaden zieht sich jedoch durch das ganze Buch, weshalb ich es auch zu Ende gelesen habe. Ich wollte unbedingt wissen, ob es zu einem guten oder schlechten Ausgang kommt – was hier natürlich nicht verraten wird.

Fazit: Ein interessanter Stoff, der meiner Meinung nach nur unzureichend umgesetzt wurde.

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Veröffentlicht am 06.09.2020

Glück und Glas, wie leicht bricht das …

Tanz auf Glas
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Auf der Party zu ihrem 21. Geburtstag lernten sie sich kennen, Lucy Houston und Mickey Chandler. Es war Liebe auf den ersten Blick - aber es dauert noch beinahe ein Jahr bis sie sich wieder begegnen und ...

Auf der Party zu ihrem 21. Geburtstag lernten sie sich kennen, Lucy Houston und Mickey Chandler. Es war Liebe auf den ersten Blick - aber es dauert noch beinahe ein Jahr bis sie sich wieder begegnen und dann auch bald heiraten. Ob das die richtige Entscheidung war? Lucy hat von ihrer Familie ein erhöhtes Krebsrisiko vererbt bekommen und Mickey ist manisch-depressiv und leidet unter gelegentlichen Schüben. Doch wider Erwarten geht alles gut, sie lieben sich noch immer und führen eine glückliche Ehe, bis nach vielen Jahren das Schicksal erbarmungslos zuschlägt …

Lt. Angaben des Droemer-Knaur-Verlags ist die US-amerikanische Autorin Ka Hancock in Utah geboren und arbeitete als Krankenschwester, wobei sie sich auf den Bereich der Psychiatrie spezialisiert hatte. Sie hat vier erwachsene Kinder und lebt heute mit ihrem Mann in Salt Lake City. „Tanz auf Glas“, erschienen 2012, ist ihr Debütroman.

Die Autorin lässt überwiegend Lucy zu Wort kommen, während man Mickeys geheime Gedanken in dazwischen eingefügten Tagebucheinträgen und zum Ende des Buches erfährt. Das Geschehen erlebt der Leser in der Gegenwart, in einem zweiten Erzählstrang berichten die Protagonisten auch in der Vergangenheit über ihr gemeinsames Leben. Eine gewisse Spannung entsteht hauptsächlich dadurch, dass man beim Lesen bereits ahnt, dass die Geschichte keinen guten Ausgang nehmen kann. Einen breiten Raum nimmt Mickeys psychische Erkrankung ein, deren Symptome und Verläufe genau und langatmig beschrieben sind und sich oft wiederholen, während Lucys Befinden meist nur nebenbei erwähnt wird.

Für romantische Naturen mag es sicherlich eine berührende und bewegende Geschichte sein, mir jedoch war es zu viel Drama, zu viele Schicksalsschläge, zu viele Tränen, zu viel perfekte Liebe und zu viel Verzeihen und Vergeben, um der Realität wirklich gerecht zu werden. Möglicherweise habe ich es auch zur falschen Zeit gelesen.

Fazit: Eine Geschichte voller Widersprüche, von Liebe und Leid, von Hoffnung und Verzweiflung, von Leben und Tod – leider sehr langatmig geschildert.

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