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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 11.02.2024

Momentaufnahmen im Leben unterschiedlicher Charaktere

Ich wünsche mir, daß irgendwo jemand auf mich wartet
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Das Buch enthält eine Sammlung von zwölf ganz unterschiedlichen Kurzgeschichten, die meist ein Thema haben, die Liebe. Es sind alltägliche Geschichten, teils komisch, teils tragisch, die die gesamte Palette ...

Das Buch enthält eine Sammlung von zwölf ganz unterschiedlichen Kurzgeschichten, die meist ein Thema haben, die Liebe. Es sind alltägliche Geschichten, teils komisch, teils tragisch, die die gesamte Palette menschlicher Gefühle beinhalten. Sie sind aus verschiedenen Perspektiven, sowohl weiblicher als auch männlicher, geschrieben und bieten Einblicke in die Abgründe im Seelenleben der Protagonisten. Diese sind ausdrucksstark und vielschichtig ausgearbeitet, jede für sich eine Person mit Ecken und Kanten, aber meist mit liebenswerten Eigenschaften. Durch den sehr lebendigen flüssigen Schreibstil, dem teils bissigen Humor und den überraschenden Wendungen entwickeln die Geschichten einen mitreißenden Sog – es wird nie langweilig.

„Ich wünsche mir, daß irgendwo jemand auf mich wartet“ ist das Erstlingswerk der noch jungen Französin Anna Gavalda, das gleich ein großartiger Erfolg wurde und in Frankreich Kultstatus erreichte. Sie wurde 1970 in Boulogne-Billancourt geboren, studierte in Paris Literatur und arbeitet als Journalistin für das Magazin Elle. Inzwischen schrieb sie mehrere erfolgreiche Romane und einige Kurzgeschichten. Die Gesamtauflage ihrer Bücher beträgt allein in Frankreich um die fünf Millionen. Die Autorin ist Mutter von zwei Kindern und lebt heute auf einem Bauernhof in Melun bei Paris.

Fazit: Die Kurzgeschichten sind ein perfekter Mix aus komischen, tragischen und alltäglichen Begebenheiten – interessant und spannend zu lesen.

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Veröffentlicht am 11.02.2024

Joseph Roth, ein Schriftsteller als Romanfigur

Im Schatten zweier Sommer
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Im Frühjahr 1914 zieht in Wien in der Rembrandtstraße bei der jüdischen Familie des Schuhmachers Fischler ein neuer Untermieter ein. Es ist ein etwas unsicherer, schüchterner Student aus Galizien, sein ...

Im Frühjahr 1914 zieht in Wien in der Rembrandtstraße bei der jüdischen Familie des Schuhmachers Fischler ein neuer Untermieter ein. Es ist ein etwas unsicherer, schüchterner Student aus Galizien, sein Name ist Joseph Roth. Rasch verliebt er sich in Fanny, die älteste Tochter der Familie. Die beiden erleben einen verliebten Sommer voller Vertrautheit und gleichzeitig voller Heimlichkeiten, bis der Erste Weltkrieg ausbricht und sie sich in den Wirren aus den Augen verlieren. - 1938 flieht Fanny vor den Nazis ins vermeintlich sichere Paris, wo sie durch Zufall ihre Jugendliebe, den inzwischen berühmt gewordenen Schriftsteller Joseph Roth wieder trifft, der dort im Exil lebt. Nun könnten sie ihre damals versäumte Liebe nachholen, doch Roth ist Alkoholiker mit ständigen Geldsorgen, cholerisch, mit sich und der Welt unzufrieden und dazu noch krankhaft eifersüchtig …

Jan Koneffke, geb. 1960 in Darmstadt, ist ein deutscher Schriftsteller, Übersetzer und Autor zahlreicher Erzählungen und Romane. Nach der Schulzeit studierte er Philosophie und Germanistik an der FU Berlin, wo er 1987 den Magistergrad erlangte. Danach lebte er als freier Schriftsteller in Berlin. 1994 heiratete er seine langjährige Jugendfreundin. Aus dieser Ehe ging eine gemeinsame Tochter hervor. Nachdem er ein Stipendium erhalten hatte, ging er 1995 nach Rom, wo er bis 2003 seinen Wohnsitz hatte. Seither lebt er in Wien und in Bukarest, der Heimat seiner zweiten Frau.

Die Idee zu dem Roman „Im Schatten zweier Sommer“ kam dem Autor durch seinen neuen Wohnort in Wien, als er zufällig entdeckte, dass er im selben Haus in der Rembrandtstraße 35 wohnte, wie einst der junge Joseph Roth. Während dessen spätere Jahre recht gut dokumentiert sind, weiß man über seine frühe Zeit nur wenig. Es könnte also durchaus so oder so ähnlich gewesen sein, wie es sich der Autor ausdachte. Dennoch ist es eine fiktive Biografie, denn die Figuren der Fanny und der anderen Mitwirkenden sind frei erfunden.

Der Roman ist in drei Erzählebenen unterteilt. Im ersten Teil erleben wir die Protagonistin Fanny als alte Dame, die ihrem Enkel, dem Ich-Erzähler, kurz vor ihrem Tod noch aus ihrem Leben berichtet. Dabei erfährt er, dass sie eine Beziehung mit dem Schriftsteller Joseph Roth hatte. Sie hinterlässt dem Erzähler ein Tagebuch und zehn Kassetten. Die Tagebuchaufzeichnungen von Februar bis August 1914, in denen Fanny das Verliebtsein und die Unbeschwertheit des Wiener Sommers schildert, ist der Inhalt des zweiten Teils. Dem dritten Teil schließlich liegt der Inhalt der zehn Kassetten zugrunde, in denen sie ihr Wiedersehen mit Roth im Exil in Paris schildert. Wir erfahren, dass das Paar zunächst ein paar glückliche Wochen verlebte, bis …

Der Roman ist eine Mischung zwischen Fiktion und tatsächlichen Begebenheiten, unterlegt mit Zeitgeschehen, kulturellem und literaturhistorischem Material, wobei die Zeit von 1938 bis zu Roths Tod 1939 der Wirklichkeit wohl am nächsten kommt.

Fazit: Interessante Interpretation vom Leben und Wirken des berühmten Schriftstellers Joseph Roth.

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Veröffentlicht am 09.02.2024

Du gehörst nur mir …

Geordnete Verhältnisse
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Philipp ist 10 Jahre alt, rothaarig und ein Außenseiter in der Schule. Er kämpft mit seinen Wutausbrüchen, mag keine Menschen, wünscht sich aber dennoch sehnlichst einen Freund. Dann kommt eine Neue in ...

Philipp ist 10 Jahre alt, rothaarig und ein Außenseiter in der Schule. Er kämpft mit seinen Wutausbrüchen, mag keine Menschen, wünscht sich aber dennoch sehnlichst einen Freund. Dann kommt eine Neue in die Klasse, Faina, ein Mädchen aus der Ukraine, ebenfalls rothaarig wie Philipp. Zu ihr fasst er gleich Vertrauen, sie werden gute Freunde. Nach der Schule ziehen sie zusammen in eine Wohnung bis es zwei Jahre später zum großen Krach kommt und Faina spurlos verschwindet. Das war vor fünf Jahren, jetzt lebt Philipp mit Romina zusammen – bis plötzlich Faina wieder vor der Tür steht, mittellos und schwanger …

Lana Lux, geb. 1986 in Dnipro, ist eine deutschsprachige Schriftstellerin ukrainisch-jüdischer Herkunft. Ihre Familie emigrierte 1996 ins Ruhrgebiet. Seit 2010 lebt sie zusammen mit Ehemann und Tochter in Berlin und arbeitet als Autorin und Illustratorin. 2017 erschien ihr vielbeachtetes Debüt „Kukolka“, 2020 ihr zweiter Roman „Jägerin und Sammlerin“, beide im Aufbau-Verlag. Ihr dritter Roman „Geordnete Verhältnisse“ erscheint am 19.02.24 bei Hanser.

Die Autorin lässt hier kapitelweise Philipp und Faina zu Wort kommen, so dass man als Leser beide intensiv kennen lernt und in ihre Gedanken und Gefühle eintauchen kann. Dies ist bei beiden Charakteren erschreckend gut gelungen. Lana Lux versteht es meisterhaft, uns die Empfindungen sowohl von Philipp als auch von Faina nahe zu bringen und dabei nach und nach die Spannung zu erhöhen. Es ist kein Wohlfühlbuch, man muss einiges aushalten, kann es dennoch nicht mehr weglegen. Erschreckend zu lesen wie Philipp Faina immer mehr kontrolliert, ihr Kind als sein eigenes betrachtet und seine Wutausbrüche kaum noch unterdrücken kann. Kann so eine Beziehung von Dauer sein?

Fazit: Eine Geschichte von Besitzanspruch, Wut und Kontrollverlust und von einer Frau, die sich dagegen wehrt – ein Buch, das viel Diskussionsstoff bietet und lange im Gedächtnis bleiben wird.

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Veröffentlicht am 03.02.2024

Verbrechen aus Tradition

Der Club
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Hans Stichler war fünfzehn, als kurz hintereinander beide Eltern verstarben und Tante Alex, Kunstprofessorin in Cambridge, sein Vormund wurde. Sie nahm ihn nicht zu sich, sondern schickte ihn in ein Internat, ...

Hans Stichler war fünfzehn, als kurz hintereinander beide Eltern verstarben und Tante Alex, Kunstprofessorin in Cambridge, sein Vormund wurde. Sie nahm ihn nicht zu sich, sondern schickte ihn in ein Internat, das hauptsächlich von versnobten Söhnen reicher Eltern besucht wurde. Einer der dort lehrenden Mönche erkannte Hans‘ Talent im Boxen, das bereits sein Vater zu dessen Lebzeiten gefördert hatte, und trainierte ihn heimlich weiter. Bald wurde aus dem schmächtigen Jungen ein routinierter Kämpfer, der sich zu wehren wusste. Nach seiner Zeit im Internat verschaffte ihm Tante Alex ein Stipendium für einen Studienplatz in Cambridge. Als Gegenleistung sollte er Mitglied im „Pitt Club“ werden, einem exklusiven Boxclub, dessen Mitglieder sich die „Schmetterlinge“ nennen, um sich dort umzusehen und evtl. verbrecherische Machenschaften aufzudecken. An der Uni verliebt sich Hans in Charlotte, eine geheimnisvolle junge Frau die etwas zu verbergen scheint - und deren Vater mit dem „Pitt Club“ verbunden ist …

Takis Würger, geb. 1985 in Hohenhameln/Niedersachsen, ist Redakteur beim Nachrichtenmagazin Der Spiegel, für den er aus verschiedenen Ländern berichtete und für seine Reportagen zahlreiche Preise gewann. Im Alter von 28 Jahren ging er nach England, um an der Universität in Cambridge zu studieren und für den dortigen „Cambridge University Amateur Boxing Club“ im Schwergewicht zu boxen. Sein Debütroman „Der Club“ (2017) wurde sofort zum Bestseller und gehörte zu den fünf beliebtesten Romanen der unabhängigen deutschen Buchhändler im Jahr 2017. Takis Würger lebt in Berlin.

Dass sich der Autor in Cambridge auskennt und auch vom Boxen etwas versteht, ist in diesem Roman zu spüren. Er versichert jedoch, dass die Namen der Figuren und die erwähnten Institutionen nichts mit der Wirklichkeit zu tun haben und die Geschichte frei erfunden ist. Dennoch kam bei mir beim Lesen das Gefühl auf, dass alles so gewesen sein könnte.
Der Schreibstil des Autors, mit einfachen knappen Sätzen, liest sich sehr angenehm und flüssig. In kurzen Kapiteln lässt er abwechselnd jeweils eine der Personen zu Wort kommen, sodass man ihre Gedanken und Gefühle besonders eindringlich erfahren kann. Jede der Figuren ist in seiner Eigenart gut erfasst und spielt eine, für den Fortgang der Handlung, wichtige Rolle. Die Spannung ist von Anfang an hoch, mal ist als Leserin sofort im Bann der Geschichte, wozu die etwas düstere, geheimnisvolle Atmosphäre entscheidend beiträgt. Ein bisschen Liebe, etwas von einem Krimi und gut gelungene Box-Reportagen sorgen für Abwechslung und machen das Lesen zum Vergnügen.

Fazit:* Ein spannender Ausflug in die Welt der Elitären – Leseempfehlung von mir!

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Veröffentlicht am 30.01.2024

Leben im Rückblick, wie verstreute Lichtungen im Wald

Lichtungen
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Sechs Wochen waren sie unterwegs in der Schweiz und in Frankreich, nun sind sie auf der Rückreise in die Heimat, zurück nach Rumänien, Lev und Kato. Sie kennen sich seit ihrer Schulzeit, seit Kato während ...

Sechs Wochen waren sie unterwegs in der Schweiz und in Frankreich, nun sind sie auf der Rückreise in die Heimat, zurück nach Rumänien, Lev und Kato. Sie kennen sich seit ihrer Schulzeit, seit Kato während Levs Krankheit ihm die Hausaufgaben bringen musste, seither sind sie enge Freunde. Nun sind beide Mitte Dreißig. Während Kato die letzten Jahre als Pflastermalerin mit Freund Tom in ganz Europa unterwegs war, blieb Lev zurück in der Heimat und arbeitete im dortigen Sägewerk – bis er aus Zürich eine Einladung von Kato bekam. „Wann kommst Du?“ stand auf der Postkarte, mehr nicht, aber Lev verstand …

Iris Wolff, geb. 1977 in Hermannstadt/Siebenbürgen, ist eine deutsche Schriftstellerin die ihre Kindheit im Banat verbrachte, bis sie 1985 mit ihrer Familie nach Deutschland auswanderte. Sie studierte Deutsche Sprache, Literatur, Religionswissenschaft sowie Grafik und Malerei an der Universität in Marburg. Seit 2018 ist sie als freie Schriftstellerin tätig und lebt heute in Freiburg/Brsg.

Der Roman „Lichtungen“ (2024) ist die rückwärts erzählte Geschichte einer Freundschaft, aus der später Liebe wird. Man beginnt bei Kapitel neun und arbeitet sich zurück bis zu Kapitel eins. Da die einzelnen Kapitel jedoch chronologisch erzählt werden, springt man in der Zeit ständig vor und zurück. Hinzu kommen immer wieder neue Personen, die aber später (vorher im Buch) keine Rolle mehr spielen. Das ist sehr verwirrend und tut der Geschichte nicht gut, da sie auseinander gerissen wird und ein roter Faden fehlt. Man erfährt zwar einiges über die rumänische Geschichte und den Wandel in Europa, doch das ist zeitlich schwierig einzuordnen. Die Öffnung der Grenzen verändert das Leben der Protagonisten und ihre Beziehung zueinander, was man aber bereits ein Kapitel zuvor bereits erfahren hat. Dadurch wirken auch die Protagonisten ziemlich blass, obwohl der Schreibstil der Autorin recht gut und facettenreich ist.

Fazit: Inhaltlich und sprachlich nicht schlecht, doch die Erzählweise konnte mich nicht überzeugen.

(Eine wunderbar rückwärts erzählte Geschichte ist z.B. „Die Überlebenden“ (2022) von Alex Schulman. Da stimmt alles und am Schluss schließt sich Anfang und Ende harmonisch zum Kreis.)

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