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Veröffentlicht am 17.02.2022

Der Weg war das Ziel …

Gehen, ohne je den Gipfel zu besteigen
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Zu seinem 40. Geburtstag erfüllte sich der italienische Schriftsteller Paolo Cognetti den lange gehegten Wunsch, eine 4wöchige Trekkingtour in die Dolpo-Region im Himalaya, im Grenzgebiet zwischen Tibet ...

Zu seinem 40. Geburtstag erfüllte sich der italienische Schriftsteller Paolo Cognetti den lange gehegten Wunsch, eine 4wöchige Trekkingtour in die Dolpo-Region im Himalaya, im Grenzgebiet zwischen Tibet und Nepal. In Begleitung seiner beiden Freunde Nicola und Remigio, im Rucksack das Buch Auf der Spur des Schneeleoparden von Peter Matthiessen, der diese Tour etwa 40 Jahre zuvor gegangen war, schlossen sie sich einer Reisegruppe aus den Alpen an. Mit zwölf Einheimischen, die für Zelte, Ausrüstung und Proviant verantwortlich waren und fünfundzwanzig Maultieren, auf denen das Gepäck verstaut wurde, begab sich die 10köpfige Gruppe im Oktober 2017 von Kathmandu aus auf eine Tour, die sie über Fünftausender-Pässe, vorbei an buddhistischen Klöstern und Yak-Herden, in die abgeschiedensten Gegenden führen wird.

In Optik und Haptik macht das kleine Buch jedenfalls was her und wirkt sehr edel. Bereits der Titel „Gehen, ohne je den Gipfel zu besteigen“ lässt erahnen, dass es dem Autor bei dieser Trekkingtour um spirituelle Erfahrungen geht. Immer wieder vergleicht er sich mit Peter Matthiessen und zieht dessen Buch zurate. Dabei bleiben leider Gespräche und zwischenmenschliche Begegnungen mit seinen Freunden im Hintergrund, während der Autor sich ganz auf die Landschaft, auf die Tier- und Pflanzenwelt, und auf Skizzen des Gesehenen konzentriert. Dennoch hat mich das Buch nicht gepackt. Ich konnte weder die Erhabenheit der Berge, noch die Strapazen der Wanderer oder die Sinnsuche Cognettis wirklich erkennen, was wohl an der doch recht ‚flachen‘ Schreibweise liegen mag.

Fazit: Ein Buch, das mich inhaltlich nicht begeistern konnte.

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Veröffentlicht am 15.02.2022

The German in Laramie

Alle Toten fliegen hoch
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Joachim ist achtzehn, als ihm seine Großeltern ein Austauschjahr in den USA spendieren. Der Junge aus der kleinen norddeutschen Provinzstadt zieht in die große weite Welt, so dachte er jedenfalls, doch ...

Joachim ist achtzehn, als ihm seine Großeltern ein Austauschjahr in den USA spendieren. Der Junge aus der kleinen norddeutschen Provinzstadt zieht in die große weite Welt, so dachte er jedenfalls, doch er landete in Laramie, einer Kleinstadt mitten in der Prärie in Wyoming. Dort war alles komplett anders als zu Hause, besonders das Wasserbett machte ihm Probleme. Auch mit der englischen Sprache kam er anfangs nicht zurecht. Zum Glück waren seine Gasteltern sehr nett und er verstand sich gut mit ihnen. Weniger gut war sein Verhältnis zu Don, dem jüngsten der drei Söhne seiner Gastgeber, mit dem er das Badezimmer teilen musste. Doch bald gewöhnte sich der Erzähler an sein neues Leben, an die ungewohnte Freiheit und findet erste Freunde. Der Gipfel des Glücks war für The German, wie er in seiner Schule allgemein genannt wurde, als er in das Basketballteam aufgenommen wird. Doch dann kommt ein Anruf aus Deutschland, der alles verändert …

Der Autor Joachim Meyerhoff, Jahrgang 1967, ist Schauspieler am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg und Ensemblemitglied des Wiener Burgtheaters. Nach seinem autobiographischen Roman „Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war“, in dem er über seine Kindheit und Jugend auf dem Gelände der von seinem Vater geleiteten Psychiatrie erzählt, ist „Alle Toten fliegen hoch“, in welchem er über seine Erlebnisse als Austauschschüler in den USA berichtet, sein zweiter Roman. Meyerhoff hat zwei Töchter und einen Sohn. Er lebte bis 2019 in Wien und seither in Berlin.

Dass er erzählen kann, beweist der Autor auch hier wieder. Großartig, wie er in seinen Erinnerungen kramt und dabei eine Anekdote nach der anderen hervorzaubert. Ob er das alles erlebt hat, weiß nur er selbst. Ist auch egal, Hauptsache er unterhält, und das tut er ausgezeichnet. Sein Schreibstil ist sehr bildgewaltig und ausdrucksstark, das Geschehen wechselt geschickt zwischen Humor und Ironie, zwischen Komik und Tragik. Bei seinem Rückblick auf die 80er Jahre ist Meyerhoff recht unsentimental und beschreibt die Ereignisse so detailliert, dass man sie als Leser bildhaft vor Augen hat. Obwohl der Humor überwiegt gibt es auch ernste und traurige Begebenheiten, von denen er hier erzählt und verschweigt auch nicht die mannigfachen Schwierigkeiten, die sich ihm in den Weg stellten.

Fazit: Ein unterhaltsames Buch, gekonnt geschrieben, schonungslos ironisch und irrsinnig komisch, dennoch berührend und tiefsinnig.

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Veröffentlicht am 13.02.2022

Leben mit weniger Ballast

Mehr vom Weniger
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Über Minimalismus hatte ich schon gehört und auch gelesen, mich aber bisher noch nicht mit der Thematik befasst. Da kam mir das Buch „Mehr vom Weniger“ gerade recht, zumal der Untertitel „Minimalismus ...

Über Minimalismus hatte ich schon gehört und auch gelesen, mich aber bisher noch nicht mit der Thematik befasst. Da kam mir das Buch „Mehr vom Weniger“ gerade recht, zumal der Untertitel „Minimalismus für Anfänger“ lautet.

Beim Blick ins Buch fällt sofort die sinnvolle Aufteilung in Bereiche des täglichen Lebens ins Auge. Zur Demonstration sind dazwischen sehr schöne Bilder eingefügt, die Minimalismus demonstrieren und das Textmaterial verdeutlichen sollen. Die einzelnen Themen regen dazu an das eigene Verhalten zu überdenken und waren für mich der Anlass, schon mal das eine oder andere unnütze Teil zu entsorgen – zu mehr konnte ich mich nicht durchringen.

Optisch ist das Buch sehr schön gestaltet, die Texte sind unterhaltend und die einzelnen Kapitel sind von angenehmer Länge, dazwischen eingefügte Interviews lockern den Inhalt angenehm auf. Leider macht die Autorin reichlich Eigenwerbung für ihr Vorgängerbuch und weist auch immer wieder auf Influencer und Blogger hin, was ich in der Häufung doch ziemlich störend fand.

Fazit: Wer sich ernsthaft für das Thema interessiert, für den kann es ein guter Anfang sein – mich konnte es leider nicht überzeugen.

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Veröffentlicht am 09.02.2022

Das Paradies kann auch die Hölle sein

Zum Paradies
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Ein altes Haus im viktorianischen Stil in New York am Washington Square und seine Bewohner in den Jahren 1893, 1993 und 2093 – drei Geschichten, die jeweils 100 Jahre auseinander angesiedelt sind.

Zuerst ...

Ein altes Haus im viktorianischen Stil in New York am Washington Square und seine Bewohner in den Jahren 1893, 1993 und 2093 – drei Geschichten, die jeweils 100 Jahre auseinander angesiedelt sind.

Zuerst geht es um David Bingham, ein homosexueller junger Mann, der seinen Weg noch nicht gefunden hat. Er wohnt bei seinem reichen Großvater, der alles für ihn regelt und bestimmt, und den er einmal beerben soll. Doch dann verliebt er sich in einen armen Musiklehrer von zweifelhafter Herkunft und erhofft mit ihm eine glückliche Zukunft. - Im zweiten Teil geht es wieder um einen homosexuellen jungen Mann namens David, ein Nachfahre der Binghams mütterlicherseits, der in einer Partnerschaft mit einem älteren Mann lebt, der auch alles für ihn regelt. Dass dieser David hawaiianische Wurzeln hat erfährt man durch einen sehr langen Brief des Vaters, indem er seine Lebensgeschichte und die seiner Vorfahren erzählt. - Die dritte Geschichte, die in der Zukunft handelt, erzählt von einem homosexuellen Mann und einer durch Krankheit körperlich und geistig zurückgebliebenen jungen Frau, Charlie Bingham, deren Ehe zweckmäßigerweise arrangiert wurde. Es herrscht eine bedrückende Atmosphäre, in der alles vom Staat geregelt und überwacht wird. Dann lernt die junge Frau einen ebenfalls jungen Mann namens David kennen, der sie zur Flucht überreden will.

Die US-amerikanische Journalistin und Schriftstellerin Hanya Yanagihara wurde 1974 in Los Angeles geboren und wuchs auf Hawaii auf. Ihr Vater ist gebürtiger Hawaiianer japanischer Abstammung, ihre Mutter gebürtige Südkoreanerin. „Zum Paradies“ ist der dritte Roman der Autorin, die in New York lebt und arbeitet.

Mit großen Erwartungen begann ich mit dem Lesen dieses Buches, wurde aber letztendlich sehr enttäuscht. Den ersten Teil, der 1893 in einem anderen New York spielt als wir es heute kennen, fand ich noch einigermaßen interessant: ein freier Staat, in dem nahezu alles erlaubt ist, in dem die gleichgeschlechtliche Ehe eine Selbstverständlichkeit ist und in dem die Menschen diese Freiheit auch ausleben. Bereits zu Anfang des zweiten Teils, bei dem die Krankheit AIDS eine große Rolle spielt, war ich leicht verwirrt. Die Namen der Männer aus dem ersten Teil tauchen hier, 100 Jahre später, unter ähnlichen Voraussetzungen wieder auf. Völlig den Faden verlor ich aber, als einer der Protagonisten einen gefühlt 300 Buchseiten langen Brief seines Vaters, der König von Hawaii gewesen war, erhielt. Aus Langeweile habe ich den Rest nur noch überflogen. Dies änderte sich wieder mit dem dritten Teil, einer Dystrophie, in der eine diktatorisch verwaltete Gesellschaft von Pandemien heimgesucht wird. Hier ist auch die erste und einzige weibliche Protagonistin des Buches zu finden. Wenig einfallsreiches Science-Fiction-Szenario, anhaltende Katastrophenstimmung infolge des Klimawandels und einige der derzeit bekannten Verschwörungstheorien samt Quarantänemaßnahmen hemmten jedoch meine Freude am Lesen.

Zusammenfassend habe ich den Eindruck, die Autorin wollte jedes der derzeit gängigen Themen in ihrem Buch unterbringen.

Fazit: Die Idee, über einen Ort und seine Bewohner im Laufe dreier Jahrhunderte zu erzählen, fand ich grundsätzlich gut – da es sich jedoch sehr in die Länge zog und dabei wenig passierte, konnte mich die Umsetzung leider nicht überzeugen.

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Veröffentlicht am 08.02.2022

Vom Kampf gegen die Unmenschlichkeit

Die Nachtigall
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Oregon 1995: Aus Anlass des bevorstehenden Umzugs in ein Seniorenheim entdeckt eine alte Dame einen Koffer, dessen Inhalt sie an längst vergangene Ereignisse erinnert. Es war in Frankreich im Sommer 1939, ...

Oregon 1995: Aus Anlass des bevorstehenden Umzugs in ein Seniorenheim entdeckt eine alte Dame einen Koffer, dessen Inhalt sie an längst vergangene Ereignisse erinnert. Es war in Frankreich im Sommer 1939, kurz vor Ausbruch des Krieges. Die 18jährige Isabelle Rossignol wohnt noch in Paris bei ihrem Vater, während ihre ältere Schwester Vianne bereits verheiratet ist, eine 8jährige Tochter hat und im ländlichen Carriveau im Loiretal lebt. Die beiden Schwestern sind in ihrem Wesen grundverschieden - Isabelle begann nach dem frühen Tod der Mutter zu rebellieren und musste deshalb öfters das Internat wechseln, Vianne jedoch passte sich der Situation an, verliebte sich früh, heiratete bereits mit 17 Jahren und ist immer noch sehr glücklich. Doch dann marschieren die Nazis in Frankreich ein, Hitlers Truppen besetzen Paris, Viannes Mann Antoine wird eingezogen und Isabelle wird zu ihrer Schwester aufs Land geschickt. Kaum haben die beiden Schwestern ihr neues gemeinsames Zusammenleben arrangiert, als auch Carriveau von den Deutschen besetzt wird und bei ihnen ein Wehrmachtsoffizier einquartiert wird. Jetzt wird die Situation besonders für Vianne und ihre kleine Tochter sehr gefährlich, denn Isabelle kann ihre Meinung über den Feind nicht für sich behalten. Die Lage spitzt sich zu, die Wege der Schwestern trennen sich und jede kämpft von nun an auf ihre Weise ums Überleben …

Kristin Hannah, die Autorin des Buches „Die Nachtigall“, ist eine der erfolgreichsten Schriftstellerinnen der USA. Sie wurde 1960 im südkalifornischen Garden Grove geboren. Sie studierte Jura und arbeitete, bevor sie 1991 zu schreiben begann, als Rechtsanwältin in Seattle. Seither schrieb sie zahlreiche Romane, die alle auch auf Deutsch erschienen sind. Heute lebt sie mit ihrem Mann und ihrem Sohn auf einer kleinen Insel im Pazifischen Nordwesten der USA.

Selten hat mich eine Geschichte so erschüttert und betroffen gemacht, zumal sie, wie zu lesen ist, nach den wahren Schicksalen französischer Frauen erzählt wurde. Es sind die Männer, deren Heldentaten in die Geschichtsbücher eingehen, die Kämpfe der Frauen bleiben im Verborgenen. Hier wird über die Frauen im Zweiten Weltkrieg berichtet, über ihren Mut, ihre Stärke, ihren Kampfgeist, ihre Opferbereitschaft und ihren Willen zum Überleben.

Der Schreibstil ist dabei von beeindruckender Intensität. Der Autorin gelingt es, eine bildhafte, aufwühlende Atmosphäre von Angst, Brutalität und Erbarmungslosigkeit zu schaffen, die jedoch immer wieder mit Lichtblicken von Hoffnung und Zuversicht unterbrochen wird. Die Figuren der Geschichte scheinen lebendig, ihre Sorgen um die Familie, der Hunger und ihr verzweifelter Kampf um Lebensmittel und Brennmaterial empfindet man sehr real und nachvollziehbar. Die Gräuel des Krieges werden nicht verschwiegen und durch kleine Rückblenden und Erinnerungen wird der Kontrast zu Friedenszeiten besonders deutlich.

Fazit: Ein Roman der betroffen und nachdenklich macht und die Frage aufwirft, wie man selbst in solchen Situationen handeln würde. Ein Lese-Highlight, das ich gerne weiter empfehle.

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