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Veröffentlicht am 13.08.2024

Mord im Urlaubsparadies

Salute - Der letzte Espresso
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Regionalkrimis gibt es unterdessen wie Sand am Meer, ich versuche immer wieder, etwas Besonderes aus diesem Bücherberg zu ziehen. Aber leider klappt das nicht immer. Der neue, da als Reihe avisiert, auch ...

Regionalkrimis gibt es unterdessen wie Sand am Meer, ich versuche immer wieder, etwas Besonderes aus diesem Bücherberg zu ziehen. Aber leider klappt das nicht immer. Der neue, da als Reihe avisiert, auch der erste Gardaseekrimi von Friedrich Kalpenstein hat es noch nicht ganz auf mein imaginäres Treppchen der besten Krimis geschafft. Die Idee, dass ein Deutscher sich in Italien niederlässt, noch dazu ein Ex-Kriminalkommissar, die ist nicht ganz neu und erinnert mich sehr an die Lago-Maggiore-Krimis von Andrea Di Stefano.
Den beiden in Bardolino konkurrierenden Protagonisten, Lanza ist der italienische Polizist, Zeitler der zugezogene Ex-Polizist und Café-Besitzer, sind nicht ganz so leichtfüßig angelegt, wie man das erhoffen würde. Beide suchen jedenfalls einen Mörder, der sein getötetes Opfer just im WC von Zeitlers Café hinterlassen hat.
Am meisten kommt noch Italienflair beim Lesen auf, wenn man über die leckeren Backwaren liest oder über den Run auf die Designerboutique, in der Zeitler mal kurz den Verkäufer mimt.
Wie die beiden unterschiedlichen Männer in Zwangsgemeinschaft das Rätsel des Kriminalfalles lösen, will ich hier natürlich nicht beschreiben, amüsant ist es schon, auch wenn sich alles etwas hinzieht.
Ich gebe gute drei Sterne und auch eine Leseempfehlung für Regionalkrimibegeisterte.

SaluteDerletzteEspressoEinFallfürLanzaZeitlerBand1

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Veröffentlicht am 13.08.2024

Und es geht weiter, weiter, weiter …

Die Welt zwischen den Nachrichten
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Das Rezensieren dieses Buches, das das Genre Roman hat, aber sich nicht wie ein Roman flüssig und schon gar nicht leicht gelesen. Zu Beginn war ich unsicher, ober ich überhaupt weiterlesen möchte, aber ...

Das Rezensieren dieses Buches, das das Genre Roman hat, aber sich nicht wie ein Roman flüssig und schon gar nicht leicht gelesen. Zu Beginn war ich unsicher, ober ich überhaupt weiterlesen möchte, aber Seite um Seite habe ich mich „dem Mittelpunkt der Erde“ genähert und es war tatsächlich spannend, Judith Kuckarts 12. Roman bis zur letzten Seite zu folgen. Dort findet sich dieses Gedicht „Telegramm – Nicht wichtig / ist / was man aus uns gemacht hat / wichtig ist / was wir aus dem machen / was man / aus uns gemacht hat. *“
Ich habe selbst im letzten Jahr versucht, für meine Tochter einige Erinnerungen aufzuschreiben, die einzelnen Kapitel nannte ich „Gedankensplitter“. Nun begegne ich einem Roman, der aus solchen Erinnerungen an Kindheit, Jugend, Liebe und anderes besteht, aus vielen Gedankensplittern eben. Das hat mich beim Lesen mehr und mehr fasziniert, obwohl der Beginn des Romans schon sehr holperig und sprunghaft erschien. Ja, man muss sich darauf einlassen, dass hier Gedanken, Träume, echte Erinnerungen und fliegende Ideen ineinandergreifen. Ich kenne den Begriff autofiktional, vielleicht trifft er ja zu. Beim Lesen jedenfalls hatte ich das Gefühl, in einen wolkigen Himmel zu schauen und je länger ich schaute und las, um so mehr erschienen Gesichter, Umrisse von Gebäuden, Tiere und Stadtsilhouetten vor meinem geistigen Auge.
Judith Kuckart ist fünf Jahre jünger als ich, aber wir gehören beide dieser ominösen sogenannten Babyboomergeneration an, habe Ähnliches und doch ganz Verschiedenes erlebt. Sie vor der Mauer im Ruhrgebiet, ich in Ostberlin. Oder war sie hinter der Mauer und ich davor? Eine Frage der Perspektive. Sie sagt Grenzübergang Moritzplatz, ich sage Grenzübergang Heinrich-Heine-Straße. Ich kannte bis heute Judith Kuckarts Namen nicht, Tanz ist nicht unbedingt in meinem Fokus (gewesen) und ihre Romane sind leider alle ungelesen an mir vorbeigezogen. Umso froher bin ich, Judith Kuckart jetzt kennengelernt zu haben. In einer Zeit gesellschaftlicher Umbrüche, wie sie in der Bundesrepublik auch nur selten so sichtbar waren, stellt sie sich der Frage nach dem Woher und Wohin. Und sie beschreibt auf sehr eigene Art den Weg dazwischen. Vom Kind, vom Mädchen zur Frau, immer mit eigenem Kopf und eigenen Gedanken. Nur so konnte sie etwas werden, was sich von anderen abhebt und beachtet wird.
Der bruchstückhafte Erzählstil wird unterbrochen von den zwölf „Kantinen“-Kapiteln. Und mit diesen Kapiteln kommen die Begegnungen mit Eva K., geheimnisvoll, verwirrend, anziehend, ermunternd, wie auch immer, Eva K. bleibt beinahe bis zum Schluss. Mir hat diese Art, den (Lebens)-Kreis zu schließen dann doch sehr gefallen. Auch die anderen Protagonisten sind liebevoll und zugewandt beschrieben, selbst Methusalem, den älteren und jahrelangen Lebensgefährten kann ich mir hundertprozentig vorstellen. Einfach berührend, wie Judith Kuckart auf ihre Freunde, Bekannten und Zeitgenossen blickt. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass es sehr schwer ist, über die eigenen Eltern oder Verwandten zu schreiben, das ist immer auch eine Gratwanderung. Der Autorin gelingt auch das gut, es gibt eben einfach nicht immer nur eitel Sonnenschein in den Erinnerungen an ein ganzes Leben.
Eingestreut in die Texte sind Fotos, bei manchen erschließt sich der Sinn, manche hätten vielleicht einen kleinen Bildtext benötig.
Das Cover kenne ich nur durch das E-Book, wie es gedruckt wirkt, weiß ich nicht, es ist nicht ganz mein Geschmack, aber der Buchtitel ließ mich bei der Ankündigung aufhorchen. Jeder kann da seine Empfindungen hineininterpretieren. Irgendwann ist die Mauer weg und es zieht um alle Ecken in Berlin, dazwischen eben das Leben, der aufgewirbelte Staub und die Liebe und der Tod.
Ich hoffe, Judith Kuckart, braucht noch keine Stützstrümpfe, und wenn, bringt sie das hoffentlich nicht um. Aber was ich mir wünsche, ist, dass sie niemals wieder eine Lehrerin verbessert und meint, es heiße nicht Lehrerzimmer, sondern LehrerInnenzimmer. Oder sollte das ein Witz sein? Da kann ich leider nicht drüber lachen. Auch Studierende und Tanzende muss ich nicht unbedingt haben, wenn es sich um schlichte Studenten oder Tänzer handelt.
Trotz Kritiken: Gern empfehle ich das Buch, es könnte aber sein, dass manche Leser es wieder weglegen, weil sie mit dieser Zeit zwischen Ost und West und den zwölf Kantinen nichts anfangen können. Bei mir hat das Buch jedenfalls viele Erinnerungen getriggert, Dinge, an die ich schon Jahre nicht mehr gedacht habe.
Gute vier Sterne

dumontbuchverlag

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Veröffentlicht am 03.08.2024

Schlecht Gendern kann er gut

Die Geschichten in uns
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Ich habe bisher noch kein Buch von Benedict Wells gelesen, es mag an den Themen liegen oder an der Menge der Bücher, die jährlich erscheinen. Auch wer gerne liest, schafft nicht alles. Also dachte ich ...

Ich habe bisher noch kein Buch von Benedict Wells gelesen, es mag an den Themen liegen oder an der Menge der Bücher, die jährlich erscheinen. Auch wer gerne liest, schafft nicht alles. Also dachte ich mir, wenn dieser Autor nun übers Schreiben schreibt, warum nicht, das interessiert mich, und will ich wissen, wie er es geschafft hat, zum berühmten Diogenes Verlag zu kommen. Ich erfuhr: es war ein steiniger Weg. Aber er war erfolgreich und unterdessen sind seit 2008 so einige Romane von Wells über den Ladentisch gegangen und in unfassbar viele Sprachen übersetzt worden. Wenn so viele ihn mögen, muss doch etwas dran sein, war da mein Gedanke. Ich glaube, das stimmt sogar, dieser Benedict Wells kann schreiben, er schreibt schnell lesbare und flüssige Texte, streut Ironie und Selbstkritik ein – hier im beschriebenen Buch ist das jedenfalls so. Und er erzählt ein bisschen von seiner Familiengeschichte und seiner eigenen Biografie. Etwas ungewöhnlich ist diese, besser gesagt, dieses Künstlerleben fällt schon aus der Reihe. Besonders seine Kindheit und Jugend ist halbvoll von unangenehmen Erlebnissen, aber der Liebe zu den Eltern tut das keinen Abbruch, und das Aufwachsen in Internaten ist gewiss prägend für sein späteres Dasein.
Was mich zumindest innig mit Wells verbindet, ist seine Leidenschaft für John Irving. Ich las Das Hotel New Hampshire und andere Romane mit Ende 20 im Original und konnte nie mehr von Irving lassen.
Wells lässt den Leser also hinter seinen Vorhang schauen und es macht auch Spaß, ihm zu folgen, wäre da nicht das permanente Gendern, das mich bei der Lektüre total aus der Bahn geworfen hat.
Das Buch strotzt von „Autor:innen, Leser:innen, Anfänger:innen, …“, als ich dann die Danksagung erreicht hatte, kam es ganz dicke „Liebe Diogenes:innen“…“. Die geschlechtergerechten Partizipialkonstruktionen erwähne ich gar nicht erst. Mir tut das jedenfalls in meiner deutschen Bücherseele weh, dieses Buch so verhunzt zu sehen. Wells bezieht sich u. a. in seinen Erinnerungen auch auf einen Spiegel-Artikel von Verena Carl vom 26.09.2004. Zu der Zeit wurde aber noch nicht gegendert, Zitat aus dem Artikel von Carl: „Auf den ersten Blick schon: Jungautoren mit Substanz wie Judith Hermann haben sich gehalten, um literarische Dampfplauderer ist es nicht weiter schade.“ Die Erwähnung von „Jungautoren war damals noch legitim, selbst wenn es um weibliche Autoren ging. Wells impliziert so, dass das Gendern ihm eigentlich fast angeboren ist. Empfinde ich als Verfälschung. Zumindest gab es beim jungen Wells noch ein „Studentenleben“!
Wells hat wirklich kluge Gedanken geäußert, gerade im zweiten Teil könnten potentielle Schriftsteller so einiges lernen, das fürs Erstlingswerk sehr wichtig wäre, auch wenn mir nicht alles, was er empfiehlt, praktikabel erscheint.
Wells hat dann doch noch den Bogen gekriegt, wenn er schreibt: „Oder wie der Sprachkritiker Wolf Schneider sagt: »Beim Text muss sich einer quälen, der Absender oder der Empfänger. Besser ist, der Absender quält sich.«“ Bei mir war es wohl eher umgekehrt.
Mir hat tatsächlich der erste, aufschlussreiche biografische Teil sehr gefallen, aber richtig am gesamten Buch freuen kann ich mich nicht. Schade.
Aber: man soll das Kind nicht mit dem Bade ausschütten, deshalb habe ich mir nun „Hard Land“ gekauft, um den Romanautoren Benedict Wells besser kennenzulernen. Es ist zwar als „Jugendbuch“ bekannt geworden, aber das stört mich auch im Alter nicht! Und im Gegensatz zu dem hier rezensierten Sachbuch fand ich in seinem Roman zumindest auf den ersten dreißig, vierzig Seiten keinen Gender-Doppelpunkt. Wie er mir inhaltlich gefällt, werde ich in einer anderen Rezension schreiben. Dass mich der Schreibstil von Wells sehr anspricht, habe ich ja schon erwähnt.
3 Sterne, mehr werden es trotzdem nicht.

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Veröffentlicht am 02.08.2024

Leider nicht mein Romanstil

Das Pfauengemälde
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Ich habe mich um dieses Buch als Rezensionsexemplar beworben, da mir die Leseprobe und die kurze Inhaltsangabe sehr interessant erschienen. Aber leider wurde ich mit fortschreitender Geschichte sehr enttäuscht.
Ana, ...

Ich habe mich um dieses Buch als Rezensionsexemplar beworben, da mir die Leseprobe und die kurze Inhaltsangabe sehr interessant erschienen. Aber leider wurde ich mit fortschreitender Geschichte sehr enttäuscht.
Ana, die den deutschen und den rumänischen Pass besitzt, schon lange in Deutschland lebt, fährt nach Rumänien in die familiäre Vergangenheit. Der Tod ihres Vaters, der dort verstorben ist, liegt ihr wie ein Stein auf der Seele, nun will sie endlich ihr Erbe antreten und bemüht sich ehrlich um ein echtes Ankommen in Rumänien. Das fällt ihr schwer, die vielen, verwirrend vielen Angehörigen machen es ihr nicht leicht, aber auch in der rumänischen Bürokratie verfängt sie sich. Ihr Vater hat immer von einem Bild, dem Pfauengemälde, gesprochen, dass ihr Erbe sein soll. Zeitweise zweifelt man im Roman, ob es überhaupt vorhanden sein wird in den verschlungenen Katakomben der Bürokratie. Besonders, weil das sogenannte Rumänienhaus, das wohl das enteignete Haupteigentum der Familie ist, eine so vorrangige Rolle spielt.
Schon zu Beginn des Romans wird klar, dass Ana psychische Probleme hat, und so verwirrt wie ihre Gedanken sind, so verwirrend ist auch der Fortgang der Geschichte. Die Gedankensprünge vorwärts, rückwärts und wieder ins Jetzt und die Vergangenheit machten mir das Lesen nicht gerade angenehm. Ihre problematischen Liebesbeziehungen kommen hinzu.
Interessant ist für mich das Land Rumänien, ich habe es bisher nicht besucht und auch meine Lektüre ging kaum in diese Richtung. So gibt es im Buch doch auch Eindrücke, die ein wenig das Unstete und Wilde dieses Landes erklären. Was mir so gar nicht geholfen hat, waren die Spaziergänge zu den rumänischsprachigen Straßen und Plätzen. So, wie ich gern ein Personenverzeichnis gehabt hätte zur Orientierung, hätte mir z. B. auf dem Vorsatzpapier gut eine Straßenkarte vorstellen können. Ein paar Übersetzungen der rumänischen Einsprengsel wären auch hilfreich gewesen. Nicht alles hat sich mir sofort erschlossen.
Aus meiner Sicht hat die Autorin in ihrem Erstlingsroman zu viel gewollt und sich dadurch etwas verzettelt.
Das Ende ist nicht das, was ich erwartet hätte, aber es hat mich berührt.
Gute 3 Sterne.

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Veröffentlicht am 21.07.2024

Voller Liebe und Mut

Der Blick einer Frau
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Ich lese gern Romane, die sich auf historische Personen und Ereignisse beziehen. Hier geht es um das (Kriegs-)Fotografenpaar Gerda Taro und Robert Capa und vorrangig um deren Engagement im Spanischen Bürgerkrieg. ...

Ich lese gern Romane, die sich auf historische Personen und Ereignisse beziehen. Hier geht es um das (Kriegs-)Fotografenpaar Gerda Taro und Robert Capa und vorrangig um deren Engagement im Spanischen Bürgerkrieg. Meine Kenntnisse über diesen Krieg sind nicht besonders ausgeprägt, aber doch so gefestigt, dass ich auch über die Rolle der beiden Fotografen bereits seit Jahren viel erfahren, besonders gelesen habe. Schon 1994 veröffentlichte Irme Schaber, die auch im Nachwort erwähnt wird, die erste große Biografie über Gerda Taro, 2013 erschien eine Neuauflage, die den Fund, der hier im Roman eine Hauptrolle spielenden 800 Taro-Fotos beinhaltete. Jetzt, 2024, erscheint von Schaber bei Hentrich & Hentrich „Freiheit im Fokus“ über die beiden Fotografen in Leipzig. Das ist eine interessante Parallele, denn Gerda Taro floh 1933 aus Leipzig vor den Nazis nach Paris. Es gibt unzählige Zeitschriftenbeiträge, Fotobücher, es gab berühmte Ausstellungen, besonders die in New York. Taro und Capa waren und bleiben ikonische Figuren der Fotografiegeschichte. Taro und Capa waren mir also keine Unbekannten. Belletristische Werke über beide sind aber eher selten. Hier füllt nun Caroline Bernard eine Lücke. Diese Autorin hat sich auch bisher sehr der weiblichen Seite der Geschichte zugewendet, seien es die Malerin Frida Kahlo, die Schriftstellerin Simone de Beauvoir, oder zuletzt auch die Fluchthelferin Lisa Fittko in „Die Wagemutige“. Immer stellt sie die feministische und zugleich aktive und mutige Seite der Frauen in den Mittelpunkt ihrer Romane.
Dieses Buch und das Buch über Lisa Fittko heben sich übrigens durch ein eher realistisches Fotocover von den anderen Romanen der Autorin ab. Bei so romantisierten Covern, wie sie für die Reihe Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe verwendet wurden, hätte ich wahrscheinlich gar nicht zugegriffen.
Bernard fixiert ihre Romane – wie hier über Gerda Taro – sehr auf das ganz Private, Persönliche und Intime ihrer Protagonistinnen. Damit erreicht sie wahrscheinlich auch ein Publikum, das ansonsten Biografien aus dem Sachbuchgenre nicht so sehr mag. Bernard identifiziert sich total mit ihrer Heldin, steht auf ihrer Seite und verteidigt sie gegen Kritik (auch im übertragenen Sinne). Wer sich mehr für die rein biografischen, knallharten, belegten Fakten interessiert, wird aber auch hier im Buch recht gut versorgt, auch wenn die Geschichte teilweise zur Liebesromanze oder -tragödie tendiert. Insbesondere auch die historischen Informationen zum Spanischen Bürgerkrieg sind aufschlussreich, bleiben aber natürlich begrenzt.
Der Roman umfasst die Jahre 1931 bis 1937, 1933 wird Gerta Pohorylle von der Gestapo in Leipzig in Schutzhaft genommen und entkommt nach der Entlassung über die Grenze nach Frankreich, sucht wie die meisten jüdischen und nichtjüdischen Flüchtlinge in Paris nach einer neuen Bleibe. Die Situation der Flüchtlinge beschreibt die Autorin sehr lebensecht und es hinterlässt bei mir einen bitteren Nachgeschmack, wie herabwürdigend die Situation für Menschen wie Gerta war. Aber sie gibt nicht auf und beißt sich jeden Tag aufs Neue durch. Das Geschick, noch aus weniger als nichts etwas zu machen, durchzieht das ganze Buch. Als sie Endre Friedmann, auch Flüchtling, auch jüdisch, kennenlernt, da entbrennt eine große Liebe, deren Feuer bis zur letzten Seite des Romans nicht enden wird. Beide ändern ihre Vornamen gleich nach der Ankunft, weil die Namen in Frankreich so ungewöhnlich klingen, sie sind zusammen: Gerda und André. Gerda wird bei André das Fotografieren lernen, und sie wird ihn später beinahe in den Schatten stellen.
Der zweite Handlungsstrang ist eine fiktive Erzählung über eine mexikanische Fotografin, die ihren Lebensunterhalt u. a. mit dem Entrümpeln von Wohnungen bestreitet. Als sie auf einen Koffer mit Hunderten Fotos stößt, ist ihr Spürsinn gefragt und sie begibt sich auf einen Weg, der die Wahrheit über die Fotos, aber auch über die ihrer Mutter und Familie preisgeben wird.
Der Schreibstil ist manchmal etwas langatmig, sich wiederholende Sequenzen von Gedanken, die Gerda durch den Kopf gehen, und auch die Geschichte der Mexikanerin Christina wirken ein wenig gewollt. Die Charaktere werden aber recht anschaulich beschrieben, auch die Nebendarsteller sind interessant gestaltet, sei es Willy Brandt oder Hemingway, spanische Kraftfahrer oder französische Kinder, alle werden gekonnt skizziert.
Gerda Taro wird als die „Erfinderin“ von Robert Capa gerühmt, zuerst aber wählt sie ihren eigenen Künstlernamen „Taro“, dann fällt ihr spontan der „Robert Capa“ ein, dem sie auch gleich noch eine neue Biografie verpasst. Dass sich André bisweilen beschwert, dass sie Robert lieber mag als ihn, kann nicht verwundern, denn mit dem neuen Namen gibt sie ihm auch einen anderen äußeren Anstrich, vom Landstreicher zum Gentleman. André, der ein paar Jahre jünger ist als Gerda, ist aus meiner Sicht zu Recht etwas ungehalten über die Veränderung seines Selbst. Auch wenn sie ihm geschäftlich sehr guttut.
Ich will nicht zu viel vom Inhalt preisgeben, die Fakten kann jeder bei Wikipedia etc. im Internet googeln, wie die Autorin die Geschehnisse und insbesondere die Erlebnisse im Spanischen Bürgerkrieg beschreibt, das geht aber mehr unter die Haut, als es die puren Fakten tun. Dass die Erlebnisse, die Gerda als Kriegsfotografin hat, schrecklich und ernüchternd sind, ist wohl jedem klar. Dass eine Frau sich dem freiwillig und mit Enthusiasmus und Todesmut aussetzt, das ist für uns Heutige schwer nachzuvollziehen.
Empfehlenswert ist das Nachwort, dass einige Unklarheiten beseitigt.
Dieser Roman über Gerda Taro hat es mir sehr angetan, auch wenn der Feminismus manchmal etwas dick aufgetragen wird. Ich gebe gern vier Sterne und eine Leseempfehlung.

DerBlickeinerFrau

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