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Veröffentlicht am 15.09.2016

Tiefgründige Kindheitserinnerungen

Wer die Nachtigall stört ...
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Das Erscheinen des Vorgängers (oder der Fortsetzung - je nach Definition) „Gehe hin, stelle einen Wächter“ habe ich zum Anlass genommen, dieses Buch endlich mal zu lesen.

Die Handlung ist in den 1930er-Jahren ...

Das Erscheinen des Vorgängers (oder der Fortsetzung - je nach Definition) „Gehe hin, stelle einen Wächter“ habe ich zum Anlass genommen, dieses Buch endlich mal zu lesen.

Die Handlung ist in den 1930er-Jahren in dem amerikanischem Südstaat Alabama angesiedelt. Als Ich-Erzählerin fungiert die zu Beginn 6-jährige Jean-Louise, genannt Scout, die zusammen mit ihrem vier Jahre älteren Bruder Jem eine unbeschwerte Kindheit in der Kleinstadt Maycomb verbringt. Das einzige, worüber sie sich wirklich den Kopf zerbrechen, ist ihr Nachbar Boo Radley, der sein Haus schon seit Jahren nicht mehr verlassen hat.
Doch die Idylle wird jäh getrübt, als Scouts Vater Atticus als Anwalt die Verteidigung des jungen Schwarzen Thomas Robinson übernimmt, dem vorgeworfen wird, ein weißes Mädchen vergewaltigt zu haben. Atticus und seine Kinder sehen sich deswegen diversen Anfeindungen ausgesetzt, die eines Tages beinahe in eine Katastrophe münden.

Dieser Roman lässt das ländliche Alabama zur Zeit der Wirtschaftskrise wiederauferstehen. Dazu trägt bei, dass sämtliche Protagonisten, auch die „Nebendarsteller“ lebendig gezeichnet und authentisch wirken.

Ich konnte mich gut in Scouts eingeschränkten und teilweise naiven Blickwinkel hineinversetzen. Dass hier schwierige Themen wie Gerechtigkeit und Rassendiskriminierung von der Warte eines Kindes aus betrachtet werden, finde ich sehr gelungen.

Obwohl Atticus Tätigkeit als Anwalt und deren Folgen sicher das Hauptthema des Buches sind und die Schilderung des Prozesses gegen Robinson einschließlich der Wirkung, die dieser auf die jungen Zuschauer ausübt, ein Highlight darstellt, enthält die Handlung doch auch viele weitere Facetten.

Natürlich muss man während der Lektüre im Hinterkopf behalten, dass dieses Buch 1960 erschienen ist und in den 1930er Jahren spielt, sodass manche Ansichten, die damals wohl als fortschrittlich galten, heute eher altmodisch anmuten. Nichtsdestotrotz ein lesenswerter Roman, der ein brisantes Thema auf spannende und oft auch amüsante Weise näherbringt.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Waringham im Elisabethanischen Zeitalter

Der Palast der Meere
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Die von vielen Fans sehnsüchtig erwartete Fortsetzung der Waringham-Saga ist nun endlich erschienen:
Der Roman ist diesmal im Zeitraum von 1560 bis 1588 angesiedelt, also während der Regentschaft von Königin ...

Die von vielen Fans sehnsüchtig erwartete Fortsetzung der Waringham-Saga ist nun endlich erschienen:
Der Roman ist diesmal im Zeitraum von 1560 bis 1588 angesiedelt, also während der Regentschaft von Königin Elisabeth I:
Eleanor of Waringham ist seit frühster Kindheit Elisabeths engste Vertraute. Sie dient ihr nicht nur als Freundin und Ratgeberin, sondern gilt auch als „Auge der Königin“. Denn sie ist eine versierte Spionin mit guter Menschenkenntnis, die immer über alle wichtigen Vorgänge im Land informiert ist. Nicht weniger spannend als ihre berufliche Tätigkeit gestaltet sich Eleanors Privatleben, verliebt sie sich doch ausgerechnet in einen Mann, der als „König der Diebe“ einer von Londons meistgesuchten Verbrechern ist.
Eleanors Halbbruder Isaac hat dagegen mit höfischem Leben so gar nichts im Sinn. Um der Aussicht zu entfliehen, als künftiger Earl of Waringham Verantwortung übernehmen zu müssen, schleicht sich der erst 15-Jährige als blinder Passagier auf ein Schiff ein. Dabei gerät er gerade an den berüchtigten Sklavenhändler und Piraten John Hawkins und lernt auch dessen Vetter Francis Drake kennen. Obwohl Isaac in den nächsten Jahren viele schlimme Erfahrungen machen und eine Reihe gefährlicher Abenteuer bestehen muss, zeigt sich, dass ihm die Seefahrt im Blut liegt und es gelingt ihm, auf der Karriereleiter immer weiter aufzusteigen.

Der Roman ist in einer interessanten Epoche angesiedelt und die Protagonisten sind geschickt darin platziert. Eleanor illustriert das Leben bei Hofe, während Isaacs Geschichte zeigt, dass die Welt zu Beginn der Neuzeit viel größer war als jene des Mittelalters. So können wir an seiner Seite in exotische Gefilde wie Teneriffa oder Panama reisen.

Die Handlungsstränge laufen allerdings über weite Strecken nur parallel zueinander, ohne in einem besonderen Zusammenhang zu stehen. Die einzige wirkliche Verbindung zwischen den Halbgeschwistern ist Waringham, dieser Ort selbst (die Burg, das Gestüt, das Dorf) kommt diesmal aber nur relativ selten vor. Dafür sind die Kapitel, die dort angesiedelt sind, immer wieder besondere Highlights.

Historisch bedeutsame Ereignisse, die in diesem Buch thematisiert werden, sind insbesondere Elisabeths Privatleben bzw die Frage, ob und wen sie heiraten sollte, das Schicksal von Mary Stewart (Maria Stuart), die Piraten im Dienste der Königin und der Kampf gegen sie spanische Armada. An manchen Stellen hätte ich mir allerdings etwas ausführlichere Hintergrundinformationen gewünscht und bei Mary Stewart fand ich es schade, dass zwar oft über sie geredet wurde, sie aber kaum persönlich auftritt.
Dafür tauchen eine Vielzahl interessanter Personen aus den unterschiedlichsten sozialen Schichten auf. Nur ein echter Bösewicht fehlt.
Wenngleich Isaac in seinem Kampf gegen die Sklaverei etwas übertrieben edel wirkt, sind doch sämtliche handelnden Figuren nachvollziehbar und lebendig gezeichnet, haben jeweils ihre Stärken und Schwächen, sodass man sich gut in sie hineinversetzen, mit ihnen mitfühlen, sich bisweilen auch über sie ärgern kann.

Obwohl dieser Band sich in einigen Punkten deutlich von den bisherigen Waringhams unterscheidet, handelt es sich nichtsdestotrotz um einen absolut lesenswerten historischen Roman, der fundiert recherchierte Fakten mit einer packenden Geschichte verknüpft.

Dass am Ende die nächste Generation der Waringham zusehends ins Rampenlicht rückt, lässt auf eine weitere Fortsetzung hoffen.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Die großen Fragen

Die letzten Rätsel der Mathematik
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In der Mathematik wird eine besonders strenge Form des Beweisens betrieben. Um eine Vermutung zu einer Wahrheit werden zu lassen, reicht es nicht, sie in Tausenden oder sogar Milliarden von Fällen bestätigt ...

In der Mathematik wird eine besonders strenge Form des Beweisens betrieben. Um eine Vermutung zu einer Wahrheit werden zu lassen, reicht es nicht, sie in Tausenden oder sogar Milliarden von Fällen bestätigt zu sehen, sondern es ist eine Schritt für Schritt nachvollziehbare logische Herleitung aus bereits als gültig anerkannten Tatsachen von Nöten. Dafür ist ein einmal gefundener Beweis dann auch für alle Zeiten gültig.

Ian Stewart behandelt hier eine Reihe von Problemen, die sich über lange Zeiträume einem derartigen Beweis oder auch einer Widerlegung entzogen haben. Manche wurden inzwischen gelöst, wie etwa die Unmöglichkeit einer Quadratur des Kreises oder die Poincare-Vermutung, viele andere, wie die Riemann-Hypothese, harren noch einer Entscheidung.

Manche der aufgeworfenen Fragen sind als solche der reinen Mathematik von eher theoretischem Interesse, andere betreffen praktische Anwendungen, wie beispielsweise die Möglichkeit, effiziente Computeralgorithmen zu finden oder die Welt der Quanten zu erklären.

Dieses Buch zeigt, dass es sich bei der Mathematik um ein weit gefasstes und faszinierendes Gebiet handelt, das viel mehr zu bieten hat als die eher langweiligen Ausschnitte, die im Schulunterricht präsentiert werden. Im Laufe der Jahrtausende haben die Mathematiker immer neue Welten erkundet und immer neue Methoden entwickelt, um an die großen Probleme ihrer Zunft heranzugehen – deren Lösung dann oftmals zu einer Reihe weiterer Fragen führte.
(Deshalb halte ich den deutschen Titel – „Die letzten ...“ – nicht für so passend, das englische Original „The Great Mathematical Problems“ ist treffender.)

Auch wenn für das vollständige Verstehen sämtlicher Einzelheiten wohl gewisse Vorkenntnisse nötig sind, gelingt es dem Autor doch sehr gut, die wesentlichen Grundzüge der diversen Probleme sowie der darauf angewendeten Lösungsstrategien in allgemein verständliche Worte zu fassen. Die Verwendung komplizierter Formeln wird dabei so weit wie möglich vermieden, dafür werden die Ausführungen mittels vieler Grafiken anschaulich gemacht.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Spannende Politik, langweilige Protagonisten

Kinder der Freiheit
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Im dritten Teil von Ken Folletts Jahrhundert-Trilogie steht wieder eine neue Generation der aus „Sturz der Titanen“ und „Winter der Welt“ bekannten Familien im Mittelpunkt.

George Jakes, der dunkelhäutige ...

Im dritten Teil von Ken Folletts Jahrhundert-Trilogie steht wieder eine neue Generation der aus „Sturz der Titanen“ und „Winter der Welt“ bekannten Familien im Mittelpunkt.

George Jakes, der dunkelhäutige Enkel von Lew Peschkow, arbeitet für die amerikanische Regierung und setzt sich für die Rechte der Schwarzen ein, während Grigori Peschkows Enkel Dimka eine wichtige Position im Kreml innehat. Dimkas Zwillingsschwester Tanja steht dem Regime jedoch sehr ablehnend gegenüber und nimmt einige Risiken auf sich, um seine Schattenseiten aufzuzeigen.
Die Nachkommen der Familie Williams haben dagegen weniger Interesse an Politik – Dave träumt davon, ein Rockmusiker zu werden, seine Schwester Evie strebt eine Karriere als Schauspielerin an.
Familie Franck sitzt inzwischen in Ostberlin fest und ist den Repressionen der Stasi ausgeliefert. Doch einige Familienmitglieder entschließen sich, die gefährliche Flucht in den Westen zu wagen.
Usw.

Obwohl hier also ziemlich viele Hauptfiguren auftreten (zu denen natürlich noch etliche Nebencharaktere kommen), hatte ich beim Lesen keine Schwierigkeiten, den Überblick über die diversen Personen, ihre Hintergründe und Beziehungen zueinander zu behalten. Dazu tragen auch die Familienstammbäume und das Personenverzeichnis am Beginn des Buches bei.
Bisweilen hatte ich allerdings den Eindruck, dass der Autor es den Lesern zu leicht machen will, der Handlung zu folgen – oft werden Ereignisse, die vielleicht 100 Seiten zuvor geschildert wurden, nochmals rekapituliert.

Erneut hat der Ken Follett seine Protagonisten an entscheidenden Stellen der Zeitgeschichte platziert, um mittels ihrer unterschiedlichen Lebensgeschichten den Zeitraum von 1961 bis 1989 (und dabei vor allem die 1960er Jahre) zu illustrieren.
Diese Lebensgeschichten wirken allerdings öfters ziemlich konstruiert, damit jemand beispielsweise immer genau zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein kann, um historisch bedeutsame Ereignisse miterleben zu können.

Weiters sind die Protagonisten eher flach gezeichnet, scheinen mehr Prototypen als echte Menschen zu sein und ihr Leben verläuft großteils ziemlich vorhersehbar. Außerdem ist es unrealistisch, wie leicht es den meisten fällt, erfolgreich zu sein, und dass selbst Rückschläge und Probleme bald wieder vergessen sind.
Dafür hat sich der Autor aber offenbar viel Mühe bei der Recherche gegeben, bei vielen heiklen politischen Entscheidungen (zB während der Kuba-Krise) hat man das Gefühl, hautnah mit dabei zu sein.

Der Erzählstil ist gekonnt und flüssig, und trotz seiner 1200 Seiten ist der Roman nie langweilig, richtig begeistern konnte er mich allerdings auch nicht.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Geschichte der Kartografie

Die Geschichte der Welt in zwölf Karten
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Karten begleiten die Menschheit wohl seit ihrem Anbeginn. Sie helfen uns dabei, uns ein Bild von der Welt zu machen, werden aber natürlich auch von dem Weltbild ihres Herstellers beeinflusst.

Jerry Brotton ...

Karten begleiten die Menschheit wohl seit ihrem Anbeginn. Sie helfen uns dabei, uns ein Bild von der Welt zu machen, werden aber natürlich auch von dem Weltbild ihres Herstellers beeinflusst.

Jerry Brotton hat hier zwölf Karten aus verschiedenen Epochen ausgewählt – von Ptolemäus bis Google Earth. Er erzählt von deren Erstellern und Auftraggebern, von den historischen Hintergründen ihrer Entstehung sowie von den Auswirkungen, die sie in der Folgezeit haben sollten.
Dabei entsteht eine spannende Geschichte der Kartografie, welche die Persönlichkeiten, durch die diese Wissenschaft geprägt wurde, in den Focus rückt und auch die Probleme, die mit der Schaffung einer Landkarte verbunden sind, darstellt, von der theoretischen Frage, was die beste Methode ist, ein dreidimensionales Objekt wie die Erdkugel auf einer zweidimensionalen Fläche abzubilden, bis hin zu praktischen Schwierigkeiten bei der Beschaffung der für die Erstellung der gewünschten Karte notwendigen Informationen.
Von einem Abstecher nach China und Korea abgesehen haben sich die meisten der hier beschriebenen Ereignisse in Europa zugetragen.

Dennoch entsteht der Eindruck eines umfassenden Überblicks, der wie die ausführlichen Fußnoten beweisen sehr gut recherchiert ist.

Trotz des interessante Inhalts gestaltet sich die Lektüre aber bisweilen etwas zäh, da der Text doch sehr sachlich gehalten ist.
Dafür werden die Ausführungen durch eine Vielzahl, oftmals farbiger, Abbildungen illustriert.