Profilbild von Karin1910

Karin1910

Lesejury Star
offline

Karin1910 ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Karin1910 über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 14.09.2025

Packender Ausflug ins angelsächsische England

Rabenthron
5

Beststeller-Autorin Rebecca Gable entführt die Leser diesmal ins englische Frühmittelalter, in eine Zeit, als Angelsachsen und Dänen um die Vorherrschaft ringen:
1013: Aelfric of Helmsby reist gemeinsam ...

Beststeller-Autorin Rebecca Gable entführt die Leser diesmal ins englische Frühmittelalter, in eine Zeit, als Angelsachsen und Dänen um die Vorherrschaft ringen:
1013: Aelfric of Helmsby reist gemeinsam mit seinem kleinen Sohn Penda nach London, um dort seinen dänischen Gefangenen Hakon abzugeben. Überraschend werden die drei zu einem Teil der Eskorte, welche Königin Emma und ihre Kinder in die Normandie begleiten soll, wohin sie vor den Angriffen der dänischen Wikinger fliehen müssen.
Der Roman begleitet Aelfric, Emma und Penda über die nächsten 28 Jahre, im Verlauf derer die Herrschaft über England, aber auch über die Normandie, mehrfach wechselt. Kaum einer dieser Wechsel geht reibungslos über die Bühne und auch sonst sind Konflikte und
Intrigen keine Seltenheit.

Wie immer gelingt es der Autorin wunderbar, reale und fiktive Personen und Ereignisse zu einer packenden Geschichte zu verschmelzen. Der historische Hintergrund hat auch diesmal einiges zu bieten. Es ist eine turbulente Zeit, in der einige Weichen für die politischen Entwicklungen der nächsten Jahrzehnte gestellt werden.
Dabei treten zahlreiche Haupt- und Nebendarsteller auf, die allesamt lebendig gezeichnet und mit ihren eigenen Charakteristiken ausgestattet sind. Vor allem bei Emma, der Ehefrau von zwei Königen und Mutter von zwei Königen, handelt es sich um eine interessante Persönlichkeit, die eine für eine Frau der damaligen Zeit ungewöhnlich einflussreiche Stellung innehatte. Ich fand es schön, mehr über sie zu erfahren und in ihre Welt einzutauchen.
Auch die fiktiven Protagonisten Aelfric und Penda sind sympathische Personen, mit denen ich gerne mitgefiebert habe. Vor allem mit Aelfrics Charakter hatte ich jedoch auch meine Probleme. Er wirkt bisweilen zu „gut für diese Welt“ oder zumindest für diese Zeit.
Auch sonst hat die fiktive Handlung ein paar Schwächen, es ist unrealistisch, wie glatt viele Dinge im Leben unserer Helden verlaufen und wie sie diversen gefährlichen Situationen immer wieder im letzten Moment entkommen.
Die realen Ereignisse sind da schon spannender, wobei der grobe Handlungsverlauf natürlich bereits durch die Geschichtsbücher vorgegeben ist. Gegen Ende ging mir jedoch einiges zu schnell, die Gründe für manche Entscheidungen sind nicht nachvollziehbar. Es wäre wohl besser gewesen, hier noch ein paar (Dutzend) Seiten mehr zu investieren (was bei einer Gesamtlänge von fast 900 Seiten auch nicht mehr ins Gewicht gefallen wäre).

Der Roman ist gründlich recherchiert. Die Überlieferungen aus dem Frühmittelalter weisen jedoch zahlreiche Lücken auf, welche die Autorin mit ihren eigenen Interpretationen von Persönlichkeiten und Ereignissen füllen konnte. Was Wahrheit und was Fiktion ist, wird dann in einem ausführlichen und informativen Nachwort erläutert.

Insgesamt kann ich dieses Buch allen, die sich für echte Geschichte, für historische Zusammenhänge und Entwicklungen interessieren, weiterempfehlen.

  • Einzelne Kategorien
  • Handlung
  • Erzählstil
  • Charaktere
  • Atmosphäre
  • Cover
Veröffentlicht am 24.08.2025

Eintönige Reise nach Santiago

Die sieben Monde des Jakobus
0

Dieser zweite Teil der Jakobsweg-Saga von Brigitte Riebe ist ca 300 Jahre nach dem ersten Teil („Die Straße der Sterne“) angesiedelt. Er startet im calvinistischen Genf und endet (wieder) in Santiago de ...

Dieser zweite Teil der Jakobsweg-Saga von Brigitte Riebe ist ca 300 Jahre nach dem ersten Teil („Die Straße der Sterne“) angesiedelt. Er startet im calvinistischen Genf und endet (wieder) in Santiago de Compostela.
1563: Die Witwe Clara muss gemeinsam mit ihrem Sohn Jakob aus Genf fliehen. Sie entschließt sich zu einer Pilgerreise ans Grab des von ihr verehrten Heiligen. Dabei begegnen die beiden diversen Menschen, insbesondere dem Lautenspieler und Feuerspucker Bruno, den seine Vergangenheit nicht loslässt, und der jungen Camille, die nicht weiß, wer ihre Mutter war.
Daneben wird auch die Geschichte eines jungen Mannes aus Peru erzählt, der als Sohn einer Inka und eines Konquistadors von klein auf mit Anfeindungen zurechtkommen und um seine Identität ringen muss.

Dieser Roman hat mir weniger gut gefallen als sein Vorgänger. Anders als der Klappentext suggeriert spielt dessen Inhalt hier übrigens keine besonders große Rolle. Pilar und Blanca werden hin und wieder mal erwähnt, aber ohne Details über ihre Lebenswege. Erst ganz am Ende tut sich ein gewisser Zusammenhang auf. Dies hat immerhin den Vorteil, dass es keine Spoiler gibt und die beiden Bände unabhängig voneinander gelesen werden können.
Der historische Hintergrund (die Verfolgung von Hexen und „Ketzern“, die Stellung des Scharfrichters in der Gesellschaft, die Eroberung des Inkareiches durch die Spanier etc) wäre interessant und einige der Denk- und Verhaltensweisen, die hier portraitiert werden, regen zum Nachdenken an.
Die Handlung fließt jedoch weitgehend ohne besondere Höhepunkte dahin und ist im Wesentlichen vorhersehbar. Auch sind die Protagonist(inn)en eher langweilig und schablonenhaft gezeichnet. Trotz ihrer grundsätzlich ergreifenden Schicksale konnte ich keine Beziehung zu ihnen aufbauen, weshalb mich beispielsweise die (ohnehin wenig überraschenden) Enthüllungen aus Brunos und Camilles Vergangenheit nicht wirklich berührten.
Die einzige Ausnahme bildet Luis, dessen übersinnliche Fähigkeiten zwar unrealistisch wirken, der aber ein spannender Charakter ist. Die Schilderungen aus seiner Jugend in Peru bilden außerdem einen interessanten Kontrast zum frühneuzeitlichen Europa.
Alles in allem trotz des grundsätzlich interessanten Settings kein Buch, das man gelesen haben muss, sondern eher ein uninspirierter Abklatsch des Vorgängers. Vielleicht wollte die Autorin zu sehr an dessen Erfolg anknüpfen.

Veröffentlicht am 24.08.2025

Interessanter Schauplatz, der jedoch zu wenig zur Geltung kommt

Im Schatten des Turms
0

Wien, 1787: Der Medizinstudent Alfred Wagener sieht sich aus finanziellen Gründen gezwungen, eine Stelle als Hauslehrer der Komtesse Helene von Weydrich anzunehmen. Obwohl er große Vorbehalte gegen alle ...

Wien, 1787: Der Medizinstudent Alfred Wagener sieht sich aus finanziellen Gründen gezwungen, eine Stelle als Hauslehrer der Komtesse Helene von Weydrich anzunehmen. Obwohl er große Vorbehalte gegen alle Adeligen hegt, ist ihm Helene überraschend sympathisch. Doch ihre Beziehung steht unter keinem guten Stern. Erst recht, als Helenes Vater stirbt und ihre Tante das Regiment auf Schloss Weydrich übernimmt.

Am Anfang wirkt das Ganze eher wie ein typischer Liebesroman. Doch bald nimmt die Sache Fahrt auf, einige Ereignisse überschlagen sich und vor allem Alfred gerät in große Gefahr. Die Geschichte ist packend und liest sich flott. Es wird einige Spannung aufgebaut, schon allein dadurch, dass abwechselnd aus den Perspektiven von Alfred und Helene (und manchmal auch der Tante) erzählt wird. Die beiden sind weitgehend sympathisch, ich konnte gut mit ihnen mitfiebern.
Aufgrund all dessen fiel es mir auch leichter, über einige Schwächen hinwegzusehen: Schon allein der Titel ist nicht ganz passend. Der Narrenturm ist zwar im Hintergrund immer wieder präsent, es ist jedoch nur ein relativ kleiner (wenngleich wichtiger) Teil der Handlung tatsächlich dort angesiedelt. Schade, ich hätte gern mehr darüber erfahren, wie damals mit den „Irren“ umgegangen und wie sie behandelt wurden.
Außerdem wirkt vieles an der Handlung ziemlich unrealistisch. Beispielsweise soll Helenes Tante eine ganz Wien und die halbe Monarchie umfassende Verschwörung anführen (wobei unklar bleibt, was diese ihr persönlich eigentlich bringt), trotzdem gelingt es Helene scheinbar mühelos, sie auszutricksen. Auch häufen sich die (glücklichen) Zufälle.
Insgesamt ist der Roman dennoch lesenswert und ein interessanter Ausflug ins Wien des ausgehenden 18. Jahrhunderts. Ein bisschen mehr Hintergrundinformationen zum Narrenturm wären aber eben schön gewesen.

Veröffentlicht am 24.08.2025

Wissenschaftliches und Außerwissenschaftliches

Mehr als nur Atome
0

Die Physikerin Sabine Hossenfelder beantwortet hier eine Reihe von Fragen aus dem Bereich Physik, die ihrer Meinung nach „normale Menschen“ tatsächlich interessieren. Beispielsweise: Existiert die Vergangenheit ...

Die Physikerin Sabine Hossenfelder beantwortet hier eine Reihe von Fragen aus dem Bereich Physik, die ihrer Meinung nach „normale Menschen“ tatsächlich interessieren. Beispielsweise: Existiert die Vergangenheit im Jetzt? Sind wir nicht mehr als ein Haufen Atome? Hat die Wissenschaft den freien Willen unmöglich gemacht? Können wir ein Universum erschaffen?
Schon diese Auswahl zeigt, dass sie eher Randbereiche der Wissenschaft auslotet.
Dabei unterscheidet sie immer genau zwischen Fakten, die sich tatsächlich aus etablierten (und auf Beobachtungsdaten gestützten) Theorie herleiten lassen, und Außerwissenschaftlichem, für das es keinerlei Hinweise in der Wirklichkeit gibt bzw das wir nicht benötigen, um irgendwelche Beobachtungen zu erklären. Zu letzterem gehört ihrer Meinung nach beispielsweise sowohl der Glaube an einen Schöpfergott als auch die Idee des Multiversums. Was darauf hinausläuft, dass so manche der Hypothesen, die heutzutage von Physikern aufgestellt werden, um beispielsweise die Anfänge des Universums oder die genauen Werte für die Naturkonstanten zu erklären, eher in den Bereich der Religion als der Wissenschaft gehören.
Insgesamt ist dies eine anspruchsvolle, aber alles in allem lohnende Lektüre. Es werden einige Vorgehensweisen des aktuellen Wissenschaftsbetriebs hinterfragt und manche allzu spekulativen Äußerungen in die richtige Beziehung gesetzt. Faszinierend auch, dass viele auf den ersten Blick weit hergeholte Überlegungen zumindest mit unserem heutigen Wissensstand vereinbar wären. (Was natürlich noch lange nicht heißt, dass sie richtig sind.)
Ich habe jedoch den Eindruck, dass die Autorin manche Kritik nur um der Kritik Willen übt bzw sich zu sehr in ihrer Rolle als Kritikerin gefällt. Es ist schließlich immer leichter, die Arbeit der Kollegen schlecht zu machen anstatt eigene Beiträge zu leisten.

Veröffentlicht am 24.08.2025

Vielfältige (und oft überraschende) Anwendungen der Mathematik

Die Welt als Zahl
0

Wofür ist Mathematik gut? Diese Frage hat sich sicher jeder schon mal gestellt und natürlich gibt es darauf „unendlich“ viele Antworten, manche offensichtlicher als andere. Ian Stewart, Mathematik-Professor ...

Wofür ist Mathematik gut? Diese Frage hat sich sicher jeder schon mal gestellt und natürlich gibt es darauf „unendlich“ viele Antworten, manche offensichtlicher als andere. Ian Stewart, Mathematik-Professor und Bestseller-Autor, hat für dieses Buch jedoch einige besonders faszinierende Beispiele ausgewählt, die wohl auch vielen Mathematik-Interessierten nicht bekannt sind.
Unter anderem beschreibt er, wie die Graphentheorie, die ihren Ausgang im 18. Jahrhundert nahm, heute dabei hilft, Nierentransplantationen effizient zu planen, welche unerwarteten Anwendungsbereiche das als Musterbeispiel für abstrakte Mathematik geltende Fachgebiet der Topologie fand oder wie viele verschiedene Gebiete der Mathematik zusammenwirken, damit Satellitennavigation funktioniert.
Er erklärt die jeweils dahinter stehende Mathematik überwiegend in Worten. Formeln etc kommen selten vor bzw werden in die Anmerkungen am Ende verbannt. Dies finde ich einerseits schade (es gibt von dem Autor auch „mathematischere“ Bücher), andererseits sorgt es dafür, dass der Lesefluss durchgehend erhalten bleibt und es leicht fällt, den grundlegenden Aussagen zu folgen. Außerdem wirkt der Inhalt so weniger „abschreckend“, teilweise wird sogar eine gewisse „Spannung“ aufgebaut, wenn die Art beschrieben wird, wie Mathematiker an Probleme herangehen.
Insgesamt gelingt es dem Autor sehr gut, seine Begeisterung für das Thema zu transportieren und aufzuzeigen, wie sehr unserer heutiges Leben und unsere Zivilisation von Mathematik abhängen, auch in Bereichen, wo diese vielleicht nicht sichtbar ist. Neben dem Vorstellen einiger spezifischer Anwendungen betont er auch immer wieder, wie bemerkenswert die umfassende Nützlichkeit mathematischer Methoden, häufig auch für ganz andere Zwecke als jene, zu denen sie ursprünglich entwickelt wurden, eigentlich ist. Dies fügt dem Ganzen einen interessanten Aspekt hinzu.
Negativ zu vermerken ist lediglich, dass sich in die deutsche Ausgabe viele Flüchtigkeitsfehler eingeschlichen haben. Dieses Buch hätte, erst recht bei einem renommierten Verlag wie Rowohlt, eine sorgfältigere Bearbeitung verdient gehabt.