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Veröffentlicht am 27.01.2024

Die besten Geschichten schreibt das Leben selbst

Ich möchte einfach noch Bäume ausreißen! Aber nur kleine.
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Doreen Mechsner macht sich in "Ich möchte einfach noch Bäume ausreißen! Aber nur kleine. Fast Hundertjährige erzählen" auf eine Zeitreise durch zwölf unterschiedliche Biographien von Menschen, die knapp ...

Doreen Mechsner macht sich in "Ich möchte einfach noch Bäume ausreißen! Aber nur kleine. Fast Hundertjährige erzählen" auf eine Zeitreise durch zwölf unterschiedliche Biographien von Menschen, die knapp vor ihrem hundertsten Geburtstag stehen. Für viele ist das Leben schon äußerst beschwerlich, sie sehnen sich gar schon nach dem Ende; andere jedoch sprühen vor Lebensfreude und möchten noch viel erleben. Die zwölf interviewten Personen sind zufällig ausgewählt, sie stammen allesamt aus dem deutschen Sprachgebiet. Und sie erzählen unterschiedlich - manche knapp und kurz, manche schweifen aus. Manche erzählen ihre Lebensgeschichte, manche philosophieren über das Leben, andere geben ihre Meinung zur Gegenwart ab. Alle eint, dass sie ein bewegtes, ereignisreiches Leben hinter sich haben, mit vielen Höhen und Tiefen - und daran lassen sie uns teilhaben.

Die meisten Erzählenden sind Frauen - 9 an der Zahl. Spannend fand ich, wie unterschiedlich die Themengewichtung der unterschiedlichen Geschlechter ist. So sind für die Frauen Kinder und Familie immer zentrale Erzählmotive, bei den Männern werden diese viel undetaillierter geschildert. Besonders spannend fand ich auch, dass viele der erzählenden Frauen ihre Träume nicht ausleben konnten - aber letztendlich trotzdem auf ein glückliches Leben zurückschauen. Sehr prägend war für alle die Nazi-Zeit, der Krieg und oft auch die Flucht. Für diejenigen, die in der DDR gelebt haben, war dieser Abschnitt und die darauf folgende Wende von großer Bedeutung. Und alle machen sich Gedanken über die Gegenwart, weniger aber über die Zukunft.

Zur Methodik des Buches: Als Einleitung zum jeweiligen Interview lässt uns die Autorin, die studierte Germanistin und Historikerin ist, wissen, wie sie die einzelnen Interviewpartner:innen gefunden hat und wie ihre Begegnung miteinander vonstatten gegangen ist. Hier erhalten die Lesenden einen wunderbaren Einblick in die Interviewsituation und ich habe mich sehr gut in diese hineinfühlen und mir die Personen vorstellen können. Danach lässt Mechsner die Protagonist:innen einfach erzählen. Das Erzählte wird nicht in Interviewform abgedruckt, sondern als durchgängige Erzählung - diese bleibt also unkommentiert, was für den Lesefluss sehr vorteilhaft ist. Trotzdem hätte ich mir gewünscht, dass in der Einleitung auch ein bisschen etwas zur Methode der Interviewführung gestanden wäre, also beispielsweise was die Leitfragen gewesen sind und ob es zu Kürzungen kam und wie diese ausgewählt worden sind. Nun ist dies kein wissenschaftliches Buch und die Geschichten der Interviewten sind spannend, wie sie sind, nichtsdestotrotz wäre ein detaillierterer Einblick in die Arbeitsweise interessant und wünschenswert gewesen. Da ich sehr geschichtsinteressiert bin und sensibel auf Sprachgebrauch reagiere, wäre mir eine einführende Erläuterung zu gewissen historischen Themen ebenfalls wichtig erschienen, z.B. zu den oft erwähnten Russen, den unterschiedlichen Besatzungszonen oder der Vertreibung - oder zumindest ein Hinweis auf weiterführende Literatur. Wurden im Gespräch Ausdrücke verwendet, die nicht unbedingt geläufig sind, werden diese in informativen Fußnoten erklärt, ebenso Personen oder Ortschaften. Ich hatte den Eindruck, dass die Erklärungen im Laufe des Buches weniger geworden sind, so hätte ich es auch hilfreich gefunden, wenn Begriffe wie "Schlummermutter" oder "Landser" ebenfalls erörtert worden wären. Weiters - und das ist wirklich mein letzter Kritikpunkt - finde ich es sehr schade, dass die abgedruckten Fotos nicht untertitelt sind. Bei den meisten der Bilder können sich die Lesenden denken, wer darauf zu sehen ist, allerdings hätte ich es sehr interessant gefunden, wenn zur ungefähren Einordnung wenigstens die ungefähren Jahreszahlen vermerkt gewesen wären.

Mein Fazit: "Ich möchte einfach noch Bäume ausreißen! [...]" ist ein wunderbares, kurzweiliges Buch, das einen in zwölf mitreißende Biographien von sehr betagten Menschen eintauchen lässt. Es versetzt einen ins Staunen, was diese Menschen in den letzten beinahe hundert Jahren alles durchmachen und erleben mussten bzw. konnten und gibt so Einblick darüber, wie sehr sich der Alltag in dieser Zeitspanne geändert hat. Es konserviert gelebte Geschichte, auch wenn eine historische Kontextualisierung ausbleibt.

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Veröffentlicht am 26.01.2024

Charakterstarke Spannung

Der blaue Tod
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Durch Zufall gerät die frisch gebackene Mutter und Ex-Soldatin Sara Konrad auf die Spur einer ungewöhnlichen Todesserie in einem Pflegeheim. Mit der Unterstützung ihrer Sportbekanntschaft Max begibt sie ...

Durch Zufall gerät die frisch gebackene Mutter und Ex-Soldatin Sara Konrad auf die Spur einer ungewöhnlichen Todesserie in einem Pflegeheim. Mit der Unterstützung ihrer Sportbekanntschaft Max begibt sie sich auf eine rasante Aufklärungstour um die Täter zu fassen.

"Der blaue Tod" von Marley Alexis Owen ist ein spannender, rasanter Thriller, der den Leser:innen viel Einblick in die Gedankenwelt der Protagonistin Sara gibt. Sie wird von ihrer Vergangenheit als Soldatin verfolgt und kann sich nur schwer mit ihrer Mutterrolle identifizieren. Sie ist aber von Personen umgeben, die sie so sein lassen, wie sie ist, auch wenn das das eine oder andere Mal zu Auseinandersetzungen führt. Ihre Ungeduld und ihr Getriebensein bewirken aber schließlich, dass sie die Spur der Todesserie aufnimmt, ungehindert der möglichen Gefahren oder Konsequenzen. Der Schauplatz Hamburg spielt eine kleine Rolle in der Geschichte und wir dürfen die Protagonist:innen durch die Stadt begleiten. Relativ früh werden die Lesenden in Konversationen betreffend der Taten mitgenommen, ohne dass verraten wird, um wen es sich bei den Sprechenden handelt - peu á peu wird angedeutet, wer da dahinter stecken könnte. Ohne zu spoilern, muss ich sagen, dass es ob der erlebten Grausamkeiten durch einen Elternteil durchaus nachvollziehbar ist, wie die Ideen zu den Taten entstanden sind - diesbezüglich ist es der Autorin wirklich gelungen, mich zu fesseln und ich dachte mir oft, dass diese Geschichte als eigene Erzählung auch sehr interessant wäre. Die endgültige Aufklärung und wie alles gekommen ist, erfolgt kurz vor Ende des Buches - genau so wie es sein soll.

Allerdings ist es mir trotzdem etwas schwer gefallen, mich in die Geschichte hineinzufinden. Das liegt vor allem daran, dass oft von Saras Vergangenheit erzählt wird und Dinge angedeutet werden, die im Vorgängerroman passiert sind. Da ich diesen jedoch nicht gelesen habe, hatte ich das ganze Buch über das Gefühl, Essentielles über Sara nicht zu wissen. Außerdem ist mir die Protagonistin irgendwie zu hart, ich konnte nie so wirklich Sympathie mit ihr aufbauen. Das kann daran liegen, dass mir persönlich ein so enormer Ehrgeiz und der Unwille, sich mit seiner Psyche auseinanderzusetzen, eher fremd sind. Auch die Erklärungen warum Max Sara so unterstützend zur Seite steht, waren für mich etwas zu weit hergeholt. Wer es mir allerdings angetan hat, war Saras Mann Lukas - er scheint das Gegenteil von Sara zu sein, ist sehr geduldig, verständnisvoll und einfühlsam - ein toller Charakter! Grundsätzlich finde ich, dass es ein großes Talent der Autorin ist, die unterschiedlichen Charaktere vielschichtig und tiefgründig darzustellen.

Mein Fazit: "Der blaue Tod" ist ein spannender Thriller mit einer starken und mutigen Protagonistin, die mir persönlich aber zu hart war. Wer die Reihe um Sara Konrad noch nicht kennt und wem es wichtig ist, die gesamte Geschichte der Hauptfigur zu kennen, dem würde ich anraten, zuerst den ersten Teil "Der Stalker" zu lesen.

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Veröffentlicht am 14.01.2024

Spitze Morde und eine Portion Selbstzweifel

Dein ist die Vergeltung
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Endlich hat Dorothea es geschafft - sie darf sich als Ermittlerin der Abteilung Leib und Leben des LKA beweisen. Doch ihr erster Einsatz erfolgt ausgerechnet in ihrer Heimstadt Kufstein, wo eine Hotelbesitzerin ...

Endlich hat Dorothea es geschafft - sie darf sich als Ermittlerin der Abteilung Leib und Leben des LKA beweisen. Doch ihr erster Einsatz erfolgt ausgerechnet in ihrer Heimstadt Kufstein, wo eine Hotelbesitzerin ermordet aufgefunden wird. Zusammen mit ihrem Schwarm Konstantin soll sie umgehend die Tat aufklären, ansonsten droht ihr, wieder zurück in den Dienst als Stadtpolizistin gesteckt zu werden. Unter Druck und mit viel Selbstzweifel versucht sie, dem Täter auf die Spur zu kommen.

Dorothea Keusch ist eine junge Ermittlerin, der großes Talent zugeschrieben wird, nur sie selbst glaubt nicht so wirklich daran. Dass die Leiterin des LKA nicht begeistert davon ist, eine Anfängerin ermitteln zu lassen, macht die Sache nicht besser. Ihre Selbstzweifel sowie oft wiederkehrende Gedankensprünge und die teilweise vorhandene Konzentrationsschwäche machen die Hauptprotagonistin sehr authentisch und sympathisch. Zugegebenermaßen wird das aber im Laufe des Buches auch ein wenig anstrengend und nervig. Besonders, weil sie sich so oft selbst im Weg steht - auch im Hinblick auf ihre mehr oder minder vorhandenen Beziehung mit Konstantin. Grundsätzlich hatte ich das Gefühl, dass einige Charaktere ziemlich überspitzt dargestellt wurden - was aber absolut charmant ist und ich dadurch oft auch von verschiedenen Wendungen ziemlich überrascht wurde. Maria Höfle schafft es definitiv Charakteristika von Österreicher:innen wunderbar auf ihre Figuren zu projizieren, was dem Krimi eine gewisse Schrulligkeit verleiht und den Tiroler Lokalkolorit unterstreicht.

Der Kriminalfall bzw. dessen Aufklärung baut sich sehr langsam auf und fast bis zum Schluss hatte ich unterschiedliche Vermutungen. Durch etliche Wendungen in der Aufklärungsarbeit jedoch bleibt die Spannung bis am Schluss erhalten - genau so sollte es sein! Es war mein erster Kufstein-Krimi den ich gelesen habe, fand aber nicht, dass mir gewisse Information über die Hauptfiguren abgehen würden. Vielmehr bekam ich durch "Dein ist die Vergeltung" Lust, auch noch die anderen Teile der Reihe zu lesen.

Mein Fazit: "Dein ist die Vergeltung" ist ein unterhaltsamer Cosy-Krimi mit einer authentischen und grüblerischen Ermittlerin, der mit wunderbaren, tirolerischen Lokalkolorit untermalt ist. Wer hier allerdings Blutrünstigkeit und Psychospielchen erwartet, ist fehl am Platz.

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Veröffentlicht am 07.01.2024

Talentschmiede Burgenland

Junge Literatur Burgenland Vol. 7
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In diesem Sammelband finden sich Texte von vier Autorinnen mit Burgenlandbezug, die alle mit einem großen schriftstellerischen Talent aufwarten können.

Die ersten drei Texte stammen von der 2001 geborenen ...

In diesem Sammelband finden sich Texte von vier Autorinnen mit Burgenlandbezug, die alle mit einem großen schriftstellerischen Talent aufwarten können.

Die ersten drei Texte stammen von der 2001 geborenen Autorin Anna Bauer. "Man sagte dir, diesem Text fehle bloß ein Bergwerk" ist eine lyrische Beobachtung von dörflichen Strukturen und ihren Bewohner:innen, die in neun Abschnitte gegliedert ist. Bauer erschafft hier ein spezielles Flair, welches umgehend widersprüchliche Bilder dieser widersprüchlichen Gesellschaft in mir hervorriefen. Der zweite Text "Eine schöne Glückskatze ist das, hat der Autorfahrer hinter mir gesagt" ist eine Kurzgeschichte, welche jedoch ebenfalls lyrische Textabschnitte enthält. Sie ist aus Ich-Perspektive verfasst und befasst sich mit den Gewissensbissen der Erzählerin, die etwas mit dem Tod der Nachbarskatze zu tun hat. Dieser Text ist sehr einnehmend und der Autorin gelingt es hervorragend, dass sich die Lesenden in die Gedanken- und Gefühlswelt der Protagonistin hineinversetzen können. Mein persönlicher Lieblingstext in diesem Sammelband ist aber Bauers "Die Hecke". Die Kurzgeschichte, der in Du-Form geschrieben ist, dreht sich um eine Beziehung zwischen der Protagonistin und einer ihr sehr zugetanen Hecke. Klingt ungewöhnlich - ist es auch, aber die Autorin schafft um die schräge Geschichte eine so natürliche und einnehmende Atmosphäre, dass ich ihr die Erzählung zu hundert Prozent abgenommen habe! Ich bin mir sicher, von Anna Bauer wird die Literaturwelt noch einiges hören!

Die nächste Kurzgeschichte ist von der 1980 geborenen Journalistin und bildenden Künstlerin Lisa Bolyos. In rasantem Tempo erzählt sie in "Wir helfen gerne" von der Protagonistin Tanja, die scheinbar ganz genau weiß, was sie will und was nicht. Sie hilft gerne anderen, aber nur, wenn sie darin auch Eigennutz erkennen kann. Sie hat eine Vorliebe für die Planung ihres Lebens und mag es gar nicht gerne, wenn es anders verläuft als geplant. Vor allem will sie sich nicht binden, keine ernsthafte Beziehung eingehen mit einem Mann, sondern Spaß haben, nach ihren Regeln. Bis sie Pez kennenlernt... Auf 20 Seiten schafft es die Autorin, dass man sich bestens in die zwänglerische Tanja hineinversetzen kann und das Gefühl hat, zu verstehen, weshalb sie so eigenbrötlerisch geworden ist. Ich habe Tanja in dieser kurzen Zeit sehr liebgewonnen und würde gern noch mehr über sie erfahren! Höhepunkt ist das unerwartete Ende der Geschichte.

Die nächsten 55 Seiten sind den vorwiegend lyrischen Texten der 1987 geborenen Autorin Kerstin Istvanits gewidmet. Sie schreibt ihre Gedichte auf Ungarisch und Deutsch und beschäftigt sich darin mit den Themen Natur, Orten und Farben. Diese haben mich oft zum Nachdenken über Kleinigkeiten, denen ich im Alltag oft nur wenig Aufmerksamkeit schenken, gebracht. Auch Istvanits Kurzgeschichten "Nöi táskák" und "Postkarte / Képeslap" widmen sich Nebensächlichkeiten, die aber viel über Personen aussagen können - in diesen Fällen Handtaschen und eben Postkarten. Die Zweisprachigkeit spielt bei Istvanits Texten eine wesentliche Rolle, bedauerlicherweise bin ich des Ungarischen nicht mächtig, es wäre sicher von Vorteil, um die Ausdruckskraft ihrer Texte besser zu verstehen.

Für die letzten zwei Texte des Sammelbandes zeichnet sich die 1979 geborene Autorin und Allgemeinmedizinerin Bernadette Németh verantwortlich. "In einem Arm ein Kind, im anderen die Säge" heißt ersterer und lässt uns in der Form der Ich-Erzählung in die Erlebnisse der Protagonistin Zsuzsanna eintauchen. Némeths Sprache ist lyrisch, philosophisch, dicht an (teils ungewöhnlichen) Metaphern und anspruchsvoll, was bei mir oftmals zur Folge hatte, dass ich Sätze oder Passagen ein zweites Mal lesen musste, damit ich die Aussage(n) vollständig verstehen konnte. Zsuzsanna erzählt die Geschichte ihrer Familie, die geprägt war von Traditionen und dem Brechen dieser. Ihr Vater war ungarischer Flüchtling, dem es seine Familie nicht verziehen hat, dass er nicht Priester, sondern Familienvater wurde. Gläubig war ihre Familie trotzdem und auch daraus versuchte die Protagonistin auszubrechen. Auch die Familie ihres Partners hält viel auf Tradition, nämlich sogar in einer Doppeldeutigkeit - und auch damit muss gebrochen werden... Der köstliche Schluss gibt auch Auflösung betreffend des ungewöhnlichen Titels der Kurzgeschichte.

Der zweite Text Némeths namens "Schönmenschen oder Heute, vor hundert und in hundert Jahren" ist eine schockierende Geschichte über eine Zwangsprostituierte, die versucht, ihrem Zuhälter zu entkommen. Als junges Mädchen wird sie unter falschen Versprechungen von einer vermeidlichen Modelagentur ihren ungarischen Eltern entzogen und in den Westen gebracht. Erst 16 Jahre alt und schon tief im Schlund des Milieus verspricht eine Freundin über ihre Kontakte zu einem Anwalt aus ihrer Situation, die von Überwachung und Kontrolle gekennzeichnet ist, zu entfliehen. Doch es kommt anders als erwartet... Bei dieser Kurzgeschichte schaffte es Bernadette Németh sehr gut, dass ich mich in die Situation der Ich-Erzählerin hineinversetzen konnte - was ob dieser grausamen Thematik tatsächlich beängstigend war. Auch hier ist die Ausweglosigkeit, welche Festgefahrenes an sich hat, und aus der es zu fliehen gilt, für mich das Kernthema. Der Text ist erneut anspruchsvoll, mit philosophischen und lyrischen Einschüben, war für mich aber der Einnehmendere der beiden Texte.

Mein Fazit: ein Sammelband, der sehr bereichert und Autorinnen Gehör verschafft, die ob ihres großen schriftstellerischen Talentes unbedingt weiterverfolgt werden sollten!

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Veröffentlicht am 03.01.2024

Detailverliebte und manchmal überfordernde Fantasie

Pionéa – Loop
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Ich habe ja schon einiges an Erfahrung im Lesen und auch im Rezensionen-Schreiben, aber ich kann mich nicht erinnern, dass es mir jemals schon so schwer gefallen ist, über ein gelesenes Buch zu reflektieren...

Nachdem ...

Ich habe ja schon einiges an Erfahrung im Lesen und auch im Rezensionen-Schreiben, aber ich kann mich nicht erinnern, dass es mir jemals schon so schwer gefallen ist, über ein gelesenes Buch zu reflektieren...

Nachdem ich die Leseprobe von "Pionéa - Loop" gelesen habe, war ich gebannt - der Schreibstil, der sehr ausschmückend ist, ist irgendwie bezaubernd und hat mich sofort in eine etwas märchenhafte Welt versetzt. Deshalb freute ich mich sehr auf das Buch. Nach rund zwei Monaten ist es mir geglückt, es auszulesen - kann es jedoch weder fassen noch verstehen...

Trotzdem der Autor es schaffte, mich mit seinem etwas mystischen Schreibstil in den Bann zu ziehen, ging es mir oft so, dass ich nach ein paar Seiten nicht mehr wusste, was ich da jetzt eigentlich gelesen hatte. Das ging mir vor allem am Anfang so, da war ich vermutlich zu unkonzentriert und so musste ich zahlreihe Seiten noch einmal lesen. Meine Erkenntnis: um sich auf das Buch einzulassen, sollte man sich Zeit nehmen und genügend Konzentration mitbringen. Zudem sollte eine Vorliebe für lange Schachtelsätze bestehen (was bei mir grundsätzlich vorliegt). Mir wurde die Erzählung immer wieder zu anstrengend und ich musste Pionéa weglegen, um zwischendurch etwas Leichteres zu lesen. Was mich am Stil Martainns noch etwas irritierte, war der starke Kontrast zwischen dem fast lyrischen Schreibstil an sich und den teilweise ins Vulgäre gehenden Aussagen der Protagonisten.

Wie bereits angedeutet, werden die Charaktere, Orte und Ereignisse sehr, sehr, sehr detailliert beschrieben. Ich mag grundsätzlich konkretere Beschreibungen gerne, allerdings finde ich es wichtig, dass immer auch noch Platz für die eigene Fantasie bleibt - hier hat Martainn für meinen Geschmack etwas übertrieben. Zudem muss ich gestehen, dass mich einige Charaktere besonders am Anfang ziemlich genervt haben - allen voran Jay (er drängte sich für mich zu sehr in den Vordergrund). Aber irgendwie sind die meisten Protagonist:innen trotzdem alle sehr liebenswürdig und wir können tief in ihre Gedankenwelten eintauchen, was bei mir fast immer ein wohliges Gefühl hinterließ (wenn ich gerade folgen konnte).

Ein weiterer Punkt, den es für mich nicht einfach machte, "Pionéa - Loop" vollends zu genießen, war die Einteilung in Abschnitte / Kapitel. Ich habe das E-Book gelesen und rein gefühlt, war der komplette Text ohne Absätze. Grundsätzlich gibt es eine Kapitel- und Abschnittseinteilung (3 Abschnitte, 9 Kapiteln), bei meinem Gerät konnte ich aber nur auf die einzelnen Abschnitte zugreifen, was es bei der komplexen und seitenintensiven (über 800!) Geschichte extrem mühsam macht, wenn man etwas, was weiter vorne erwähnt wurde, nochmal nachlesen will, um die Geschichte besser zu verstehen. Unabhängig davon wäre es wirklich sehr leser:innenfreundlich, wenn es mehr Unterteilungen geben würde!

Zur Geschichte an sich: ich bewundere es sehr, wie viel Fantasie der Autor hat, dass er so eine komplexe Story erzählen kann! Die verschiedenen Raum- und Zeitebenen geben den Gehirnwindungen ordentlich zu tun, leider ist es mir nicht immer geglückt, die Geschichte auch nachvollziehen zu können. Meines Erachtens wäre es schöner gewesen, wenn der Autor ein wenig detailunverliebter gewesen wäre und die Geschichte klarer und kürzer erzählt hätte. Nichts desto trotz hege ich den Gedanken, das Buch in mittelfristiger Zukunft noch einmal zu lesen und liebäugle mit den kommenden Teilen...

Mein Fazit: "Pionéa - Loop" ist eine komplexe, detailverliebte Geschichte, die große Aufmerksamkeit, Neugierde und Durchhaltevermögen erfordert. Für meinen Geschmack geht der Autor zu oft zu sehr ins Detail, nichts desto trotz ist es eine lohnenswerte Reise in eine fantastische Welt.

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