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Veröffentlicht am 19.10.2020

Überzeugendes und Abschreckendes

Flo, der Flummi und das Schnack
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Von der Ausstattung her ist „Flo, der Flummi und das Schnack“ ganz definitiv ein hochwertiges Kinderbuch: der Einband ist recht steif, das Papier ist definitiv auch von einer etwas höheren Stärke und im ...

Von der Ausstattung her ist „Flo, der Flummi und das Schnack“ ganz definitiv ein hochwertiges Kinderbuch: der Einband ist recht steif, das Papier ist definitiv auch von einer etwas höheren Stärke und im Allgemeinen ist das Buch, in dem eine Anthologie versammelt ist, eher schwer. Trotz des nicht allzu auffälligen Umfangs ist es schon ein sehr wuchtiges Buch. Es gibt ein Lesebändchen; jede Geschichte ist mit einer einseitigen Illustration ausgestattet, die jeweils sehr künstlerisch und in dieser Hinsicht häufig nicht so sehr auf eine Kinder-Zielgruppe hin ausgerichtet wirkt.
Generell ist der erste oberflächliche Eindruck aber sehr positiv; auch dass jede Geschichte mit einer Altersempfehlung und einer durchschnittlichen Vorlesezeit ergänzt worden ist, wirkt sehr entgegenkommend, wobei die Vorlesedauer ohnehin zumeist bei 8 Minuten liegt und man sicherlich darüber streiten kann, ob es so wesentlich ist, ob eine Geschichte nun ein, zwei Minuten länger dauert oder nicht. (Das Maximum liegt hier übrigens bei einer Geschichte mit einer angegebenen Vorlesezeit von 13 Minuten.)

Die Geschichten sind von unterschiedlichen Prominenten verfasst: viele, wenn auch nicht ganz alle, haben dabei zwar einen schriftstellerischen Hintergrund. Jedoch sind definitiv nicht alle dafür bekannt, für Kinder zu schreiben oder je geschrieben zu haben, und da gab es doch auch Geschichten, bei denen ich überlegte, ob der Verfassende in seinem Leben überhaupt schon groß mit Kindern zu tun hatte. Wenige Geschichten hab ich auch als allzu auffälligen Versuchsballon empfunden, als ob die schreibende Person austesten wollte, ob eine Idee in ihrem Kopf sich weiter auszuarbeiten lohnte: Einiges wirkte doch so erzählt als würde man bei Interesse selbst noch ein ganzes, eigenes Buch um diese Geschichte verfassen wollen. Anderes endete einfach ganz plötzlich (wie z.B. die Geschichte von Juli Zeh), dass die Kinder, denen vorgelesen wurde, völlig verwirrt waren, dass es nicht weiterging – und sich dann immerhin auszumalen begannen, was als Nächstes passieren würde. Das regte zweifelsohne die Fantasie an, aber wenn man eine solche Geschichte als Gute-Nacht-Geschichte vorliest, will man im Anschluss an die Geschichte definitiv nicht noch über alternative Enden diskutieren.
Ich bin also nicht von jeglichem Inhalt hier angetan – die Inhalte sind übrigens breitgefächert; einige Geschichten spielen mit lebensnahen Szenarien (Florian Sump erklärt in seinem Beitrag z.B. anhand der Veränderung von alter zu neuer Oma ganz liebevoll deren offensichtliche Demenz/Alzheimer-Erkrankung), während sich andere Handlungen in einer absoluten Fantasiewelt zutragen.
Die allererste Geschichte, von Alina Bronsky, fand ich dabei bereits erschreckend: Offiziell ab 5 Jahren geeignet dreht sie sich um einen Jungen, der traurig ist, dass er vom Nachbarsmädchen unerwartet vermeintlich keine Geburtstagseinladung erhält, und der auf dem Heimweg einen „verrückten alten Mann“ trifft, der ihm erklärt, er sei der König der Äpfel. Hier blieb nicht nur der Zusammenhang diffus, sondern es wurde tatsächlich erklärt, dass die Oma zwar vor fremden, verrückten Männern gewarnt habe, die „manchmal Kinder fangen“ und dieser Mann sei offensichtlich verrückt und fremd, aber immerhin würde er grad ja gar keine Anstalten machen, den Jungen fangen zu wollen, weswegen sich jener auch gemütlich auf dem Bordstein sitzend auf ein Gespräch mit dem Kerl einlässt. Klar muss man in Kindern nicht vor Allem und Jedem Angst entfachen, aber da dachte ich nur, dass diese Geschichte letztlich nur widerspiegelte, wie das Vertrauen von Kindern erschlichen werden kann, zumal das Ganze nicht mit einer entsprechenden Auflösung endete, sondern mit der Klarstellung, dass der Junge dann ein paar Jahre später, so mit 12 oder 13, zu jenem Mann ins ominöse „Apfelland“ gehen könnte, um die Königswürde zu übernehmen.
Das war definitiv der Moment, in dem mir klar wurde, dass ich nicht eine einzige Geschichte aus diesem Kinderbuch vorlesen würde, ohne sie zuvor bereits selbst gelesen zu haben, und in dem ich wirklich Angst hatte, dass sich noch allzu viele dieser Inhalte finden würden. (Übrigens: Nein, das traf glücklicherweise nicht zu.)

Im Großen und Ganzen ist „Flo, der Flummi und das Schnack“ in meinen Augen ein sehr schönes Geschenkbuch, bei dem ich mir aber nichtmals sicher bin, ob ich es selbst tatsächlich auch so einfach verschenken würde. Ich hatte definitiv sehr viel mehr Erwartungen an diese Geschichtensammlung gehabt als letztlich erfüllt wurden.


[Ein Rezensionsexemplar war mir, via Vorablesen, unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden.]

Veröffentlicht am 13.10.2020

Wenn die Romanze in einem Liebesroman fehlplatziert ist...

Wo die Sterne tanzen
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Von sich überzeugen vermochte dieser Liebesroman zumindest mich nicht: Nele reist nach dem Tod ihrer Oma nach Juist, um das Haus der Oma zu räumen und für einen Verkauf vorzubereiten; als Kind hat sie ...

Von sich überzeugen vermochte dieser Liebesroman zumindest mich nicht: Nele reist nach dem Tod ihrer Oma nach Juist, um das Haus der Oma zu räumen und für einen Verkauf vorzubereiten; als Kind hat sie dort stets ihre Ferien verbracht, sich mit Henry eng befreundet und sich letztlich ebenso rasch in ihn verliebt, wie er ihr das Herz gebrochen hat, woraufhin sie sich dem stets mit der Familie auf Juist urlaubenden Ben zugewendet hat… und nun ja, heute gibt es da irgendwie Ben in ihrem Leben, aber irgendwie auch doch nicht; Ähnliches gilt für Henry, dem sie aber beflissentlich aus dem Weg zu gehen versucht… Alle sind nun Mitte 30, aber auf mich wirkte Nele bis zuletzt sehr wie die 15Jährige, die sich nicht so recht zwischen Jugendschwarm A und Jugendschwarm B entscheiden konnte: Ich hatte nicht das Gefühl als habe da tatsächlich irgendwer füreinander echte Gefühle, sondern als ob das Ziel von „Wo die Sterne tanzen“ lediglich war, Nele einfach irgendwie an irgendeinen Kerl zu bringen, weil… Ja, warum eigentlich? Generell wirkte Nele gar nicht so als ob sie unbedingt einen Mann bräuchte bzw. sich nach einer festen, dauerhaften Beziehung sehnte, aber auch in Bezug auf die anderen Figuren schien in diesem Roman zu gelten, dass man möglichst viele der Singles, die es eingangs gab, zum Romanende hin hatte verkuppeln wollen – wenn nicht, mussten sie wenigstens um eine vergangene/entgangene Liebe trauern.
Dann beklagte sich Nele gefühlt ständig wegen verpasster Rollen, hatte andererseits aber ständig in irgendwelchen der weltweit bekannteren Musicalproduktionen am Broadway getanzt. Ohnehin war das ganze Verhältnis in Sachen New York in meinen Augen ein wenig arg konstruiert: Irgendwie schienen zig Leute, die Nele von Juist her kannte, plötzlich dort zu arbeiten, ob nun ständig oder temporär, so dass ein potentieller Umzug nach München schon fast exotisch und so, als sei das von Juist aus völlig aus der Welt und ein solcher Umzug nach München darum völlig abwegig, dargestellt wurde.

Ich fand das alles so überzogen, zumal Neles eigene Biografie als eher wild geschildert wurde, was bereits bei den Eltern anfing ([abgehalfterter] Rockstar und dessen Groupie) und bei der wohlkalkulierten Besetzungscouch endete, und auch Henry wurde noch eine eigene Knastgeschichte angedichtet, aber auf Juist war immer alles ganz idyllisch und erholsam und nichts und niemand konnte ein Wässerchen trüben. Für den „Das Leben ist hart“-Faktor musste da noch rasch ein kriegstraumatisiertes Flüchtlingskind herhalten. Wurde nicht gestorben, ließ da die Mutter die Familie plötzlich sitzen, während dort der Vater ein Ekel war, das seine Familie psychisch misshandelte. Von zig Kindern wollte keines die elterlichen Geschäfte übernehmen… so „normal“ wie das alles auch sein mag: In „Wo die Sterne tanzen“ traten all diese Gegebenheiten viel zu gehäuft vor. Es gab hier definitiv nicht auch nur eine einzige funktionale Familie oder mal eine laufende Partnerschaft, die fokussiert wurde.
Das heile Leben fand irgendwo anders statt, während zugleich propagiert wurde, dass auf Juist noch das heile Leben vorherrsche.

Gefallen hat mir das Achronologische bzw. die verschiedenen Zeitstränge; so manchen mag es nerven, dass hier ständig die Zeitebene gewechselt wird, aber ich gebe zu, dass ich es sehr mag, wenn sozusagen zwischen Vorgestern, Gestern und Heute hin- und hergewechselt wird.

Wäre „Wo die Sterne tanzen“ explizit nur als (Frauen-)Roman und eben nicht als Liebesroman bezeichnet worden und hätte man auf das unausgegorene Liebeschaos ganz generell verzichtet (für mich wäre die Handlung sehr viel authentischer gewesen, wäre Nele zum Schluss gekommen, dass sie aktuell gar keinen Bedarf nach einem Partner verspürte), würde es das Buch für mich deutlich aufgewertet haben – aber einen Liebesroman zu propagieren, in dem letztlich gar keine derartige Gefühle widergespiegelt werden und die vorgebliche Romanze auf Teufelkommraus in die Geschichte gestopft wird, hat für mich einfach einen mehr als fahlen Beigeschmack. Ich hab das Lesen mittendrin auch zunächst unterbrochen, unschlüssig, ob ich den Roman nicht komplett abbrechen sollte; weitergelesen hab ich dann hauptsächlich, weil ich doch irgendwie wissen wollte, ob es nicht doch noch die ganz großen Gefühle geben würde, worauf ich sehr hoffte, denn immerhin sollte es sich hierbei doch um ein romantisches und vor Allem „berührendes“ Buch handeln?!
Da sich „Wo die Sterne tanzen“ meines Empfindens nach eigentlich aber wirklich ausschließlich darum gedreht hat, wie und wo Nele ihre Zukunft sah, vor Allem beruflich, und ihr Liebesleben im Grunde genommen völlig irrelevant war, hätte es allerdings immerhin ein ganz netter Selbstfindungsroman sein können; schade, Chance vertan!

Veröffentlicht am 30.09.2020

Wahnsinnig oder wahnsinnig smart?

Die Stimme
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Tremayne und ich sind uns häufig nicht so richtig grasgrün, sondern oftmals eher so blassmint: Einerseits lese ich seine Thriller recht gerne, andererseits hasse ich es, dass seine Bücher zum Schluss hin ...

Tremayne und ich sind uns häufig nicht so richtig grasgrün, sondern oftmals eher so blassmint: Einerseits lese ich seine Thriller recht gerne, andererseits hasse ich es, dass seine Bücher zum Schluss hin auch mal einen völlig unsinnigen Schwenk hin zum Paranormalen machen. „Die Stimme“ sprach mich nun auf Anhieb an; nach dem Lesen der ersten paar Seiten wollte ich auch unbedingt erfahren, wie sich diese Geschichte fortsetzt – und hatte dabei doch ständig die Befürchtung im Hinterkopf, dass letztlich weder nur Schizophrenie oder Angriff zum Tragen kommen, sondern noch eine Geistererscheinung auftreten könnte, die einem bis dahin guten und glaubhaftem Thriller doch noch einen lächerlichen Anstrich verleihen würde. Aber nein, das ist nicht passiert. ;)

„Die Stimme“ erzählt eine Geschichte, von der man sich vorstellen kann, dass sie in nur wenigen Jahren tatsächlich so passieren könnte, wenn Wohnungen/Häuser immer smarter ausgestattet werden: Die Protagonistin Jo, freie Journalistin auf beruflicher sowie privater Durststrecke, lebt quasi als Untermieterin ohne Zahlungsverpflichtungen in der Luxuswohnung ihrer elitären Freundin Tabitha, die ständig unterwegs ist, um irgendwelche Naturdokus zu drehen (und dabei gar nicht sonderlich engagiert in Sachen Natur- und Tierwelt wirkt). Dabei ist die Butze mit zig verschiedenen Home Assistants ausgestattet (dass man sich zuweilen schon fast wundern kann, dass es nicht ständig zu Ausfällen kommt, weil sich diese smarten Assistenten ständig gegenseitig in die Quere kommen) – die plötzlich ein skurriles bis morbides Eigenleben entwickeln, Jo auf dunkle Geheimnisse aus ihrer Vergangenheit ansprechen, eigenmächtig eMails in Jos Namen versenden, heimliche Videoaufzeichnungen aus Jos Leben abspielen und keinen Hehl daraus machen, dass ihr Endziel Jos Tod ist. Allerdings hat sich Jos Vater einst das Leben genommen, nachdem seine Schizophrenie ihn mehr und mehr wahnsinnig machte; seine Diagnose war aufgefallen, nachdem er meinte, der Fernseher würde mit ihm reden – bei Jo sind es nun also die Smart Assistants, die sich nur zu Wort melden, wenn Jo alleine ist, so dass Jo einerseits verzweifelt versucht, diesem Treiben ein Ende zu bereiten und zumindest Zeugen für diese immer gehäufter auftretenden Vorfälle zu finden, und andererseits fast schon überzeugt ist, die Schizophrenie ihres Vaters geerbt zu haben, und daran verzweifelt, die Symptome in den Griff zu bekommen.
Spannend wird das Ganze dadurch, dass Jo natürlich mutmaßt, wer aus ihrem Umfeld das technische Knowhow besitzt (überraschend viele, denn Jo scheint sich, von Tabitha abgesehen, hauptsächlich mit den totalen Cracks der digitalen Boheme abzugeben) und noch dazu sooooooo viele Dinge über sie weiß (kaum jemand, und davon wissen generell alle aber auch nicht alles, was die Home Assistents jedoch so preisgeben). Da konnte ich mit Jo doch sehr gut mitfühlen und mitverdächtigen bzw. immer wieder überzeugt sein, dass sie definitiv einen herben schizophrenen Schub erlitt.

Wo Tremayne mir auch in „Die Stimme“ sehr grün ist: Jo ist nicht sonderlich sympathisch, ohnehin gibt es bei den Figuren nicht den Prototyp des allseits perfekten, allseits beliebten Menschen; die Figuren haben definitiv ihre Makel. Das mag ich, auch wenn ich es manchmal schon herausfordernd finde, wenn ich hier allenfalls mal eine Nebenfigur richtig toll finden kann (in diesem Fall z.B. den Obdachlosen „Autos“), und die hauptsächlich behandelten Figuren in einer oberflächlichen Blase versumpfen. „Versumpft“ wurde hier ohnehin ständig: Jede Menge in London spielender Romane haben mich zur Überzeugung kommen lassen, dass dort allabendliche Wein-Trinkgelage stattfinden (aber nur Rotwein!) und Pärchen in ihren 30 ebenso regelmäßig Swingerpartys besuchen oder wenigstens Dreier haben wie sie Wein trinken.
Hier passte Jos Darstellung für mich aber sehr: Irgendwie war sie noch sympathisch genug als dass ich es unerträglich fand, die Angriffe auf ihre gesamte Existenz zu beobachten, aber sie war mir auch noch unsympathisch genug als dass es mich nicht tieftraurig stimmte, dass sie nun womöglich in der geschlossenen Psychiatrie enden oder Suizid begehen würde. Sie war halt nicht der Typ Mensch, bei dem es einen tief erschüttert, wenn er schlimm erkrankt. Klingt zwar gemein, aber ich dachte definitiv die ganze Zeit während des Lesens, dass ich mich mit einer schizophrenen Jo sehr gut arrangieren könnte – und hoffte teils auch irgendwann, dass das letztlich des Rätsels Lösung sein würde, weil die (potentiellen) Wahnvorstellungen das Thema „Schizophrenie“ und was die Krankheit bei Betroffenen auszulösen vermag sehr gut in Szene setzten, dass man dann doch wieder dachte, das durchmachen zu müssen wünsche man niemandem, auch der unsympathischen Jo nicht.

Das Ende, in welche Richtung es auch gegangen sein mag, war dann auch schlüssig; man hat es als Leser gut verstehen können, wenn es mir da auch ein wenig zu holterdipolter ging, grad dafür, dass sich die ganze Situation zuvor mehr und mehr dramatisch zugespitzt hatte. Das hätte mir etwas entzerrter wohl doch auch noch ein Stück besser gefallen.
Letztlich bleibt in jedem Fall die Frage an den Leser, wie sehr künstliche Intelligenzen, erst recht zukünftig, das menschliche Leben beeinflussen können und da ist „Die Stimme“ definitiv ein sehr drastischer Gedankenanstoß, weil es sich hier eben voll und ganz darum dreht, ob Jo einfach krank ist oder ob sich die smarten Haushaltshelfer tatsächlich selbst zu manipulativen Psychopathen entwickeln können oder wie sehr von Dritten in ihre Prozesse eingegriffen werden kann – und alle drei Optionen scheinen in „Die Stimme“ ähnlich wahrscheinlich zu sein, was dann unsere echten, existenten Digitallösungen doch ein wenig sehr gruselig wirken lässt.

Veröffentlicht am 26.09.2020

Klassischer Whodunnit

Mord in Highgate
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Ich habe den ersten Band „Ein perfider Plan“ übersprungen und mich nun gleich hörenderweise an diesen zweiten Band der „Hawthorne ermittelt“-Reihe gemacht: Das hat ganz hervorragend geklappt.
Bei diesem ...

Ich habe den ersten Band „Ein perfider Plan“ übersprungen und mich nun gleich hörenderweise an diesen zweiten Band der „Hawthorne ermittelt“-Reihe gemacht: Das hat ganz hervorragend geklappt.
Bei diesem Buch handelt es sich um einen klassischen Whodunnit-Roman, erzählt vom Autor selbst, der in diesem Fall identisch mit der erzählenden Hauptfigur ist; das ist übrigens ein zwar ulkiger Kniff (grad dann, wenn der Autor andere Figuren sein bisheriges schreiberisches Schaffen loben lässt), der dem Roman auf den ersten Blick einen noch „authentischeren“ Anstrich verleiht und ihn ein wenig wie einen Tatsachenbericht wirken lässt, hätte vermutlich aber auch ebensogut funktioniert, trüge der Ich-Erzähler einen anderen Namen – zumal der ohnehin kaum mal wirklich erwähnt wird, so dass ich mir da bald eine rein fiktive Figur und nicht die Gestalt des echten Autors vorgestellt habe. Dennoch verleiht diese ganz besondere Perspektive auch „Mord in Highgate“ natürlich gleich einen noch etwas einzigartigeren Hauch.

Volker Hanisch als Sprecher des Hörbuchs ist in diesem Fall definitiv auch eine sehr gute Wahl: Er hat einen sehr angenehmen, leicht crispy Klang und diese Stimme passte für mich einfach sehr gut zum Erzähler der Geschichte, der also mit dem Autor übereinstimmt, der dem inzwischen als Privatermittler tätigen, ehemaligem Polizisten Hawthorne als eine Art Assistent zur Seite steht, wobei er für mich mehr wie jemand wirkte, der für ein Schnupperpraktikum bezahlt. Der Fall, mit dem die Beiden konfrontiert werden, wird dabei vergleichsweise nüchtern erzählt; es wird zwar über die wahren Hintergründe des Mordes gerätselt, dabei verliert sich die Handlung aber in keiner Stelle in Spekulationen; als Leser/Zuhörer kann man sich hier ganz fantastisch seine eigenen Gedanken machen. Allgemein merkte man dem „Mord in Hawthorne“ auch sehr an, dass der Autor einen starken Hang in Richtung Sherlock Holmes hat – wäre nicht gleich anfangs zum Beispiel bereits die Rede von einem Taxi gewesen, auf welchem Werbung für eine App angebracht war, hätte sich der Fall so auch leicht Anfang des 20. Jahrhunderts ereignet haben können; für mich wurde da nun schon eine ganz klassische Linie verfolgt, bei der man sich vor Allem darauf konzentrierte, mit den (potentiell) Involvierten Gespräche zu führen und eventuelle Widersprüche in ihren Aussagen aufzudecken. Dabei war der Fall grundsätzlich auch sehr interessant; es hat mich nun zwar nicht vor Spannung zerrissen, aber es war halt einfach ein schöner, simpler Kriminalfall mit interessanten, aber nicht überzogenen Figuren, bei dem man halt hervorragend miträtseln kann.
Die Auflösung ist dabei glaubwürdig und aber auch nichts Neues; da gab es schon deutlich vor Schluss für mich einen Heureka-Moment, in dem ich dachte: „Okay, dieser Figur nehm ich das so nun nicht ab. Ich glaub, tatsächlich ist es [soundso] gewesen.“ Letztlich hat sich [soundso] auch als der wahre Hintergrund erwiesen, so dass es mich schon noch ein wenig sehr amüsiert hat, dass Horowitz selbst Hawthorne gegenüber, der es auch schon durchschaut hatte, doch zunächst weiterhin sehr auf dem Schlauch stand. Für mich wurde das Hörvergnügen beim „Mord in Highgate“ aber auch nicht dadurch geschmälert, dass ich Täter und Motiv dann bereits deutlich erahnt hatte; ich hatte trotzdem Vergnügen, den weiteren „Verhören“ zu lauschen.

Insgesamt war „Mord in Highgate“ da nun ein wenig spektakulärer, aber sehr zum Miträtseln einladender Krimi, den ich vor Allem den Liebhabern der ganz klassischen Whodunnit-Krimis definitiv ans Herz legen kann!

Veröffentlicht am 23.09.2020

Ins kalte Wasser bzw. mitten in eine Reihe hinein geschmissen?!

Geburtstagskind (Ewert Grens ermittelt 1)
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Schwedische Krimis reizen mich seit einigen Jahren ganz besonders, da sie meiner Meinung nach immer eine grundsätzlich düstere und damit bösere Atmosphäre ausstrahlen; den badischen Lokalkrimi könnte ich ...

Schwedische Krimis reizen mich seit einigen Jahren ganz besonders, da sie meiner Meinung nach immer eine grundsätzlich düstere und damit bösere Atmosphäre ausstrahlen; den badischen Lokalkrimi könnte ich mir zum Beispiel eher nicht vor schwedischem Hintergrund vorstellen und in Sachen „Geburtstagskind“ faszinierte mich gleich der beklemmende Anfang, an dem man feststellt, dass das kleine Mädchen, das da fröhlich um ihre Familie tanzt und das schon seit Tagen tut, die einzig lebende Person in dieser Wohnung ist.
Ich war so neugierig darauf zu erfahren, wie es dem Kind, das damals eine neue Identität auferlegt bekommen hat, weiterhin ergangen ist und was der Hintergrund jenen Familienmassakers war – als ich dann mal wieder zu wöchentlichen Infusionen zum Hausarzt musste, habe ich die Gelegenheit genutzt, um mich dort ganz genüsslich auf der Liege hinzufläzen und Woche um Woche im „Geburtstagskind“ weiterzuschmökern. Das Buch war quasi mein Leseleckerli, das ich explizit während jenen Stunden gelesen habe. Aber in Woche 3 ließ meine Begeisterung doch bereits deutlich nach, denn das Mädchen spielte nach dem krassen Anfang zunächst keine Rolle mehr, außer dass man es wegen neuerer, gleichartiger Morde wiederauffinden wollte – noch dazu waren in diesem Zusammenhang wichtige und zudem geheime Unterlagen aus dem Polizeipräsidium Stockholms verschwunden, die zudem die Identität eines V-Manns enthüllten. Jener, namens Piet Hoffmann, spielt neben dem Kommissar Grens in „Geburtstagskind“ fortan die tragendste Rolle: Als Leser erlebt man plötzlich einen erpressten V-Mann, von dem man irgendwie nicht weiß, was man von ihm halten soll; zunächst wirkt er wie ein „simpler“ verdeckter Ermittler, dem es vor Allem darum geht, seine kleine Familie von seiner Arbeit möglichst fernzuhalten, um sie so zu schützen; dann wirkt er wie ein Szenekenner, wie ein Gauner, dem man für seine Mitarbeit als V-Mann Entgegenkommen zugesichert hat und plötzlich wird er ganz freimütig als der Mann bezeichnet, der mal der meistgesuchte Verbrecher Schwedens war. Auch in „Geburtstagskind“ verändert er prompt wieder sein Aussehen und, chirurgisch, sogar seine Stimme und blieb dabei für mich so wenig fassbar, dass ich ganz fasziniert davon bin, dass dieser Kerl sogar sowas wie ein ganz normales Familienleben führen sollte. Aber irgendwie war mir bis zuletzt nicht klar, ist er nun gut, ist er böse, ist er nur in dieser Geschichte nun auf der Seite der Guten, besteht sein Engagement inzwischen grundsätzlich darin, für die Polizei zu infiltrieren, wobei da eigentlich keiner groß weiß, dass er als V-Mann akquiriert worden ist. Es gab ständig irgendwelche Verweise auf die gemeinsame Vergangenheit von Grens und Hoffmann und dank Wikipedia weiß ich, dass es da bereits drei Piet-Hoffmann-Romane gegeben hat, die 2018/2019 allesamt auf Deutsch erschienen sind (Teil 1 ist sogar verfilmt worden; der erste Hoffmann-Roman ist tatsächlich die Basis für „The Informer“), was mir hier während des Lesens unklar war und ich weiß auch immer noch nicht, ob „Geburtstagskind“ nun sowas wie ein vierter Band oder ein Spinoff der Reihe ist. Ich hab „Geburtstagskind“ zwar letztlich verstanden, hatte aber ständig das Gefühl, dass mir irgendwelches Vorwissen fehlte – von daher mag es vielleicht doch empfehlenswert sein, die drei spezifischen Hoffmann-Bücher zuvor gelesen zu haben. (Ich habe mir deren Beschreibungen extra angesehen und „Geburtstagskind“ scheint da definitiv keine Neuauflage eines Titels zu sein.)

Letztlich sind die großen roten Fäden, die sich durch das Buch ziehen, Rache (von der man gar nicht weiß, wer genau sie an wem und warum eigentlich ausübt) sowie internationaler Waffenschmuggel, wobei man auch da nicht weiß, wer da beteiligt ist – und erst recht nicht, wie das alles noch mit der Kleinen vom Romananfang und ihrer toten Familie zusammenhängt. Irgendwie dröselt sich zwar alles auf und man versteht die Zusammenhänge auch, wobei ich das Ende der Geschichte übrigens ähnlich deprimierend wie den Anfang fand, aber ich hatte doch nicht mit diesem korrupten Konglomerat an Verstrickungen innerhalb der europäischen Unterwelt gerechnet. Was wie ein Psychothriller begann, wurde mehr und mehr zu einer Art Politthriller – und mein nachlassendes Interesse ab Woche 3 lag vor Allem daran, dass die Handlung in meinen Augen im dritten Fünftel des Romans zunächst sehr auf der Stelle trat; da schien es irgendwie Drohungen von allen Seiten zu geben ohne dass etwas passierte; die „neuen“ Morde waren eher uninteressant, weil der Bezug zu den Opfern fehlte. Für mich waren das bloß irgendwelche Unterwelttypen, bei denen es mir ehrlich gesagt völlig egal war, wer sie abgemurkst hatte – nach dem letzten Arzttermin habe ich den Roman dann auch erstmal links liegenlassen und war mir nicht sicher, ob ich ihn überhaupt noch weiterlesen wollte. Pluspunkt: Als ich das dann getan habe, war ich doch aber auch sofort wieder voll in der Geschichte drin und zum Ende des dritten Fünftels hin passierte auch wieder was, mehr Personen wurden strangweise in den Fokus gerückt und ohnehin wurde alles wieder zentrierter. Da gewann mich die Story als Leser wieder zurück, aber letztlich kann ich ihr doch nicht so recht verzeihen, dass sie mich zwischendrin derart hat hängenlassen, und auch mit nichts verraten hat, dass es da schon weitere Romane mit Piet Hoffmann gibt. Wer komplexere, internationalere Thriller mag, die in Richtung (politische) Korruption gehen und weithin in der Unterwelt spielen, findet bestimmt Gefallen am „Geburtstagskind“, aber ich würde halt doch dazu raten, zuvor die anderen Hoffmann-Bände zu lesen, um die Dynamik zwischen Hoffmann und Grens besser verstehen zu können.