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Lecce

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Veröffentlicht am 16.11.2022

Oxens Vorgänger - erreicht nicht ganz die Klasse, aber trotzdem spannend

EAST. Welt ohne Seele
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Die Karriere des CIA-Agenten Jan Jordi Kazanski scheint beendet zu sein. Seit seine Frau und seine Tochter bei einem Anschlag während seines letzten Einsatzes in Russland ums Leben kamen, verfällt er immer ...

Die Karriere des CIA-Agenten Jan Jordi Kazanski scheint beendet zu sein. Seit seine Frau und seine Tochter bei einem Anschlag während seines letzten Einsatzes in Russland ums Leben kamen, verfällt er immer mehr dem Alkohol. Überraschend wird er daher zu einem neuen Einsatz entsandt. Er soll in Krakau Kontakt zur sagenumwobenen Witwe, der Herrscherin der Krakauer Unterwelt und frühere Informantin der CIA, aufnehmen, um Informationen über einen bevorstehenden
Dabei trifft er auf die dänische Europol-Ermittlerin Xenia Larsen, die ebenfalls Interesse an der Witwe hat - wenn auch eher um deren Schmuggel-Netzwerk zu zerschlagen. Zusammen machen sie sich auf die Suche nach der Witwe.
Jens Henrik Jensen gelang mit der Reihe um den ehemaligen Elitesoldaten Oxen der Durchbruch in Deutschland. Doch war dies nicht seine erste Thriller-Reihe. Wurde die Portland-Trilogie in den letzten Jahren bereits veröffentlicht erscheint nun die Reihe um CIA-Agent Kazanski, mit der er seine Karriere als Schriftsteller begonnen hat. Und das merkt man dem Thriller in mehrerlei Hinsicht an. Zum einen lässt er das Potential Jensens erkennen. Die Story ist durchweg spannend geschrieben und trägt einen so durch das Buch. Zum anderen merkt man aber vielleicht auch die mangelnde Erfahrung als Schriftsteller. Manches wirkt noch eher unausgegoren bzw. werden auch manche Ereignisse quasi übersprungen bzw. in einem kurzen Absatz eher beiläufig erwähnt, die man durchaus spannend auserzählen hätte können (beispielsweise die Befreiung des Professors aus den Händen der Mafia). Das ist aber tatsächlich Kritik auf sehr hohem Niveau, auch frühe Nesbös erreichen Beispielsweise nicht die Klasse späterer Harry-Hole-Thriller.
Alles in allem also ein durchaus spannender Thriller, den man allerdings nicht mit der Oxen-Reihe vergleichen darf.

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Veröffentlicht am 31.08.2022

Das Gegenteil von gut ist gut gemeint

Pirlo - Gegen alle Regeln
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Kurz nachdem der Strafverteidiger Anton Pirlo sich nicht ganz freiwillig aus seiner alten Kanzlei verabschieden musste steht eine Frau vor seiner Wohnungstür, die ihn bittet, die Verteidigung ihrer Tochter ...

Kurz nachdem der Strafverteidiger Anton Pirlo sich nicht ganz freiwillig aus seiner alten Kanzlei verabschieden musste steht eine Frau vor seiner Wohnungstür, die ihn bittet, die Verteidigung ihrer Tochter zu übernehmen. Sie steht im Verdacht, ihren Mann, einen reichen Bauunternehmer, erstochen zu haben. Kurzentschlossen nimmt Pirlo diesen Fall an und versucht mit Hilfe seiner jungen Kollegin Sophie Mahler, den wahren Täter zu überführen. Hilfe bekommt er dabei von unerwarteter Seite: Seine Familie - ein krimineller Clan, von der er sich eigentlich losgesagt hatte - unterstützt ihn auf ihre ganz eigene Art bei den Ermittlungen. Nicht ganz uneigennützig, wie sich herausstellt.
Ingo Bott schafft (um mal mit dem Positiven anzufangen) einen ganz interessanten Ansatz. Statt eines Kommissars, Journalisten oder Privatdetektiven ermittelt hier ein Rechtsanwalt. Gepaart mit seiner eigenen Erfahrung als Strafverteidiger gelingen ihm hier durchaus interessante Einblicke in Prozesse, Gesetzeslagen und Verteidigungsstrategien, ganz im Stil der wohl bekannten Fernsehserie Matlock. Doch leider ist das Buch vom Niveau dann doch eher "Lensen und Partner" statt Matlock, wie ich an einigen Kritikpunkten festmachen muss:
Düsseldorf wird hier sehr ausführlich und großartig beschrieben. Das mag schon alles seine Richtigkeit haben (so gut kenne ich Düsseldorf nicht), jedoch wirkt es hier etwas fehl am Platz und lässt das Buch sprachlich eher an einen der vielen Regionalkrimis erinnern als an einen Thriller
Sophie Mahler ist (anfangs) von ihrem Chef Pirlo nicht besonders angetan. Dies äußert sie des Öfteren und wiederholt in gedanklichen Aussagen wie "so ein Arsch", etc. Da sich diese Aussagen sehr häufig wiederholen gingen sie mir sehr schnell auf die Nerven, v.a. weil sie dann doch tut, was ihr Chef erwartet, weil er ja "doch gut aussieht und interessant ist"
Apropos Chef: Die Ähnlichkeit zwischen dem Autor und Pirlo sticht ins Auge: das "für einen Anwalt untypische lange Haar", die gemeinsame Vergangenheit als Gründer einer "Wohnzimmerkanzlei", etc. Ich kann nur hoffen, dass der Autor im wahren Leben nicht so unsympathisch und macho-haft ist wie sein Buchcharakter. Jedenfalls werden diese Eigenschaften Pirlos für meinen Geschmack etwas sehr überbetont, obwohl sie eigentlich den Charakter Pirlos interessant machen
Laut Klappentext liebt der Autor Sprache; nun ja, das mag schon sein. Doch sprachlich finde ich das Buch (u.a. aus den oben bereits genannten Gründen der Wiederholungen) nicht gelungen. Es ist sehr einfach geschrieben, es liest sich aber trotzdem nicht sonderlich flüssig und wirkt eher wie eine Rohfassung, die noch überarbeitet werden muss
Auch inhaltlich sind einige Fehler enthalten; so verspricht Pirlo, bei der Verhandlung "am nächsten Tag" auf jeden Fall dabei zu sein; kurz darauf verabschiedet er sich aber von Sophie "Bis Montag", d.h. am nächsten Tag ist erst mal Wochenende. Das ist jetzt an sich kein tragischer Fehler, doch wenn es mir beim Lesen schon auffällt frage ich mich doch, warum einem Lektor das nicht aufgefallen ist; leider ist das auch nicht die einzige Stelle dieser Art, Zeitangaben sind mehrmals falsch und lassen das Lese"vergnügen" ins Stocken geraten
Speziell ein Krimi oder Thriller muss nicht übermäßig realistisch sein (OK, übernatürliche Fähigkeiten a la Superman sollte der Protagonist nicht besitzen...), aber einigermaßen logisch wäre schon wichtig. Dass Pirlo sich das entscheidende Indiz um die Unschuld seiner Mandantin aber mit Hilfe eines Einbruchs erzeugt ist schon hart an der Grenze. Dass man sich in einem Rechtsstaat auf diese Weise Beweise verschafft finde ich grenzwertig, Fiktion hin oder her

Alles in allem ist die Idee, einen Krimi aus Sicht eines Strafverteidigers zu schreiben gut (daher auch der zweite Stern). Hier ist er aber mangelhaft umgesetzt. Das können andere sprachlich und inhaltlich besser. Daher mein Fazit: leider nicht empfehlenswert!

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