Mit "Knochenkälte" legt Simon Beckett den siebten Band seiner beliebten David-Hunter-Reihe vor. Wie gewohnt überzeugt das Setting: Die Atmosphäre ist dicht, die Schauplätze sind sorgfältig gewählt und ...
Mit "Knochenkälte" legt Simon Beckett den siebten Band seiner beliebten David-Hunter-Reihe vor. Wie gewohnt überzeugt das Setting: Die Atmosphäre ist dicht, die Schauplätze sind sorgfältig gewählt und strahlen jene Mischung aus Kälte, Isolation und unterschwelligem Unbehagen aus, die Fans der Reihe schätzen. Beckett versteht es weiterhin gut, Umgebungen so zu beschreiben, dass man sich mitten im Geschehen fühlt.
Leider kann der Roman erzählerisch nicht durchgehend an diese Stärke anknüpfen. Der Thriller packt zwar in einzelnen Momenten und bietet kurze Spannungsphasen, verliert sich aber immer wieder in langgezogenen Passagen, die den Lesefluss bremsen. Manche Szenen wirken überflüssig oder rein funktional, als müssten sie nur die Handlung von einem Punkt zum nächsten tragen. Dadurch entsteht stellenweise Leerlauf.
Zudem wirkt der zugrunde liegende Fall überkonstruiert und zu vorhersehbar. Überraschungsmomente bleiben rar, und viele Entwicklungen lassen sich früh erahnen. Das nimmt der Geschichte einen Teil jener Intensität, die Beckett sonst so gut zu erzeugen weiß.
Insgesamt ist "Kochenkälte" solide geschrieben und atmosphärisch stark, erreicht jedoch nicht die Kraft der besten David-Hunter-Romane. Wer die Reihe mag, wird das Wiedersehen mit dem bekannten Setting schätzen – sollte aber keine außergewöhnliche Spannung erwarten.
Martin von Arndt hat mit "Der Wortschatz des Todes" einen Politthriller vorgelegt, der den Leser sofort in seinen Bann zieht. Schon die ersten Seiten machen deutlich: Hier geht es um mehr als nur einen ...
Martin von Arndt hat mit "Der Wortschatz des Todes" einen Politthriller vorgelegt, der den Leser sofort in seinen Bann zieht. Schon die ersten Seiten machen deutlich: Hier geht es um mehr als nur einen klassischen Kriminalfall. Von Arndt gelingt es, reale politische Konflikte, die Schatten der Geheimdienste und das Leben von Dissidenten in einem atmosphärisch dichten Spannungsbogen zu verweben.
Die Handlung kreist um die Aufklärung des Mordes an einem russischen Dissidenten – ein Szenario, das erschreckend nah an aktuelle politische Realitäten anschließt. Die Protagonistin Irina Starilenko, russischstämmige ehemalige BKA-Ermittlerin, wird durch ihre Nachforschungen in ein Geflecht aus Intrigen, Verrat und tödlichen Machtspielen hineingezogen. Von Arndt treibt die Geschichte in einem rasanten Tempo voran: Ortswechsel, überraschende Wendungen und das ständige Gefühl, dass jeder Schritt ins Verderben führen kann, halten die Spannung hoch.
Allerdings hat dieses Tempo auch seinen Preis. Mehrfach werden enge Vertraute und Freunde der Protagonistin in die Handlung hineingezogen. Das erzeugt zwar Dramatik und Tempo, hinterlässt jedoch auch den Eindruck, dass die Figuren vor allem als Schachfiguren für die Erhöhung des Spannungsniveaus dienen. Auch die Auflösung des Mordfalls hinterlässt einen ambivalenten Eindruck: Zwar ist sie logisch nachvollziehbar und fügt die verstreuten Puzzleteile geschickt zusammen, gleichzeitig wirkt der finale Durchbruch jedoch fast zu einfach.
Trotz dieser kleinen Schwächen überwiegt der Eindruck eines fesselnden Thrillers, der es versteht, Spannung mit politischer Relevanz zu verbinden. Von Arndt schreibt klar, präzise und mit einem Gespür für dramatische Szenen. Besonders stark sind die Passagen, in denen die Atmosphäre der Bedrohung spürbar wird und die Ohnmacht des Einzelnen gegenüber den Mechanismen politischer Macht sichtbar wird.
"Der Wortschatz des Todes" ist ein packender, temporeicher Politthriller, der aktuelle Themen rund um den Ukraine-Krieg mutig aufgreift und seine Leserschaft von der ersten bis zur letzten Seite in Atem hält. Auch die weiter zurückliegende Geschichte der Ukraine wie der Holodomor oder der Maidan liefern einen wichtigen Hintergrund, um den heutigen Konflikt einzuordnen. Insofern bleibt das Buch ein überzeugendes Beispiel für spannende Literatur mit politischem und historischem Tiefgang.
Titus Müller entführt seine Leser mit "Die Dolmetscherin" mitten in eine der dunkelsten und zugleich bedeutendsten Phasen der europäischen Geschichte. Schauplatz ist der Übergang von Krieg zu Rechtsprechung: ...
Titus Müller entführt seine Leser mit "Die Dolmetscherin" mitten in eine der dunkelsten und zugleich bedeutendsten Phasen der europäischen Geschichte. Schauplatz ist der Übergang von Krieg zu Rechtsprechung: die Nürnberger Prozesse unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Protagonistin Asta arbeitet zunächst als Dolmetscherin im Kurhotel „Palace“ im luxemburgischen Mondorf-les-Bains, wo prominente Nazi-Größen wie Hermann Göring interniert werden, und daran anschließend als Simultanübersetzerin im Hauptkriegsverbrecher-Prozess in Nürnberg.
Asta muss tagtäglich die qualvollsten Geständnisse ins Englische übersetzen – eine Aufgabe, die an die Nieren geht und den Lesern das Geschehen in ungeschönter, greifbarer Härte nahebringt. Die junge Dolmetscherin begibt sich dabei zwischen die Fronten der konkurrierenden Geheimdienste der Sowjets und US-Amerikaner sowie ehemaliger Nationalsozialisten, wobei Asta durch ihre Tätigkeit auch persönliche Interessen in Bezug auf Hermann Göring, den ehemaligen zweiten Mann im Dritten Reich, verfolgen zu scheint. Ihre Arbeit zwingt sie dazu, unvorstellbare Verbrechen in eine andere Sprache zu übertragen und den Angeklagten direkt gegenüberzutreten. Titus Müller zeigt überzeugend, wie sehr die seelische Belastung dieser Aufgabe an den Figuren zehrt und wie schwer es ist, inmitten politischer und moralischer Erschütterungen Menschlichkeit zu bewahren.
Besonders hervorzuheben ist die sorgfältige historische Recherche. Titus Müller gelingt es, die Atmosphäre der Nachkriegsjahre mit großer Genauigkeit nachzuzeichnen: das juristische Ringen um eine neue Weltordnung, das diplomatische Tauziehen zwischen den Alliierten und das tägliche Leben im Schatten des Prozesses, auch im Alltag der vom Krieg zerstörten Stadt Nürnberg.
Aber auch die Widersprüche in der juristischen Aufarbeitung in Bezug auf die Kriegsverbrechen der sowjetischen Armee im Zweiten Weltkrieg und des Britischen Empire in vorherigen Konflikten sowie die Rassentrennung in den USA werden in diesem Kontext problematisiert. Fiktive Elemente – wie die leise, von Unsicherheit geprägte Beziehung zwischen Asta und dem deutschen Kriegsgefangenen Leonhard werden harmonisch mit dokumentierten Ereignissen verwoben, sodass ein glaubwürdiges und lebendiges Gesamtbild entsteht.
Sprachlich überzeugt der Roman durch klare, präzise Sätze, die zugleich ein hohes Maß an Emotionalität transportieren. Müller verzichtet auf Effekthascherei und vertraut der Kraft seiner Figuren und der historischen Tatsachen. Diese Zurückhaltung macht den Text umso eindringlicher: Man spürt die Schwere der Schuld, das Ringen um Wahrheit und die Notwendigkeit, trotz aller Abgründe den Glauben an Gerechtigkeit nicht zu verlieren.
"Die Dolmetscherin" ist ein packender, klug komponierter Roman, der gleichermaßen Wissen vermittelt und bewegt. Titus Müller gelingt das Kunststück, Geschichte nicht nur abzubilden, sondern erlebbar zu machen – mit Figuren, die menschlich, verletzlich und vielschichtig sind. Der Roman entfaltet seine Wirkung vor allem durch die schonungslose Authentizität seiner Erzählweise. Wer sich für die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg interessiert oder Romane sucht, die historische Authentizität mit erzählerischer Spannung verbinden, findet hier ein Werk von besonderer Qualität.
"Freunderlwirtschaft" von Petra Hartlieb ist ein gelungener Polit-Krimi, der den Leser mit auf eine atmosphärisch dichte Reise ins österreichische Milieu nimmt. Die Autorin schafft es, die einzigartige ...
"Freunderlwirtschaft" von Petra Hartlieb ist ein gelungener Polit-Krimi, der den Leser mit auf eine atmosphärisch dichte Reise ins österreichische Milieu nimmt. Die Autorin schafft es, die einzigartige Stimmung und die Eigenheiten der österreichischen Gesellschaft präzise und mit einem feinen Gespür für Details einzufangen. Das Buch lebt von seinem authentischen Lokalkolorit, das Hartlieb mit spürbarer Liebe zu Land und Leuten zeichnet.
Der Krimi dreht sich um die dunklen Machenschaften und Verstrickungen im politischen Wien, und dabei gelingt es der Autorin, die subtilen Verflechtungen der "Freunderlwirtschaft" - ein typisches österreichisches Phänomen - treffend darzustellen. Die Charaktere sind sorgfältig ausgearbeitet und spiegeln die österreichischen Politik treffend wider, was dem Roman einen lebendigen und realistischen Anstrich verleiht. Die Dialoge sind scharf und oft humorvoll, was dem Buch eine angenehme Leichtigkeit verleiht.
Zwar ist die Spannung nicht die stärkste Seite des Romans, und auch das Ende bietet keine allzu großen Überraschungen, doch tut dies dem Lesevergnügen keinen Abbruch. Vielmehr liegt die Stärke des Buches in der geschickten Verknüpfung von Gesellschaftskritik und Unterhaltung. Man wird nicht nur gut unterhalten, sondern auch dazu angeregt, über die politischen und sozialen Verhältnisse nachzudenken.
Die Einführung der Protagonistin Alma Oberkofler und deren Intention Polizistin zu werden, werden nicht weiter fortgeführt, was stark darauf schließen lässt, dass der Roman der Beginn einer Reihe ist.
Für Leser, die Interesse an einem Polit-Krimi mit starkem regionalen Bezug haben und die österreichische Kultur schätzen, ist "Freunderlwirtschaft" definitiv eine lohnenswerte Lektüre. Petra Hartlieb hat einen soliden Roman geschaffen, der durch seinen Charme und seine treffende Gesellschaftsanalyse besticht.
Im Salzburg des Jahres 1913 wird der Schausteller und kongeniale deutsche Hochstapler Otto Witte in die städtische Heilanstalt eingewiesen, weil er sich für den ehemaligen König von Albanien hält. So dann ...
Im Salzburg des Jahres 1913 wird der Schausteller und kongeniale deutsche Hochstapler Otto Witte in die städtische Heilanstalt eingewiesen, weil er sich für den ehemaligen König von Albanien hält. So dann auch der Titel der Neuauflage von Andreas Izquierdos bereits 2007 erschienen Romans, der teilweise auf den Aufzeichnungen des Protagonisten basiert, die allerdings hinsichtlich ihrer historischen Authentizität auch nur wage der damaligen Realität entsprechen.
Nichtsdestotrotz ist der Roman ein wirkliches Lesevergnügen. Eine wahre Köpenickiade, die, wenn sie genauso stattgefunden hat, sicher eines der dreistesten politischen Täuschungsmanöver des 20. Jahrhunderts war.
Eingebettet ist die Geschichte in eine Rahmenhandlung, in der Otto Witte seine abenteuerliche Geschichte dem jungen Psychiater Alois Schilchegger erzählt. Dabei erfährt der geneigte Leser einiges über den Stand der Psychiatrie und die Zustände in einer öffentlichen Heilanstalt zu Beginn des 20. Jahrhunderts.
Die eigentliche Geschichte wie aus dem Schausteller Otto Witte -wenn auch nur für fünf Tage- der König von Albanien wurde beginnt im Oktober 1912 in Konstantinopel. Das Osmanische Reich befindet sich im Zweiten Balkankrieg und droht auseinander zu brechen. Auch der kleine Balkanstaat Albanien hat seine Unabhängigkeit vom Sultan erklärt, droht aber unter seinen mächtigeren Nachbarn Serbien, Griechenland und Montenegro aufgeteilt zu werden und sucht als Ausweg aus dem Dilemma einen König auszurufen, der den Rückhalt der noch im Lande befindlichen türkischen Armee-Korps und somit die Unabhängigkeit Albaniens sichern kann.
Als geeigneter Kandidat erscheint den albanischen Unterhändlern dabei der osmanische Prinz Halim Eddine, ein Neffe des regierenden Sultans, der sich jedoch nicht bereit erklären mag, die Krone anzunehmen. Davon erfährt der politisch uninteressierte Analphabet Otto Witte von seinem türkischen Freund Ismail Arzim, einem wohlhabenden Hauptmann des osmanischen Heeres, und schmiedet mit seinem Freund Max Hofmann einen ehrgeizigen und dreisten Coup. Otto Witte möchte König von Albanien werden.
Und so nimmt das Schicksal seinen Lauf. Auf Umwegen erreichen die beiden Hasardeure Otto Witte und Max Hofmann Albanien und schaffen es tatsächlich den legendären General Essad Pascha, der ebenfalls Ambitionen auf den Thron zeigt, seine zwei türkische Korps sowie die albanische Oberschicht zu narren und den Schausteller Otto Witte zu König auszurufen.
Fünf Tage geht es drunter und drüber in Albanien. Otto I. von Albanien nimmt Paraden ab, wird vom Adel proklamiert, lässt sich vom Volk bejubeln, gründet einen Harem mit elf Frauen und macht gegen Serbien und Montenegro mobil. Als der Schwindel m fünften Tage auffliegt kann Otto sich und seine Freunde zunächst noch retten, allerdings in der Falle sitzend und umringt von Untertanen, die nur noch eines wollen: seinen Kopf.
Mit dem „König von Albanien“ ist Andreas Izquierdo ein wahrer Schelmenroman geglückt, der gekonnt historische Fakten und Fiktion mischt. Der Autor, der mit Nachkommen Otto Wittes gesprochen und lange für die Geschichte recherchiert hat, kann dabei den humorvollen Ton des Einstiegs über die ganze Länge des Buches hinweg beibehalten.