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Veröffentlicht am 02.11.2023

Ungewöhnliches Familientreffen, bei dem nichts so ist, wie es scheint

Die mörderischen Cunninghams. Irgendwen haben wir doch alle auf dem Gewissen (Die mörderischen Cunninghams 1)
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Familientreffen bei Cunninghams: Ein abgelegenes, tief verschneites Resort in den australischen Bergen, die Matriarchin Audrey will den ältesten, frisch aus dem Knast entlassenen Sohn Michael zurück in ...

Familientreffen bei Cunninghams: Ein abgelegenes, tief verschneites Resort in den australischen Bergen, die Matriarchin Audrey will den ältesten, frisch aus dem Knast entlassenen Sohn Michael zurück in den Schoß der Familie führen. Auch der ausgestoßene Ernest, dessen Aussage Michael vor drei Jahren in den Knast brachte, soll zu seiner eigenen Überraschung dabei sein. Michael ist jetzt mit Ernies Ex-Frau Erin zusammen und hat ungewöhnliches Gepäck bei sich. Als ein Toter gefunden wird, geht man zunächst von einem Unfall aus. Doch irgendwie glaubt Ernest das nicht. Er beginnt zu schnüffeln: Einer muss es ja machen, und schließlich schreibt er Bücher darüber, wie man Krimis schreibt. Wenn ihn das nicht qualifiziert!

Herrlich skurrile Charaktere, verzwickt und clever konstruiert, ungewöhnliches Setting und spannender Plot! Mehr geht nicht. Der Autor verkauft seine Geschichte sehr gekonnt als wahr und das trägt nicht unwesentlich dazu bei, die Spannung auf einem stetig hohen Niveau zu halten. Der Stil ist recht ungewöhnlich, die ganze Zeit über spricht Ich-Erzähler Ernest den Leser direkt an, gibt ihm Hinweise und weist wiederholt sowohl auf die zehn goldenen Regeln des Krimi-Schreibens von Ronald Knox hin als auch auf Dinge, die er bereits erwähnt hat oder solche, die er noch erwähnen wird. Dabei gibt er sogar mehrfach die Seitenzahlen an, auf denen es Tote geben wird, bei einem eBook eher sinnlos, nichtsdestotrotz fiebert man als Leser darauf hin. Und das zurecht. Denn es bleibt konstant spannend und mehrere Wendungen sorgen immer wieder für Überraschungen. Mit seinem Stil parodiert der Autor mit einem Augenzwinkern das Genre der klassischen Kriminalgeschichte und schreibt genau deshalb eine sehr gute ebensolche.

Formal ist die Geschichte in mehrere Teile unterteilt, deren Titel mit Ernests Familienmitgliedern überschrieben und in fortlaufende Kapitel gegliedert sind. Die Charaktere sind durchweg sehr detailliert und vielschichtig beschrieben und die Story lebt zu einem großen Teil sowohl vom Verhältnis der Familienmitglieder zueinander als auch von ihrer Interaktion untereinander. Aber auch Außenstehende kommen nicht zu kurz und clever löst Ernest jedes noch so kleine Rätsel. Hier sind tatsächlich mehrere Fälle aus Vergangenheit und Gegenwart miteinander verwoben und so findet Ernest nicht nur heraus, was es mit dem unbekannten Toten im Schnee auf sich hat, sondern auch was mit seinem verstorbenen Vater geschah. Nebenbei löst er das Rätsel um einen Serienkiller und findet seinen angeblich toten Bruder. Klingt kompliziert? Ist es auch. Als Leser muss man am Ball bleiben und darf in seiner Konzentration nicht nachlassen. Dank des sehr einhängigen Schreibstils fällt einem das aber nicht schwer.

Eine ungewöhnliche Familie, in der fast jede und jeder etwas zu verbergen hat und die zusammenhalten wie Pech und Schwefel, und das besonders Außenseitern gegenüber, wozu auch der anfangs widerwillig herumschüffelnde Ernest gehört. Er bekommt mehr Hilfe von Resortchefin Juliette als von seinesgleichen. Ernests Antrieb sind meines Erachtens seine unermüdliche Neugier und der Wunsch, die Wahrheit herauszufinden. Und auch ein bisschen der Wunsch, von seiner Familie nicht mehr als Verräter abgestempelt zu werden. Ernest nimmt uns als Leser mit auf seine Reise als Ermittler und lässt uns an seinem Wissen eins zu eins teilhaben. Man weiß an sich immer genauso viel wie er und doch lange nicht genug.

Fazit: Sehr gut konstruierter Krimi, der das Genre liebevoll auf die Schippe nimmt und ihm dadurch seine Ehrerbietung erweist. Wer gerne selbst ermittelt: Vergessen Sie es. Auch wenn der Autor Ihnen weismachen will, dass er überall Hinweise versteckt hat, es ist einfach soviel Material, dass man lieber Ernest einem die Lösung auf dem Silbertablett, sprich klassisch in der Bibliothek, servieren lässt. Da findet das große Finale mit einem Paukenschlag statt und eine ungewöhnliche, hervorragende Geschichte ihre Vollendung.

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Veröffentlicht am 21.08.2023

Ein Leben für die Kinder

Wie ein Stern in mondloser Nacht
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Zwei Jahre nach Ende des 2. Weltkrieges lebt die junge Henriette Bartholdy, genannt Henni, im zerbombten Berlin mit ihrer Mutter und ihrem kranken Bruder in bitterer Armut. Als sie ihre Mutter auf deren ...

Zwei Jahre nach Ende des 2. Weltkrieges lebt die junge Henriette Bartholdy, genannt Henni, im zerbombten Berlin mit ihrer Mutter und ihrem kranken Bruder in bitterer Armut. Als sie ihre Mutter auf deren Putzstelle im Haus der reichen von Rothenburgs vertritt, lernt sie den Sohn des Hauses, Ed, kennen. Die beiden verlieben sich ineinander, doch das Ganze geht nicht gut aus, denn Eds Eltern haben für ihren Sohn einen anderen Lebensweg vorgesehen. Als Henni schwanger wird, bestechen die von Rothenburgs Hennis Mutter und gemeinsam zwingen sie Henni zu einem folgenschweren Schritt.

Immer nach vorn, nie zurück: Das ist das Motto von Henni. Eine wundervolle Protagonistin hat die Autorin da erschaffen, eine, die das Leben trotz aller Widerstände liebt, die trotz aller Schicksalsschläge immer nach vorn schaut und ihren Prinzipien treu bleibt. Henni reift im Laufe des Buches, wird vom gebeutelten, von allen verlassenen Kriegskind zu einer Kämpferin ihrer Sache, eine, die erst für sich und dann für ihre Überzeugungen einsteht. Die Entscheidung, Hebamme zu werden, entsteht, nachdem sie ihren fruchtbarsten Moment erlebt und überstanden hat, und Henni verfolgt ihre Ziele mit aller gebotenen Hartnäckigkeit.

Dies ist ein wundervoller Roman über eine starke Frau in schwierigen Zeiten, die ihren Weg geht und dafür einiges in Kauf nimmt. Der Aufbau des Buches, der Stil, die Schreibe und die Figuren sind allesamt stimmig und sehr gut herausgearbeitet, es liest sich unheimlich flüssig, man ist sofort in der Geschichte drin und kann nicht mehr aufhören. Perspektivisch wechselt die Geschichte zwischen Henni in der Nachkriegszeit und Liv im Jahr 2000. Während Livs Erzählung sich über einen kurzen Zeitraum erstreckt, wird Hennis Leben fast komplett erzählt.
Die Wechsel zwischen den beiden Zeitebenen erhöhen die Spannung, auch wenn man irgendwann ahnt, wie beides zusammenhängt. Beide Frauen machen eine Entwicklung durch, sind tief emotional verbunden mit ihrer Vergangenheit und emanzipieren sich doch von ihr, streifen ab, was sie schwächt, und sehen schlussendlich nach vorn in eine hoffnungsvolle Zukunft.

Alle Charaktere haben sehr eigenständige, vielschichtige und gut dargestellte Persönlichkeiten, wenn auch Henni für mich der stärkste Charakter ist. Liv blieb mir in manchem fremd und zu Ed hatte ich ein sehr gespaltenes Verhältnis. Seine Liebe zu Henni ist wohl echt, jedoch egoistisch und feige, das legt er auch in späteren Jahren nicht ab. Er steht nicht zu Henni und lässt sich von seinen Eltern leiten. Seine Eifersucht und sein Selbstmitleid machten ihn nicht sympathischer, auch wenn er mit seinen Mitteln vieles für Geburtenkontrolle und Aufklärung tut.

Gut fand ich, wie die Schere zwischen arm und reicht sichtbar gemacht wurde und was Armut mit Menschen machen kann, wie sie sie zum Beispiel korrumpiert, hier in der Figur von Hennis Mutter dargestellt. Diese ist durch den Krieg und den Tod ihres Mannes bitterarm geworden und der kranke Sohn zehrt ebenfalls an ihr. Der Kampf ums Überleben hat sie hart gemacht und blind gegenüber den Bedürfnissen ihrer Tochter, die sie als Arbeitskraft und Geldquelle ausnutzt. In ihrer schwersten Stunde wird Henni nicht nur von Ed, sondern auch von ihrer Mutter verlassen. Umso bemerkenswerter, dass Henni sich selbst aus diesem Tal der Tränen herauszieht, ihr Leben in die Hand nimmt und die Kraft findet, anderen zu helfen.

Fazit: Wunderschöner, zu Herzen gehender Roman über eine starke, sensible und loyale Frau. Mit Henni habe ich sehr mitgelitten und mitgelebt und ich fand es interessant, einiges über Findelkinder und die Motive der Mütter zu erfahren. Auch heute noch sind Babyklappen umstritten und das Nichtanzeigen eines Neugeborenen strafbar. Ein Buch, das ein schwieriges Thema sensibel und einfühlsam aufgreift und die Motive nachvollziehbar macht.

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Veröffentlicht am 02.08.2023

Mütter und Töchter und andere Begebenheiten – eine Familiengeschichte

Bei euch ist es immer so unheimlich still
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Berlin, 1989: Silvia Borowski lebt in einer WG und hält sich mehr schlecht als recht über Wasser. Mit ihrer neu geborenen Tochter Hannah wird das nicht einfacher. Überstürzt klaut sie den Polo ihres Mitbewohners ...

Berlin, 1989: Silvia Borowski lebt in einer WG und hält sich mehr schlecht als recht über Wasser. Mit ihrer neu geborenen Tochter Hannah wird das nicht einfacher. Überstürzt klaut sie den Polo ihres Mitbewohners Dirk und fährt in ihre alte Heimat Ildingen in der schwäbischen Provinz, um zu ihrer Mutter zu fahren, obwohl sie mit ihr schon viele Jahre keinen Kontakt mehr hat. Wie wird Evelyn Borowski sie aufnehmen? Mit ihrer Fahrt ins Ungewisse rührt Silvia viele alte Wunden und Geschichten wieder auf und es kommt so manches Familiengeheimnis ans Licht.

Wunderbarer Familienroman über Mütter und Töchter, den Zweifel, alles richtig zu machen, über Umbrüche und Aufbrüche, aber auch über das Ankommen und Annähern und das Ende der Stille. Fast schon ein wenig nebenbei erfährt der geneigte Leser auch einiges über Dorfgemeinschaften, über unerwartete Freundschaften und verhaltenes Aufbegehren gegen gesellschaftliche Normen. Das fiktive Dorf Ildingen spiegelt dabei das ganze Spektrum eines engen Mikrokosmos, in dem Tradition und alte Werte großgeschrieben werden. Ein Dorf, wie es Tausende gibt, in dem jeder jeden kennt, wo jeder die Geheimnisse des anderen zu kennen glaubt und wo es doch ständig unter der Oberfläche brodelt. Der Gegensatz zum überschäumenden Berlin zur Wendezeit, wo sich gerade alles verändert, ist deutlich zu spüren.

Auf zwei Zeitebenen erzählt die Autorin sehr gekonnt und mit viel Sympathie für ihre Figuren die Geschichte der beiden Frauen Evelyn und ihrer Tochter Silvia. Ihrer beider Suche nach einem vertrauten Miteinander, die Verzweiflung, keinen Draht zueinander zu haben und die Hoffnung, dass es doch einmal so sein wird, dies zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch. Man erfährt viel über Evelyns und Silvias Charakter, der die Motive erklärt und ihre Reaktionen nachvollziehbar macht. Zumindest für den Leser, die beiden selbst bleiben lange stumm und so sind Missverständnisse vorprogrammiert. Sehr geschickt verknüpft die Autorin zudem weitere Perspektiven, etwa der Bettis oder Georgs, mit der Haupthandlung. So werden Geschehnisse verdeutlicht, aus einer anderen Perspektive beleuchtet und noch mehr Hintergründe ans Licht gebracht.

Alle Charaktere werden gut und vielschichtig dargestellt und keiner ist oberflächlich. Die Tiefe der Figuren und ihrer Interaktion machen die Spannung der Geschichte aus. Silvia und Evelyn sind dabei im Fokus, sowohl im Jahr 1957 als auch 1989. Während in der Gegenwart die Zeitspanne der Geschichte nur ein paar Monate dauert, in der Silvia bei ihrer Mutter ist, spannt sich die Rückblende über mehrere Jahre und bringt chronologisch die wahren Ereignisse ans Licht.

Es ist auch eine Geschichte des Weglaufens und wieder Zurückkommens, der Abnabelung und der Annäherung. Beide Frauen sind voller Selbstzweifel, der anderen nicht zu genügen, und das Nicht-miteinander-sprechen-können macht ein großes Stück der Tragik dieser Geschichte aus. Evelyn mit ihrem analytischen Verstand, ihrer Selbstdisziplin und ihrem Perfektionismus steht dabei zunächst in krassem Gegensatz zu ihrer emotionalen Tochter. Das Bindeglied zwischen beiden ist Hannah, sie bringt die beiden aneinander näher und bewirkt, dass sie aufeinander zugehen und sich ihren Ängsten stellen.

Auch andere Figuren haben stark herausgearbeitete Persönlichkeiten, so fand ich etwa Silvias Vater Karl oder ihren Kumpel Rüdiger wunderbar und auch überraschenderweise Monika. Fast alle Protagonisten machen auf die eine oder andere Art eine Entkoppelung durch, man trennt sich von alten Zöpfen und emanzipiert sich, sodass neue Bündnisse entstehen. Menschen wachsen zusammen, formieren sich neu und sind schließlich bereit zu neuen Ufern aufzubrechen. Ein schönes Pendant zur deutschen Wende: Das, was im Großen mit einem ganzen Volk passiert, geschieht ebenso in der kleinen Parallelwelt.

Fazit: Ein wunderbares, emotionales und zu Herzen gehendes Buch, das sich gut lesen lässt und viel Empathie für die Figuren weckt. Das gebundene Buch kommt mit schön gestaltetem Schutzumschlag und Lesezeichenband daher. Im Anschluss an die Geschichte findet sich eine Leseprobe des Vorgängerbandes, der interessanterweise zeitlich NACH diesem spielt. Meines Erachtens lassen sich aber beide unabhängig voneinander lesen. Diese Geschichte hier macht jedenfalls Lust, mehr von der Autorin zu lesen, und ist vor allem für Fans von Frauen- und Familiengeschichten der leisen, aber intensiven Töne sehr gut geeignet.

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Veröffentlicht am 27.07.2023

Mystisch und intelligent - außergewöhnlicher Thriller, der in fremde Dimensionen vordringt

Ingenium
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Mike Brink hat eine ungewöhnliche Gabe: Nach einem Schädel-Hirn-Trauma hat er eine Inselbegabung und kann spielend leicht Rätsel aller Art lösen. Außerdem hat er dadurch ein fotografisches Gedächtnis und ...

Mike Brink hat eine ungewöhnliche Gabe: Nach einem Schädel-Hirn-Trauma hat er eine Inselbegabung und kann spielend leicht Rätsel aller Art lösen. Außerdem hat er dadurch ein fotografisches Gedächtnis und ungewöhnliches mathematisches Verständnis. Sein Ruf eilt ihm voraus, und so wird er ins Gefängnis von Ray Brook gerufen, wo eine Insassin eine rätselhafte Zeichnung angefertigt hat, die er lösen soll. Diese erweist sich als unvollständig und komplex und für Mike nicht auf Anhieb lösbar. Da aufgeben für ihn keine Option ist, ist er bald tief in etwas verstrickt, das größer ist als alles, was er je kennengelernt hat.

Mystisch, intelligent, rätselhaft – ein unheimlich komplexer Thriller, der alle Elemente des Genres vereint und den Leser bis zur letzten Zeile fesselt. Die Autorin versteht es hervorragend, die komplexen Rätsel und wissenschaftlichen Hintergründe anschaulich darzustellen und in einen rasanten Thriller einzuweben, ohne dass der Lesefluss gebremst wird oder die Spannung leidet. Dabei sind ihre Figuren trotz außergewöhnlicher Fähigkeiten und Intelligenz alle sehr menschlich – Opfer wie Täter. Alle haben tiefe Gefühle und Ängste und zweifeln oft an ihrer Mission. Daher kommt man als Leser auch nicht umhin, Sympathie für die Gegenseite zu entwickeln. Man hat einfach viel Verständnis für die Motive. Das Bedürfnis nach der Unsterblichkeit der Seele ist ein Urwunsch der Menschheit, die Beschäftigung mit der Frage, was nach dem Tod kommt und die Überwindung dessen ist so alt wie die Menschheit selbst. Hier wird dies verbunden mit uralten mystisch-religiösen Überlieferungen und hochmoderner künstlicher Intelligenz. Deren Zusammenspiel ist eines der großartigen und spannenden Elemente der Geschichte. Diese Gegensätzlichkeit zieht sich durch die gesamte Geschichte. Gut und Böse, Glaube und Wissenschaft, Traum und Wirklichkeit, all das verschwimmt miteinander und mir fiel es mitunter schwer zu unterscheiden, was wirklich ist und was nicht.

Trotz des sehr guten Stils muss man schon gründlich lesen und am Ball bleiben, die Rätsel, die Mystik und die historischen Hintergründe sind zu komplex, um die Geschichte einfach so herunterzulesen. Dennoch war ich als Leser sofort gebannt von Mikes Fähigkeiten und dass es so etwas wirklich gibt. Die Geschichte ist in der Hauptsache zwar auf ihn als Charakter fokussiert, die anderen Figuren kommen aber nicht zu kurz. Auch das macht die Autorin geschickt: Die Perspektive wechselt von Mike und seinen Aktionen häufig zu seinem Gegenspieler Sedge und dessen Handlanger Cam. Außerdem werden Perspektivwechsel in Form von Tagebucheinträgen und Briefen durchgeführt. Das Ganze ist sehr abwechslungsreich und spannend, und nach und nach erhält der Leser in dem Maße Informationen, wie sie Hauptfigur Mike gewinnt. Wobei wie oben erwähnt manchmal nicht klar ist, in welcher Dimension sich Mike gerade befindet. Auch das muss man mögen: Offen sein für ungewöhnliche Sichtweisen, für mystische Geheimnisse und dem Verwischen von Zeit und Raum. Es ist eben kein gewöhnlicher Thriller und schon gar kein klassischer Krimi, bei dem es nur eine Lösung gibt. Das Ende der Geschichte ist demgemäß zwar nachvollziehbar und durchaus befriedigend, aber dennoch offen und eigentlich eher ein Anfang.

Fazit: Ein rasanter Thriller und ein sehr intelligent konstruierter Plot, bei dem man ständig mit allem rechnen muss und immer wieder überrascht wird. Erinnert phasenweise sehr an Dan Brown und Mike an den Symbolforscher Robert Langdon, entwickelt aber seinen eignen Stil. Rätselhaft, mystisch und wissenschaftlich, die Geschichte vereint viele gegensätzliche Elemente und verwebt diese auf ungewöhnliche Art und Weise miteinander. Den geneigten Leser erwartet Spannung pur und wer sich auf mehr einlassen möchte, wird in fremde Dimensionen vorstoßen.

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Veröffentlicht am 16.06.2023

Mythos und Ikone – Greta Garbo

Greta Garbo (Ikonen ihrer Zeit 9)
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Greta Gustavsson ist Verkäuferin in der Hutabteilung des Kaufhauses PUB. Sie muss Geld verdienen, denn ihr Vater ist gestorben und die Familie kommt kaum über die Runden. Ihr großer Traum, Schauspielerin ...

Greta Gustavsson ist Verkäuferin in der Hutabteilung des Kaufhauses PUB. Sie muss Geld verdienen, denn ihr Vater ist gestorben und die Familie kommt kaum über die Runden. Ihr großer Traum, Schauspielerin zu werden, scheint weit weg. Immerhin darf sie, obwohl blutjung, in Werbefilmen mitspielen. Der Beginn einer beispiellosen Karriere!

Ein wundervoller Roman, der den Karriereweg einer der wohl bekanntesten Schauspielerinnen überhaupt beleuchtet und dabei tiefe Einblicke in ihr Seelenleben gibt. Geheimnisvoll, mysteriös, charismatisch, talentiert, all das war Greta Garbo. Sie ist eine Ikone des Alten Hollywood, eine vielseitige Schauspielerin, die oft romantische Rollen spielte, Rollen, in denen sie Männer um den Verstand brachte, die aber alles spielen konnte. Der kamerascheue Filmstar zu sein war für sie kein Widerspruch, sie war bekannt dafür, dass sie die Medien ablehnte und nichts über ihr Privatleben preisgab.

All das greift die Autorin sehr schön auf. In sehr gefälligem Stil beschreibt sie Garbos Werdegang und ihre Filmografie, ihr Verhältnis zu Familie und Freunden, zu Regisseuren, Mentoren und ihrem Arbeitgeber MGM und zu Männern und Frauen. Dabei bleibt sie gefühlvoll und empathisch mit ihrer Heldin, driftet nicht ins Kitschige ab und hält sich meines Erachtens gut an biografische Tatsachen. Sehr schön fand ich die Herausarbeitung der starken Persönlichkeit Garbos, die einerseits voller Zweifel ob ihrer mangelnden Bildung und ihres Talents ist, sich aber andererseits in schwierigen Momenten stets durchzusetzen weiß und nie aufgibt. Ihre Chancen nutzen, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein, auch das war wohl ein großes Talent der Schauspielerin.

Formal unterteilt sich der biografische Roman in vier Teile, die jeweils mit Jahreszeiten überschrieben sind, und setzt am Beginn ihrer Karriere ein. Diese ersten Jahre werden sehr ausführlich beleuchtet, während später, als sie ein Star ist, die Jahre gerafft und die Zeitsprünge größer werden. In dieser ersten Zeit ist alles sehr emotional, Greta macht sich viel Gedanken, vermisst ihre Familie, zweifelt an ihrem Talent. Als sie ein Star ist, tritt mehr der technische Aspekt in den Vordergrund, welche Filme dreht sie mit welchem Regisseur, wie läuft das ab, mit wem kommt sie gut aus, mit wem nicht. Zwischendurch kommt es ein bisschen wie eine Filmografie daher, es wird so aber deutlich, wie viel Greta Garbo gearbeitet hat und welches Vermächtnis sie hinterlässt. Der emotionale Aspekt ist zwar hier auch vorhanden, tritt aber ein wenig in den Hintergrund. Insgesamt ist uns die junge Greta näher als der Star Garbo, die sich als weltbekannte Berühmtheit immer mehr in ihrer selbst gewählten Einsamkeit verschanzt. Die Autorin schafft es aber sehr gut, uns den Menschen Greta nahe zu bringen. Ich habe jedenfalls großen Anteil an ihrem Leben und ihrem Wirken genommen.

Fazit: Man muss kein Garbo-Fan sein, um dieses Buch zu lesen und zu mögen. Eine gewisse Affinität zu Ikonen und starken Frauen schadet aber nicht. Dank des wundervollen Stils lässt sich die Geschichte sehr gut lesen und gewährt tiefe Einblicke in das Filmgeschäft und in die Persönlichkeit einer außergewöhnlichen Frau.

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