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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 19.08.2019

Wie gut Hakan Nesser schreiben kann

Himmel über London
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Leonard Vernim ist todkrank und lädt zu einem letzten Abendessen. Der Tisch ist für sechs Personen gedeckt, nur wer sind die zwei Personen, die bis auf den Gastgeber nach keiner kennt. Gleichzeitig macht ...

Leonard Vernim ist todkrank und lädt zu einem letzten Abendessen. Der Tisch ist für sechs Personen gedeckt, nur wer sind die zwei Personen, die bis auf den Gastgeber nach keiner kennt. Gleichzeitig macht ein Serienmörder die Stadt unsicher.

Bisher kannte ich Hakan Nesser als Autor von Krimis, die mal Spitze, mal nur Durchschnitt waren. Deshalb habe ich Himmel über London irgendwann als Schnäppchen mit nach Hause gebracht. Nach einiger Zeit auf dem SUB war es jetzt soweit. Vor dem Lesen dann die Erkenntnis, dass Roman und eben nicht Krimi auf dem Umschlag steht. Egal? Ja, egal! Denn die Reise, auf die Hakan Nesser mich mitgenommen hat, war sehr unterhaltsam, sehr spannend und sehr doppelbödig. Da musste ich auch mal um die Ecke denken. Die Menschen sind allesamt gefangen in ihrer eigenen Welt; machen ihre Pläne, ohne daran zu denken, dass der Erzähler die Erzählung lenkt, oder lenkt doch die Erzählung den Erzähler? Am Ende sieht man sie alle vom Leben geschlagen und der Autor steht daneben und lacht sich eins.

Ein eigenwilliger Roman, der zeigt, wie gut der Autor Hakan Nesser eigentlich ist.

Achso, fast vergessen: Der oben genannte Serienmörder verschwindet in einem Nebenstrang und trotzdem ist er ungeheuer wichtig für das Ende des Romans.

Veröffentlicht am 19.08.2019

Ein Kinderbuch, auch für Erwachsene

Die unendliche Geschichte
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Bastian Balthasar Bux stiehlt ein Buch aus einem Antiquariat. Als er, anstatt zur Schule zu gehen, darin liest, gerät er mitten in das Buch. Er begibt sich auf eine spannende und abenteuerliche Reise durch ...

Bastian Balthasar Bux stiehlt ein Buch aus einem Antiquariat. Als er, anstatt zur Schule zu gehen, darin liest, gerät er mitten in das Buch. Er begibt sich auf eine spannende und abenteuerliche Reise durch Phantasien.

Es ist immer ein Abenteuer, als Erwachsener ein Buch wiederzulesen, das man als Kind gelesen hat. Ein Buch, das einem schlaflose Nächte bereitet hat. Ein Buch, von dessen Verfilmung man enttäuscht war. Ein Buch, das die Leselust erst geweckt hat. Ich habe mich auf dieses Abenteuer gewagt und ich habe die Zeit sehr genossen. Natürlich sieht man als Erwachsener manche Dinge anders. Da fällt einem die ein oder andere Länge auf, die man als Kind überlesen hat. Aber das ändert nichts daran, dass Michael Ende einen ewigen Klassiker geschrieben hat. Er schreibt über Wünsche, über Mut und über das Über sich Hinauswachsen, über Phantasie, über die Liebe zu Büchern, über das Erwachsen werden, über Liebe und Freundschaft. Eben über alles, was wichtig ist.

"Es gibt Menschen, die können nie nach Phantasien kommen, und es gibt Menschen, die können es, aber sie bleiben für immer dort. Und dann gibt es noch einige, die gehen nach Phantasien und kehren wieder zurück. So wie du, Bastian. Und sie machen beide Welten gesund."

Jeder sollte ein bisschen Kind bleiben und die Welt Phantasiens immer wieder neu entdecken. Genau das ist mir gelungen.

Veröffentlicht am 19.08.2019

Eine eigenwillige Ermittlerin

Agatha Raisin und der tote Richter
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Agatha Raisin hat ihre PR-Agentur verkauft und setzt sich auf dem Land, im beschaulichen Carsely, zur Ruhe. Bei einem Backwettbewerb, bei dem sie nur teilnimmt, um sich beliebt zu machen, stirbt der Preisrichter, ...

Agatha Raisin hat ihre PR-Agentur verkauft und setzt sich auf dem Land, im beschaulichen Carsely, zur Ruhe. Bei einem Backwettbewerb, bei dem sie nur teilnimmt, um sich beliebt zu machen, stirbt der Preisrichter, nachdem er ihre selbstgekaufte Quiche probiert hat. Agatha stolpert in ihre erste Ermittlung und gerät selber in Gefahr.

Lange habe ich einen Bogen um diese Serie gemacht und nicht zum ersten Mal habe ich festgestellt, wie unterschiedlich die Geschmäcker sein können. Der Kriminalfall ist wirklich nicht besonders, aber die Art, wie er erzählt wird, finde ich sehr besonders. Agatha Raisin ist kein wirklicher Sympathieträger. Ich mochte sie von Anfang an, weil sie kein Blatt vor den Mund nimmt und auch, weil ich ihre Ungeduld mit dummen und auch nicht so dummen Mitmenschen nachvollziehen kann. Auch die anderen Figuren sind witzig geraten, erinnern mich an die Inspector Jury-Reihe von Martha Grimes. Mit diesen skurrilen Gestalten möchte ich auch im Pub sitzen! Der Humor zieht sich durch den leider kurzen ersten Fall (256 Seiten) für die resolute Agatha, die bis auf ihre intelligenten Schlussfolgerungen nicht viel gemeinsam mit Miss Marple hat, an deren Figur sie offensichtlich angelehnt ist. Ich war sehr gut unterhalten und freue mich auf weitere Details rund um den Kosmos von Carsely.

Für Krimileser, die auch am Drumherum der Figuren und an Humor zwischen den Zeilen interessiert sind

Veröffentlicht am 19.08.2019

Finnische Ermittlungsarbeit

Auf die feine Art
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Als ein Freund des Mordes an seiner Freundin verdächtigt wird, übernimmt Maria Kallio ihren zweiten Fall.

Maria Kallio ist Oberhauptmeister a.D., hat Jura studiert und arbeitet mittlerweile in einer Anwaltskanzlei. ...

Als ein Freund des Mordes an seiner Freundin verdächtigt wird, übernimmt Maria Kallio ihren zweiten Fall.

Maria Kallio ist Oberhauptmeister a.D., hat Jura studiert und arbeitet mittlerweile in einer Anwaltskanzlei. Aber so ganz kann sie von der Polizeiarbeit nicht lassen. Sie lässt nicht locker, bis sie den wahren Täter überführt hat. Für mich eine Serie, die das Schattendasein in der Welt der Krimiliteratur nicht verdient hat. Unblutig und intelligent geschrieben. Man begleitet die eigenwillige Maria, die auch nicht davor zurückschreckt, bei ihren Ermittlungen der Sado-Maso-Szene undercover einen Besuch abzustatten; und das gelingt der Autorin besser als anderen, denn man fühlt sich nicht als Voyeur. Was mir auch sehr gut gefallen hat, war die Weiterentwicklung der Charaktere aus dem ersten Teil der Reihe. Ich freue mich schon auf ein Wiedersehen! Was für mich hin und wieder schwierig ist: die finnischen Eigennamen, bei denen ich mich anfangs immer gefragt habe, wer das jetzt nochmal war. Ansonsten gibt es nichts zu meckern. Logisch aufgebaut und schlüssig zu Ende gebracht. Weiter so!

Für Krimileser, die es unblutig und intelligent mögen.

Veröffentlicht am 12.08.2019

Die Irren regieren die Welt

Wolgakinder
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1916 führt Jakob Bach in dem kleinen Dorf Gnadental ein einfaches Leben als Schulmeister, das geprägt ist von den Rhythmen der Natur. Sein Leben ändert sich schlagartig, als er sich in Klara verliebt, ...

1916 führt Jakob Bach in dem kleinen Dorf Gnadental ein einfaches Leben als Schulmeister, das geprägt ist von den Rhythmen der Natur. Sein Leben ändert sich schlagartig, als er sich in Klara verliebt, eine Bauerntochter vom anderen Ufer der Wolga.


Ich zitiere nie den Klappentext, ich fasse den Inhalt lieber spoilerfrei zusammen. Aber diesmal wusste ich nicht, was ich schreiben sollte.
Kurz: Der Inhalt ist mehr als fragwürdig.

Ich hatte eine Geschichte über die Wolgadeutschen erwartet, vielleicht eine Liebesgeschichte oder einfach eine mehr oder weniger historische Abhandlung über das Leben der Menschen, die sich auf Einladung von Katharina der Großen an der Wolga niedergelassen hatten. Aber was habe ich bekommen?
Ein Märchen über einen irren Schulmeister, der seine tote Geliebte im Eishaus konservieren will, der sein Kind vor der Welt versteckt und der als absolute Krönung mit seinen selbst geschriebenen Märchen den Lauf der Zeit verändert. Die Figur des Schulmeisters Bach kann nicht als Sympathieträger herhalten; dazu kommt, dass es gar keinen Sympathieträger gibt. Die Charaktere waren mir alle egal. Dazu schiebt die Autorin immer wieder, manchmal unendlich lange, Zwischenspiele ein, in denen ER eine große Rolle spielt; hier sollten wohl die politischen Änderungen dargestellt werden. Das soll wohl Kunst sein, ist es vielleicht auch, aber mich hat das alles nicht erreicht. Die Botschaft ist mir verborgen geblieben.
Dabei kann die Autorin wirklich erzählen, die Sprache hat mir sehr gut gefallen, aber die kann den Inhalt nicht retten.

Wenn es keine Leserunde gewesen wäre, hätte ich das Buch nach spätestens der Hälfte zur Seite gelegt. Vielleicht hätte es mir besser gefallen, wenn ich eine andere Erwartungshaltung gehabt hätte. So aber war ich froh, als die fast 600 Seiten geschafft waren. Der Autorin sollte ich aber noch eine Chance geben, da sie wirklich erzählen kann und ihr erster Roman durchweg gut angekommen ist.