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Veröffentlicht am 06.10.2025

Tiefgründige Urban Fantasy

Immerland – Die Stadt der Ewigkeit
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Mit "Immerland – Die Stadt der Ewigkeit" legt der Comickünstler Flix (Felix Görmann), bekannt unter anderem durch seine Cartoon-Reihe "Glückskind" und die von den belgischen Rechteinhabern abgesegneten ...

Mit "Immerland – Die Stadt der Ewigkeit" legt der Comickünstler Flix (Felix Görmann), bekannt unter anderem durch seine Cartoon-Reihe "Glückskind" und die von den belgischen Rechteinhabern abgesegneten Comicalben "Spirou in Berlin" (2018) und "Das Humboldt-Tier – Ein Marsupilami-Abenteuer" (2022), seinen ersten Roman vor, eine Urban-Fantasy-Geschichte, die sich primär an jugendliche Leser richtet.

Gerade scheint es, als würden dies die ödesten Sommerferien aller Zeiten für den 12 5/6 Jahre alten Mika, denn er muss zu seiner Großmutter, die auf dem Land wohnt. Dort gibt es kein WLAN, kein Mobilfunknetz und keine Möglichkeit zum Zocken. Doch dann hat er beinahe einen Badeunfall in einem Baggersee, und in einer Gewitternacht kollabiert seine Oma. Da auch das Telefon nicht funktioniert, um Hilfe zu rufen, bugsiert Mika die alte Frau in deren Auto und versucht, sie selbst ins entfernte Krankenhaus zu schaffen. Auf dem Weg kommt er von der Straße ab und findet sich plötzlich in einer eigenartigen Welt wieder, in der es intelligente, sprechende Affen, die alle lästige Arbeiten erledigen, und Wal-Luftschiffe gibt, die in eine fremdartige Stadt fahren. Dort wird Mikas Großmutter erfolgreich medizinisch behandelt, während er zwischen einer Roboter-Olympiade und Treffen mit seinen neuen Tüftler-Freunden vom Club der großen Geister das Abenteuer seines Lebens zu erleben scheint. Anders als Zuhause, wo Mika in der Schule dank Mobbing wenig beliebt ist, wird er bewundert und beachtet. Merkwürdigerweise gibt es keine alten Menschen und die Frage taucht auf, was eigentlich nach drei Verwarnungen passiert. Doch plötzlich erscheint eine mysteriöse junge Frau, die Mika zu stalken beginnt und behauptet, seine Oma zu sein, und ihn bedrängt, aus der Stadt zu fliehen, bevor es zu spät ist. Mika muss über sich hinauswachsen und sich zwischen Leben und Tod entscheiden, denn das Immerland ist eine Zwischenwelt und ein Entkommen schwieriger als gedacht.

Mit diesem zauberhaft illustrierten ersten Immerland-Band beweist Flix, dass er nicht nur zeichnen, sondern auch mit Worten umgehen kann. Die Geschichte ist trotz des eigentlich ernsten Themas weder düster oder schwermütig, sondern voller skurriler Einfälle und humorvoller Episoden und dabei überraschend tiefgründig. Der gut aufgebaute Spannungsbogen fesselt einen beim Lesen und man fragt sich ständig, was das nur für eine seltsame Welt ist, in der der Protagonist und seine Oma gelandet sind. Sprachlich orientiert sich der Roman mit vielen Dialogen und anschaulichen Beschreibungen an seiner primären Zielgruppe, die in etwa in Mikas Alter sein dürfte. Aber wie jedes gute Kinder- und Jugendbuch hat man auch als Erwachsener Spaß an dieser phantasievollen Weltenreise. Eine zentrale Botschaft ist, Kindern wertzuschätzen und den Freiraum zu lassen, ihre Stärken zu beweisen. Auch wenn die Geschichte in sich abgeschlossen ist, lässt das überzeugende Ende Raum für die im Herbst 2026 angekündigte Fortsetzung, die den Titel "Immerland – Der Ozean der Ewigkeit" tragen soll.

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Veröffentlicht am 01.09.2025

Dupin ermittelt in der Welt der Schokolade

Bretonische Versuchungen
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Mit "Bretonische Versuchungen" (2025) legt der deutsche Autor Jean-Luc Bannalec den mittlerweile vierzehnten Fall seiner erfolgreichen Reihe um seinen Kommissar Georges Dupin vor.

Es ist Frühsommer, als ...

Mit "Bretonische Versuchungen" (2025) legt der deutsche Autor Jean-Luc Bannalec den mittlerweile vierzehnten Fall seiner erfolgreichen Reihe um seinen Kommissar Georges Dupin vor.

Es ist Frühsommer, als der kuriose Mord an der alteingesessenen Chocolatière Adeline Mazago, die ertrunken, kopfüber in einem Bottich mit flüssiger Schokolade aufgefunden wird, die Kriminalpolizei von Concarneau beschäftigt. Die Ermittlungen führen Dupin, der an Schlafstörungen leidet und eigentlich mittels Konfrontationstherapie seine publik gewordene Wasserphobie überwinden soll, zusammen mit seiner Sekretärin Nolwenn von der Bretagne bis ins entfernte Baskenland nach Bayonne. Wer hatte ein Motiv, die erfolgreiche Unternehmerin umzubringen, die ständig auf der Suche nach neuen Schokoladenkreationen war? Dabei gerät Dupin an die Grenzen der Erschöpfung und darüber hinaus.

Wie gewohnt entsprechen die drei Hauptkapitel einem Tag und sind entsprechend benannt; lediglich der Epilog spielt eine Woche später. Auch sonst ist "Bretonische Versuchungen" ein typischer Dupin-Krimi, der den Leser diesmal in die Welt der Chocolatiers entführt. Entsprechend liefert der Autor einen sauber recherchierten Einblick in die handwerkliche Herstellung von Schokolade, wobei man auch einiges über Kakaobohnen erfährt. Manche mögen dies als Infodumping empfinden, das man hätte kürzen können, andere ─ wie ich ─ finden dies höchst interessant. Schon frühere Bänden haben sich mit speziellen Themen beschäftigt, die typisch für die Bretagne sind wie Austern, Salz oder Äpfel. Und natürlich wird auch die Region wieder mit anschaulichen Landschaftsbeschreibungen ins rechte Licht gesetzt. Nicht umsonst wurde Bannalec bereits 2016 zum „Mäzen der Bretagne“ ernannt und ist inzwischen nicht nur Ehrenmitglied der Literarischen Akademie der Bretagne, sondern auch Ehrenbürger von Concarneau.

"Bretonische Versuchungen" ist wie seine Vorgänger flüssig geschrieben und spannend, so dass das Buch sich leicht liest. Dupins Schlaflosigkeit, die schon länger eine Rolle spielt, wird in diesem Roman etwas übertrieben. Auch auf die erneue Alkoholfahrt des Kommissars hätte man verzichten können. Die Auflösung des Falls überzeugt nicht hundertprozentig.

Trotz leichter Schwächen ist auch Dupins 14. Fall höchst lesenswert.

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Veröffentlicht am 11.08.2025

Klasisker der japanischen Kriminalliteratur

Die rätselhaften Honjin-Morde
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Der 2022 erstmals auf Deutsch veröffentlichte, mit dem Mystery Writers of Japan Award ausgezeichnete Roman "Die rätselhaften Honjin-Morde" ((本陣殺人事件) des japanschen Autors Seishi Yokomizo erschien im Original ...

Der 2022 erstmals auf Deutsch veröffentlichte, mit dem Mystery Writers of Japan Award ausgezeichnete Roman "Die rätselhaften Honjin-Morde" ((本陣殺人事件) des japanschen Autors Seishi Yokomizo erschien im Original erstmals 1946 und stellt den Auftakt zu seiner erfolgreichen Reihe um den Privatdetektiv Kosuke Kindaichi dar, die alle eher dem traditionellen westlichen Krimiformat entsprechen. Das Buch zählt in Japan zu den besten Detektivromanen aller Zeiten.

Im Winter 1937 versucht der Privatermittler Kosuke Kindaichi anhand von Zeugenaussagen und Dokumenten, die Ereignisse rund um einen rätselhaften Doppelmord an einem frisch vermählten Ehepaar aufzukären, die in der Hochzeitsnacht in ihrem von Innen verschlossenen Schlafzimmer durch zahlreiche Stiche und Schnitte getötet wurden. Die einzige Spur, die der Täter hinterlassen hat, ist ein blutiges Katana, das im unberührten Schnee im Hof des Hauses steckt. Die Polizei findet bei ihren Ermittlungen zwar eine Reihe von blutigen Fingerabdrücken, welche sich als jene eines Mannes mit drei Fingern herausstellen, der am Morgen zuvor im Dorf nach einem Glas Wasser gefragt hatte. Auch andere Indizien tauchen auf, die auf diesen Unbekannten als Mörder hinweisen. Doch dann wird der Verdächtige ebenfalls ermordet aufgefunden.

Der Roman variiert das klassische Thema des Mordes in einem verschlossenen Raum und orientiert sich dabei an angelsächsischen Kriminalautoren wie John Dickson Carrs, Agatha Christie oder Arthur Conan Doyle. Gleichzeitig bildet er die ländliche japanische Kultur des ländlichen Lebens ab, die großen Wert auf das traditionellen Konzept der Reinheit legt. Dabei erzählt der Autor seine geschickt konstruierte Geschichte unaufgeregt und angenehm nostalgisch, lässt den Leser mit viel Lokal- und Zeitkolorit in die für uns fremdartige Welt des Japans der 1930er-Jahre eintauchen und lädt zum Miträtseln ein. Die perfekt inszenierte Auflösung ist originell und frappierend.

"Die rätselhaften Honjin-Morde" ist somit ein echtes Highlight der klassischen Kriminalliteratur.

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Veröffentlicht am 10.08.2025

Tirerischer Krimi

Das Strahlen des Herrn Helios
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"Das Strahlen des Herrn Helios" (2022) ist Steampunk-Fantasy-Kriminalroman von Meike Stoverock, in dem die handelnden Personen athropomorphe Tiere sind.

Der Löwe Helios, Direktor eines Wanderzirkus, wird ...

"Das Strahlen des Herrn Helios" (2022) ist Steampunk-Fantasy-Kriminalroman von Meike Stoverock, in dem die handelnden Personen athropomorphe Tiere sind.

Der Löwe Helios, Direktor eines Wanderzirkus, wird ermordet und unter Tatverdacht gerät für den ermittelnden Kommissar Sutton rasch dessen langjährigen Freund Dante, da es am Tatort nach Gorilla riecht. Während es sich die Polizei also einfach macht, hat der Hase und berühmte Meisterdetektiv Skarabäus Lampe, der nebenbei auch Hobby-Entomologe ist, jedoch Zweifel an Dantes Schuld. Er hält nämlich nicht viel vom Geschnüffel der Polizei. Unterstützt vom kleinen Kater Teddy, einem Streuner, findet er heraus, das einige Zirkusartisten ein Motiv hätten. Mit seinen hartnäckigen Recherchen, den wahren Mörder zu finden, bringt Lampe nicht nur sich selbst in Gefahr, sondern auch seinen Assistent und Ziehsohn Teddy, der entführt wird. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt.

Während die Welt, in der dieser Roman spielt, an eine viktorianische Steampunkversion von Zoomania aus dem gleichnamigen Disney-Film erinnert, ist Skarabäus Lampe eine Mischung aus Sherlock Holmes und Hercule Poirot als anthropomorpher Hase. Die Hommage an klassische englische Whodunits ist jedenfalls unverkennbar. Trotz der relativen Kürze des Romans werden die einzelnen, teils skurrilen Charaktere gut dargestellt, wobei die Befragung der einzelnen Zirkuskünstler nach einem ähnlichen Muster abläuft: Die Zeugen erzählen ihre Lebensgeschichte und präsentieren dabei ein mögliches Mordmotiv, bis sich ein Potpourri an Tatverdächtigen ergibt, da quasi alle einen mehr oder weniger versteckten Groll auf Direktor Helios gehegt haben. Der Entführungsszene wird dann etwa in der Mitte des Buches breiter Raum eingeräumt. Am Ende entlarvt der Meisterdetektiv den Mörder vor versammelter Mannschaft, was stark an die Auflösung in Agatha Christies Hercule-Poirot-Romanen wie "Mord im Orientexpress" erinnert.

Das Besondere an "Das Strahlen des Herrn Helios" ist somit nicht die Kriminalhandlung, die durchaus spannend und schlüssig ist, auch wenn es trotz einiger Plottwists nicht übermäßig schwer fällt, den Täter zu erraten, sondern die tierische Fantasywelt in der das Buch spielt. Dabei setzt die Autorin die einzelnen Tierarten geschickt nach ihren anatomisch bedingten Fähigkeiten ein, wie die nasengesteuerten Polizeihunde, und spielt oftmals mit Klischees und Redewendungen. Es wird angedeutet, dass es auch Menschen gibt, wobei deren Rolle unklar bleibt. Auch wie man sich laufende Fische vorstellen soll, wird nicht wirklich beschrieben, nur dass sie Schwierigkeiten haben, zum Beispiel in die Straßenbahn einzusteigen. Fleischfresser ernähren sich von wirbellosen Tieren, die als einzige nicht sprechen können; sich gegenseitig zu fressen steht unter Strafe. Insgesamt wird das Zusammenleben der unterschiedliche Tieren originell und glaubhaft beschrieben. So beschränkt sich die Fantasy dennauch weitgehend auf vermenschlichte Tiere.

Als Fazit kann man sagen, dass Meike Stoverock einen soliden Kriminalfall in einem originellen tierischen Setting geschaffen hat, der in sich abgeschlossen ist. Gegen einen zweiten Fall des Meisterdetektivs Skarabäus Lampe ist nichts einzuwenden.

Mein Dank gilt Klett Cotta und NetGalley für dieses Probeexemplar.

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Veröffentlicht am 07.04.2024

Neues vom Undertaker

Mörderisches Konzept
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Mit "Mörderisches Konzept" legt Falk-Ingo Klee den vierten Regionalkrimi um den Gießener Bestattungsunternehmer, ehemaligen Medizinstudenten und Ex-Privatdetektiv Frank Wilhelm vor. Es handelt sich um ...

Mit "Mörderisches Konzept" legt Falk-Ingo Klee den vierten Regionalkrimi um den Gießener Bestattungsunternehmer, ehemaligen Medizinstudenten und Ex-Privatdetektiv Frank Wilhelm vor. Es handelt sich um eine Erstveröffentlichung.

Worum es geht

Privat hat sich seit dem letzten Roman im Leben von Untertaker Frank Wilhelm einiges getan, denn er ist inzwischen Vater geworden. Da ist es für ihn eine vielleicht ganz reizvolle Abwechslung vom Familienalltag, als er mit der der Bestattung eines Spätaussiedlers aus Polen beauftragt wird, der offiziell durch einen Unfall ums Leben gekommen ist, und es dann im Umfeld zu weiteren scheinbar tragischen Unfällen kommt. Sein Misstrauen und kriminalistischer Instinkt sind geweckt, so dass er einmal mehr beginnt, eigenmächtig zu ermitteln. Zurecht, wie sich zeigt. Schnell stellt sich jedoch heraus, dass sich seine Nachforschungen nicht nur kompliziert gestalten, sondern auch gefährlich sind, denn der oder die Drahtzieher schrecken eben auch vor Mord nicht zurück, um ihre Taten zu vertuschen.

Kritik

Dass Falk-Ingo Klee an seiner Wahlheimat Gießen hängt, dürfte kein Geheimnis sein und hat er zuletzt mit seiner Kurzgeschichten-Sammlung "Phantastisches Gießen" bewiesen, die ebenfalls im Verlag Peter Hopf erschienen ist. Und so sind seine Undertaker-Romane Regionalkrimis im besten Sinne des Genres. Da sie in den 1980er Jahren vor der Zeit von Handys und Google spielen, kann man sie aber fast schon auch als historische Krimis bezeichnen.

Auch der vierte Teil der Reihe ist ein gelungener Mix aus Lokalkolorit, einer packenden Kriminalstory und einem originellen Ermittler. Wie schon in Frank Wilhelms vorangegangen Fällen gibt es wieder einen Auslandsblock, der diesmal in Polen spielt. Hier merkt man, dass Klee im Vorfeld auch Hintergründe recherchiert hat. Der Roman liest sich gewohnt flüssig, verfügt über Spannung, Tempo und eine Priese Humor, hat somit alles, was man von einem guten Krimi erwarten kann. Aber wie schon im dritten Band wirkt das Engagement des Undertakers etwas konstruiert, was aber dem Unterhaltungswert keine Abbruch tut. Mit einer Länge von 240 Seiten eignet sich das Buch bestens für ein Lesewochenende. Da werden keine Nebenhandlungen und Backstorys von Nebenfiguren ausgewalzt, sondern der Autor kommt angenehm auf den Punkt.

Fazit

Der vierte Gießen-Krimi von Falk-Ingo Klee überzeugt wie seine Vorgänger.

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