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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 08.04.2019

Das Wir gewinnt?

GIER - Wie weit würdest du gehen?
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Ich hatte mich sehr auf diesen neuen Roman von Marc Elsberg gefreut, weil ich „Blackout“ richtig gut fand und auch „Zero“ mir gefallen hat. Umso enttäuschter bin ich von diesem neuen Werk, das sich teilweise ...

Ich hatte mich sehr auf diesen neuen Roman von Marc Elsberg gefreut, weil ich „Blackout“ richtig gut fand und auch „Zero“ mir gefallen hat. Umso enttäuschter bin ich von diesem neuen Werk, das sich teilweise liest wie eine endlose Nachhilfestunde in Wirtschaftstheorie.
Jan Wutte kommt zufällig an den Ort eines schweren Autounfalls, bei dem zwei Menschen sterben. Wie sich herausstellt, ist der eine ein Nobelpreisträger, der die Eröffnungsrede bei dem momentan in Berlin stattfindenen Weltwirtschaftsgipfel halten sollte. Der andere Wageninsasse kann Jan vor seinem Tod noch ein paar Namen zuflüstern. Dass es sich um keinen Unfall, sondern um kaltblütigen Mord handelt, merkt Jan, als die Killer auch ihn umbringen wollen und den Wagen anzünden. Jan gelingt es zu fliehen und die Personen ausfindig zu machen, deren Namen ihm der Sterbende genannt hatte. Die Polizei hält Jan für den Attentäter und er muss nicht nur vor den wirklichen Attentätern, sondern auch vor der Polizei fliehen.
Bei einer wilden Hetzjagd über die Dächer von Berlin landet Jan, mittlerweile in Begleitung des Finanzgenies Fitzroy Peel, ausgerechnet in einem besetzten Haus, dessen Bewohner die Flüchtenden vor der Polizei schützen und es schaffen, die beiden beim Wirtschaftsgipfel einzuschleusen. Bis es allerdings so weit ist, betätigen sich Jan und Fitzroy als Fassadenkletterer, kommen in den Besitz von brisanten Dokumenten und geheimen Telefonnummern, werden mehrmals entführt und vieles mehr. Das Buch enthält seitenweise Zeichnungen von Wirtschaftstheorien (ich frage mich, wie sie diese Informationen im Hörbuch rüberbringen), die ich allerdings irgendwann nur noch überblättert habe, denn die Crux des Ganzen ist von Anfang an klar.
Leider schafft es Elsberg auch nicht, die Personen so zu charakterisieren, dass man Empathie mit ihnen empfinden könnte. Mir blieben sie jedenfalls fremd. Alles in allem eine frustrierende Leseerfahrung.

Veröffentlicht am 04.04.2019

Frauenfreundschaft

Aller Anfang
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Die vier Studentinnen Sally, Bree, April und Celia lernen sich an ihrem ersten Tag im Wohnheim der Frauenuniversität Smith College kennen. Zwei von ihnen kommen aus reichem Elternhaus, eine aus der Mittelschicht ...

Die vier Studentinnen Sally, Bree, April und Celia lernen sich an ihrem ersten Tag im Wohnheim der Frauenuniversität Smith College kennen. Zwei von ihnen kommen aus reichem Elternhaus, eine aus der Mittelschicht und die Vierte muss sich ihr Studium durch diverse Jobs selbst finanzieren. Obwohl sie völlig verschieden sind, entwickelt sich schnelle eine tiefe Freundschaft zwischen ihnen und bis zum Abschluss des Studiums sind sie unzertrennlich.
Danach schlagen sie ganz unterschiedliche Wege ein und haben nur noch sporadisch Kontakt. Erst als eine von ihnen heiratet und sich wünscht, den Vorabend der Hochzeit noch einmal zusammen mit ihren Freundinnen zu begehen, kommen die vier wieder zusammen. Doch trotz der Wiedersehensfreude kommt es zum Eklat und es ist nicht klar, ob dies das Ende ihrer Freundschaft bedeutet.
J. Courtney Sullivan beschreibt im ersten Teil dieses Romans das Leben an einer reinen Frauenuniversität: Heimweh und Herzschmerz, seltsame Rituale sowie Saufgelage und Knutschorgien unter Frauen. Man bekommt den Eindruck, dass ein großer Teil der Studentinnen lesbisch ist oder zumindest für die Dauer des Studiums lesbisch wird. Es gibt sogar einen Tag, an dem sich Lesben als solche outen können und dafür gefeiert werden.
Auch Bree verliebt sich in eine Frau, Lara. Die Beziehung bleibt auch nach dem Studium bestehen, doch kann Bree nicht richtig dazu stehen. Als ihre Familie von der Beziehung erfährt, führt dies zum Bruch zwischen Bree und ihren Eltern.
Sally, die früh ihre Mutter verloren hat und sehr darunter leidet, beginnt eine Affäre mit einem sehr viel älteren verheirateten Mann und ist die erste der Freundinnen, die nach dem Studium heiratet.
Celia, deren größter Wunsch es ist, Schriftstellerin zu werden, verdient sich ihr Geld als Lektorin bei einem Verlag für Trivialliteratur und sucht sich gelegentliche One-night-stands.
April hingegen hat kein Interesse an einer Beziehung. Ihre Leidenschaft ist es, sich für unterprivilegierte Frauen und Mädchen einzusetzen. Zusammen mit der Feministin Robbie deckt sie Missstände auf und begibt sie sich dabei in Gefahr. Doch dann läuft ein Projekt vollkommen aus dem Ruder und April verschwindet...
Das Buch ist stellenweise sehr spannend und ich konnte es kaum aus der Hand legen, doch das Ende fand ich leider unrealistisch und wenig überzeugend. An „All die Jahre“ kommt es meiner Meinung nach nicht heran.

Veröffentlicht am 30.03.2019

Leben zwischen Ost und West

Was uns erinnern lässt
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Die Anwaltsgehilfin Milla hat ein ausgefallenes Hobby: Lost Places, verlassene Orte. Als sie eines Tages im Thüringer Wald unterwegs ist, findet sie einen solchen Ort, den Keller eines ehemaligen Hotels, ...

Die Anwaltsgehilfin Milla hat ein ausgefallenes Hobby: Lost Places, verlassene Orte. Als sie eines Tages im Thüringer Wald unterwegs ist, findet sie einen solchen Ort, den Keller eines ehemaligen Hotels, in dem sich noch allerlei Habseligkeiten der früheren Bewohner befinden. Vom Hotel selbst ist nur noch Schutt vorhanden. Durch ein beschriftetes Schulheft erfährt Milla den Namen einer Familienangehörigen, Christine, und nimmt Kontakt mit ihr auf.
Zwischen den beiden Frauen entwickelt sich schnell eine Freundschaft. Milla erfährt, dass Christines Familie in den 1950er Jahren aus ihrer Heimat im Sperrgebiet zwischen DDR und BRD vertrieben und zwangsumgesiedelt wurden. Wer die Umsiedlung veranlasst hat, wissen sie bis heute nicht. Nachforschungen, die Christines Tante Elvira angestellt hatte, verliefen im Sande, und auch eine Entschädigung hat die Familie nie erhalten.
Milla ist von der Geschichte fasziniert und beginnt ebenfalls damit, im Namen der Familie Nachforschungen anzustellen und Unterlagen anzufordern. Zusammen mit Christine sucht sie Zeitzeugen und ehemalige Freunde der Familie auf. Dabei entdeckt sie, dass der Verräter von damals ein ganz anderer ist als vermutet...
Das Buch behandelt ein interessantes Thema: das Leben einer Familie im Sperrgebiet zwischen Ost- und Westdeutschland. Es ist haarsträubend zu lesen, welchen Repressalien und Schikanen die Familie ausgeliefert war. So durften die Großeltern eines Tages nicht mit den Enkeln ins Sperrgebiet zurück, weil die Enkel nicht in ihren Ausweisen vermerkt waren. War der Schlagbaum unbesetzt, hieß es warten, bis sich der Beamte endlich blicken ließ. Wehe, man wagte es, ohne Kontrolle die Grenze ins Sperrgebiet zu passieren. Im nächsten Moment war der Beamte zur Stelle und nahm einen fest.
Das Buch liest sich größtenteils flüssig, doch teilweise ist die Geschichte unnötig in die Länge gezogen und trivial. Nach einem der vielen Stromausfälle weint Christines kleine Schwester im Dunkeln, woraufhin die große Schwester ihr den Nacken kitzelt, bis sie wieder lacht. Wie interessant...
Was mich ebenfalls genervt hat, war das Festhalten am wöchentlichen Ritual des Gästezimmer Putzens. Seit Jahren hat das Hotel Waldeshöh keine Gäste mehr gesehen, trotzdem werden jeden Samstag die Zimmer geputzt und die Betten frisch bezogen. Die Kinder hausen beengt in einem kleinen Kämmerchen, doch die Gästezimmer sind tabu. Ein für die nicht vorhandenen Gäste angeschaffter Badeofen steht neu herum, die Familie heizt das Badewasser mit der Waschmaschine. Alles nicht nachvollziehbar und für meine Begriffe ziemlich dumm.
Ob das Leben in der DDR sich tatsächlich so abgespielt hat, kann ich nicht beurteilen, es war aber auf jeden Fall sehr interessant, einen Einblick in das Leben einer Familie zu bekommen, die zunehmend isoliert und auf sich selbst gestellt im Grenzgebiet zwischen Ost und West lebte.

Veröffentlicht am 26.03.2019

Perfide und genial

Ein perfider Plan
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Anthony Horowitz wird im vorliegenden Band von dem ehemaligen Polizisten Hawthorne, der mittlerweile als Privatdetektiv und Berater der Polizei tätig ist, gefragt, ob er nicht ein Buch über ihn und seinen ...

Anthony Horowitz wird im vorliegenden Band von dem ehemaligen Polizisten Hawthorne, der mittlerweile als Privatdetektiv und Berater der Polizei tätig ist, gefragt, ob er nicht ein Buch über ihn und seinen derzeitigen Kriminalfall schreiben möchte. Zunächst lehnt Horowitz ab, doch nachdem ihm bei einer Lesung vorgeworfen wird, immer nur über Fiktives und nie über echte Fälle zu schreiben, nimmt er den Auftrag doch an.
Diana Cowper, eine wohlhabende Witwe aus London, geht zu einem Bestattungsunternehmen, um ihre eigene Beerdigung bis ins Detail zu planen. Noch am selben Tag wird sie ermordet, erdrosselt in ihrem eigenen Haus. Da keinerlei Einbruchspuren vorhanden sind, scheint sie den Mörder gekannt zu haben. Eine ominöse SMS, die sie noch kurz vor ihrem Tod an ihren Sohn Damian, einen berühmten Schauspieler, geschickt hat, scheint darauf hinzudeuten, dass ihr Tod mit einem Unfall in Zusammenhang steht, bei dem sie vor fast genau 10 Jahren ein Kind totgefahren und dessen Zwillingsbruder schwer verletzt hat.
Während Hawthorne in diese Richtung ermittelt und Horowitz ihn dabei begleitet und sich natürlich selbst seine Gedanken macht, geschieht ein zweiter Mord...
Normalerweise mag ich Romane nicht besonders, die aus der Ich-Perspektive geschrieben sind, aber hier hat es mir wirklich großen Spaß gemacht, Anthony Horowitz über die Schulter zu schauen und in seine Gedankenwelt einzutauchen. Seine Sprache und sein Humor treffen genau meinen Geschmack und die Geschichte selbst ist äußerst kurzweilig. Die Auflösung dieses ganz in der Tradition von Sherlock Holmes und Watson geschriebenen Romans ist einigermaßen überraschend. Ein sehr gelungener Auftakt einer neuen Krimireihe, auf deren Fortsetzung ich mich schon freue!

Veröffentlicht am 17.03.2019

Die Schatten der Vergangenheit

Schatten der Toten
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Da ich die ersten beiden Bücher der Reihe nicht gelesen habe und der vorliegende Band auf den beiden anderen aufbaut, hatte ich anfangs ziemliche Probleme damit, der Handlung zu folgen. Es wird zwar auf ...

Da ich die ersten beiden Bücher der Reihe nicht gelesen habe und der vorliegende Band auf den beiden anderen aufbaut, hatte ich anfangs ziemliche Probleme damit, der Handlung zu folgen. Es wird zwar auf die Vorkommnisse dieser Vorgängerbände Bezug genommen, aber es ist so eine Fülle an Informationen in zusammengefasster Form, dass es nicht unbedingt ratsam ist, so wie ich, mit dem 3. Band zu beginnen.
Zunächst handelt die Story von der Tatortreinigerin Judith Kepler, die in einem Reinigungsunternehmen in Berlin beschäftigt ist. Ihr Chef, Dombrowski, scheint große Stücke auf sie zu halten, denn als er notfallmäßig ins Krankenhaus eingeliefert wird, übergibt er ihr die Schlüssel zum Unternehmen und bittet sie, die Geschäfte für ihn weiterzuleiten.
Judith Kepler ist die Tochter eines Doppelagenten aus der Zeit des kalten Kriegs, der unter dem Namen Bastide Larcan inzwischen als Waffenhändler tätig ist. Er hat sie bereits zweimal verraten, einmal, als er mit ihr und ihrer Mutter aus der DDR ausreiste und Judiths Mutter dabei ums Leben kam und ein zweites Mal bei der sogenannten Operation Saßnitz, die wohl Gegenstand des letzten Bands der Reihe war. Die Protagonisten dieser Operation tauchen in „Schatten der Toten“ wieder auf, was für Leser, die mit der Reihe vertraut sind, sicher interessant ist, für mich jedoch äußerst verwirrend war. Da gibt es beispielsweise zwei Männer namens Kaiserley, Vater und Sohn, doch mir war nicht immer klar, von wem gerade die Rede ist.
Eine frühere Mitarbeiterin des Verfassungsschutzes, Isa Kellermann, deren Mutter Bastide Larcan (damals noch unter seinem eigentlichen Namen Lindner) als sogenannter Romeo verführte, um an geheime Informationen zu kommen, schwört sich nach dem Tod der Mutter, Rache an Larcan zu nehmen und ist bereit, dafür auch über Leichen zu gehen. Bei einer Operation in Odessa, bei der sämtliche Hauptbeteiligten wieder zusammenkommen, kommt es zu einem Showdown, bei dem allerdings nicht alles so läuft wie geplant.
Mir hat „Schatten der Toten“ ganz gut gefallen, auch wenn ich es streckenweise doch sehr verwirrend fand. Elisabeth Hermanns Stärke liegt in ihren Beschreibungen. Der Markt der tausend Wunder in Odessa, bei dem man von Wachstuchtischdecken bis zu Waffen alles kaufen kann, was das Herz begehrt, war so detailliert und gut beschrieben, dass ich das Gefühl hatte, vor Ort zu sein. Auch die Katakomben von Odessa und die Beschreibung der Stadt an sich haben mich sehr beeindruckt. Mit der Zeit kam ich auch gut in die Geschichte rein. Für Fans von Frederick Forsyth ist dieser Spionagekrimi sehr zu empfehlen, allerdings mit den eingangs erwähnten Einschränkungen.