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Veröffentlicht am 03.11.2025

Mut zur Wahrheit – Elizabeth Gilbert und die Tiefe der Selbstbefreiung

All the Way to the River
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Elizabeth Gilberts neues Werk All the Way to the River: Love, Loss and Liberation hat mich tief bewegt, weil es weit mehr ist als nur eine Erzählung über Trauer und Heilung – es ist ein schonungsloser ...

Elizabeth Gilberts neues Werk All the Way to the River: Love, Loss and Liberation hat mich tief bewegt, weil es weit mehr ist als nur eine Erzählung über Trauer und Heilung – es ist ein schonungsloser Bericht über Abhängigkeit, Liebe und die Suche nach Freiheit. Das Cover hat mich sofort angesprochen: schlicht, in dunklen Tönen gehalten, mit goldener Schrift, vermittelt es auf subtile Weise den melancholischen und zugleich hoffnungsvollen Grundton des Buches. Die Gestaltung mit kleinen Zeichnungen, Gedichtfragmenten und tagebuchartigen Notizen wirkt sehr persönlich und spiegelt die innere Zerrissenheit der Autorin eindrucksvoll wider.

Inhaltlich erzählt Gilbert von einer intensiven, aber auch zerstörerischen Beziehung, von Krankheit, Verlust und den eigenen Schattenseiten. Ohne zu viel zu verraten: Sie beschreibt, wie Liebe und Abhängigkeit ineinander übergehen können und wie schwer es ist, sich selbst inmitten dieses Chaos wiederzufinden. Besonders beeindruckt hat mich, dass sie dabei weder sich selbst noch ihre Partnerin schont. Gilbert zeigt die Widersprüche einer Beziehung, die zugleich tröstet und zerstört. Diese Ehrlichkeit macht das Buch für mich glaubwürdig und kraftvoll. Manchmal allerdings verliert sich die Erzählung etwas in spirituellen oder therapeutischen Betrachtungen, wodurch der Lesefluss leicht stockt. Dennoch ist der emotionale Gehalt so stark, dass man weiterliest, weil man spürt, dass hier jemand wirklich um Wahrheit ringt.

Ihr Schreibstil ist, wie man ihn von Gilbert kennt, sehr persönlich, fast intim. Sie schreibt nicht mit Distanz, sondern lässt den Leser an ihren innersten Gedanken teilhaben. Manche Passagen wirken fast wie ein innerer Monolog, roh und ungeschliffen, aber genau das hat mich überzeugt. Gilbert schreibt mit einem Mut, der selten ist – sie zeigt ihre Fehler, ihre Co-Abhängigkeit und ihre Versuche, sich davon zu lösen. Dadurch wird sie nicht zur Heldin, sondern zu einem zutiefst menschlichen Charakter.

Die Figuren sind authentisch, besonders die Beziehung zwischen Gilbert und ihrer Partnerin ist komplex und glaubwürdig. Die Nebenfiguren bleiben zwar etwas blass, doch das stört kaum, da der Fokus klar auf Gilberts innerem Wandel liegt. Mich persönlich hat das Buch vor allem deshalb interessiert, weil ich Gilbert schon von Eat Pray Love kannte. Dort suchte sie Erleuchtung und Selbstfindung in der äußeren Welt – hier sucht sie sie in der inneren Dunkelheit. Dieser Kontrast hat mich fasziniert und gezeigt, wie sehr sich die Autorin weiterentwickelt hat.

Insgesamt ist All the Way to the River ein intensives, emotional tiefes Buch über Verlust, Sucht und Selbstbefreiung. Es verlangt den Leser*innen einiges ab, belohnt aber mit ehrlicher Reflexion und sprachlicher Schönheit. Ich empfehle es allen, die keine seichte Lebenshilfe, sondern echte, schonungslose Auseinandersetzung mit menschlicher Zerbrechlichkeit suchen. Für Fans von Elizabeth Gilbert ist es ein Muss – und für alle anderen ein Buch, das noch lange nachhallt.

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Veröffentlicht am 06.10.2025

Starke Frauen in stürmischen Zeiten – ein fiktiver Blick auf die Bonner Republik

Die Frau der Stunde
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„Die Frau der Stunde“ von Heike Specht entwirft ein überzeugendes Gedankenexperiment: Was wäre gewesen, wenn 1978 eine Frau zur Außenministerin und Vizekanzlerin in der Bonner Republik geworden wäre? Catharina ...

„Die Frau der Stunde“ von Heike Specht entwirft ein überzeugendes Gedankenexperiment: Was wäre gewesen, wenn 1978 eine Frau zur Außenministerin und Vizekanzlerin in der Bonner Republik geworden wäre? Catharina Cornelius, Politikwissenschaftlerin und erfahrene Parlamentarierin, wird durch einen politischen Skandal in diese Position gehoben – ein strategischer Schritt, ja, doch mehr als das: Ihre Autorität beruht auf Willenskraft, Fingerspitzengefühl und dem Rückhalt eines starken Netzwerks.

Die Handlung wechselt zwischen Bonn und Teheran, und genau diese Verflechtung von innerdeutscher Politik und internationalen Umbrüchen verleiht dem Roman Tiefe. Die Freundinnen Suzanne und Azadeh stehen nicht nur symbolisch, sondern real als Gegenpole und Spiegel für Catharina: Suzanne kämpft mit alltäglichen Erwartungen an Ehe, Mutterschaft und Karriere, Azadeh mit dem politischen Umbruch im Iran. Die drei Frauen verkörpern unterschiedliche Spielarten von Emanzipation und Freiheit – und die Herausforderungen, die damit verbunden sind.

Sprachlich gelingt Specht vieles: Der historische Hintergrund wird lebendig, die Atmosphäre der späten Siebzigerjahre – in Bonn wie auch in Teheran – spürt man in Mode, Musik, Medien und gesellschaftlichen Konventionen. Der Schreibstil ist flüssig, mitunter elegant und oft eindrucksvoll in politischen Szenen – etwa im Bundestag oder bei diplomatischen Begegnungen. Man spürt, wie wenig Frauen damals zugetraut wurde, und wie sehr sie mit doppelten Standards zurechtkommen müssen.

Bei allem Lob aber auch Kritikpunkte: Die Figuren, insbesondere die Nebenfiguren, sind zahlreich – nicht alle entfalten ihr Potenzial. Einige Perspektivwechsel lenken vom zentralen Strang ab, ohne dass sie immer neuen Erkenntnisgewinn bringen. Ebenso könnte man sich mehr realpolitische Tiefe wünschen: Details zu außenpolitischen Entscheidungen, Machtmechanismen und Parteistrategien bleiben manchmal eher skizzenhaft. Der Fokus liegt stark auf emotionalen und persönlichen Dimensionen, weniger auf der politischen Theorie oder Analytik. Auch endet die Erzählung abrupt; ein Epilog oder ein Blick in die Zukunft hätte das Ganze abgerundet.

Insgesamt besticht der Roman durch sein Thema, die starke weibliche Hauptfigur, seinen historischen Rahmen und die Frage nach Gleichberechtigung – und macht deutlich, wie aktuell vieles davon noch immer ist. Ein lohnender Roman für alle, die starke Charaktere, politisches Drama und ein gutes Stück feministischer Zeitgeist schätzen.

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Veröffentlicht am 06.10.2025

Mut, Sprache und Selbstermächtigung

Amazonenbrüste
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Schon das Cover von Amazonenbrüste ist ein Statement: kraftvoll, direkt und zugleich verletzlich. Es zeigt, dass dieses Buch kein klassischer Krankheitsbericht ist, sondern ein mutiger Akt der Selbstermächtigung. ...

Schon das Cover von Amazonenbrüste ist ein Statement: kraftvoll, direkt und zugleich verletzlich. Es zeigt, dass dieses Buch kein klassischer Krankheitsbericht ist, sondern ein mutiger Akt der Selbstermächtigung. Die Gestaltung spiegelt die Persönlichkeit der Autorin wider – bunt, laut, aber nie oberflächlich.

Reyhan Şahin, die vielen als Dr. Bitch Ray bekannt ist, schreibt über ihre Brustkrebserkrankung auf eine Art, die man so selten liest: ehrlich, humorvoll, wütend, philosophisch und poetisch zugleich. Das Thema wird nicht als reine Leidensgeschichte erzählt, sondern als vielschichtige Auseinandersetzung mit Körper, Weiblichkeit, Identität und gesellschaftlichen Erwartungen. Besonders beeindruckt hat mich, wie sie zwischen persönlichen Erfahrungen und gesellschaftlichen Analysen wechselt, ohne dass der Text an emotionaler Tiefe verliert.

Ihr Schreibstil ist unverkennbar – eine Mischung aus essayistischer Schärfe, Popkultur, Raprhythmus und zarter Introspektion. Man spürt ihre sprachliche Präzision und ihren intellektuellen Hintergrund, gleichzeitig aber auch ihre Nahbarkeit und Verletzlichkeit. Diese Kombination macht das Buch außergewöhnlich authentisch.

Die „Figur“ der Erzählerin, also Şahin selbst, ist komplex, widersprüchlich und dadurch enorm glaubwürdig. Sie idealisiert sich nicht, sondern zeigt auch ihre Ängste und Zweifel. Gerade das macht sie als Erzählerin so menschlich.

Für mich war das Buch besonders interessant, weil es Krankheit nicht als Gegensatz zu Stärke, sondern als Teil eines selbstbestimmten Lebens begreift. Reyhan Şahin gelingt es, Tabus zu brechen und Empowerment neu zu definieren.

Fazit: Amazonenbrüste ist ein radikal ehrliches, poetisches und inspirierendes Buch über Heilung, Identität und Mut. Ich empfehle es allen, die Literatur suchen, die nicht nur erzählt, sondern herausfordert und bewegt.

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Veröffentlicht am 14.09.2025

Intensive Liebesgeschichte voller Gegensätze

WARDA
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In Warda – Die Dornen der Rose erzählt Rose Daniel eine Geschichte, die sich um die Gegensätze von Liebe und Hass dreht. Erinnerungen, Schuld und die Schwierigkeit, loszulassen, ziehen sich wie ein roter ...

In Warda – Die Dornen der Rose erzählt Rose Daniel eine Geschichte, die sich um die Gegensätze von Liebe und Hass dreht. Erinnerungen, Schuld und die Schwierigkeit, loszulassen, ziehen sich wie ein roter Faden durch den Roman. Dabei wirkt die Handlung ernst und stellenweise bedrückend, ohne ins Melodramatische abzurutschen.

Die Umsetzung des Themas ist gelungen. Die Entwicklung zwischen den Figuren wird nachvollziehbar dargestellt, und es entsteht eine Spannung, die nicht allein aus äußeren Ereignissen besteht, sondern vor allem aus den inneren Konflikten der Charaktere. Das macht den Roman weniger zu einer klassischen Liebesgeschichte und mehr zu einem Drama, das Fragen aufwirft, ohne einfache Antworten zu liefern.

Der Schreibstil ist klar und flüssig. Er liest sich angenehm, bleibt dabei aber atmosphärisch dicht. Besonders die Beschreibungen von Gefühlen und inneren Gedanken sind überzeugend, ohne überladen zu wirken.

Die Figuren sind glaubwürdig gezeichnet. Warda (Agnesa) und Tamer sind keine makellosen Protagonisten, sondern Menschen mit Schwächen und Brüchen. Gerade das macht sie authentisch. Ihre Entscheidungen und Reaktionen sind nicht immer leicht, aber in sich stimmig.

Interessant ist auch der Hintergrund der Autorin. Rose Daniel, die in Armenien geboren wurde und in Deutschland lebt, bringt eine besondere Perspektive in ihre Geschichten ein. Man merkt, dass ihr filmisches Arbeiten Einfluss auf ihre Erzählweise hat, da viele Szenen sehr bildhaft wirken.

Warda – Die Dornen der Rose ist ein intensiver Roman, der sich für LeserInnen eignet, die ernste, emotionale Geschichten schätzen. Die Kombination aus einem klaren Schreibstil, vielschichtigen Figuren und einem nachdenklichen Thema macht das Buch lesenswert.

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Veröffentlicht am 08.09.2025

Baustelle, Glamour und Handwerk

Ich zeig' euch, wo der Hammer hängt!
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Ich zeig' euch, wo der Hammer hängt! von Sandra Hunke ist ein Buch, das auf den ersten Blick vielversprechend wirkt: Eine junge Frau, die als Model arbeitet und zugleich als Anlagenmechanikerin für Sanitär-, ...

Ich zeig' euch, wo der Hammer hängt! von Sandra Hunke ist ein Buch, das auf den ersten Blick vielversprechend wirkt: Eine junge Frau, die als Model arbeitet und zugleich als Anlagenmechanikerin für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik bekannt wurde, erzählt aus ihrem Leben zwischen Baustelle und Glamourwelt. Gerade dieser Kontrast weckt Neugier, denn Hunke bricht mit Klischees und zeigt, dass Handwerk und Weiblichkeit keineswegs Gegensätze sein müssen.

Beim Lesen merkt man jedoch schnell, dass die Inhalte eher anekdotisch als tiefgehend sind. Zwar bietet Hunke spannende Einblicke in ihren Alltag, die Hürden in einer männerdominierten Branche und den Spagat zwischen öffentlichem Auftritt und Arbeitsalltag. Doch oft bleiben die Geschichten an der Oberfläche, wirken mehr wie locker erzählte Episoden als wie ein reflektierter Blick auf größere gesellschaftliche Zusammenhänge. Wer sich eine fundierte Auseinandersetzung mit Themen wie Gleichberechtigung im Handwerk, Ausbildungsbedingungen oder die Zukunft des Berufs wünscht, wird vermutlich etwas enttäuscht sein.

Stilistisch liest sich das Buch flüssig und nahbar, fast so, als säße man mit Hunke im Gespräch. Das macht es leicht zugänglich, aber manchmal auch etwas zu simpel – manche Passagen hätten mehr Tiefe und sprachliche Präzision vertragen. Positiv hervorzuheben ist jedoch, dass Hunke mit ihrem Enthusiasmus und ihrem Engagement für das Handwerk ansteckend wirkt. Man spürt, wie sehr sie ihren Beruf liebt und wie sehr sie andere dafür begeistern möchte.

Insgesamt ist Ich zeig' euch, wo der Hammer hängt! eine sympathische Mischung aus Autobiografie und Motivationstext, die vor allem junge Leser:innen oder Menschen am Anfang ihrer beruflichen Orientierung inspirieren kann. Wer aber nach einer wirklich kritischen oder differenzierten Auseinandersetzung mit dem Handwerk und seinen Herausforderungen sucht, bekommt hier eher leichte Kost mit persönlichem Charme, aber wenig analytischer Tiefe.

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