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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 07.08.2025

Ein stilles Leben, behutsam rekonstruiert

Anna oder: Was von einem Leben bleibt
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Dieses Buch hat mich von Anfang an auf eine besondere Art eingefangen. Ohne große Gesten, ohne Dramatik – aber mit stiller Intensität entfaltet sich beim Lesen eine bemerkenswerte Tiefe.
Im Mittelpunkt ...

Dieses Buch hat mich von Anfang an auf eine besondere Art eingefangen. Ohne große Gesten, ohne Dramatik – aber mit stiller Intensität entfaltet sich beim Lesen eine bemerkenswerte Tiefe.
Im Mittelpunkt steht Anna Kalthoff, eine Frau, die Ende des 19. Jahrhunderts in einem kleinen Ort im Sauerland lebt. Ihre Geschichte ist nicht in großen historischen Ereignissen verankert – und doch erzählt sie so viel über Mut, Selbstbestimmung und das stille Ringen um ein selbstgewähltes Leben. Anna widersetzt sich dem Lehrerinnenzölibat, heiratet trotz Verbots, wird zur Witwe, übernimmt Post und Gasthof, zieht ein Kind groß, heiratet später erneut – einen deutlich jüngeren Mann.
Henning Sußebach rekonstruiert Annas Leben anhand weniger überlieferter Spuren: Fotos, Briefe, ein Poesiealbum, mündliche Überlieferungen. Wo Dokumente fehlen, tastet er sich vorsichtig mit Mutmaßungen heran, ohne je etwas zu überhöhen oder zu dramatisieren. Gerade diese respektvolle Annäherung hat mich sehr berührt. Es ist kein Versuch, eine Heldin zu erschaffen, sondern das Bemühen, einen Menschen zu erkennen; mit Licht und Schatten, in einem bestimmten sozialen und historischen Kontext.
Die Sprache ist klar, schnörkellos, oft sachlich. Doch zwischen den Zeilen liegt eine spürbare Wärme. Immer wieder begegnet man feinen Beobachtungen und kleinen Gedanken über das Erinnern, über familiäre Weitergabe, über das Vergessen. Man liest nicht nur eine Lebensgeschichte, sondern spürt, wie sehr uns die Vergangenheit prägt, auch wenn sie nur in Bruchstücken überliefert ist.
Mich hat das Buch auf eine stille, aber eindringliche Weise berührt. Ohne Pathos, aber mit einem feinen Gespür für das Wesentliche erzählt es von einem Frauenleben, das so nie im Geschichtsbuch stehen würde – aber trotzdem nicht vergessen werden sollte.
Was bleibt von einem Leben, wenn irgendwann niemand mehr davon spricht? Diese Frage zieht sich wie ein leiser Nachhall durch das Buch. Ich habe es nicht nur gelesen, sondern durchlebt – manchmal mit einem Kloß im Hals, manchmal mit einem Lächeln.
Ein ruhiges, unaufgeregtes, sehr menschliches Buch. Und ein Plädoyer dafür, auch die leisen Geschichten ernst zu nehmen, denn gerade sie machen uns aus. 4 Sterne und eine Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 06.08.2025

Ein Funken Hoffnung in tiefster Dunkelheit

Als uns die Hoffnung am Leben hielt
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Henriette Küppers Roman „Als uns die Hoffnung am Leben hielt“ beruht auf einem wahren Ereignis – dem Grubenunglück von Lengede im Jahr 1963, das als das „Wunder von Lengede“ in die Geschichte einging. ...

Henriette Küppers Roman „Als uns die Hoffnung am Leben hielt“ beruht auf einem wahren Ereignis – dem Grubenunglück von Lengede im Jahr 1963, das als das „Wunder von Lengede“ in die Geschichte einging. Schon der Gedanke, dass dieses Unglück wirklich passiert ist, verleiht dem Buch eine ganz besondere Intensität.
Drei Menschen stehen im Mittelpunkt: der junge Bergmann Harald, der gerade erst anfängt, unter Tage zu arbeiten, die ehrgeizige Journalistin Simone, die sich beweisen will, und Antonio, der frisch Vater geworden ist. Sie alle verbindet das Schicksal – und eine Katastrophe, die ihr Leben auf einen Schlag verändert.
Was mich beim Lesen tief berührt hat, war die stille Kraft, mit der Henriette Küpper erzählt. Ihre Sprache ist klar und unaufgeregt, aber voller Gefühl. Es sind nicht die großen Worte, sondern die kleinen Gesten, Gedanken und Ängste, die unter die Haut gehen. Man spürt die Dunkelheit, das Bangen, die Hilflosigkeit – und trotzdem auch den unerschütterlichen Glauben, dass es noch Hoffnung gibt.
Mich hat besonders bewegt, wie sich in der Krise etwas sehr Menschliches zeigt: Mitgefühl, Zusammenhalt, kleine Zeichen von Mut. Die Figuren handeln nicht heroisch, sondern einfach menschlich. Und gerade das macht sie so glaubwürdig und nah.
Einige Rückblenden hätten für meinen Geschmack etwas kürzer sein dürfen, doch sie stören den Erzählfluss kaum. Vielmehr geben sie den Figuren Tiefe und lassen erahnen, wie viel auf dem Spiel steht.
Fazit:
Ein bewegender Roman über ein wahres Ereignis, das unter die Haut geht – leise, eindringlich und aufrichtig. Er erzählt nicht nur von einem Unglück, sondern vor allem von Hoffnung, Menschlichkeit und innerer Stärke. Dieses Buch hallt nach. Nicht laut, aber dafür umso tiefer. 5 Sterne und eine klare Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 05.08.2025

Drei Wünsche, ein Neuanfang – und der Mut zur Nähe

Three Things To Be Done | Mit wunderschönem Farbschnitt
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"Three Things To Be Done" ist der zweite Band der Lanningtons-Reihe und erzählt die Geschichte von Emma, die nach einem schweren Jahr mit ihrer kleinen Tochter nach London zurückkehrt. Ihr Leben steht ...

"Three Things To Be Done" ist der zweite Band der Lanningtons-Reihe und erzählt die Geschichte von Emma, die nach einem schweren Jahr mit ihrer kleinen Tochter nach London zurückkehrt. Ihr Leben steht an einem Wendepunkt, drei unerfüllte Träume begleiten sie – und der Wunsch nach einem Neuanfang ist deutlich spürbar. Ian, dem sie dort begegnet, ist zunächst verschlossen und wirkt unnahbar. Doch ihre Wege kreuzen sich immer wieder, und langsam beginnt sich zwischen den beiden etwas aufzubauen, das zunächst zart und unausgesprochen bleibt.
Die Figuren stehen im Zentrum dieses Romans. Emma ist feinfühlig gezeichnet, ihre Verletzlichkeit und gleichzeitige Entschlossenheit machen sie zu einer nahbaren, glaubhaften Protagonistin. Ihre Entwicklung ist leise, aber spürbar – sie gewinnt an Stärke, ohne laut zu werden. Ian wiederum ist ein eher ruhiger Gegenpart, dessen Verhalten und Wandel ebenfalls sehr authentisch wirken. Gemeinsam entfalten die beiden eine Dynamik, die ohne große Worte auskommt, aber dennoch viel Tiefe hat.
Der Erzählton bleibt durchweg ruhig und atmosphärisch. Es geht weniger um große Wendungen als vielmehr um innere Bewegung. Themen wie Verlust, Selbstfindung und Vertrauen stehen im Vordergrund – und sie werden mit einer Zurückhaltung behandelt, die der Geschichte guttut. Kleine, fast alltägliche Szenen bringen Leichtigkeit hinein, etwa wenn der Strom ausfällt oder ein Spaziergang unerwartete Wendungen nimmt. Diese Momente geben dem Roman Charme und Wärme.
Jane Aiven gelingt es, Emotionen greifbar zu machen, ohne sie auszustellen. Die Geschichte wirkt durchdacht, aber nicht konstruiert – und trotz der Zurückhaltung bleibt eine feine Spannung zwischen den Zeilen.
Wer ruhige, tiefgründige Liebesromane mit glaubwürdigen Figuren und viel Gefühl sucht, findet in diesem Buch eine bewegende und unaufdringliche Geschichte über das, was möglich ist, wenn man sich selbst wieder erlaubt, zu hoffen. 5 Sterne und eine Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 05.08.2025

Wo der Wandel leise beginnt

Wer ins Licht treten will
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Mit „Wer ins Licht treten will“ setzt Melanie Metzenthin die Geschichte der jungen Ärztin Renate Schwarz eindrucksvoll fort. Der Roman spielt im Hamburg der späten 1950er Jahre – einer Zeit, in der der ...

Mit „Wer ins Licht treten will“ setzt Melanie Metzenthin die Geschichte der jungen Ärztin Renate Schwarz eindrucksvoll fort. Der Roman spielt im Hamburg der späten 1950er Jahre – einer Zeit, in der der gesellschaftliche Wandel zwar spürbar ist, Frauen jedoch noch immer mit vielen Schranken zu kämpfen haben. Zwischen beruflichem Ehrgeiz, privater Verantwortung und politischen Missständen erzählt die Autorin eine bewegende Geschichte, die sowohl emotional berührt als auch zum Nachdenken anregt.
Renate ist eine ambitionierte Psychiaterin, die sich in einer männerdominierten Klinik durchsetzen muss. Dabei erhält sie unerwartet Rückhalt von ihrem Vorgesetzten, der ihre Arbeit wertschätzt – ein Lichtblick in einer Zeit, in der Frauen meist noch belächelt oder bevormundet werden. Privat steht sie mit ihrem Verlobten Matthias vor einer schweren Prüfung: Nach einer schweren Knieverletzung muss er seine Fußballkarriere aufgeben, was ihn in eine Lebenskrise stürzt. Renate steht ihm bei, ohne dabei ihre eigenen Ziele aus den Augen zu verlieren.
Besonders spannend wird der Roman, als Renate einer Patientin begegnet, die behauptet, die Elbe werde durch Fabrikabwässer vergiftet. In einer Gesellschaft, die von Aufschwung und Fortschrittsglaube geprägt ist, stoßen solche Warnungen auf taube Ohren – und wer unbequem ist, wird schnell für „verrückt“ erklärt. Hier schafft es Metzenthin meisterhaft, Umweltprobleme und Machtmissbrauch sensibel, aber klar zu thematisieren.
Auch gesellschaftlich heikle Themen wie Homosexualität (damals noch strafbar unter §175), häusliche Gewalt und die fehlende Gleichberechtigung in Ehe und Beruf werden eindrucksvoll aufgegriffen. Die Autorin schreibt dabei immer mit großem Einfühlungsvermögen, ohne je belehrend zu wirken.
Ein unterhaltsames Highlight ist der Besuch von Renates exzentrischer Tante aus Amerika, die mit bissigem Humor und viel Drama für frischen Wind sorgt. Diese Figur lockert die ernsten Themen auf, ohne sie ins Lächerliche zu ziehen – eine gelungene Balance.
Mein Fazit:
„Wer ins Licht treten will“ ist ein klug komponierter, warmherziger und gleichzeitig aufrüttelnder Roman. Melanie Metzenthin gelingt es, historische Themen mit aktuellen Bezügen zu verweben – authentisch, bewegend und mit einer starken weiblichen Hauptfigur, die ihren Weg geht, ohne sich verbiegen zu lassen. Ein absolut lesenswertes Buch für alle, die sich für Frauengeschichte, Psychiatrie und gesellschaftliche Umbrüche interessieren. 4 Sterne und eine Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 04.08.2025

Ein fesselndes Frauenschicksal im 19. Jahrhundert

Mein Name ist Emilia del Valle
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"Mein Name ist Emilia del Valle" ist ein bewegender historischer Roman, der mich von der ersten Seite an gepackt hat. Im Mittelpunkt steht Emilia, eine ebenso eigensinnige wie mutige Frau, die sich nicht ...

"Mein Name ist Emilia del Valle" ist ein bewegender historischer Roman, der mich von der ersten Seite an gepackt hat. Im Mittelpunkt steht Emilia, eine ebenso eigensinnige wie mutige Frau, die sich nicht den gesellschaftlichen Erwartungen unterordnet, sondern unbeirrt ihren eigenen Weg geht. Ihre Geschichte beginnt im San Francisco des 19. Jahrhunderts und führt uns über verschiedene Stationen bis nach Chile – dem Land ihrer Wurzeln, aber auch voller politischer Unruhen.
Besonders beeindruckt hat mich Emilias Entwicklung: vom jungen Mädchen, das unter männlichem Namen Romane schreibt, hin zur mutigen Reporterin, die sich mitten in einem aufziehenden Bürgerkrieg wiederfindet. Ihr innerer Konflikt – zwischen der Suche nach Liebe, der Wahrheit über ihre Herkunft und ihrer beruflichen Leidenschaft – ist glaubhaft und berührend geschildert. Die Beziehung zu Eric, ihrem Kollegen, verleiht der Geschichte zusätzlich emotionale Tiefe, ohne dabei kitschig zu wirken.
Allendes Schreibstil ist angenehm flüssig, bildreich und lebendig. Trotz der ernsten Themen liest sich das Buch locker, und man wird förmlich durch die Seiten getragen. Die historische Kulisse ist detailreich, aber nie überladen – man spürt die Atmosphäre der Zeit, ohne dass sie den Plot erdrückt.
Für mich war dies das erste Buch von Isabel Allende, aber definitiv nicht das letzte. Wer starke Frauenfiguren, gut recherchierte Geschichte und einfühlsames Erzählen liebt, wird mit diesem Roman eine fesselnde Lektüre erleben. 4 Sterne und eine Leseempfehlung.

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