Profilbild von Sidny

Sidny

Lesejury Profi
offline

Sidny ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Sidny über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 04.04.2018

Jede Menge Fiktion, aber leider kaum Fakten

Höllenjazz in New Orleans
0

New Orleans, 1919: Der Axeman geht um in der Stadt. Es gab bereits mehrere brutale Morde unter italienischstämmigen Lebensmittelhändlern, was den Verdacht auf die Mafia lenkt, dennoch tappt die Polizei, ...

New Orleans, 1919: Der Axeman geht um in der Stadt. Es gab bereits mehrere brutale Morde unter italienischstämmigen Lebensmittelhändlern, was den Verdacht auf die Mafia lenkt, dennoch tappt die Polizei, allen voran der leitende Ermittler Talbot, völlig im Dunkeln. Als dann auch noch Opfer zu verzeichnen sind, die nicht der italienischen Gemeinde angehören, ist es Zeit umzudenken. Doch nicht nur die Polizei ist hinter dem Axeman her, auch eine junge, ehrgeizige Mitarbeitern der Pinkerton-Detektei ermittelt auf eigene Faust in diesem Fall, und Talbots ehemaliger Partner Luca d'Andrea wird vom Oberhaupt einer Mafia-Familie auf den Axeman angesetzt.

Die Axeman-Morde von New Orleans sind eine reale Mordserie, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Stadt in Angst und Schrecken versetzte und nie aufgeklärt wurde. Reale Morde oder Serienmorde, besonders wenn der Täter nicht ermittelt werden konnte, sind für mich immer ein reizvolles Thema, und daher greife ich bei solchen Büchern gerne zu.

Höllenjazz in New Orleans hat mich zuerst begeistert, denn durch die drei Erzählstränge ist Abwechslung garantiert, es geht auch recht temporeich vorwärts, und die Protagonisten gewannen schnell meine Sympathien. Diese Begeisterung flachte dann aber auch relativ schnell wieder ab, denn ich habe das Buch zuallererst als historischen Krimi gelesen - da die Mordserie nicht aufgeklärt werden konnte, bleibt dennoch genug Raum für fiktive Handlungselemente.

Gerade im Punkt "Historie" hat mich Ray Celestin aber letzten Endes leider enttäuscht. Es gibt zwar ein umfangreiches Personenregister, in dem praktisch jede Figur des Romans aufgeführt ist (auch wenn der Auftritt noch so winzig und in drei Zeilen abgehakt war), es fehlt jedoch eine Kennzeichnung, welche dieser Personen real oder fiktiv sind, auch ein erklärendes Nachwort sucht man am Ende vergeblich. Da es zudem keine Quellbelege zur Recherche gibt, ist bei mir insgesamt leider der Eindruck entstanden, als ob der Autor nach der Devise "Für jeden was dabei!" aus etwas Voodoo, einer Prise Mafia, und mit Jazzmusik als Untermalung eine völlig fiktive Geschichte um einen wahren Fall gestrickt hätte, bei der als kleiner Gag am Rande ausgerechnet der junge, noch unbekannte Louis Armstrong als Sidekick herhalten musste. Und das ist mir, wenn eine wahre historische Begebenheit im Mittelpunkt steht, einfach nicht genug. Denn wenn ich mir am Ende doch wieder die relevanten Hintergrundinformationen selbst im Netz zusammenzusuchen muss, brauche ich im Vorfeld wirklich kein Buch zu lesen.

Mit den broschierten Ausgaben von Piper bin ich schon einigen Kummer gewohnt, was die Verarbeitungsqualität angeht. Auch Höllenjazz in New Orleans macht da keine Ausnahme, wenn man Leserillen vermeiden will, muss man das Buch schon extrem behutsam lesen und darf es eigentlich nie ganz aufklappen. Und nach nur einem Lesedurchgang ist in diesem Fall sogar schon die Beschriftung auf dem Buchrücken in Auflösung begriffen, was ich bei einem Preis von 16,00 Euro als qualitativ minderwertig ansehe - sowas ist mir bei Büchern anderer Verlage jedenfalls noch nie untergekommen, und die sind im vergleichbaren Format auch nicht teurer. Da das den Inhalt den Buches aber weder besser noch schlechter macht, und der Autor auf solche Details ohnehin keinen Einfluss hat, habe ich diesen Punkt bei der Bewertung außen vor gelassen.

Wer noch nie vom Axeman gehört hat, und das Buch lediglich als spannenden Krimi vor historischem Setting lesen möchte, kann zu meiner Wertung einen Stern dazurechnen und bedenkenlos zugreifen, wer sich allerdings von der Handlung ein paar neue, spannende Details zur realen Mordserie erwartet, wird wohl eher enttäuscht sein, denn in dem Punkt gibt die Handlung nicht wesentlich mehr her als der entsprechende Wikipedia-Artikel.

Veröffentlicht am 25.03.2018

Eine Seefahrt, die ist lustig...

Woman in Cabin 10
1

...heißt es in einem alten Volkslied. Leider stimmt das nicht immer, wie Lo Blacklock erfahren muss. Sie ist Reisejournalistin und darf mit anderen Pressekollegen an der Jungfernfahrt der "Aurora Borealis" ...

...heißt es in einem alten Volkslied. Leider stimmt das nicht immer, wie Lo Blacklock erfahren muss. Sie ist Reisejournalistin und darf mit anderen Pressekollegen an der Jungfernfahrt der "Aurora Borealis" teilnehmen, einem kleinen, aber feinen Luxusschiff für superreiche Gäste. An Bord gibt es nur zehn Kabinen, und am ersten Abend lernt Lo die Bewohnerin der benachbarten Nummer 10 kennen. Während der ersten Nacht wird sie Zeugin, wie ihre Nachbarin über Bord geworfen wird, woraufhin Lo sofort den Sicherheitschef des Schiffs informiert. Doch angeblich stand die Nachbarkabine leer, und tatsächlich weist nichts auf die junge Frau hin, die Lo mit eigenen Augen wenige Stunden zuvor noch dort gesehen hat... Hat Lo sich tatsächlich alles nur eingebildet?

Woman in Cabin 10 war für mich das erste Buch der Autorin Ruth Ware, das mich aber auf Anhieb völlig überzeugt hat - umso mehr freue ich mich jetzt auf ihren Debütroman Im dunklen, dunklen Wald, der schon seit einiger Zeit in meinem Regal darauf wartet, endlich gelesen zu werden.

Es hätte mir gut gefallen, wenn auf dem Cover "Psychothriller" statt einfach nur "Thriller" gestanden hätte, denn genau das bekommt man. Die Spannung baut sich eher langsam und unterschwellig auf, denn Lo ist eine Ich-Erzählerin, der man als Leser nicht uneingeschränkt über den Weg traut. Sie hat einen etwas schwierigen Charakter, wirkt manchmal regelrecht neurotisch, und auch ihr Alkoholkonsum ist des Öfteren auf einem bedenklich hohen Niveau - was sie natürlich auch zu einer etwas anstrengenden Protagonistin macht. Obwohl ich sie manchmal packen und schütteln wollte, mochte ich Lo und habe extrem mit ihr mitgefiebert.

Ruth Ware überrascht mit einigen Wendungen, die man unmöglich voraussehen kann, und der Aufbau sorgt dafür, dass der Spannungsbogen konstant hoch bleibt. Das Buch ist in acht Teile, die jeweils mehrere Kapitel umfassen, unterteilt. Die einzelnen Teile schließen mit einem Ausblick, der wenige Tage in die Zukunft reicht, ab. Das sind zum Beispiel Facebook-Chats, E-Mails, Zeitungsartikel und so weiter, die sich jeweils um Lo drehen, und die mich förmlich durch das Buch hetzen ließen, weil ich unbedingt wissen musste, wie es für sie weitergeht.

Zwei der auf dem Buch abgedruckten Pressestimmen ziehen Parallelen zu Agatha Christie, und bereits bevor ich sie gelesen hatte, fühlte mich an Und dann gab's keines mehr und an Tod auf dem Nil erinnert - nicht weil der Verlauf der Handlung sich ähneln würde, sondern weil das Setting ähnlich furchteinflößend und ausweglos erscheint.

Wer gerne Thriller liest, die ohne großes Blutvergießen auskommen, aber Spannung und Suchtfaktor mitbringen, für den ist Woman in Cabin 10 sicher kein Fehlgriff - schlüssige, glaubhafte Auflösung inklusive.

Veröffentlicht am 05.03.2018

Filmriss mit Folgen

Während du schläfst
1

Stell dir vor, du gehst abends auf ein Glas Wein zu deinem Nachbarn. Am nächsten Morgen erwachst du völlig desorientiert in seinem Bett - neben seiner Leiche. Von der letzten Nacht weißt du nichts mehr, ...

Stell dir vor, du gehst abends auf ein Glas Wein zu deinem Nachbarn. Am nächsten Morgen erwachst du völlig desorientiert in seinem Bett - neben seiner Leiche. Von der letzten Nacht weißt du nichts mehr, aber du bist dir sicher, dass du ihn nicht getötet hast...

Dieses Horrorszenario widerfährt Tara, der Ich-Erzählerin aus Während du schläfst. Was macht man in einer solchen Situation? Tara ist sich einerseits sicher, dass sie nichts mit Lees Tod zu tun hat, und andererseits sogar, dass sie nicht mal mit ihm geschlafen hat, obwohl alle Indizien dagegen sprechen. Ihre Ehe ist zur Zeit alles andere als glücklich, aber dennoch würde sie ihren Mann niemals betrügen. Oder doch?

Ich würde dieses Buch eigentlich eher ins Genre Psychothriller einsortieren, denn die Spannung lebt zum allergrößten Teil nicht von der Mörderjagd, sondern von der extrem schrägen Situation in Taras Familie. Tara und ihr Mann Noah waren für ein Jahr getrennt, und es gab in dieser Zeit eine andere Frau. Noah kehrte zwar reumütig zu Frau und Kindern zurück, aber das heißt noch lange nicht, dass zwischen ihm und Tara eitel Sonnenschein herrscht. Die siebzehnjährige Tochter Rosie hat aufgrund der Trennung ihrer Eltern selbst ein paar Probleme entwickelt, sie ist eine notorische Lügnerin und hat Probleme, ihre Beziehungen zu Gleichaltrigen richtig einzuordnen. Nur der elfjährige Spencer scheint ein ganz normales, pflegeleichtes Kind zu sein, das aufgrund der Turbulenzen in der Familie aber leider immer an letzter Stelle steht, weil Dramaqueen Rosie alle Aufmerksamkeit der Eltern auf sich zieht. Als Rosie sogar in den Fokus der polizeilichen Ermittlungen rückt, spitzt sich die Situation für Tara gefährlich zu, wie lange kann sie noch geheim halten, dass sie die Mordnacht in Lees Haus verbracht hat?

Für mich machte den besonderen Reiz des Buches aus, dass man alle Geschehnisse aus Taras Perspektive wahrnimmt, und so einen sehr eindimensionalen Blick auf die Handlung und die Figuren hat. Tara ist beispielsweise ihrer Tochter Rosie gegenüber völlig naiv, obwohl sie eigentlich am besten wissen sollte, dass ihre Tochter dazu neigt, ihre Lügengeschichten mit einem beherzten: "Du musst mir das glauben!" zu untermauern, vertraut sie ihr immer wieder, wohingegen ich als Leser grundsätzlich jeden Satz Rosies von Anfang an in Frage gestellt habe. Tara betont immer wieder, wie wichtig Ehrlichkeit ist, und dass einem jedes Geheimnis immer wieder auf die Füße fallen wird, hält sich jedoch selbst nicht an ihre Devise, weil sie ebenfalls ständig Dinge vor ihrer Familie und der Polizei verheimlicht.

Ich fand das Buch insgesamt sehr spannend und fesselnd, und habe auch nicht lange gebraucht, um es zu Ende zu lesen. Die Auflösung war für mich zwar überraschend, aber nachdem die Hintergründe aufgedeckt wurden, war sie völlig nachvollziehbar (also nicht an den Haaren herbeigezogen) und schlüssig.
Daher kann ich Während du schläfst allen Fans von Thrillern mit hoher psychologischer Komponente nahelegen. Wer lieber einem toughen Ermittler bei der Mörderjagd über die Schulter schaut, ist hier aber wahrscheinlich an der falschen Adresse, denn die Spannung ergibt sich ausschließlich aus den komplexen Beziehungen zwischen den einzelnen Figuren.

Veröffentlicht am 28.02.2018

King-Klassiker

The Stand - Das letzte Gefecht
1

USA, 1990: Eine Grippe-Pandemie hat 99% der Menschheit innerhalb weniger Wochen dahingerafft. Die Überlebenden im entvölkerten Nordamerika scharen sich um zwei charismatische Führer, wie sie unterschiedlicher ...

USA, 1990: Eine Grippe-Pandemie hat 99% der Menschheit innerhalb weniger Wochen dahingerafft. Die Überlebenden im entvölkerten Nordamerika scharen sich um zwei charismatische Führer, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten.

Viele Worte muss man zum Inhalt dieses Buches nicht verlieren, der dürfte den meisten Interessierten bekannt sein. Ich bin schon seit früher Jugend ein Fan von Stephen Kings Büchern, aber es gibt trotzdem vereinzelte ältere Werke, die ich bisher noch nicht gelesen habe, was ich allerdings in nächster Zeit nachholen möchte. The Stand gehörte zu dieser Handvoll Bücher, und obwohl es schon immer in der Urfassung in meinem Regal steht, habe ich es erst jetzt gelesen. Ich muss ehrlich zugeben, dass mich zum einen allein der Umfang ein wenig abgeschreckt hat, und zum anderen die Tatsache, dass das Buch in mittlerweile drei verschiedenen Versionen erschienen ist, und man gar nicht mehr so richtig durchblickt, zu welcher Fassung man denn nun am besten greifen sollte.

Die erwähnte Ausgabe in meinem Regal umfasst etwa 1000 Seiten und spielt im Jahr 1980, die neueste Fassung bringt es in der Taschenbuchausgabe auf ganze 1700 (!) Seiten, und spielt zehn Jahre später, also im Jahr 1990. Nach einigen Internet-Recherchen habe ich mich dazu entschlossen, die noch dickere, aber vollständige Version zu lesen, die im Jahr der Ersterscheinung nicht so extrem gekürzt wurde, um die Handlung zu straffen und das Buch dadurch besser zu machen, sondern alleine aus drucktechnischen Gründen. Da es King offensichtlich ein Anliegen war, die überarbeitete Urversion seines Buches zugänglich zu machen, wollte ich auch die vollständige Fassung lesen.

Wenn man King-Fans nach ihrem Lieblingsbuch des Meisters befragt, wird The Stand neben ES eigentlich am häufigsten genannt, daher war ich sehr gespannt, wie es mir wohl gefallen wird. Leider muss ich zugeben, dass es mich zu Beginn nicht sonderlich vom Hocker gehauen hat, weil mir der Weg zum "letzten Gefecht" schon sehr weit vorkam, und durch die nur sparsam dosierten Perspektivwechsel zwischen den beiden rivalisierenden Gruppen nicht allzu viel Spannung aufgebaut wird. Ich habe bei King-Büchern normalerweise immer das Gefühl, dass ich etwas völlig neues, noch nie Dagewesenes lese, in diesem Fall allerdings hatte ich eher den Eindruck, eine Story vor der Nase zu haben, die ich schon diverse Male in abgewandelter Form gelesen oder gesehen habe.
Daher musste ich irgendwann, so etwa in der Mitte des Buchs, einfach mal einen Schritt zurücktreten und über diesen Eindruck nachdenken - und mir in Erinnerung rufen, dass das Buch bereits im Jahr 1978 zum ersten Mal veröffentlich wurde. 1978, das heißt also ganze siebzehn Jahre vor dem Film Outbreak - Lautlose Killer aus dem Jahr 1995, und wahrscheinlich mindestens dreißig Jahre vor der großen Dystopie-Welle in Filmen und Büchern. Im Jahr 1978 war das Thema mit Sicherheit neu, frisch und furchterregend - und natürlich brauchte es da auch mal die ein oder andere ausführliche Erklärung - beispielsweise über die Wege, wie sich der Virus so schnell verbreiten konnte.

Ein weiterer Kritikpunkt meinerseits ist leider die Überarbeitung. Die erste Version spielte eine kurze Zeit in der Zukunft, und bei der ersten Veröffentlichung der überarbeiteten Fassung wollte man das beibehalten, weswegen die Handlung kurzerhand ins Jahr 1990 verlegt wurde. Leider haben sich dadurch ein paar Anachronismen eingeschlichen: Eine Überlebende hat beispielsweise panische Angst vor randalierenden und plündernden Hippies. Hippies? 1990? Da wären vielleicht Punks glaubhafter gewesen. Irgendwann macht sich jemand Gedanken, ob die Seuche wohl auch hinter dem Eisernen Vorhang zugeschlagen hat - hier konnten wohl die geschichtlichen Ereignisse Ende 1989 nicht mehr rechtzeitig vor der Veröffentlichung berücksichtigt werden.

Insgesamt konnte The Stand für mich persönlich ES als Lieblings-King zwar nicht ablösen, aber letztendlich hat es mich dann trotz einiger Längen im Mittelteil überzeugt. Schon alleine durch die Überschneidungen zum Dunklen Turm hat sich das Lesen für mich gelohnt, auch wenn es mir persönlich besser gefallen hätte, die Handlung weiterhin im Jahr 1980 zu belassen. Irgendwann werde ich auch noch die Urfassung lesen, weil mich sehr interessiert, welche Passagen ursprünglich als verzichtbar gestrichen wurden - vielleicht stellt sich da heraus, ob weniger in dem Fall vielleicht tatsächlich mehr gewesen wäre.

Veröffentlicht am 19.02.2018

Packender Cold Case im hohen Norden

Totenweg
2

Deichgraben in der Elbmarsch, 1998: Die 14-jährige Marit Ott wird von ihrer besten Freundin Frida Paulsen ermordet in einem alten Stall aufgefunden, makaberes Detail: er liegt am "Totenweg". Kommissar ...

Deichgraben in der Elbmarsch, 1998: Die 14-jährige Marit Ott wird von ihrer besten Freundin Frida Paulsen ermordet in einem alten Stall aufgefunden, makaberes Detail: er liegt am "Totenweg". Kommissar Bjarne Haverkorn will den Mörder um jeden Preis fassen, doch er scheitert. Seiner Meinung nach, weil Frida ihm etwas verheimlicht.
Zwanzig Jahre später: Frida ist Polizistin geworden und lebt in Hamburg, Haverkorn steht inzwischen kurz vor der Pensionierung, der Fall Marit hat beide niemals losgelassen. Als in der Elbmarsch ein weiteres Verbrechen verübt wird, treffen die beiden nach vielen Jahren zum ersten Mal wieder aufeinander: Fridas Vater wurde brutal niedergeschlagen und in einem Straßengraben liegengelassen - er ringt im Krankenhaus mit dem Tod. Wer könnte Fridtjof Paulsen so etwas antun? Und vor allem: Warum?
Neue Ermittlungen in Deichgraben - für Haverkorn könnte dies womöglich die letzte Chance sein, Marits Mörder doch noch zur Rechenschaft zu ziehen, daher nimmt er den alten Fall in aller Stille noch einmal auf...

"Totenweg" ist vom Lübbe-Verlag als erster Fall des Ermittlerduos Haverkorn und Paulsen angekündigt, und mich hat dieser Reihenauftakt hellauf begeistert, sodass ich mir noch möglichst viele gemeinsame Ermittlungen wünsche.
Die beiden Protagonisten starten nicht gerade mit dem besten Verhältnis zueinander, Haverkorn misstraut Frida, weil er sich sicher ist, dass sie damals relevante Informationen zurückgehalten hat. Und für Frida ist Haverkorn eine lebendige Erinnerung an das schlimmste Trauma ihres Lebens. Auf den ersten Blick haben sie eigentlich kaum Gemeinsamkeiten, und noch dazu sind sie auch keine einfachen Charaktere - Haverkorn ist ein Eigenbrötler, was für die Polizeiarbeit eigentlich nicht gerade eine gute Eigenschaft ist, und auch Frida ist extrem verschlossen und lässt niemanden an sich heran. Es war sehr spannend, das ungleiche Paar dabei zu beobachten, wie sie sich im Lauf der Zeit dennoch zusammenraufen.

Der Cold Case, der mehr im Mittelpunkt steht als der Angriff auf Fridas Vater, war unheimlich packend und spannend, und weil es sowohl für Frida als auch für Bjarne ein so persönliches Anliegen war, den Fall endlich zu lösen, ging Marits Tod auch mir unheimlich unter die Haut. Nachdem im ersten Drittel des Buchs die Figuren eingeführt und viele Fragen aufgeworfen wurden, nahm die Handlung im Mittelteil mit weiteren Leichenfunden rasant an Fahrt auf, und als zum großen Finale alle bis dahin losen Enden zusammengeführt wurden, konnte ich den Krimi endgültig nicht mehr aus der Hand legen.

Für mich war es das erste, aber ganz bestimmt nicht das letzte Buch von Romy Fölck, denn ihr ist das Kunststück gelungen, einen für mich perfekten Regionalkrimi zu schreiben: Die Ermittlungen der Polizei spielen die Hauptrolle, und die manchmal neblig-graue, aber auch malerische Elbmarsch und ihre (im absolut positiven Sinne) etwas verkorksten und undurchsichtigen Bewohner steuern die düstere Atmosphäre zum perfekten Gänsehaut-Feeling bei, ohne sich dabei zu sehr in den Vordergrund zu spielen. Da sieht man mal wieder, dass richtig gute Krimis auch aus Deutschland kommen können, und nicht zwangsläufig aus Amerika oder Skandinavien

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Atmosphäre
  • Figuren
  • Spannung
  • Erzählstil