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Veröffentlicht am 10.11.2025

Mord in Holly House

Der Tote im Kamin
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Die Glasgow-Krimireihe um D.C.I. Daley des leider bereits verstorbenen schottischen Autors Denzil Meyrick hatte ich bereits zum Teil gelesen und fand sie außergewöhnlich gut; daher war ich auf "Der Tote ...

Die Glasgow-Krimireihe um D.C.I. Daley des leider bereits verstorbenen schottischen Autors Denzil Meyrick hatte ich bereits zum Teil gelesen und fand sie außergewöhnlich gut; daher war ich auf "Der Tote im Kamin" sehr gespannt: Im Gegensatz zu den Glasgow-Krimis handelt es sich hier um Cosy-Crime. Da ich dieses Krimi-Untergenre auch mag und das tolle Cover der deutschen Ausgabe wirklich sehr gelungen finde, habe ich mich also neugierig auf die Spurensuche in Holly House und Elderby gemacht, um dem Ermittler, Inspector Frank oder Francis Grasby über die Schulter zu schauen.

York, Dezember 1952

Inspector Grasby hat so einiges in seiner polizeilichen Vergangenheit 'vermasselt'. Sein Vorgesetzter Juggers zählt ihm seine Ausrutscher auf und Grasby befürchtet schon, in Hull zu landen, um dort in Hafennähe seinen Polizeidienst verrichten zu müssen: Doch es sollte anders kommen (auch wenn Juggers sehr erbost über den letzten Faux-pas Grasby's ist; bei einem missglückten Festnahmeversuch sind 30 wertvolle Pferde bei Lady Winthorpe entlaufen! Statt nach Hull wird Grasby nach Elderby in die North York Moors entsendet, um dort einige Farmdiebstähle (auf dem Grund von Lord Damnish, also hat er es schon wieder mit dem Adel zu tun) möglichst rasch aufzuklären. Kaum angekommen, wird er zu Lord Damnish gerufen, der einen Einbruch meldet: Beim Besuch des Inspectors ist der Kamin verrusst - und auch der Butler findet keine Lösung. Da Grasby sich mit Kaminen gut auskennt, schaut er nach und entdeckt "etwas Großes", das im Kamin des Wohnzimmers im stattlichen Anwesen steckt. Es sollte sich als eine Leiche entpuppen, die dem Krimi seinen Namen gab. Im weiteren Verlauf gesellt sich eine weitere Leiche hinzu, die auf dem Gelände unweit der Kirche aufgefunden wird: Was hat es mit diesen brutalen Morden auf sich?

Dies herauszufinden, muss der Leser sich selbst bemühen; es gibt durchaus einige Wendungen und der lange etwas vor sich hinplätschernde Cosy Crime nimmt am Ende sehr an Fahrt auf: Dazwischen bevölkern einige zwielichtige Figuren den Krimi; so z.B. Bleakly, ein Sgt., der sich daran gewöhnen muss, dass Inspector Grasby nun sein Vorgesetzter ist und an einer Schlafkrankheit leidet; zwei Constables, die hinzugezogen werden, nachdem ein Mr. X auftaucht (im Schlepptau Juggers) und Grasby einweiht, dass die nationale Sicherheit in Gefahr sei - und er zum Schein zu ermitteln habe; es würde sich offiziell um zwei Unfälle handeln.

Eine recht schräge Figur, die mir gut gefallen hat und fast einem Märchenbuch entsprungen sein könnte, ist Mrs. Hetty Gaunt, eine Vermieterin, die hexenhafte Züge hat (Rabe Cecil eingeschlossen, der gerne auf ihrer Schulter sitzt) und oftmals mehr sieht als andere Menschen. Die Bleibe von Grasby und Deedee, der Praktikantin aus Amerika, ist also recht gruslig, jedoch ist Mrs. Gaunt eine hervorragende Köchin, was ersteres wieder wettmacht (zumindest in Grasby's Augen; er ist Ende 30 und im Gegensatz zu den meisten seiner Kollegen noch unverheiratet). DeeDee, eigentlich Mr. Daisy Dean, spielt im Krimi ebenfalls eine zwielichtige Rolle, die ich jedoch nicht spoilern mag. Als LeserIn traut man ihr nicht über den Weg und auch in anderen Menschen könnte man sich hier durchaus täuschen!

Meyrick beschreibt sehr gut die winterliche Atmosphäre und die Umgebung sowie das Herrenhaus von Lord Damnish im fiktiven schottischen Elderby, wo die Handlung verortet ist. Er freut sich (er läuft ungern), dass auch hier alles in erreichbarer Nähe ist (Pub, Wettbüro, Fish-and-Chips Imbiss) und von Beginn an schmunzelt man über die etwas skurrile Beziehung von Grasby Senior (einem betagten, oft mürrischen Reverend, der an seinem Sohn vieles auszusetzen hat) und Frank Grasby: Einen späten Auftritt sollte der Reverend auch noch haben und es ist ersichtlich, dass beiden bewusst ist, dass ihnen der andere trotz aller Gegensätze doch sehr wichtig ist. So sind viele Anekdoten aus der Kindheit Frank's eingestreut, die dies untermauern und einen zuweilen zum Schmunzeln bringen. Schade fand ich die fehlende Spannung und der krasse Gegensatz zum Ende des Cosy-Crime: Der Showdown wurde so fulminant, dass es fast an einen der James-Bond-Filme erinnerte, zumal es am Ende auch um einen politischen Hintergrund geht, der aktuell gar nicht so surreal wirkt.

Leider konnte mich insgesamt die Mischung zwischen Cosy Crime und Spionagekrimi nicht gänzlich überzeugen, allerdings war die Atmosphäre und die Zeit der 50er Jahre in Großbritannien sowie so mancher Seitenhieb (in Sachen Adelstitel z.B.) sehr gelungen; auch stilistisch - aus der Ich-Perspektive von Grasby - ist der Cosy Krimi mit gut ausgeleuchteten, teils schrägen Figuren, sehr gut zu lesen. Ich werde die noch zu lesende Glasgow-Reihentitel des Autors auf jeden Fall weiterverfolgen! 3,5 *

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Veröffentlicht am 10.11.2025

Ein Zuhause ist da, wo Freunde sind

Das Haus mit der kleinen roten Tür
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Das Cover dieses warmherzigen und wundervoll illustrierten Pop-up-Kinderbuchs hat mein Herz im Sturm erobert; ich vermutete eine schöne Kindergeschichte mit viel "Bild" für Kinder ab 4 Jahren und wurde ...

Das Cover dieses warmherzigen und wundervoll illustrierten Pop-up-Kinderbuchs hat mein Herz im Sturm erobert; ich vermutete eine schöne Kindergeschichte mit viel "Bild" für Kinder ab 4 Jahren und wurde alles andere als enttäuscht (zugegebenermaßen muss ich gestehen, dass ich in den letzten Jahren nicht sehr oft Kinderbücher gelesen habe, aber nach diesem traumhaften Cover und Kurzbeschreibung des Verlags einfach zugreifen musste!

"Das Haus mit der kleinen roten Tür" - das hier symbolisch für 'unser aller Türen' stehen mag und von Grace Easton sowohl geschrieben als auch zauberhaft illustriert wurde, hat Stephanie Menge übersetzt; es erschien (HC gebunden, 32 S.) bei Fischer Sauerländer, 2025.

Worum geht's?

Olivia, ein kleines Mädchen, wohnt in einem Haus mit einer roten Tür. Es ist still und dem Mädchen ist etwas einsam zumute; ganz hinten im Garten wohnt Maus in einem großen alten Baum. Bei einem Wintersturm, bei dem es heftig weht und schneit, fällt das Zuhause von Maus um und sie verliert damit ihre Wohnung (die wunderschön gezeichnet ist, mehrere Stockwerke hat und ein großes Lesezimmer ;) Olivia bemerkt dies und bietet ihr ein kleineres Zuhause an: Einen umgedrehten Blumentopf mit dem Nötigsten.

In der Nacht können beide kein Auge zumachen und die Maus fasst Mut, packt ihren Koffer und klopft an das Haus mit der kleinen roten Tür: Erfreut macht Olivia ihr auf und natürlich darf Maus bei ihr wohnen... So sieht man die beiden Kekse essend in der gemütlichen Küche und eine Freundschaft ist entstanden: Niemand von den beiden ist mehr alleine und sie wohnen jetzt zusammen....

Meine Meinung:

Das Kinderbuch trägt eine tiefe Botschaft, eigentlich mehrere in sich: Wenn jemand in Not ist, sollte man helfen. Wenn sich jemand alleine fühlt, unglücklich oder einsam ist und niemanden zum Reden hat, sollte man 'an die Tür klopfen' und denjenigen vielleicht besuchen. Beides sind sehr positive menschliche Verhaltensweisen, die man anhand dieses wunderschön gestalteten Buches einem Kind vermitteln und mit auf den Weg geben kann. Auch laden die wunderschönen, winterlichen Bilder dazu ein, dass Eltern und (Klein)kinder oder auch die Großeltern gemeinsam die Geschichte von Olivia und Maus lesen, darüber sprechen und die zahlreichen Klappen im Bild, die Pop-ups, öffnen und sich ansehen. Dies ist m.E. eine Wonne, dass die junge englische Autorin an alles gedacht hat, was ein wohnliches und gemütliches Zuhause ausmachen kann. Eine schöne Freundschaftsgeschichte für Kinder mit Miniaturwelten hinter den Klappen, in die man sich hineinträumen kann! Mein Urteil lautet daher: Pädagogisch wertvoll und 5 *!

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Veröffentlicht am 04.09.2025

Die großmutter, die das Glück pachtete

6 aus 49
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Nachdem ich begeistert "Das Haus verlassen" von Jaqueline Kornmüller gelesen hatte, war ich sehr gespannt auf ihren neuen Roman, den sie ihrer geliebten Großmutter widmete: "6 aus 49" bezieht sich auf ...

Nachdem ich begeistert "Das Haus verlassen" von Jaqueline Kornmüller gelesen hatte, war ich sehr gespannt auf ihren neuen Roman, den sie ihrer geliebten Großmutter widmete: "6 aus 49" bezieht sich auf die leidenschaftliche (System)lottospielerin Lina, die hier eine liebenswerte und weise, unerschütterliche und starke Hauptprotagonistin ist und die man im Roman peu à peu besser kennenlernen kann. Erschienen ist der Roman bei Galiani Berlin (HC, geb., 223 S.) und das wunderschöne Buchcover mit Lina und Maria, die zeitlebens unzertrennliche "Schwestern im Geiste" bleiben sollten, wurde von niemand Geringerem als von Kat Menschik gestaltet.

Die Großmutter der Autorin, Lina, entstammt tiefster Armut; "einer Armut, die verboten gehört", wie sie selbst zeitlebens sagte und diese nie vergaß. Es gelingt ihr, eine Stelle in einem Hotel des in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts aufstrebenden Partenkirchen zu finden, in der sie zuerst in der Küche Pfannen schrubbt. Bis Fanny, eine Hotelangestellte, sie im Service anlernt und Lina immer mehr Gefallen am Hotelwesen findet. Hier sollte sie auch Maria begegnen, der sie zeitlebens verbunden war. Durch einen Zufall verpachtet ein Chemiker, der nach Berlin zieht, das schönste Haus am Platz: Die "Amalie"; hier sollten beide Frauen ihr Glück finden, in dem sie Zimmer (und später mehr Zimmer) vermieteten und Lina die Gastfreundlichkeit in Persona war; Maria dagegen eher schüchtern und im Hintergrund. Dafür ist sie jedoch kreativ und entwirft eigene Daunenbettdecken für das Hotel, mit dem sie sich selbständig machten (was ein Glück war, da Lina schwanger war), die solch' einen Erfolg haben, weil man himmelsgleich in ihnen schläft, dass sie später mit der Werkstatt und der Herstellung expandieren sollten. Der Tourismus kommt im bayrischen Partenkirchen, das später nach Hitlers Wunsch mit Garmisch zusammengelegt werden sollte, in den 20er Jahren in Fahrt und Personal wird überall gesucht. Doch es ist auch die Zeit der beginnenden Verfolgung von Juden: An einigen Beispielen weist die Autorin und Enkeltochter Linas darauf hin, wie unmenschlich mit Juden umgegangen wurde und die "Juden-Abwehrschilder" vor Wettkämpfen und Winter-Olympiaden flugs abgebaut wurden, um sie später wieder (und Schlimmeres) aufzustellen.

Auch wird nicht verschwiegen, dass Amtsleiter unbeschadet auch nach dem Krieg in Amt und Würden waren; diese Gesellschaftskritik fand ich sehr wichtig und fand es gut, dass sie (bei allem Glück der Großmutter) hier nicht ausgespart wurde. Im Gegenteil: Die Autorin springt oft in der Zeit und bringt dennoch das Wesen der Großmutter, die eine starke Persönlichkeit war, der geneigten Leserschaft näher. Lina's Rücken hatte die Enkelin "stets vor allen Unwägbarkeiten des Lebens geschützt" und dies bis ins hohe Alter; wenn auch die Kreise zwischendurch nicht immer eng waren. Dennoch hielt die enge Verbindung wohl ein Leben lang und es ist ein Roman voller Respekt und Ehrfurcht vor Lina, die immer zuversichtlich war, an ihr Glück glaubte (auch im Lottospiel) und dieses selbst in die Hand nahm. Die ein Lachen besaß, "das alles Schwere wegwischte", die aus Nichts etwas machen konnte und sich mitmenschlich und selbstlos zeigte: So wies sie einem jungen Amerikaner (Besatzungsmacht nach dem 2. WK in Bayern) an einem eiskalten Winterabend nicht die Tür, sondern ließ ihn in ihrem Wohnzimmer (mit Frühstück) übernachten: Dies sollte sich als weiteres Glück erweisen, da dieser junge Mann später ein weltberühmter Reisejournalist war, der in einem seiner Bücher Lina erwähnte. Woraufhin 'halb Amerika auf ihrer Couch übernachten wollte'. Das Hotel war also immer ausgebucht und Lina, die sich mit Fremdsprachen schwer tat, reichten sieben englische Wörter, um sich verständlich zu machen. Hier und da blitzt also immer wieder Humorvolles auf, das neben auch schwierigen Zeiten überwiegt. Zumal das Glück (sehr viel später auch in Form eines Sechsers im Lotto!) nie abwesend, sondern immer an der Seite Lina's bleibt. Nur auf die Liebe sollte sich dieses Glück nicht beziehen. Dennoch liebte Lina zeitlebens "das Zufällige, das Überraschende, das Unverfügbare" - und das Wesen des Glücks ist unverfügbar.

Dies hat mir die Großmutter sehr sympathisch werden lassen, je mehr ich von ihr las. Im letzten Drittel erzählt J. Kornmüller auch aus ihrem Leben und mir gefiel die erste Hälfte des Romans noch besser als die zweite, da es interessant und spannend war, mit der Autorin auf das Leben einer sehr starken Frau zurückzublicken, die stets an ihr Glück glaubte. Es ist eine liebevolle Hommage an die Großmutter von J. Kornmüller, deren Liebe und Zuversicht, aber auch ihre Gastfreundschaft, ihr Humor und ihre Mitmenschlichkeit einen Roman durchaus verdienen. Die Kapitel sind kurz, die Handschrift der Autorin glasklar und schnörkellos, der Stil regt dazu an, gerne zwischen den Zeilen zu lesen (was ich sehr mag). Etwas befremdlich fand ich die Distanz zwischen der Autorin und deren Mutter, die im Roman nur mit "Linas Tochter" benannt wird: Der Grund dieser Distanz bleibt dem Leser jedoch verborgen.

Da Lina stets bewusst war, wie viel Armut es gibt (der sie entrinnen konnte), hat sie auch das Leben geliebt, das sie führen konnte (Bali mit Maria im 5-Sterne-Ressort, dahinter die Wellblechhütten); die Schweiz, Venedig mit der Enkelin etc. "weil sie es bezahlen konnte". Hier hätte ich mir vielleicht einen kleinen Hinweis der Autorin gewünscht, dass Lina (z.B. nach dem 6er im Lotto) auch einen Teil des Geldes gerne - für Menschen, die nicht im Glück baden konnten - gespendet hätte. Das ist aber auch mein einziger Kritikpunkt; ansonsten habe ich den Roman sehr gerne gelesen und empfehle ihn gerne weiter!

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Veröffentlicht am 04.09.2025

Aus dem Leben der Wollseifener Familie Lintermann - toller Abschluss der Trilogie!

Schlehengrund
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Bei "Schlehengrund" von Anna-Maria Caspari handelt es sich um den 3. und letzten Teil der Romantrilogie um das Eifeler Dorf Wollseifen, das kurz nach dem Krieg von den Briten besetzt wurde (später von ...

Bei "Schlehengrund" von Anna-Maria Caspari handelt es sich um den 3. und letzten Teil der Romantrilogie um das Eifeler Dorf Wollseifen, das kurz nach dem Krieg von den Briten besetzt wurde (später von dem belgischen Militär) und die Dorfbewohner damit zeitlebens vertrieben wurden. Herausgegeben wurde das Buch im Ullstein-Verlag (358 Seiten, TB brosch., 2025).

Der letzte Romanteil ist im Nachkriegsdeutschland, in der schönen Eifel, angesiedelt, über das Dörfchen Scheven bis zum Hof nach Embken, wo sich die fiktive Familie um Albert Lintermann, Leni, Johanna mit ihrem Sohn Rolf, Silvio und Maria, das eng befreundete sympathische Ehepaar mit ihren Kindern ein neues Leben aufzubauen versuchen. Wir treffen all' diese bereits aus den Vorgängerbänden wohlbekannten ProtagonistInnen des Romans wieder, an deren weiterem Schicksal wir bis Anfang der 70er Jahre teilnehmen dürfen.

Johanna wartet seit Jahren auf ihren geliebten Ehemann Karl, der in sowjetische Gefangenschaft geriet und von dem in den letzten zwei Jahren jegliches Lebenszeichen fehlt. Sowohl die Gefühle der Angst um Karl als auch das auf sich selbst gestellt sein (wobei Schwiegervater Albert ihr freie Hand lässt und sie tatkräftig unterstützt) wie auch später die Emotionen von Karl, der nach Jahren brutaler Gefangenschaft an Leib und Seele gezeichnet ist und nicht als der zurückkehrt, als der er einst eingezogen wurde, sind von der Autorin sehr nachvollziehbar und tief beeindruckend dargestellt: Man wünscht sich, dass Karl wieder ankommt, mit der Zeit Schritt halten kann und Veränderungen gegenüber offen ist - und erlebt tiefe Verunsicherung, dass er sich fremd fühlt und sogar abgelehnt, da er an den alten Werten und Traditionen hängt. Eine Herausforderung ist dabei, mit seiner Frau Johanna alles zu besprechen, was auf dem Hof von großer Wichtigkeit ist, da sich herausstellen sollte, dass sie, die Jahre alles gut auch alleine hinbekommen hat, andere Vorstellungen hat in der Landwirtschaft. So entwickeln sich die beiden, die sich einst so sehr liebten, auseinander und Johanna fühlt sich bald zu einem Mann hingezogen, der Kurse in biologisch-dynamischer Landwirtschaft nach Steiner und Hildegard von Bingen gibt; gegen den Einsatz von Pestiziden ist u.v.m. Karl hält von solchen Neuerungen gar nichts und leidet daran, dass er das Gefühl hat, immer mehr am Rande zu stehen. Er steht symbolhaft für so viele deutsche Soldaten, die nach Jahren der Gefangenschaft zurückkamen, die tiefe Spuren hinterlassen hatte wie auch Traumatas; viele begannen zu trinken, andere wurden gewalttätig. Heute gibt es eher psychologische Hilfe für solch traumatisierten Menschen, nach dem 2. Weltkrieg war jeder auf sich allein gestellt. Die damit einhergehenden Konflikte und Probleme in den Familien wurde beispielhaft von A.-M. Caspari ausgearbeitet und sehr nachvollziehbar, differenziert wie auch emotional sehr gut dargestellt.

Das Tagebuch des klugen, intelligenten und regimekritischen, reflektierenden wie auch kinobegeisterten Studenten Emil Schlösser (der jüngste Sohn des Schmiedes Hermann Schlösser) beleuchtet in Einflechtungen immer wieder das gesellschaftliche Leben und die technischen Neuerungen und politischen Ereignisse in den 50er und 60er Jahren; z.B. das Fernsehen, der Mauerbau, der Besuch Kennedys in Deutschland, die Kubakrise, der Besuch des Schah etc. Dies fand ich als ergänzendes Stück Zeitgeschichte sehr gut und es ist das Jahrzehnt meiner eigenen Kindheit, weshalb ich natürlich einiges noch in Erinnerung habe und schmunzelte, wenn es um "Stahlnetz" ging, (das ich als Kind nicht sehen durfte); zumal die Figur Emil Schlösser, der möglichst rasch und sehr fleißig sein Studium beenden will, um Lehrer für Geschichte zu werden, als kritischer Geist so manchem Nazi-Ungetüm, die es noch immer gab (wie z.B. ein Dr. Textor, Vater von Horst, der mit Rolf befreundet ist im Roman) gegenübersteht: Auch die Geschichte der jüdischen Bevölkerung wird erwähnt; die, 40 an der Zahl, sogar eine eigene Synagoge hatten - und von denen nach dem Krieg niemand mehr dort lebte; dies soll und darf immer wieder betroffen machen.

Ebenso wie das Schicksal des einzigen Juden, der aus Liebe zu einem Mädchen aus dem Dorf Embken nach dem Krieg zurückkam; um zu spüren und zu erfahren, dass der Antisemitismus nicht mit dem Kriegsende abhanden gekommen war. So regen sich nicht nur Albert und Silvio zurecht auf, dass es einige Nazis gab, die auch nach dem Krieg teils hohe Positionen in der (auch kommunalen) Politik einnahmen - so als ob nichts gewesen wäre (hierüber gibt es vielfach sehr interessante Literatur und es war mit Sicherheit ein Konfliktpunkt in so mancher Familie und auch zwischenmenschlichen Beziehungen der damaligen Zeit, wenn darüber diskutiert wurde. (Obgleich lange Zeit vieles 'totgeschwiegen' wurde, wie wir wissen).

Mir sind besonders Johanna, Albert und Leni wie auch der verstörte Karl und Enkel Rolf ans Herz gewachsen; doch da die Geschichte der Wollseifener Familie Lintermann hier endet - um das Jahr 1970 - muss man von manchem Charakter, der dann auch über 80 Jahre zählt, Abschied nehmen. Einige Abschiede gingen mir ebenso wie die Schicksale der Familienmitglieder (wie auch Silvio's und Maria's) sehr zu Herzen und ich danke der Autorin, dass sie anhand dieser Trilogie das Dorf Wollseifen (das man erst seit dem Jahre 2006 wieder betreten kann!) literarisch wieder auferstehen ließ: Ein sehr bewegendes, spannendes Stück Zeitgeschichte mit wundervollen Charakteren, deren Schicksal ich gerne gefolgt bin! Ich kann diesen auch stilistisch hervorragenden Roman; nein die ganze Trilogie (am besten chronologisch zu lesen!) nicht nur historisch interessierten LeserInnen mehr als empfehlen und vergebe daher die höchste Punkt- und Sternezahl, nämlich 5*.

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Veröffentlicht am 15.08.2025

Das Tagebuch der Harriett Lyndham

Unsere Tage am Fluss
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Der neue Roman von Karin Lindberg, deren Namen ich zwar schon länger kannte, aber noch nichts von ihr bis dato gelesen habe (was sich jetzt ändern soll), erschien bei Tinte & Feder, Luxembourg, 2025.

Elisa ...

Der neue Roman von Karin Lindberg, deren Namen ich zwar schon länger kannte, aber noch nichts von ihr bis dato gelesen habe (was sich jetzt ändern soll), erschien bei Tinte & Feder, Luxembourg, 2025.

Elisa hat ihren Job in den Sand gesetzt als Investigativjournalistin und weiß nicht, wie es weitergeht, als Leah, ihre Schwester, ein Foto und Unterlagen der Großmutter auf dem Dachboden findet: Sie schlägt Elisa vor, sich des merkwürdigen Fundes anzunehmen, zumal die verstorbene Großmutter ein Tagebuch erwähnt, das sich unter den Dielen eines Herrenhauses in England befindet und von Harriett Lynham geschrieben wurde. Da Elisa nichts zu verlieren hat, entdeckt sie, dass auf "Rosewood Manor", wo ein Nachfahre noch immer das Anwesen besitzt, gerade u.a. eine Housekeeperin sucht. Kurzerhand bewirbt sie sich, bekommt ein Vorstellungsgespräch mit dem kühlen und reservierten Hausherrn - und auch den begehrten Job. Nun kann sie in Ruhe nach dem Tagebuch suchen, was sich jedoch bei der Größe und Unkenntnis des Zimmers, wo es verborgen sein könnte, als wahre Mammutaufgabe herausstellen sollte.

Harriett wollte eigentlich Medizin studieren, nach dem Tod des Vaters jedoch platzte dieser Traum und eine Ehe mit Edward Lynham wurde arrangiert, in der sie mehr als unglücklich ist: Trotz ihrer vierjährigen Ehe konnte sie ihrem Ehemann noch keinen Stammhalter schenken und Edward missachtet mehr und mehr seine Ehefrau, ohnehin zur Gewalt neigend und stellt sie gar bloß, wenn sich Besuch auf Rosewood Manor einfindet. Cresseda, die Mutter des unsympathischen und tyrannischen Earls, ist erkrankt und eines Tages kommt Dr. Arthur Schelling, der vollkommen andere Behandlungsmethoden an den Tag legt, die jedoch dem/der zu Behandelnden abverlangen, aktiv mitzuarbeiten...

Für Harriett ist es schwer, mit dem netten Arzt in Kontakt zu kommen und mit ihm über seine Profession zu reden, an der sie sehr interessiert ist: Als sich die beiden zufällig am Fluss begegnen, wohin Harrietts Spaziergänge sie regelmäßig führen, kommen sie ins Gespräch und nach und nach entwickelt sich eine tiefe Verbindung, aus der Liebe erwächst. Aus Furcht vor ihrem Ehemann beschließen beide nach der Ballsaison, die Harriett noch für ihre Halbschwester Rose ausrichtet, zu fliehen. Doch jemand sollte diese Pläne durchkreuzen, der auf Rache sinnt...

Viele Wendungen und Ereignisse, zuweilen romantischer, zuweilen dramatischer Natur, machen diesen flüssig und bildhaft geschriebenen Roman aus, die man gut nachvollziehen kann und die meisten Figuren sind sehr liebenswert; allen voran wohl Harriett und Arthur, Elisa und Calam, mit denen wir so manche Höhe und Tiefe durchschreiten, nachdem sich auch hier eine gefühlvolle und ehrliche Verbindung angebahnt hat.

Der Roman beinhaltet zwei Zeiteibenen; die Gegenwart, in der Elisa und Calam agieren und die Zeit um 1908, als es für Frauen, die unglücklich verheiratet waren, denkbar schwer wenn nicht sogar unmöglich war, sich zu trennen. Das Tagebuch Harrietts hat die Autorin geschickt in die Handlung eingeflochten. Die Romanthemen sind vielfältig: Es geht um Familiengeheimnisse, um arrangierte Ehen und Standesdünkel, Gewalttätigkeit und Rechtlosigkeit von Frauen vor 100 Jahren; um Familienzusammenhalt und um die zeitlose Kraft der Liebe, die hier auch mit einer guten Prise Romantik und Atmosphäre daherkommt, jedoch nie schwülstig wird.

Fazit:

Ein atmosphärischer, romantischer Roman um ein Familiengeheimnis mit Tiefgang, der mit sympathischen Figuren aufwartet und den ich allen ans Herz legen kann, der die beschriebenen Themen gerne liest; besonders Fans von Familiengeheimnissen sollten hier zugreifen. Von mir gibt es gute 4* und eine Empfehlung.


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