Profilbild von SigiLovesBooks

SigiLovesBooks

Lesejury Star
offline

SigiLovesBooks ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit SigiLovesBooks über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 14.05.2017

Unterhaltsam-köstlicher Lesetipp, nicht nur für Irland- und Bibliotheksbegeisterte

Die Bücherei am Ende der Welt
0

"Die Bücherei am Ende der Welt" von Felicity H. McCoy erschien als TB im Rowohlt-Verlag, Hamburg (2017). Das fröhliche Buchcover war für mich ein Eyecatcher und ist ein schönes Outlook für den Roman, der ...

"Die Bücherei am Ende der Welt" von Felicity H. McCoy erschien als TB im Rowohlt-Verlag, Hamburg (2017). Das fröhliche Buchcover war für mich ein Eyecatcher und ist ein schönes Outlook für den Roman, der sich zwischen diesen beiden Buchdeckeln verbirgt; es führt zu Hanna Casey, die als Bibliothekarin aus Leidenschaft den Bus der Leihbücherei, die sie in Lissbeg/Halbinsel Finfarran/Irland (eine Erfindung der Autorin, aber auf jeden Fall very irish ;) leitet, über die holprigen Überlandstraßen fährt, um auch die entlegenen Dörfer oder abgelegene Cottages mit Literatur zu versorgen:

Hanna (51), lebte viele Jahre in London und lässt sich nach dem Ehebruch ihres Mannes Malcolm, einem Anwalt, der auch zu Hause zuweilen ein Verhalten zeigt, als sei er im Gerichtssaal, scheiden und kehrt, ohne finanziellen Ausgleich von ihm zu verlangen, mit der gemeinsamen Tochter Jazz (14) zu ihrer Mutter Mary Casey nach Irland zurück. Als "Zurückgekehrte" wird sie von den Dorfbewohnern in Lissbeg, wo sie die Bücherei des Ortes leitet und Hilfe durch Conor hat, argwöhnisch beäugt und ihre Mutter Mary, die not amused war, dass ihre Tochter, ohne irgendwelche Ansprüche zu stellen, recht mittellos zurückkehrt, verwickelt sie des öfteren in Streitgespräche, in denen sie ihr in vorwurfsvoller, jedoch auch für den Leser liebenswert-bissiger Manier klarmacht, dass sie eine dumme Tochter großgezogen habe....

Um diesen familiären Streitigkeiten mit Mary zu entkommen, beschließt Hanna, das alte Cottage ihrer Tante Maggie zu renovieren und nimmt hierfür einen Kredit auf. Wer diese Aufgabe kostengünstig und zuverlässig übernehmen könnte, ist ihr jedoch ein Rätsel, bis Conor eine Idee hat...

Fury O'Shea, ein kauziger Handwerker, der seinerseits nach über 20 Jahren in den Ort seiner Kindheit zurückkehrte und trotz Vorliebe, niemals über sein Handy erreichbar zu sein, sehr gute Kontakte besitzt und den Ruf, der beste Bauhandwerker vor Ort zu sein, nimmt sich auf die Anfrage Conors des alten und baufälligen Anwesens gerne an; hat doch Maggie Casey ihm seinerzeit durch Aufträge ermöglicht, das Weite zu suchen....

Über den Renovierungsarbeiten vor Ort, in den auch Ziegen ihren Anteil leisten, gehen Gerüchte um, dass die Bezirksverwaltung plant, die Bücherei in Lissbeg zu schließen und neue touristische Magnete in diese wundervolle Landschaft der Halbinsel zu setzen: Eine neue und große Bezirksverwaltung soll her, in dem alles unter einem Dach für den Bürger vorhanden sein soll - nicht mit einem alternativen Vorschlag der Bewohner Lissbegs und Umgebung rechnend, planen Schwester Michael, die neben der Bibliothek in einem alten Kloster wohnt, Hanna und Conor sowie weitere Helfer und "Netzwerker" nun einen Gegenangriff, den auch Fury mit Argusaugen liebäugelnd beobachtet.

Felicity H. McCoy hat einen sehr unterhaltsamen Schreibstil, der mir viele entspannende und schöne Lesestunden bescherte. Die irische Mentalität ist sehr gut eingefangen, von der die Autorin natürlich selbst durchwirkt ist und mir haben die Romanfiguren, allen voran Fury, Mary, Conor und natürlich Hanna sowie die Ordensschwester sehr gut gefallen. Die Bissigkeit in den Dialogen und die schrägen Charaktere taten ein Übriges. Auch geht der Roman auf soziale Realitäten ein, die beschreiben, wie sehr Menschen auf ihren Arbeitsplatz als Existenzgrundlage angewiesen sind und dass es in ländlichen Gebieten überall Menschen gibt, die zu Hause mit anpacken müssen (auf einer Farm z.B. wie Conor) und durch ihre Teilzeitbeschäftigung das Leben einer ganzen Familie sichern helfen. Auch die Farce von sog. "Bürgerversammlungen", wobei den Bürgern doch nicht zugehört wird und alles längst beschlossene Sache ist, zeigt sozialkritische Züge. Der Bezug zur Bibliothek, in der es teils kuriose Besucher gibt und zur Literatur an sich hat mir ebenfalls sehr gefallen (ich liebe Bibliotheken) ;)
Auch kommt die Sprache im Roman auf ein sehr wertvolles (evtl. ebenfalls erfundenes) Buch, das jedoch die Erwähnung des berühmten "Book of Kells" findet sowie ein jahrhundertealter Leseständer, der von Fury restauriert wird und eine gewichtige Rolle spielen wird, wenn es um die Erfüllung von Hannas Traum, das Cottage ihrer Tante wirklich beziehen zu können, geht.

Fazit:


Ein lesenswerter und sehr unterhaltsamer Roman über eine irische Bibliothekarin in mittlerem Alter; ein Schmöker, den ich aufgrund des Schreibstils der Autorin und der humorvoll-schrägen Dialoge und Charaktere gerne gelesen habe. Auch die Beschreibungen der Landschaft der grünen Insel entführen nach Irland, das man, nach dem Liebgewinnen der grantig-dickschädeligen Mary Casey oder Furey leider auf der letzten Seite wieder verlassen muss. Eine Leseempfehlung für Frauen, gerne 50+ (was mir persönlich sehr gefiel) und für Menschen, die Irland und Bibliotheken sehr mögen. Für alle anderen jedoch ebenfalls ;) Ich vergebe 4 * und hoffe, von der Autorin noch mehr lesen zu können.

Veröffentlicht am 14.05.2017

Die Geschichte über eine Schublade voller "ganz persönlicher Erinnerungen"

Museum der Erinnerung
0

"Museum der Erinnerung" von Anna Stothard erschien (Paperback) im Diogenes-Verlag, 2017 und ist eine sehr lesenswerte Geschichte über eine junge Frau, die ihre persönlichen Erinnerungen in einem alten ...

"Museum der Erinnerung" von Anna Stothard erschien (Paperback) im Diogenes-Verlag, 2017 und ist eine sehr lesenswerte Geschichte über eine junge Frau, die ihre persönlichen Erinnerungen in einem alten Schrank in ihrem Büro, das sich im Berliner Naturkundemuseum befindet, in dem sie wissenschaftlich arbeitet, aufbewahrt. Als Tochter eines Vogelbeobachters an der englischen Küste war Cathy bereits als Kind gerne damit beschäftigt, den Strand nach allerlei interessanten Dingen 'abzugrasen', die später der "Anker zu ihren Gefühlen" werden sollten.

Sie freundete sich mit Jack an, dessen großer Bruder Daniel die beiden 10jährigen neugierig beobachtete und einige Jahre älter war als Cathy: Ein großes Rätsel dieses Romans ist der Unfall von Jack und die dramatischen Ereignisse, die daraufhin folgten. Cathy kann sich nach Jahren einer von Gewalt bestimmten Beziehung von Daniel trennen, lebt jedoch in ständiger Angst, dass er sie entdecken könnte. Daher ändert sie ständig ihre Adresse und ihre E-Mail-Daten, da sie dennoch überall, wo sie sich aufhält, diverse Päckchen von ihm erhält, die auf die gemeinsame Vergangenheit schließen lassen.

In den Vereinigten Staaten, wo Cathy, die sehr menschenscheu und etwas unnahbar ist, Tom kennenlernt, verlieben sich beide ineinander und beschließen, gemeinsam nach Berlin zu gehen, wo beiden eine Stelle im Naturkundemuseum angeboten wurde. Auch hier findet Cathy eines Tages ein Päckchen vor, das sie zutiefst verschreckt....

Anna Stothard gelingt es in einem wirklich brillanten Sprachstil, die Gefühlswelt Cathys fast seziererisch zu benennen und die Geschichte wird von einer Sprachgewalt und gleichzeitiger Sensibilität beherrscht, die mir sehr gut gefallen hat. Besonders gelingt es der Autorin, die Atmosphäre und die Räume wie die Exponate in Cathys Arbeitswelt, dem Naturkundemuseum in Berlin, zu beschreiben, so dass man sich das sehr spezifische Interieur und die ausgestopften Tiere sehr gut vorstellen kann.Sowohl Cathy als auch Tom und Daniel werden sehr facettenreich beschrieben und ihre Handlungen sind nachvollziehbar. Tom mit seiner sensiblen und empathischen Art ist das genaue Gegenteil von Daniel, der eine Unberechenbarkeit und Gewalt über Cathys Leben brachte, der sie nur durch Flucht entrinnen konnte.

Durch Rückblenden klären sich die Geschehnisse, was damals am englischen Strand wirklich passierte, auf und das Ende der Geschichte ist für beide Protagonisten - also Cathy und Daniel - in gewisser Weise heilsam, da sie alte Wunden und Schuldgefühle endlich aussprechen. So endet der Roman auch mit einem wunderschönen Satz, der dem Leser für die Protagonistin Hoffnung gibt und wie eine Befreiung wirkt. In gewisser Weise fand ich Cathy selbst wie die Objekte ihrer Forschungsarbeit: Die Stadien der Entwicklung sind bei manchen Tierarten vielleicht mit denen der menschlichen zu vergleichen; auch Cathy durchschritt Phasen ihrer eigenen Metamorphosen - die von der Autorin sehr sensibel und sprachgewandt beschrieben werden.

Fazit:

Eine lesenswerte Geschichte der Befreiung von alter Schuld, Schuldzuweisungen und -gefühlen, die von Anna Stothard in außergewöhnlich brillantem Sprachstil (ein danke an die Übersetzerin an dieser Stelle!) umgesetzt wurde. Ich vergebe 4 Sterne und bedanke mich für die interessante Leserunde bei 'Lovelybooks' und beim Diogenes-Verlag.

Veröffentlicht am 30.04.2017

Tanztee oder Neues aus dem "Alt-aber-noch-nicht-tot"-Club!!

Tanztee
0

Bei "Tanztee - Das neue geheime Tagebuch des Hendrik Groen, 85 Jahre" handelt es sich um die Fortsetzung des ersten Romans "Eierlikörtage" und - ohne diesen gelesen zu haben, bin ich überzeugt, dass der ...

Bei "Tanztee - Das neue geheime Tagebuch des Hendrik Groen, 85 Jahre" handelt es sich um die Fortsetzung des ersten Romans "Eierlikörtage" und - ohne diesen gelesen zu haben, bin ich überzeugt, dass der Leser sich ebenso amüsiert und schmunzelnd zuweilen zurücklehnt wie im "Tanztee". Der Roman erschien im Piper-Verlag 2017 als Hardcover, gebunden und mit Lesebändchen ausgestattet; der Protagonist bzw. der Autor?? ist die zeichnerische Abbildung des Hendrik Groen, seines Zeichens ein sehr rüstiger und vor allem humorvoller Beobachter des Innenlebens seines Seniorenheims, in dem er lebt - wie auch der Außenwelt, die ihn noch immer mächtig interessiert und über die er sich den einen oder auch den anderen (gar nicht so abwegigen) Gedanken macht.... Ebenso wie über seine teils skurrilen Mit-Seniorenheimbewohner, die er in die "Wüter" (die, die sich über alles und jeden aufregen) und die "Lächler" unterscheidet, das sind diejenigen, die für alle Anfeindungen ein Lächeln übrig haben...

Hendrik hasst "alte Meckerpötte" und beschließt, mit seinen Freunden, den Clubmitgliedern des "Alanito", einen Tisch mit der Präambel "Hier wird nicht über Krankheiten oder über den Tod gesprochen, wenn überhaupt, nur gewitzelt" bei der Heimleitung durchzusetzen, der nicht nur bei der Alanito-Bewegung AnhängerInnen findet... Reglementierungen mag er ebenfalls nicht und plädiert für die weitestgehende Selbstbestimmung, da kommt der alte Grundschuldirektor zuweilen in ihm durch...

Der humorvolle Senior, den dennoch so manches "Zipperlein" plagt, liebt Ausflüge mit seinen Freunden des Alanito-Clubs, deren Zahl 8 nicht übersteigen darf, weil ansonsten der Leihbus zu klein wäre und hat ein ganz besonders freundschaftliches "Alte-Männer" Verhältnis zu Evert, mit dem er gerne Schach spielt und nach so manchem Essen noch einen Absacker in Form von Cognak, Eierlikör oder auch Whisky zu sich nimmt: Da zwei der Mitglieder leidenschaftliche Köche sind (Antoine und Ria), sucht sich der Club immer ein neues Restaurant aus, um möglichst viele internationale Küchen kennenzulernen. Doch Hendrik mag auch Scooterausflüge in den nahen Naturpark mit Geert - und später Evert, der sich auf seine alten (und kranken) Tage auch noch auf solch ein Gefährt traut; dies sind dann wahrlich "glückliche Tage"....

Er ist ziemlich eitel (gehört also nicht zu den "Zerfledderten", die nicht mehr auf ihr Äußeres achten) und liebt Statistiken wie auch die Übereinstimmungen zwischen alten Menschen und Kindern, derer es eine ganze Reihe gibt ;)

Zwischendurch gibt es immer wieder (kritische) Zustandsbeschreibungen der anderen Senioren, die einen realen Hintergrund durchaus haben: "Die fitten 70er bleiben aus, es kommen Trottel von weit über 80 und das Durchschnittsalter (im Seniorenheim) geht so gegen 90" (Zitat S. 27).
Gegen verletzende und "Wüter" wird solidarisch mit dem Alanito-Club vorgegangen und als Evert aus dem Grunde, dass er schwer erkrankte und vermutlich nicht mehr lange zu leben hat, diesen Job nicht mehr ausführen kann (er war der sympathischste Querulant in der Karriere der Frau S., Heimleiterin), treten die Clubmitglieder an dessen Stelle....

Auch Themen wie Demenz und der nahende Tod werden nicht ausgespart, aber immer augenzwinkernd und humorvoll aufs Korn genommen: Der Kernpunkt liegt hier in der Aussage, sein Leben mit Freude und Genuss bis zum letzten Tage auszukosten - und diesem Motto tragen Hendrik und seine Freunde in diesem witzigen, zuweilen aberwitzigen Roman absolut Rechnung!!
Der Stil des Autors ist sensibel, berührend, klug und sehr unterhaltsam; es werden mit viel Humor auch traurige Wahrheiten propagiert, die "inneren Angelegenheiten" des Seniorenheims kritisiert und analysiert, aber auch Fragen zur Weltpolitik, Nationalismus, Flüchtlinge und politisches Machtgefüge kommen nicht zu kurz; zuweilen lassen einen die statements, die durchaus einen realen Hintergrund haben, auch das Lachen aus dem Gesicht fallen, manche grenzen an Sarkasmus...

Fazit:

"Alanito - ein strahlendes Licht in dunklen Zeiten" - trotz Zipperlein des Alters, Krankheit, Tod eines Mitglieds beschwören Hendrik und seine Freunde die Kraft der Liebe und Freundschaft sowie den Antrieb, bis zum Lebensende vieles selbstbestimmt wählen zu können. Es bleibt zu hoffen, dass es in den nächsten Jahrzehnten (die Gesellschaft vergreist!) Tausende neuer "Alanito-Clubs" in europäischen Seniorenheimen geben wird; frei nach dem Motto der Gründer: "Nicht jammern, AKTIV SEIN!" Von mir 4,5 Sterne und eine alterslose Leseempfehlung ;)

Veröffentlicht am 25.04.2017

Eine wundersame "Verkettung von Umständen"

Und jetzt lass uns tanzen
0

"Und jetzt lass uns tanzen" von Karine Lambert ist im Diana-Verlag 2017 (HC, gebunden) erschienen. Übersetzt wurde der Roman aus dem Französischen von Pauline Kurbasik.Es ist der zweite Roman der Autorin, ...

"Und jetzt lass uns tanzen" von Karine Lambert ist im Diana-Verlag 2017 (HC, gebunden) erschienen. Übersetzt wurde der Roman aus dem Französischen von Pauline Kurbasik.Es ist der zweite Roman der Autorin, die in Frankreich bereits Erfolge erzielen konnte und nun erstmals ins Deutsche übersetzt wurde.Es handelt sich um einen Roman über 'späte Liebe', aber auch über Selbstbestimmung seines Lebens bis ins hohe Alter hinein, das mit sehr sanften und äußerst sensiblen Klängen literarisch brilliert.

"Beinahe wären sie einander nie begegnet. Marcel, der den Sternenhimmel liebt, und Marguerite, die nur dem Tag Schönheit abgewinnen kann. Er, für den nur die Freiheit zählt, und sie, die ausnahmslos allen Regeln folgt. Doch dann verlieren beide ihre langjährigen Ehepartner. An diesem Wendepunkt in ihrem Leben treffen sie aufeinander und stellen überrascht fest, dass sie über die gleichen Dinge lachen. Wagen sie es auch, noch einmal zu lieben?"(Quelle: Buchrückentext)

Meine Meinung:

Die beiden Hauptprotagonisten Marguerite und Marcel sind mir auf Anhieb sympathisch; der Autorin gelingt es in sehr sensibler Weise, beide Charaktere zu beschreiben:

Marguerite, deren Leben durch ihren Mann, einem Notar, sehr vorbestimmt war und die sich zeitlebens seinen Regeln unterwarf, überlegt nun im hohen Alter von 78 Jahren nach seiner Beerdigung, was sie mit ihrem restlichen Leben anfangen solle.... Sie vertraut sich ihrem Hausarzt an, der ihr eine Thermalkur in den Pyrenäen verschreibt... Ihr Sohn Frédéric, selbst verheiratet mit Carole, reagiert mit Unverständnis und nicht nur im beruflichen Leben ist er das Abbild seines gestrengen Vaters. Dennoch fährt Marguerite, die sich mit ihrem Enkel Ludovic bestens versteht; die Beziehung zu ihrem Sohn allerdings ist schwieriger...

Marcel, der als Kind mit seiner Familie aus Algerien nach Frankreich emigrierte und Nora, eine Nachbarstochter, die sich ihnen anschließen, ist von Kindertagen an in Nora verliebt und die beiden werden ein glückliches Paar; in späten Jahren verreisen sie oft mit dem Scrabble-Club, dem sie beide mit Leidenschaft angehören. Auf einer Reise nach Nizza wird Nora durch einen tragischen Unfall Marcel nun jäh entrissen....
Die Fassungslosigkeit Marcels, die sich nach einem solchen Verlust in einem Menschen abzeichnet, ist von Karine Lambert wunderbar beschrieben worden; ebenso die Tatsache, dass Marguerite sich auch erleichtert fühlt, und noch immer an ihre Schwester Hélène denkt, die sie sehr liebte - und die dem Leben zugewandt war, bis ein Unfall sie früh aus dem Leben riss....

Marguerite und Marcel treffen nun in einer Thermalbad-Kur aufeinander und begegnen sich zufällig auf der Terrasse: Sie stellen fest, dass sie über die gleichen Dinge lachen können und sofort ist eine gewisse Sympathie füreinander da. Marcel lädt Marguerite ein, nach der Kur noch einige Tage gemeinsam zu verbringen und die beiden alten Menschen kommen sich näher...

Mit viel Feingefühl und leisen Tönen erzählt dieser Roman von der Entwicklung zweier alter Menschen, die einen Verlust erlitten haben, jedoch hier nicht für den Rest ihres Lebens in eine Art Schockstarre verfallen, sondern sich ganz langsam aufeinander zu bewegen (das Cover porträtiert dies sehr treffend). Es sind sanfte, aber zuweilen auch sehr herzergreifende Töne, die das Alter und Älterwerden beschreiben; Marguerite und Marcel lernen sich kennen - und mögen. Marguerite kürzt ihr Haar und lässt den strengen Knoten - und damit ihr altes Leben - im Frisiersalon, bevor sie Marcel wiedertrifft. Hierin liegt auch ein gewisser Mut, das Leben nochmals neu zu beginnen. Während Marcel eher Unterstützung in seiner Tochter findet, die Liaison zu Marguerite betreffend, stellt Frédéric hier für Marguerite eine große Herausforderung dar:
Besonders gut gefallen mir die detaillierten Beschreibungen, wo sich die Rollen/Beziehungen von Eltern und Kinder oftmals ins Gegenteil verkehren und besorgte Kinder, die auch überreagieren, ihren Eltern alles verbieten möchten, was Spaß und Freude machen könnte, dies hat sicher einen sehr realen Hintergrund ("in Wirklichkeit will er nur an Dein Tafelsilber" - O-Ton Frédéric). Letztendlich lernt der Sohn durch die Mutter, mal die Krawatte und die Steifheit seines Lebens abzulegen ;)
Es gibt wunderschöne Sätze über das Älterwerden "den neuen Rhythmus annehmen" (Zitat S. 141) und den zentralen, zeitlosen Satz:

"Manche Begegnungen begleiten einen bis ans Lebensende".

Marguerite und Marcel haben durch viel Mut und die Fähigkeit, erneut zu lieben, noch viele schöne Jahre miteinander, die sie mit Reisen verbringen, so oft sich ihnen die Möglichkeit bietet.

Fazit:
Ein wunderschöner Roman mit leisen Tönen voller Ehrfurcht vor dem Leben selbst, über das Älterwerden, den Verlust und auch den möglichen Neubeginn. Eine feinsinnige, teils humorvolle und poetisch geschilderte "Verkettung von Umständen" mit lebensbejahenden und mutigen Auswirkungen auf die beiden liebenswerten Protagonisten; auch ein Beweis in Romanform, dass Liebe kein Alter kennt. Von mir eine unbedingte Leseempfehlung und 5 Sterne!

Veröffentlicht am 22.04.2017

Die Liebe zum Regen - oder der Mut zum Neuanfang...

Die Liebe zum Regen
1

"Die Liebe zum Regen" von Claire Hoffmann erschien (Paperback) 2017 im Diana-Verlag. Es handelt sich um das Début der Autorin, die auf sehr unterhaltsame Weise aus dem (durchaus wandelbaren) Leben der ...

"Die Liebe zum Regen" von Claire Hoffmann erschien (Paperback) 2017 im Diana-Verlag. Es handelt sich um das Début der Autorin, die auf sehr unterhaltsame Weise aus dem (durchaus wandelbaren) Leben der 57jährigen Vera Klapproth erzählt...

"In Veras wohlgeordnetem Leben bricht aus heiterem Himmel das Chaos ein. Hals über Kopf flüchtet sie nach England - als Au-pair. Ziemlich gewagt mit 57 Jahren. Doch auch in London ist die Welt nicht heil. Drei eigensinnige Mädchen machen es ihr alles andere als leicht, der Vater glänzt durch Abwesenheit, und sie spürt, dass die Familie ein Geheimnis hat. Als Vera beschließt dahinterzukommen, muss sie erkennen, dass sich auch ihre eigenen Wahrheiten nicht ewig vertagen lassen." (Quelle: Buchrückentext)

Vera ist mit Gernot, einem verknöcherten, etwas egozentrischen und sehr unaufmerksamen Richter, seit vielen Jahren verheiratet. Einerseits mag sie (Zitat) "das bequeme Leben an seiner Seite", die Restaurantbesuche jeden Montag und die Sicherheit, die sie durch ihre Ehe mit ihm erfährt; andererseits weiß sie, dass sie einen hohen Preis zahlt: Den der Anpassung.

Sie gerät etwas ins Wanken, als Gernot ihr eröffnet, dass er eine lange Auszeit in Afrika verbringen will; als ein Mädchen ihr den flyer einer Au-Pair Agentur für Grannys in die Hände drückt. Sie ergreift die Chance, die sich ihr bietet und verlässt bereits am nächsten Tag das Haus; Ziel: London und die Familie Hastings.

Dort nimmt sich Zoe, die jüngste Tochter, Vera an - mit dem Wissen, dass das neue Kindermädchen von Ruby und vor allem Amanda, ihren ältesten Schwestern, nichts Gutes zu erwarten hat.... Die kleine Zoe ist die sympathischste Romanfigur und ist mit ihren 5 Jahren sehr klug und einfach liebenswert: Die mittlere Schwester steht etwas im Schatten von Amanda (14), die in der Familie die Mutterrolle übernommen hat. Bis zur Romanhälfte wird nun in allen Nuancen geschildert, welche Machtkämpfchen sich Vera, die entschlossen ist, sich hier durchzubeißen, mit Amanda liefert. Sie spürt allerdings auch, dass sich ein Unverständnis in ihr breit macht, da die Situationsschilderung, wo denn die Mutter abgeblieben ist, vehement ausbleibt. Diese Frage, die um die Mutter der drei Mädchen kreist, ist auch ein Kernpunkt des Romans, der letztendlich zum Schluss zur Auflösung gebracht wird.

Ab diesem Zeitpunkt stellt sich Vera demonstrativ auf die Seite der Kinder und das Blatt wendet sich: Ein wenig hat mich der zweite Teil des Romans (der mir erheblich besser gefiel als die erste Hälfte) an eine Art Remake von "Mary Poppins" erinnert, was ich jetzt nicht negativ meine. Die Granny Au-pair ist allerdings hier etwas unruhig, da ihr gesundheitlicher Zustand nicht ganz geklärt ist....
Der Stil der Autorin, die hier ihr literarisches Début vorstellt, ist sehr unterhaltsam, gut und flüssig zu lesen; allerdings hat mich der stets sehr aufgeregte (innere) Ton Veras zuweilen etwas genervt, da die emotionalen ups and downs sich in kürzester Zeitfolge stetig abwechselten; die frühere Freundin Evelyn war da sicher aus anderem Holz geschnitzt. Dennoch gefiel mir die Entwicklung, die die recht mutige Protagonistin machte und sich aus ihrer Komfortzone bewegte. Besonders in der zweiten Hälfte des Romans, den ich Frauen in ähnlicher Situation, die Neues wagen möchten - aber sich vielleicht nicht trauen, empfehlen kann, nahm die Geschichte eine stimmige und sehr positive sowie menschliche Wendung.

Fazit:

Ein lesenswerter, erfrischend geschriebener und stimmiger Roman über eine Granny Au-pair in London, die sowohl bei Vera selbst als auch bei der Familie Hastings neue Lebensimpulse und -akzente setzt, in dem sich alle Akteure der Wahrheit stellen (müssen).Die zweite Romanhälfte gefiel mir allerdings wesentlich besser als die erste, von mir gibt es für's ansonsten recht gelunge Début 3,5 Sterne.