Profilbild von Siobhan

Siobhan

Lesejury Profi
offline

Siobhan ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Siobhan über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 20.09.2018

Der Schrecken kommt als Weihnachtsmann

Der Schmetterling
0

In ihrem Debut setzt die Autorin Gabrielle Ullberg Westin mit einem sehr schlimmen Ereignis ein. Henna, die Ehefrau des Fußballstars Mans Sandin wird an Heiligabend vor den Augen ihrer Kinder von einem ...

In ihrem Debut setzt die Autorin Gabrielle Ullberg Westin mit einem sehr schlimmen Ereignis ein. Henna, die Ehefrau des Fußballstars Mans Sandin wird an Heiligabend vor den Augen ihrer Kinder von einem als Weihnachtsmann verkleideten Mann ermordet. Die Familie lebt im beschaulichen Hudiksvall. Als leitender Kriminalinspektor ermittelt Johan Rokka, der eben aus Stockholm in seine Heimatgemeinde zurückgekehrt ist. Rokka ist alleinstehend und trauert einer längstvergangenen Liebe nach. Seine Freundin Fanny war vor vielen Jahren aus Hudiksvall verschwunden und seither gibt es keine Spur von ihr.
In diesem vorliegenden Fall ermittelt Rokka an der Seite eines bewährten Teams. Die Untersuchungen führen ins Umfeld des erfolgreichen Fußballers, nach Florenz, wo dieser früher lebte und in seine Vergangenheit.
Der Einstieg in den Krimi ist mir sehr leicht gefallen. Sehr schnell hatte ich eine Vorstellung der Figuren innerhalb der Polizei, aber auch unter dem Bekanntenkreis von Sandin und Henna gewonnen. Sehr bald wird die Handlung recht komplex, so dass ich mich ziemlich konzentrieren musste bei der Lektüre. Die Handlung wird aus verschiedenen Perspektiven und an verschiedenen Schauplätzen und Zeiten erzählt, wobei mir der Übergang nicht immer gleich klar war. Dazwischen sind in kursiver Schrift sehr kurze Kapitel aus einer Art Tagebuch eingefügt, bei dem man erst gegen Ende erfährt, wer es geschrieben hat und an wen es sich richten soll.
Vom sprachlichen Ausdruck her, habe ich das Buch sehr gerne gelesen. Für mich ist es eine gute Mischung als erzählerischen Passagen und Dialogen. Die Stimmung im verschneiten Hudiksvall konnte ich sehr gut nachfühlen. Obwohl es sich um den ersten Band einer Reihe handelt, ist das Privatleben der Protagonisten zwar anschaulich dargestellt worden, aber doch zugunsten der Auflösung des Kriminalfalls im Hintergrund geblieben.
Aufgrund der teilweise etwas komplexeren Handlung mit den zahlreichen Figuren konnte ich den Kriminalroman nicht so schnell lesen, wie das sonst üblich ist. Ich habe mich nicht gelangweilt, dennoch war es für mich kein Pageturner. Ich kann mir vorstellen, dass ich den zweiten Band auch lesen werde, um zu sehen, wie es mit den Figuren weitergeht und mir danach ein Urteil fälle, ob die Bücher von Gabriella Ullberg Westin mein neues „Skandinavien-must-read“ sind oder nicht. Ich vergebe 4 Sterne.

Veröffentlicht am 30.08.2018

Ein Roadmovie in die eigene Vergangenheit

Ein Teil von ihr
0

Der Thriller „Ein Teil von ihr“ von Karin Slaughter ist außerhalb der Serie um Will Trent als „stand alone“ erschienen. Er spielt auf zwei Zeitebenen: in der Gegenwart im Jahr 2018 und ab 1986.
Wir lernen ...

Der Thriller „Ein Teil von ihr“ von Karin Slaughter ist außerhalb der Serie um Will Trent als „stand alone“ erschienen. Er spielt auf zwei Zeitebenen: in der Gegenwart im Jahr 2018 und ab 1986.
Wir lernen zu Beginn Laura Oliver und ihre einunddreißig jährige Tochter Andrea kennen, die aus Anlass von Andreas Geburtstag in einem Einkaufszentrum zusammen essen gehen. Es kommt zu einer Schießerei in die auch Andrea und ihre Mutter verwickelt werden. Laura wird dabei verletzt und es kommt zu mehreren Todesopfern. Obwohl sich Mutter und Tochter recht nahe scheinen und Andrea immer noch bei Laura wohnt, sieht Andrea bei diesem Überfall eine völlig neue Seite ihrer Mutter. In der Folge schickt Laura ihre Tochter mit genauen Anweisungen weg. Laura fühlt eine Bedrohung, die sie aber nicht artikuliert. Andrea macht sich auf eine Reise zu den Wurzeln ihrer Vergangenheit.
Im anderen Erzählstrang lernt der Leser eine Gruppe junger Menschen kennen, alle intelligent, gebildet und mehrheitlich sehr gut situiert, die sich auf eine gewisse Weise radikalisiert haben.
Mehr möchte ich zum Inhalt nicht verraten. Ich fand die Ausgangslage sehr spannend, war auch sehr schnell im Geschehen drin. Durch die beiden Erzählstränge, die jeweils mit einem Cliffhanger enden, wurde die Spannung jeweils recht hoch gehalten.
Die Erzählweise ist, wie man es von der Autorin gewohnt ist, flüssig und angenehm zu lesen. Dennoch habe ich mich mit diesem Buch nicht so gut unterhalten gefühlt, die mit den Thrillern um Will Trent. Da es sich zumindest zum Teil um einen Roadmovie (als Buch) handelt, was ich so gar nicht mag, hatte es der Thriller mit mir natürlich etwas erschwert. Zudem habe ich bei all den wirklich interessanten Figuren nur einen Sympathieträger gefunden: Andreas Stiefvater Gordon, der aber im Laufe der Geschichte nicht mehr so wichtig ist. Die anderen Figuren blieben mir eher schemenhaft oder abstoßend.
Den in der Vergangenheit um 1986 spielenden Strang fand ich spannender und auch interessanter, weil er im weiteren Sinne auch von aktuellen Fragestellungen handelt wie Missbrauch und Manipulation durch narzisstische Menschen und Radikalisierung. Ich fand es auch spannend, zu raten, wie die beiden Stränge zusammenhängen. Teilweise habe ich recht früh ein Gefühl dafür gehabt, was sich dann auch als richtig herausgestellt hat. Bei anderen Figuren lag ich völlig falsch.
Die Auflösung des Thrillers ist im Prinzip schlüssig, dennoch lässt mich das Buch mit einem etwas zwiespältigen Gefühl zurück. Ich vergebe diesem Buch 3 Sterne und werde in Zukunft bei der Autorin wieder auf die Will Trent Bücher zurückgreifen.

Veröffentlicht am 13.08.2018

„Vergessen wollen“ wird in der nächsten Generation zu „nicht wissen wollen“

Wenn wir wieder leben
0

In ihrem Roman „Wenn wir wieder leben“ begibt sich die Autorin Charlotte Roth nach Danzig und ins benachbarte Seebad Zopot. Sie nimmt die Leser*in auch ein Stück weit mit in die Vergangenheit ihrer eigenen ...

In ihrem Roman „Wenn wir wieder leben“ begibt sich die Autorin Charlotte Roth nach Danzig und ins benachbarte Seebad Zopot. Sie nimmt die Leser*in auch ein Stück weit mit in die Vergangenheit ihrer eigenen Familie und bringt die wechselhafte Geschichte der Stadt Danzig, die im Zentrum des Ausbruchs des 2. Weltkriegs stand, auf verständliche Weise näher. Zumindest ich hatte bisher zwar verstanden, dass Danzig besonders wichtig war, aber die Vorgeschichte der Region zwischen Polen und Deutschland wurde mir erst durch diesen Roman bewusst.
Charlotte Roth erzählt die Geschichte der jungen Studentin Wanda, die sich im Jahr 1963 in Berlin beginnt Fragen zu stellen, was ihre Familie in der Vergangenheit durchlebt hat und wie sie nach Berlin gelangt ist. So führt der andere Erzählstrang ins Jahr 1927 in Danzig und ins Ostseebad Zoppot. Gundi erlebt eine glückliche Kindheit bei ihrem Großvater Pop, wo sie viel Liebe empfängt und viele Freiheiten genießt. Mit ihrer Halbschwester Lore und zwei Jungs, Erik und Julius gründet sie mit 17 Jahren eine Band. Der rote Faden der Geschichte ist der Aufstieg der Band, bzw. der Kapelle und die Suche nach dem ultimativen Lied, das Gundi zu schreiben verspricht.
Ohne zu viel vom Inhalt vorweg zu nehmen, kann man erwarten, dass der Nationalsozialismus natürlich in Zoppot und Danzig seine Spuren hinterlässt. Gundi, Lore, Erik und Julius führen lange ein relativ sorgloses Leben, wollen die Entwicklungen nicht sehen oder profitieren davon, ohne direkt offensichtlich Böses zu tun.
Durch den Wechsel der beiden Zeitstränge, die oft mit einem Cliffhanger enden, wird man als Leser immer wieder motiviert, weiter zu lesen. Die Handlung wird vor allem in der zweiten Hälfte des Romans zunehmend spannender. Das letzte Drittel habe ich fast am Stück gelesen.
Obwohl mir das Buch insgesamt sehr gut gefallen hat, bin ich mit den meisten Protagonisten nicht wirklich warm geworden. Die Hauptfigur Gundi weist alle Charaktereigenschaften auf, die ich in meinem Leben verachte. Gundi ist naiv, narzisstisch, nutzt andere Menschen sowohl emotional als auch in alltäglichen Situationen aus. Sie hat eigentlich nichts gelernt und erwartet eher ein Wunder, als dass sie bereit ist, richtig hart zu arbeiten. Aber vielleicht gerade weil es im wirklichen Leben durchaus solche Menschen gibt, mit deren Marotten man zu kämpfen hat, fand ich das Buch sehr realistisch. Auch die Thematik des Hinterfragens, was die eigene Familie in der Zeit des Nationalsozialismus gemacht hat, finde ich sehr wichtig.
Von mir erhält es 5 Sterne und eine Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 21.07.2018

Sternstunden der Medizin anhand der Charité

Die Charité: Hoffnung und Schicksal
0


In ihrem neuen Roman „Die Charité – Hoffnung und Schicksal“ zeichnet die Autorin Ulrike Schweikert die Medizingeschichte ab 1831 anhand einiger sehr sorgfältig ausgeführter Protagonisten in der Berliner ...


In ihrem neuen Roman „Die Charité – Hoffnung und Schicksal“ zeichnet die Autorin Ulrike Schweikert die Medizingeschichte ab 1831 anhand einiger sehr sorgfältig ausgeführter Protagonisten in der Berliner Charité auf. An der Seite von zahlreichen Figuren aus verschiedenen gesellschaftlichen und hierarchischen Schichten erlebt man das Leben in einem großen Krankenhaus im 19. Jahrhundert fast hautnah mit. Teilweise werden Krankheiten und Verletzungen ziemlich drastisch beschrieben und man ist richtig dankbar, dass es heutzutage moderne Methoden gibt, so dass man wegen einem verknacksten Fuß nicht mehr wochenlang im Krankenhaus liegen muss und außer Gefecht gesetzt ist.
Unter den Figuren waren mir einige recht nahe, wie z.B. Elisabeth. Sie arbeitet als junge Pflegerin und setzt sich immer wieder mit Güte, aber auch pragmatischem Verstand gegen die recht derben und unsensiblen „Wärterinnen“ durch. Die medizinischen Behandlungen sind teilweise recht archaisch, aber ich nehme an, sie entsprechen tatsächlich der Realität zur entsprechenden Zeit.
Andere Figuren, wie die Gräfin Ludovica, die für eine Dame aus adligem Stand sehr interessante Ansichten hat, sind mir relativ distanziert geblieben, was aber auch gar nicht schlimm ist. Aufgrund des Verlagstextes hätte ich etwas mehr über die Choleraepidemie erwartet, die dann doch sehr schnell zu einem abrupten Ende gekommen ist. Die Fülle an Informationen zu anderen Leiden aber entschädigt das mehr als genug.
Ich habe mich mit diesem Roman sehr gut unterhalten gefühlt. Er ließ sich angenehm flüssig lesen und ich freute mich immer wieder, das Buch zur Hand zu nehmen. Von mir hält „Die Charité“ 5 von 5 Sterne mit einer Leseempfehlung für Liebhaber von historischen Krankenhaus-Geschichten.

Veröffentlicht am 22.06.2018

Eine junge Frau in einer Zeit der gesellschaftlichen Umbrüche

Die Ärztin: Das Licht der Welt
0

Der Roman „Die Ärztin – Das Licht der Welt“ spielt in der Kaiserzeit vorwiegend in Berlin und erzählt die Geschichte einer jungen Frau, die es trotz bescheidener Herkunft und gesellschaftlicher Hürden, ...

Der Roman „Die Ärztin – Das Licht der Welt“ spielt in der Kaiserzeit vorwiegend in Berlin und erzählt die Geschichte einer jungen Frau, die es trotz bescheidener Herkunft und gesellschaftlicher Hürden, schafft als Frau Medizin zu studieren. Ricarda ist die Tochter des Gärtners und der Köchin auf dem Gut Freystetten. Im Winter 1876 kommt es zu einem folgenschweren Unglück. Florentine, die Enkeltochter des Grafen Franz von Freystetten, bricht beim Schlittschuhlaufen im Eis ein. Die Gärtnertöchter Antonia und Ricarda schaffen es, Florentine zu retten, für Antonia allerdings kommt leider jede Hilfe zu spät. Um wieder etwas an der Gärtnerfamilie gut zu machen, verfügt der Graf vor seinem Tod, dass sich seine Tochter Henriette um Ricarda kümmern und ein Auge auf ihre schulische und berufliche Entwicklung haben soll. Die Komtess Henriette lebt nicht auf dem Landgut sondern in Berlin, wo sie als Ärztin eine Zahnarztpraxis betreibt. Nach einer schweren Erkrankung von Ricardas Mutter nimmt die Komtess Ricarda als Mündel mit nach Berlin, wo diese eine gute Schule besuchen kann. Ricarda findet Gefallen an Henriettes beruflicher Tätigkeit und deren Engagement für Frauen und für die medizinische Behandlung und Pflege von ärmeren Frauen.
Der Roman zeigt dem Leser die Entwicklung der jungen Ricarda auf sehr gut nachvollziehbare Weise. Die Schauplätze sind sehr anschaulich beschrieben und die gesellschaftlichen Gegebenheiten und Unterschiede werden eindrücklich am Beispiel zahlreicher interessanter Nebenfiguren dargestellt. Sehr interessant fand ich auch die medizinhistorischen Informationen, die man ganz nebenbei mitbekommt.
Sprachlich lässt der Roman sich sehr angenehm und flüssig lesen. Das Buch ist sehr schön aufgemacht. Auf der Innenseite der vorderen Klappe ist ein farbiger Stadtplan von Berlin im Jahre 1878 abgedruckt, wo die wichtigsten Schauplätze eingezeichnet sind. Wir finden vorne ein Personenverzeichnis und hinten ein Inhaltsverzeichnis mit den Kapitelüberschriften und Jahreszahlen, was beides für die Orientierung sehr hilfreich ist.
Ich habe es sehr genossen, dieses Buch zu lesen. Ich fand es die ganzen 555 Seiten hinweg spannend und habe mich über jede Pause gefreut, wo ich darin lesen konnte.
Im November 2018 erscheint die Fortsetzung dieser zweiteiligen Serie, auf die ich mich sehr freue. Von mir erhält dieses Buch 5 Sterne und eine Leseempfehlung.