Spitzenklasse!
Und wer küsst mich?Wer noch niemals das Privileg hatte, eine Beziehung führen zu dürfen, gehört der Gruppe der "Absolute Beginners" an; mit ihnen befasst sich Maja Roedenbeck in diesem hervorragend gelungenen Werk.
Obwohl ...
Wer noch niemals das Privileg hatte, eine Beziehung führen zu dürfen, gehört der Gruppe der "Absolute Beginners" an; mit ihnen befasst sich Maja Roedenbeck in diesem hervorragend gelungenen Werk.
Obwohl der Begriff "Absolute Beginners" und ihr Auftreten als Gruppe in der Öffentlichkeit noch verhältnismäßig jung sind, gibt es bereits eine ordentliche Palette an Literatur zu diesem Thema, unter anderem Olaf Wickenhöfers Diplomarbeit "Unfreiwillig Single" und Brian Gilmartins "Shyness and Love: Causes, Consequences, and Treatment" sowie Arne Hoffmanns "Unberührt: Menschen ohne Beziehungserfahrung. Wege zu erfüllter Liebe und Sexualität". Ich denke, dass mit Frau Roedenbecks Buch "Und wer küsst mich" nunmehr die beste Veröffentlichung zu diesem Thema vorliegt.
Das Besondere, gleichsam Wunderbare an der vorliegenden Publikation ist die menschliche Wärme und das Mitgefühl, das immer mal wieder zwischen den Zeilen aufblitzt. Maja Roedenbeck bemüht sich, Verständnis aufzubauen und die genauen Hintergründe der sexuellen Unerfahrenheit gründlich zu analysieren; sie legt dabei vor allem Wert auf die gesellschaftlich-sozialen Hintergründe. Auf Seite 24 begegnet dann folgender, wie ich meine sehr wichtiger Satz: "Dass wir Schwierigkeiten mit der Liebe haben, liegt nicht an persönlichen Schwächen, sondern an den gesellschaftlichen Entwicklungen, an unserer modernen Kultur...". War es vor allem Arne Hoffmann noch sehr wichtig, immer wieder auf die "seelischen Untiefen", "Ängste[n]" und "Depressionen" hinzuweisen, denen die ABs ausgesetzt sind (u. a. auf Seite 218 von "Unberührt" oder auf Seite 216/217: "Misstrauen", "Ängstlichkeit" etc. etc.), so kommt es der Autorin von "Unberührt" vielmehr darauf an, auch partnerschaftlich normal sozialisierten Menschen die Lebens- und Erfahrungswelt dieser bedauernswerten Menschen vertraut zu machen und Vorurteile zu entkräften: "Wenn die Absolute Beginners eines nicht verdient haben, dann ist es der Stempel: Alle sind gleich" (Seite 186). Ganz, ganz, große Klasse. Besser kann man es nicht formulieren.
Neben diesen diplomatischen, mit viel psychologischem Fingerspitzengefühl geschriebenen Worten verwendet Maja Roedenbeck noch viel mehr ihrer bestaunenswerten Eloquenz darauf, die derzeitigen Realitäten in Punkto Sozialisation zu untersuchen, die zur Partnerlosigkeit führen. Sie macht darauf aufmerksam, dass in unserer heutigen sozialen Realität nicht nur alle ABs ein Problem haben - sondern auch all jene, die sich selbst als normal ansehen: Das erste große Kapitel trägt den Titel: "Warum es die Liebe im 21. Jahrhundert schwer hat" - und diese Untersuchung ist ganz allgemein gehalten und betrifft alle Menschen, sowohl "Normalo" als auch "AB". Eines der Ergebnisse dieser Analyse findet sich auf Seite 24: "Mit einer der schwierigsten Fragen des Lebens, der Partnerwahl, sind wir absolut alleingelassen."
Die Interwievs,die im Mittelteil des Buches präsentiert werden, stehen - rein vom Umfang her - in einem vernünftigen Umfang zum Rest des Buches. Mehrere ABs melden sich zu Wort und schildern ihre Situation; es kommen sowohl männliche als auch weibliche Abs zu Wort.
Zum Schluss des Buches geht Maja Roedenbeck noch näher ein auf die Frage "Wie werde ich ein Ex-AB?" (Kapitelüberschrift). In diesem Kapitel finden sich viele interessante Tipps, unter anderem auch von Ex-ABs für andere, die heute noch im Abtum gleichsam gefangen sind.
Um ein Fazit zu ziehen: Ich beschäftige mich schon seit längerem mit der Thematik und habe die meisten Werke zum Thema der unfreiwilligen Partnerlosigkeit schon durchgearbeitet. Ich kann definitiv sagen, dass das Werk "Und wer küsst mich" von Maja Roedenbeck das beste, weil menschlich verständnisvollste, wärmste und mitfühlendste Buch zu diesem Thema ist; es handelt sich um ein Buch, in dem sich die Autorin immer wieder bemüht, Vorurteile und Klischees über die Abs abzubauen und allen Nichtbetroffenen die - mitunter sehr einsame - Lebensrealität der ABs nahezubringen. Ein wunderbares, großartiges und meisterhaftes Werk.