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Veröffentlicht am 26.02.2017

Spitzenklasse!

Und wer küsst mich?
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Wer noch niemals das Privileg hatte, eine Beziehung führen zu dürfen, gehört der Gruppe der "Absolute Beginners" an; mit ihnen befasst sich Maja Roedenbeck in diesem hervorragend gelungenen Werk.

Obwohl ...

Wer noch niemals das Privileg hatte, eine Beziehung führen zu dürfen, gehört der Gruppe der "Absolute Beginners" an; mit ihnen befasst sich Maja Roedenbeck in diesem hervorragend gelungenen Werk.

Obwohl der Begriff "Absolute Beginners" und ihr Auftreten als Gruppe in der Öffentlichkeit noch verhältnismäßig jung sind, gibt es bereits eine ordentliche Palette an Literatur zu diesem Thema, unter anderem Olaf Wickenhöfers Diplomarbeit "Unfreiwillig Single" und Brian Gilmartins "Shyness and Love: Causes, Consequences, and Treatment" sowie Arne Hoffmanns "Unberührt: Menschen ohne Beziehungserfahrung. Wege zu erfüllter Liebe und Sexualität". Ich denke, dass mit Frau Roedenbecks Buch "Und wer küsst mich" nunmehr die beste Veröffentlichung zu diesem Thema vorliegt.

Das Besondere, gleichsam Wunderbare an der vorliegenden Publikation ist die menschliche Wärme und das Mitgefühl, das immer mal wieder zwischen den Zeilen aufblitzt. Maja Roedenbeck bemüht sich, Verständnis aufzubauen und die genauen Hintergründe der sexuellen Unerfahrenheit gründlich zu analysieren; sie legt dabei vor allem Wert auf die gesellschaftlich-sozialen Hintergründe. Auf Seite 24 begegnet dann folgender, wie ich meine sehr wichtiger Satz: "Dass wir Schwierigkeiten mit der Liebe haben, liegt nicht an persönlichen Schwächen, sondern an den gesellschaftlichen Entwicklungen, an unserer modernen Kultur...". War es vor allem Arne Hoffmann noch sehr wichtig, immer wieder auf die "seelischen Untiefen", "Ängste[n]" und "Depressionen" hinzuweisen, denen die ABs ausgesetzt sind (u. a. auf Seite 218 von "Unberührt" oder auf Seite 216/217: "Misstrauen", "Ängstlichkeit" etc. etc.), so kommt es der Autorin von "Unberührt" vielmehr darauf an, auch partnerschaftlich normal sozialisierten Menschen die Lebens- und Erfahrungswelt dieser bedauernswerten Menschen vertraut zu machen und Vorurteile zu entkräften: "Wenn die Absolute Beginners eines nicht verdient haben, dann ist es der Stempel: Alle sind gleich" (Seite 186). Ganz, ganz, große Klasse. Besser kann man es nicht formulieren.

Neben diesen diplomatischen, mit viel psychologischem Fingerspitzengefühl geschriebenen Worten verwendet Maja Roedenbeck noch viel mehr ihrer bestaunenswerten Eloquenz darauf, die derzeitigen Realitäten in Punkto Sozialisation zu untersuchen, die zur Partnerlosigkeit führen. Sie macht darauf aufmerksam, dass in unserer heutigen sozialen Realität nicht nur alle ABs ein Problem haben - sondern auch all jene, die sich selbst als normal ansehen: Das erste große Kapitel trägt den Titel: "Warum es die Liebe im 21. Jahrhundert schwer hat" - und diese Untersuchung ist ganz allgemein gehalten und betrifft alle Menschen, sowohl "Normalo" als auch "AB". Eines der Ergebnisse dieser Analyse findet sich auf Seite 24: "Mit einer der schwierigsten Fragen des Lebens, der Partnerwahl, sind wir absolut alleingelassen."

Die Interwievs,die im Mittelteil des Buches präsentiert werden, stehen - rein vom Umfang her - in einem vernünftigen Umfang zum Rest des Buches. Mehrere ABs melden sich zu Wort und schildern ihre Situation; es kommen sowohl männliche als auch weibliche Abs zu Wort.

Zum Schluss des Buches geht Maja Roedenbeck noch näher ein auf die Frage "Wie werde ich ein Ex-AB?" (Kapitelüberschrift). In diesem Kapitel finden sich viele interessante Tipps, unter anderem auch von Ex-ABs für andere, die heute noch im Abtum gleichsam gefangen sind.

Um ein Fazit zu ziehen: Ich beschäftige mich schon seit längerem mit der Thematik und habe die meisten Werke zum Thema der unfreiwilligen Partnerlosigkeit schon durchgearbeitet. Ich kann definitiv sagen, dass das Werk "Und wer küsst mich" von Maja Roedenbeck das beste, weil menschlich verständnisvollste, wärmste und mitfühlendste Buch zu diesem Thema ist; es handelt sich um ein Buch, in dem sich die Autorin immer wieder bemüht, Vorurteile und Klischees über die Abs abzubauen und allen Nichtbetroffenen die - mitunter sehr einsame - Lebensrealität der ABs nahezubringen. Ein wunderbares, großartiges und meisterhaftes Werk.

Veröffentlicht am 26.02.2017

Einfach nur schlecht

Todesgeil
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Bryan Smith, der auf dem Titelbild als "Amerikas Slasher-König" bezeichnet wird, glänzte in der Vergangenheit bereits mit unerreichten Meisterwerken amerikanischer Langweil- und Metzelliteratur wie "Seelenfresser" ...

Bryan Smith, der auf dem Titelbild als "Amerikas Slasher-König" bezeichnet wird, glänzte in der Vergangenheit bereits mit unerreichten Meisterwerken amerikanischer Langweil- und Metzelliteratur wie "Seelenfresser" oder "Verkommen". Mit "Todesgeil" liegt nun ein weiterer Meilenstein in einer - leider - immer länger werdenden Liste vor.

War bei Seelenfresser" wenigstens noch das Titelbild in ästhetischer Hinsicht tauglich (man sah das Profilfoto einer hübschen Frau), so ist dies beim vorliegenden Buch nicht mehr der Fall. Auf dem Deckblatt sieht man einen Schatten mit ausgebreiteten Armen zwischen irgendwelchen Gräsern davonhüpfen.

So eigenartig und nichtssagend das Titelbild auch ist - das restliche Buch ist ähnlich. "Todesgeil" beinhaltet vor allem eines: Die ziemlich uninspirierte Suche nach einer übergreifenden Handlung und das Warten des Lesers auf einen gewissen Nervenkitzel. Beide Dinge sind jedoch, sogar bei mehrmaligem Durchlesen des Buches, nirgends aufzufinden. Kurz gesagt werden auf den ca. 340 Seiten des Werkes folgende zwei Dinge in hundertprozentig unspannender Weise erzählt:

Gewalt - meistens ziemlich konservativ und unrealistisch geschildert, etwa auf Seite 252: "[Sie]... presste... ihm den Elektroschocker auf die Brust... und ein paar Tausend Volt [Na klar!!!] wurden durch seinen Körper gejagt. Er zuckte und ihm trat Schaum vor den Mund."

Sex - meistens beschrieben mit stereotypen Worten und unter Verwendung zahlreicher Klischées: "Einfach in diesen seidigen, samtigen Hügel saftigen Mädchenfleisches eindringen und sie so durch------, dass ihr tagelang der Kopf davon schwirrte" (S. 50). Ein seidiger Hügel saftigen Mädchenfleisches... yeah, sicher doch.

Der Rhythmus der Handlung läuft in etwa so ab: Zuerst ein wenig Sex, dann wieder ein bisschen Gewalt, dann wieder Sex, dann wieder Gewalt. Zwischendurch werden Sex und Gewalt sogar originellerweise miteinander kombiniert, etwa auf Seite 110: "Nebenan habe ich Joe splitternackt ans Bett gefesselt." Diese großartige, wegweisende Innovation der Motivkombination kommt aber nur gelegentlich vor.

Leider schafft es Amerikas Slasher-König auch in "Todesgeil" mal wieder überhaupt nicht, Spannung, Nevrenkitzel oder Horror zu erzeugen. Es handelt sich bei dem Buch einfach um eine Aneinanderreihung von Perversionen sexueller oder gewalttätiger Art, die sich in etwa so spannend liest wie ein Einkaufszettel: Man weiß genau, was als nächstes kommt und wie das ganze ausgeht. Schlecht, schlechter, "Todesgeil".

Veröffentlicht am 26.02.2017

Einzigartig

Das Kaiserbankett / Der Barthasser
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Julian, genannt "Apostata" - "Der Abtrünnige", gehört bis heute zu den rätselhaftesten, bemerkenswertesten Gestalten, die jemals den Thron des römischen Kaiserreiches innehatten. Obwohl das Christentum ...

Julian, genannt "Apostata" - "Der Abtrünnige", gehört bis heute zu den rätselhaftesten, bemerkenswertesten Gestalten, die jemals den Thron des römischen Kaiserreiches innehatten. Obwohl das Christentum im Reich bereits weit verbreitet war (Mitte des 4. Jahrhunderts n. Chr.) versuchte Julian, die alten Kulte und Religionen wieder einzuführen.

Nachdem er in seiner Jugend an verschiedenen Orten der antiken Welt studiert hatte (unter anderem in Pergamon), wurde Julian zum Caesar des Westreiches ernannt. In dieser Eigenschaft führte er mehrere Feldzüge gegen eindringende Germanen und andere Invasoren entlang der Rheingrenze (beispielsweise gelang ihm die Rückeroberung der Stadt Köln). Ab 361 schließlich war er der Alleinherrscher über das römische Reich und führte seine Soldaten gegen das mächtige und aggressive Perserreich. Julian fiel Ende Juni 363 in der Schlacht von Maranga.

Kurze Zeit zuvor hatte er noch den "Misopogon" - oder "Barthasser" veröffentlicht. Es handelt sich um eine beinahe satirisch zu nennende Abrechnung Julians mit seinen Kritikern, allen voran mit den Kritikern seines altmodischen Lebensstils.

Der "Misopogon", ein charmantes, witziges und intelligentes kleines Büchlein, ist auch heute noch gut zu lesen. Im Anhang befinden sich eine Zeittafel und ein kleiner biographischer Aufsatz über Julian.

Veröffentlicht am 26.02.2017

Klischéehaft und vorhersehbar

Toxic
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Also, was haben wir: Einen geschiedenen, großen, selbstverständlich sportlichen, natürlich gut aussehenden, in extremer Art und Weise von seinem Job in Anspruch genommenen und daher nie Zeit für seinen ...

Also, was haben wir: Einen geschiedenen, großen, selbstverständlich sportlichen, natürlich gut aussehenden, in extremer Art und Weise von seinem Job in Anspruch genommenen und daher nie Zeit für seinen Sohn habenden, amerikanischen Polizisten.

Was haben wir noch: Ein paar Morde, die mit bestialischer Grausamkeit verübt wurden. An den Tatorten hat der Täter immer wieder seltsame Bibelverse hinterlassen, religiöse Anspielungen und Andeutungen auf irgendwelche seltsamen Sado-Maso-Spielchen, die vor dem Mord getrieben wurden. Ach ja, ganz nebenbei, der Möder ist ein Serienkiller (was sonst? Ohne Serie fängt der heutige Krimileser gar nicht erst an zu lesen).

Um ganz ehrlich zu sein: Das Buch ist bestenfalls mittelmäßig. Die Charaktere sind Stereotypen, die Handlung war so oder ähnlich schon mal anders zu lesen und nach gut hundert Seiten weiß man, wer's war, auch wenn der Autor die restlichen dreihundert Seiten braucht, um endlich mit der Identität des Möders rauszurücken.

Nun denn. Altbekannte Genreklischées neu aufbereitet. Zum Einmallesen tauglich, aber ansonsten kein großer Hit.

Veröffentlicht am 26.02.2017

Ein Klassiker der Nachkriegsliteratur

Bonjour tristesse
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Francoise Sagan veröffentlichte im Jahre 1954 "Bonjour Tristesse", einen kleinen Roman, der alsbald zu einem modernen Klassiker der französischen Literatur werden sollte. Auch heute noch, nach mehr als ...

Francoise Sagan veröffentlichte im Jahre 1954 "Bonjour Tristesse", einen kleinen Roman, der alsbald zu einem modernen Klassiker der französischen Literatur werden sollte. Auch heute noch, nach mehr als fünfzig Jahren, ist dieses Buch mehr als lesenswert.

Raymond ist in den Vierzigern, sein Interesse an (jungen) hübschen Frauen ist ungebrochen. Aufgrund seiner schlichten Art und seines ergreifenden Aussehens gelingt es ihm immer wieder, Frauen für sich begeistern zu können. Seine letzte Eroberung: Elsa, eine rothaarige Sängerin aus Paris.

Eines Tages jedoch tritt Anne in sein Leben: Welterfahren, gewandt, intelligent und gutaussehend verdreht sie Raymond innerhalb von wenigen Tagen den Kopf. Begeistert stimmt er einer Heirat mit ihr zu und wähnt sich schon im siebten Himmel des Glücks. Doch Cécile, Raymonds siebzehnjährige Tochter, sieht ihr bisheriges sorgenfreies und ungezwungenes Dasein bedroht und beginnt, eine hinterhältige Intrige zu schmieden...

Der Roman, der sich im Wesentlichen um verwöhnte Mitglieder der französischen Geldaristokratie dreht, begeisterte mich sowohl durch seine bilderreiche und assoziationenfördernde Sprache als auch durch die Spannung um das Psycho-Duell der Protagonisten. Erzählt aus der Sicht Céciles, Raymonds siebzehnjähriger und sehr frühreifer Tochter, wirken die Schilderungen der Gefühle und Intentionen der Handelnden unterkühlt und verspottend - jede Romantik scheint hier verboten. Mir persönlich erscheint "Bonjour Tristesse" immer als kleiner, ideologisch-stilistischer Vorgriff auf die Werke Michel Houellebecqs, etwa "Ausweitung der Kampfzone" oder "Plattform".

Meiner Meinung nach ein Buch, das jeder an guter Nachkriegsliteratur interessierte Mensch auf jeden Fall kennen sollte.