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Veröffentlicht am 15.09.2016

Ich habe mich leider ein bisschen verliebt...

Ostfriesenschwur
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„Die Formalitäten waren friesisch kurz, mit fünf Worten erledigt:
‚Wann?‘
‚Jetzt.‘
‚Ihr zwei?‘
‚Jo.‘ “ S. 20
So beschreibt Autor Klaus-Peter Wolf eine Ostfriesland-typische Anreise zum Tatort. Der frühere ...

„Die Formalitäten waren friesisch kurz, mit fünf Worten erledigt:
‚Wann?‘
‚Jetzt.‘
‚Ihr zwei?‘
‚Jo.‘ “ S. 20
So beschreibt Autor Klaus-Peter Wolf eine Ostfriesland-typische Anreise zum Tatort. Der frühere Chef der Abteilung, Ubbo Heide, hat per Post einen abgetrennten Kopf auf den Frühstückstisch gesendet bekommen.
Ubbo. Solche Namen gibt es nur dort http://www.vorname.com/friesische,vornamen,1.html


Für mich ist dieser bereits zehnte Band der Reihe komplettes Neuland.
Im Wechsel wird aus der Sicht der Ermittler und eines namenlosen Täters berichtet, der stets seinen Flow sucht, während er aktiv ist. Oder beobachten wir hier noch etwas weiteres?


Ich konnte mich schnell in das Ostfriesland-Universum einfinden – der Autor erklärt nicht zu viel und nicht zu wenig. Ann Kathrin Klassen ist die „heimliche Chefin“ der Abteilung, sie sieht mehr als andere, analysiert messerscharf und es wird schnell klar, dass das anscheinend immer so war – sie ist so zwischen Sherlock Holmes und Patrick Jane in „The Mentalist“. Ihr früherer Chef sitzt noch nicht lange im Rollstuhl – nur wenig mehr wird zwischendurch erzählt und eigentlich braucht es das auch nicht. Ich gehe also davon aus, dass der Autor auch die Leser, die mehr aus der Reihe lesen, nicht mit Wiederholungen zu langweilen gedenkt: Wenn wir selbst neue Menschen kennenlernen, bekommen wir ja auch nicht gleich eine komplette Vita präsentiert.


Mein Herz gewonnen hatten Autor und Kommissarin Ann Kathrin Klassen, als er sie ihren neuen Chef Büscher korrigieren ließ, der sich in dem Beziehungsgeflecht vor Ort fremd fühlt und seine neue Mitarbeiterin zum Essen einlädt: Er bestellt sich dasselbe. Ann Kathrin bittet die Kellnerin: „Bring ihm lieber das Gleiche, nicht dasselbe.“ S. 95 Ich liebe es, wenn jemand, der Sprache nutzt, das auch wirklich entsprechend tun möchte – und die Art ist charmant genug.
Die Ermittler haben angenehm normale Macken, aber keine größeren „Beschädigungen“:
Ubbo Heide und Ann Kathrin Klassen haben Gewissensbisse, weil sie oft die Familie hintanstellen zugunsten der Gerechtigkeit für die Opfer, Klassens Lebensgefährte Weller eifersüchtelt ein wenig, Kollege Rupert hat so seine Probleme mit Frauen oder eher dem Feminismus oder doch nur mit sich,… Keine gebrochenen Ermittler, keine Super-Action, kein Eitel-Sonnenschein, keine Freaks – einfach so richtig normale Leute. Dabei gibt es einige „Running Gags“, wie den Tee mit Pfefferminze oder den Verhörgang der Kommissarin. Dazu kann Wolf Szenen auch wirklich witzig schreiben, ein etwas trockener Humor, er trifft es einfach gut:
„Sie dachte an Weller, als sie ihm von ihrer neuen Diät erzählt hatte und ihn zum Mitmachen motivieren wollte, hatte er sie grinsend gefragt: Woher wissen denn die Kohlenhydrate, wie spät es ist?“ S. 339


Um es ganz klar zu sagen: das Buch ist kein Thriller, es ist ein ganz grundsolider Krimi. Man ermittelt und grübelt im Hinterkopf immer mit. Es gibt hier nicht DEN einen neuen bahnbrechenden Krimischachzug, das Buch ist einfach nur so richtig schön geschrieben und die Charaktere sind klasse. Einfach nur!
Ich gebe zu, ich habe mich da neu verliebt. Das war nicht so geplant. Wie erkläre ich das jetzt daheim, gegenüber meinem etwas vollen Regal?

Veröffentlicht am 15.09.2016

Mir fehlt ein wenig die Stringenz...

Der Nordseespuk
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Hinweis(e):
1. Am ENDE des Buches gibt es ein Personenverzeichnis – dort zuerst hinzusehen ist durchaus sinnvoll. So um Seite 30 hatte ich selbst damit begonnen, eines anzulegen – und dafür nochmals am ...

Hinweis(e):
1. Am ENDE des Buches gibt es ein Personenverzeichnis – dort zuerst hinzusehen ist durchaus sinnvoll. So um Seite 30 hatte ich selbst damit begonnen, eines anzulegen – und dafür nochmals am Anfang angefangen – teils scheinen nur die Funktionen der Personen relevant zu sein (z.B. der Polizist, der Bürgermeister) – es wird aber teils der Name, teils die Funktion beim späteren Erscheinen genannt. Andere (Anna ab S. 21, Lena ab S. 43, der zunächst namenlose Fischer Sörensen) werden über ihre Funktion eingeführt, sind aber persönlich relevant.
2. Darüber hinaus zeigt das Deckblatt des Buches eine (Land-)Karte, die die Lage Husums in der Region zeigt – inklusive der für die Handlung wichtigen Pohnshallig und Nordstrand, mit damaligen Grenzen und Verwaltungsbezirken. Darüber hinaus hatte ich irgendwann auch Straßennamen notiert und empfehle dem Leser die Lokalisierung auf einer geeigneten Seite im Internet (Routenoptionen mit mehreren Haltepunkten) – z.B. für: Süderstraße, Großstraße, Hafen, Schloß, Hohle Gasse, Neustadt, Zingel,…

Hm. Üblicherweise schreibe ich bei der Lektüre ein paar Zitate heraus, mache mir Notizen für die spätere Rezension. Hier hatte ich mehr Notizen als sonst, weil es mir einfach schwerfiel, ansatzweise wichtige Information von unwichtiger zu trennen. Wenn ich bei etwa der Hälfte der Lektüre in anderen Rezensionen nachsehe, bedeutet dass, das ich vom Buch verwirrt bin. Bin ich.
Beim Klappentext dachte ich zunächst, der Name „Theodor Storm“, Anwalt, sei eine zufällige Koinzidenz mit dem Dichter und Autor des „Schimmelreiter“. Nein, eben dieser ist gemeint.
https://de.wikipedia.org/wiki/Theodor_Storm - eine Vorab-Lektüre schadet nicht.
Er WAR Anwalt und aus Husum. Die im Buch handelnde Cousine Constanze ist ebenso real wie seine vorkommenden Eltern. Die im Buch beschriebene Periode entspricht der Zeit vor seiner ersten Ehe mit erster Anwaltstätigkeit, seinem „Brotberuf“. Ja, natürlich kennen wir die genauen Dialoge nicht.
Die Historizität gilt auch für weitere Teile der Handlung, was im Nachwort ab S. 252 noch erwähnt wird: die Mystikerin Antoinette de Bourignon ist historisch belegt, ebenso ihre Anhänger in Husum, speziell die Brüder Marten und Wolbert Andresen. Für den Neffen hat der Autor den Namen geändert vom mit dem Onkel, wohl der Pate, gleichlautenden „Marten“ zu Sönke, um Verwechslungen auszuschließen – sehr nachvollziehbar - sowie den nicht genannten Namen für den dritten Bruder, Hauke, ergänzt. Soweit alles gut.

Befremdlicherweise war diese historische Korrektheit für mich eher überraschend, da ich schon an der – frei erfundenen – Detektiv-Spielerei Storms hängen geblieben war: Einige Mit-Rezensenten beurteilten den Untertitel als „Theodor-Storm-Krimi“ als Mogelpackung. Nun, ja, die Handlung wird aus der Sicht von Söt als Ich-Erzähler beschrieben. Ja, Söt ermittelt. Storm aber auch. Für mich besteht die „Mogelpackung“ weniger daraus, Storm statt Söts zu nennen (da eben beide ermitteln) – sondern vielmehr daraus, Storm überhaupt zum Hobby-Detektiv zu machen, wenn man doch sonst Wert auf die genannte Historizität legt: Söt allein ermitteln zu lassen und diesem als Schreiber vom historischen Dichter-Anwalt Storm ein Gehalt zu geben – Storm aber ansonsten nicht zu einer Hauptfigur zu machen, meinetwegen soll er gerne gelegentlich Kontakte herstellen oder Anekdoten zur Klärung von sich geben – hätte für mich weniger mentalen Spagat bedeutet. Dass Storm involviert ist, wirkt auf mich zu gewollt. Im historischen Frankfurt-Krimi „Die Farbe von Kristall“ von Nikola Hahn fand ich solche Themen bedeutend besser gelöst, dort gibt es zum Beispiel einen „Auftritt“ der historischen Person Dr. Alzheimer zu seinem Fachgebiet – das passt so. Auch merkt man dem letzteren Roman eher das zeitliche und lokale Kolorit an – mit breiter hessischer Mundart bei den einfacheren Leuten und Beschreibungen vom Aufwand des damaligen Waschtags, der Einschränkungen für Frauen usw. Storm und Söt würden wohl auch heute bei den auf einer Husum-Karte sichtbar kurzen Wegen kein Auto nutzen; provokativ könnte man sagen, zur Jetzt-Zeit fehlt ihnen fast nur das Smartphone (nein, die oft beschriebene Beleuchtung allein machte es für mich nicht). Einem Agatha-Christie-Roman aus den Zwanzigern merkt man die zeitliche Zuordnung deutlicher an. Gerade die sich quasi aufdrängenden Fakten, dass Söt nicht aus der Gegend ist oder dass zu damaliger Zeit wohl auch jemand katholischen Glaubens in der Region einen schweren Stand gehabt hätte, geschweige denn eine Sekte, werden nicht genutzt für eine weitere Ausarbeitung. Auch hätte ich gerne noch mehr Informationen zu damaligen politischen Situation mit Dänemark im Text gehabt, was speziell ein Politikum für den historischen Storm war, aber man kann das ja an anderer Stelle nachlesen.

Ein weiterer Kritikpunkt war für mich die Informationsdichte. Bei der Übersicht meiner vielen vielen Notizen stelle ich fest, dass sie vom Ende des Buches aus gesehen fast alle wichtig sind das Verständnis: die verbrühte Hand Söts durch Katharina, seine unglückliche Liebe zu Botilla, jeder einzelne Rückblick zu Antoinette, Lenas Geschichten, ihre Mutter im Nebenzimmer, der Fischer, der die Leiche meldet,…und das stammt nur aus dem Abschnitt bis Seite 50. Jedoch nützt keine der Informationen dem Leser auch nur im Ansatz, um mitermitteln zu können, der Theorie nach ein üblicher Grundzug des Genres.

Einige Teile der Handlung waren mir dann auch zu viel des Guten, so der „Biowaffen-Anschlag“, die geheime Botschaft – ein wenig à la „Da-Vinci-Code“ – und immer noch ein weiteres Geheimnis.

Positiv fand ich Cousine Charlotte, auch die Sprache war flüssig zu lesen (sobald ich nicht mehr an der Vielzahl von Informationen und Namen hakte). Insgesamt nichts, was man lesen muss oder was ich ein zweites Mal lesen würde. Allerdings scheint der Vorgänger deutlich besser bewertet zu sein. Wer ein spannendes Buch für einen Nordseeurlaub haben oder verschenken möchte, dem würde ich vielmehr zur Ostfriesen-Reihe von Klaus-Peter Wolf raten.

Veröffentlicht am 15.09.2016

In der Kürze weniger Würze...

Ostfriesenfete
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Wer die „Ostfriesen“-Reihe kennt, kennt Rupert. Wer nicht, kann dieses Buch trotzdem lesen, allerdings entzieht sich dann dem Leser ein Teil des Hintergrundes, man sollte nämlich wissen, dass Rupert ganz ...

Wer die „Ostfriesen“-Reihe kennt, kennt Rupert. Wer nicht, kann dieses Buch trotzdem lesen, allerdings entzieht sich dann dem Leser ein Teil des Hintergrundes, man sollte nämlich wissen, dass Rupert ganz definitiv „der Größte“ ist, und dass seine Schlussfolgerungen immer eine ganz besondere Note haben…

So wundert es Rupert nicht, dass er in diesem Kurzkrimi (knapp 100 Seiten) von einer früheren Mitschülerin, für die er durchaus geschwärmt hatte („die schärfste Schnitte der Schule“), zu einer von ihr so genannten „Loserparty“ eingeladen wird: hier soll der größte Loser unter den Gästen gewinnen, in verschiedenen Kategorien.

Typisch Rupert, fragt er sich natürlich „Was würde Bruce Willis tun?“ S. 5 und folgert, als ihm klar wird, nur als „Ersatzspieler“ eingeladen zu sein, natürlich messerscharf: „Hat man bei einer Verliererparty nicht schon von vornherein gewonnen, wenn man sogar bei der Einladung vergessen wird?“ S. 10.
Dummerweise liegt da nach der Nacht in Nadjas Wohnung auf Langeoog eine Leiche im Bett. Die Mördersuche wird dann in der klassischen Manier eines Kammerspiels durchgeführt: der Täter kann nur jemand sein, der auch die Nacht in der Wohnung verbracht hat.
Leider hat diese Geschichte – naturgemäß - eine recht überschaubare Seiten- und Personenzahl mit etwas vorhersehbarem Ende, der Stil der „Lang-Romane“ bleibt aber erhalten. Mehr davon jederzeit wieder gerne!

Gäste:
•Nadja, Ex-Mitschülerin von Rupert, geschieden von einem Architekten, leitete ein kirchliches Seniorenheim, schreibt Erotikromane unter Pseudonym
•Fee, ehemalige Klassensprecherin, in Trennung von Sinklär. Hatte auch einmal was mit Ingo
•Ingo Kuklinski, Fernsehkommissar
•Johannes Sinklär, Sanierer, hatte ein Filmprojekt von Ingo finanziert. Wer da wen in das Projekt gebracht hat, ist nicht ganz klar
•Gina Saathoff, Altenpflegerin, war bei Nadja beschäftigt gewesen

Veröffentlicht am 09.11.2017

Erhellende Einblicke

Nur wenn du allein kommst
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„Nur wenn du allein kommst“, diese Forderung hört die Journalistin Souad Mekhennet regelmäßig, bevor sie sich mit ihren Interviewpartnern treffen kennen. Diese sind häufig Islamisten und sie vertrauen ...

„Nur wenn du allein kommst“, diese Forderung hört die Journalistin Souad Mekhennet regelmäßig, bevor sie sich mit ihren Interviewpartnern treffen kennen. Diese sind häufig Islamisten und sie vertrauen ihr aufgrund ihrer Abstammung: Sie wurde geboren in Frankfurt am Main, als Tochter einer schiitischen Mutter mit syrischer Abstammung, aber aus der Türkei, und eines sunnitischen Vaters aus Marokko. Die kleine Souad wuchs als Muslima auf in einer toleranten Familie, bei der sich die Eltern abarbeiteten, um den Kindern ein besseres Leben zu ermöglichen. „Die Einwanderer ihrer Generation, die Putzfrauen und Köche, muckten nicht auf, wären nie auf die Idee gekommen, die Autorität der 'richtigen Deutschen‘ infrage zu stellen.“ S. 53 Einige frühe Kindheitsjahre bei der Großmutter in Marokko, dann das weitere Aufwachsen in Deutschland, Jugoslawienkrieg und Hoyerswerda, fremdenfeindliche Angriffe prägen die Heranwachsende, die sich entschließt, nach dem Vorbild aus dem Film „Die Unbestechlichen“ zum Watergate-Skandal selbst Reporterin zu werden. „Statt meine Ängste die Oberhand gewinnen zu lassen, begann ich sie als Herausforderung zu begreifen, und daran hat sich bis heute nichts geändert.“ S. 44 Durch einen immer weiteren Ausbau ihrer Kontakte und dadurch, dass sie stets bemüht ist, jede Seite zu Wort kommen zu lassen, dabei aber in alle Richtungen kritisch bleibt, schafft sie sich bald ein Renommee.

Das Sachbuch ist spannend geschrieben, ich hatte schon langweiligere Krimis und sprachlich schwieriger zugängliche „Unterhaltungsliteratur“, ich bin von dem Schreibstil sehr positiv überrascht. Acht Jahre älter als die Autorin, konnte ich mich an den genannten politischen Ereignissen sehr gut entlanghangeln – wer wenig Nachrichten liest oder sieht, wird vielleicht einiges nachschlagen müssen. Ich bin sehr beeindruckt über die Tiefe der Informationen zu den verschiedenen Ländern und Regionen, Irak, Libanon, Algerien,… - anhand derer sich das Buch in verschiedene Kapitel zu den jeweiligen Jahren gliedert. Ich gestehe eine gewisse Skepsis vor Aufnahme der Lektüre: Warum tut sich das jemand an, sich derart doch immer wieder in Gefahr zu begeben? Die Autorin macht ihre Motivation glaubwürdig, berichtet auch über Ängste und Nachteile ihres Lebens – nachvollziehbar, auch wenn sie und ich definitiv unterschiedliche Anteile des „Risiko-Gens“ mitbekommen haben.

Was ich befürchtet hatte: Unsachlichkeit, zu starke Vereinnahmung durch die diversen Islamisten. Was ich stattdessen erhielt: die auch für mich beschämende Erkenntnis, das genau das die Vorbehalte waren, denen die Autorin sich ausgesetzt sah, von der Grundschule bis zum Einstieg in den Beruf, selbst später noch gegenüber diversen Diensten. Übrigens auch das häufig Ursache der Islamisierungen, die Ausgrenzung des Einwanderungslandes. Sie will verstehen, sucht die Diskussion. Stark, wie der kleine Sohn eines der Männer aus dem Gefolge ihres Interviewpartners stolz berichtet, wie er heute das Töten der Ungläubigen gespielt habe und sein Vater ihn zufrieden küsst – als sich die Journalistin später im Hotel daran erinnert, kommen ihr die Tränen. Ähnlich enden hier oft die Kapitel für mich mit einem Denkanstoß, ich mag nicht direkt weiterlesen. Wenn Kinder so aufwachsen, was kann aus ihnen nur werden? Und wie gehen wir selbst mit unseren Werten um, wenn man an den Fall el-Masri denkt, der wegen Terrorverdachts verschleppt und gefoltert wurde (von Mekhennet aufgedeckt)?

Erhellend eine Diskussion mit einem schiitischen Fahrer in Bahrein, dessen mehrheitlich schiitische Bevölkerung von der sunnitischen Herrscherfamilie regiert wird. Er bemängelt, dass man für bestimmte Arbeiten Ausländer ins Land hole, statt „Bahreinis first“ zu praktizieren, gibt aber auf Nachfrage zu, eine Putzfrau aus Bangladesh zu beschäftigen, da diese Arbeiten unter der Würde seiner Frau und Kinder seien. Als die Reporterin die Tätigkeiten von ihren Eltern und ihr selbst zur Finanzierung des Studiums beschreibt, obwohl beide Eltern ihre Abstammung zum Propheten zurückverfolgen können, kratzt das reichlich am Weltbild des Fahrers. Das Weltbild der islamischen Welt wird so in Streifzügen für die jeweilige Region nachvollziehbarer.

Über alle Kapitel hinweg ziehen sich Mekhennets Grundfragen nach dem „Warum“, warum kommt es zu dieser Radikalisierung. Aber auch der oft naive Umgang des Westens findet ausreichend Thematisierung. Ein starkes Buch und eine eindeutige Leseempfehlung!