Thomas Flett, Anfang 20, lebt in den Sechzigerjahren mit seiner nur 16 Jahre älteren Mutter vaterlos im Örtchen Longferry in überaus ärmlichen Verhältnissen. Von seinem Großvater hat er das Handwerk der ...
Thomas Flett, Anfang 20, lebt in den Sechzigerjahren mit seiner nur 16 Jahre älteren Mutter vaterlos im Örtchen Longferry in überaus ärmlichen Verhältnissen. Von seinem Großvater hat er das Handwerk der Krabbenfischerei erlernt, und so ist er tagein tagaus unterwegs, um auf traditionelle Weise ohne moderne Hilfsmittel zu fischen und kaum eine Zukunft zu haben scheint. Doch er hat Träume: er bringt sich heimlich das Gitarrespielen bei und himmelt Joan, die Schwester seines Freundes, an, Und dann tritt völlig überraschend der Regisseur Edgar Acheson in sein Leben, um ihn als Experten für seinen neuen Film zu gewinnen - und offenbart ihm einen kurzen Blick in ein anderes Leben .....
Der britische Autor Benjamin Wood hat mit "Der Krabbenfischer" ein Werk erschaffen, das sogleich auf der Longlist des "The Booker Prize 2025" gelandet ist - und eigentlich danach schreit, wie eine Kurzgeschichte interpretiert und besprochen zu werden.
Unglaublich ruhig fließt die Geschichte dahin und jeder Satz ist so viel mehr als der vordergründige Inhalt. Poetisch, doch voller Brutalität und Melancholie werden das Leben und die Gefühle von Thomas Flett dargeboten und die kleinen Hoffnungen erbarmungslos zerschlagen.
Die Figuren, mehrdimensional und schonungslos beschrieben, sind eine Sozialstudie, die es in sich hat.
Bemerkenswert ist der ergänzende Link zur Musik des Thomas Flett, den man unbedingt hören sollte.
Ein Buch, das gnadenlos dem Realismus zuzuordnen ist, und trotzdem einen Anflug von Mystik enthält. Trotz seiner nur 224 Seiten nicht einfach "wegzulesen" und noch lange nachhalllend für den anspruchsvollen Leser zu empfehlen - definitiv keine Wohlfühlatmosphäre.
Als der berühmte Zauberkünstler Benton im Prater seinen neuen Trick, die zersägte Jungfrau vorführen will, soll die Journalistin Julia Wolf darüber berichten. Doch der Trick geht schief und die "Jungfrau" ...
Als der berühmte Zauberkünstler Benton im Prater seinen neuen Trick, die zersägte Jungfrau vorführen will, soll die Journalistin Julia Wolf darüber berichten. Doch der Trick geht schief und die "Jungfrau" wird blutig zersägt - und so beginnt Inspektor Leopold von Herzfeldt mit Ermittlungen. Kurz darauf wird auch der Assistent des Zauberers ermordet aufgefunden und weitere verschwundene und ermordete Mädchen rund um den Prater scheinen auf einen Serienmörder hinzuweisen. Daraufhin bittet Leo seinen Freund Augustin Rothmayer, den Totengräber des Wiener Zentralfriedhofs, um HIlfe, denn dieser hat gute Verbindungen zu den Schaustellern. Und auch Julia will sich nicht zurückhalten und lässt sich von Augustin undercover in die Prater-Geschäfte einschleusen. Nur zu dritt kommen sie den Mördern auf die Spur und begeben sich dabei in große Gefahr....
Der Münchner Autor Oliver Pötzsch legt mit "Der Totengräber und die Pratermorde" bereits den vierten, heiß ersehnten Fall um den kauzigen Totengräber Augustin Rothmayer und seine Freunde, den Polizei Inspektor Leopold von Herzfeldt und die Journalistin Julia Wolf, vor.
Wie in den vorherigen Büchern zeichnet Pötzsch ein stimmiges, authentisches Bild des Wiens des ausgehenden 19. Jahrhunderts und nimmt seine LeserInnen diesmal mit in den berühmten Wurstelprater, den Wiener Vergnügungspark, hinter dessen Kulissen eine eigene Welt der Schausteller besteht. Auch politische Themen wie u.a. der herrschende Antisemitismus und die Rolle der Frauen werden thematisiert - und eine neue Sportart nimmt ihren Raum ein: der Fußball.
In lebendiger Schreibweise schafft der Autor einen guten Spannungsbogen, und nach großem Showdown wird der Fall befriedigend aufgeklärt.Die privaten Probleme unserer Hauptfiguren enden jedoch in einem Cliffhanger und lassen den fünften Band schnell herbeisehnen:
Julia und Leo sind kein Liebespaar mehr, können jedoch nicht ohne einander sein und stürzen sich und die LeserInnen in ein Wechselbad der Gefühle. August Rothmayer schreibt - mit Unterstützung von Leo - an einem neuen Buch, hat jedoch große Probleme mit seiner Ziehtochter Anna, die einen heimlichen Freund hat und sich dem Totengräber mehr und mehr widersetzt. Und darüber hinaus ist Rothmayer auch noch einer anderen kriminellen Sache auf der Spur, bei der er sich die Mithilfe von Leo wünscht, der hierfür aber keinen Kopf hat....
Das sind durchaus sehr viele Themen für einen Krimi, doch glücklicherweise verzettelt sich Oliver Pötzsch nicht.
Nach bereits drei vorausgehenden Bänden muss man über die drei Hauptfiguren Julia, Leo und Augustin sicher nicht mehr viel schreiben; sie sind mehrdimensional angeleg, agieren authentisch und sind auf ihre Art liebenswert und uns bereits ans Herz gewachsen. Und natürlich erschafft Pötzsch auch wieder neue spannende und unkonventionelle Figuren wie den Bauchredner mit seiner mysteriösen Puppe, die verfeindeten Zauberer und all die verschiedenen Figuren des Praters.
DIe gesamte Totengräber-Serie ist für mich ein absolutes Highlight, in das sich auch dieser vierte Band nahtlos einfügt.
Mina, 28 Jahre jung, treibt nach dem Unfalltod ihres Brudes und unter ihrer empathielosen Mutter leidend, vor sich hin und kehrt schließlich nach Maine zurück, wo sie auf der Insel Eagle Island glückliche ...
Mina, 28 Jahre jung, treibt nach dem Unfalltod ihres Brudes und unter ihrer empathielosen Mutter leidend, vor sich hin und kehrt schließlich nach Maine zurück, wo sie auf der Insel Eagle Island glückliche Sommerferien mit ihrer Familie verbrachte. Dort wird sie von Ann, 72 Jahre, einer harten und sarkastischen Hummerfischerin, die von ihrer großen Liebe Carolyn verlassen wurde, aufgenommen, arbeitet mit deren Freundin Julie, 54 Jahre, die nach einem unfallbedingten Koma wieder ins Leben zurückfindet und die Liebe sucht,zusammen auf einem Hummerfangboot, . Und MIna trifft Sam wieder, der bereits in ihrer Kindheit ihr ständiger Begleiter war und der ebenfalls mit dem Tod seines Bruders zu kämpfen hat ....
Beatrix Gerstberger ist Autorin und Journalistin mit dem Schwerpunkt Reportagen, Portraits, Reisen. Sie lebte nach dem Tod ihres Partners einige Zeit in Maine, fuhr mit Hummerfischern hinaus und sprach mit ihnen über das Leben, über Verluste, Trauer und das Weitermachen. Daraus entstand dieser zuriefst berührende Roman voller Wärme, Humor und Menschenkenntnis, der auch nach dem Lesen noch lange nachhallt - und in dem man spürt, dass Gerstberger weiß, von was sie schreibt.
Das besondere Setting, die wilde Landschaft von Maine mit seiner Küstenlinie, den felsigen Inseln und das daraus resultierende harte Leben seiner Bewohner, insbesondere der Fischer, schafft einen tollen Rahmen und weckt Lust, Neuengland zu besuchen.
Den Roman hat die Autorin quasi unter die Schirmherrschaft des Hummers gestellt - und über diese Krebse ist auch im Buch eine Menge zu lernen. Einst als "Kakerlake des Meeres" verhöhnt, bilden Hummer nun eine Delikatesse und die Lebensgrundlage der Hummerfischer, die ein entbehrungsreiches Leben am und mit dem Meer führen. Ann hält sogar einen blauen, besonders tief gefärbten Hummer namens "Mr. Darcy" als Haustier - einer, "der erst einmal einen Panzer trägt, und wenn er sich häutet, kommt doch kein so großer Idiot zum Vorschein".
Und so zeigt der weiße Schutzumschlag lediglich die Großaufnahme eines roten Hummers (wie nach dem Kochvorgang) und der Einband einen blauen Hummer (eine seltene Farbe durch einen Gendefekt ).
Beatrix Gerstberger schreibt flüssig mit einem genauen Blick auf das Geschehen. Eingerahmt in Prolog und Epilog, die beide 2018 zu Anns Beerdigung angesiedelt sind, erzählt die Autorin abwechselnd von Ann, Julie und Mina in den Jahren 1982 und 2000 und in vielen Puzzlestückchen setzt sich immer mehr ein bedeutendes Bild zusammen, das von Liebe und Verrat, Verlust und Trauer und vor allem dem Weitermachen erzählt. Gerstberger zeigt dabei auf, wie unterschiedlich verschiedene Menschen das Schicksal verarbeiten und maßt sich keine Beurteilung der Wege an. In diesem Zusammenhang bleibt auch der Tod von Sams Bruder im Dunklen und die verschiedenen Wege, mit den Tatsachen umzugehen, führen zum Spannungsfeld zwischen den Figuren.
Obwohl sich kein wirklicher Spannungsbogen erkennen lässt, konnte mich die Handlung von Anfang an in ihren Bann ziehen und ich entkam dem Sog der Geschichte nicht mehr. Alle Fäden wurden am Ende schließlich zu einem bedeutenden Ganzen zusammengefügt.
Vor allem bestechen "Die Hummerfrauen" durch die großartig angelegten Figuren; im Zentrum natürlich die starken Frauen Mina, Julie und Ann aus drei Generationen, die zu einer festen Gemeinschaft zusammenfinden und sich in der Männerwelt behaupten und sich weiterentwickeln. Ihre mehrdimensionale, absolut authentische Darstellung legt eine Verletzlichkeit frei, aus der ihre Stärke erwächst und die auf besondere Weise anrührt. Ihre Auseinandersetzung mit ihren Schicksalen und die Verarbeitung derer geben Hoffnung.
Mich haben "Die Hummerfrauen" sehr berührt und die Geschichte hallt noch lange nach - auch, wenn ich nicht mit allen Handlungen einverstanden war. Ein außergewöhnliches Buch, das ich unbedingt weiterempfehle - auch und gerade dann, wenn man sich nicht für Hummer und Fischfang interessiert - und ein kluges Buch über das Leben.
Sylvie führt in Paris eine Kochschule, in der sie die Lust auf regionale, einfache Küche schürt. Während die Kochschule gut läuft, stellt Sylvie ihren Lover vor die Wahl, sich endlich zu ihr zu bekennen ...
Sylvie führt in Paris eine Kochschule, in der sie die Lust auf regionale, einfache Küche schürt. Während die Kochschule gut läuft, stellt Sylvie ihren Lover vor die Wahl, sich endlich zu ihr zu bekennen oder weiterhin vor seiner (Ex-) Frau zu kuschen; und plötzlich will ein Unbekannter ihre Kochschule in Verruf bringen. Unter ihren aktuellen Schülern sind auch die beiden Australierinnen Gabi und Kate, die beide vor einer Lebenskrise davongelaufen sind - und auf die in Paris offenbar eine zweite Chance wartet....
"Zweite Chancen à la Carte" ist der erste in Deutschland veröffentlichte Roman der erfolgreichen französischen Autorin Sophie Beaumont.
Der Roman besticht durch das Setting: VIele Beschreibungen der französischen Hauptstadt schaffen einen angenehmen Hintergund zur Handlung und wecken die Reiselust. Im Zentrum der Handlung steht Sylvies Kochschule und die ausführlichen Beschreibungen der frischen Produkte und der regionalen, trditionelle Kochkunst, die Spaß macht.
Beaumont schreibt flüssig und mit leichter Hand und das Buch war schnell gelesen. Insbesondere durch den kriminalistischen Teil - den anonymen Angriff auf die Kochschule - kommt Spannung auf.
Im Mittelpunkt der Handlung stehen die drei Frauen Sophie, Gabi und Kate. Alle stehen an einem Scheidepunkt in ihrem Leben: Sophies wirtschaftliche Existenz ist gefährdet; Kate wurde von ihrem Ehemann betrogen und verlassen und Gabi befindet sich als Kümstlerin in einer Schaffenskrise. Hierbei bleibt die Autorin jedoch immer nur an der Oberfläche und verwendet einige KLischees, bevor es zu einem doch etwas kitschigen Ende kommt, in dem alle Probleme gelöst und die Frauen vor einer vielversprechenden Zukunft stehen.
Zu viel nachdenken darf man als Leser*In hier nicht, aber der Roman soll ja auch einfach nur unterhalten.
Das größte Manko für mich war aber, dass die ausführlichen Beschreibungen der frischen, exquisieten Produkte das Wasser im Munde zusammenlaufen lässt - und sich dann leider keine zugehörigen Rezepte im Buch finden lassen. Diese wären absolut notwendig gewesen!
Alles in allem ein unterhaltsamer, netter Sommerroman, insbesondere für die LIebhaberinnen von gutem Essen und frischer KÜche und PAris-Begeisterte.
Giuliano muss bereits früh schwere Traumata erleiden: Seine Mutter verschwindet spurlos, in der Schule wird er gemobbt und in der ungeliebten Ausbildung, zu der er von dem empathielosen Vater und der selbstsüchtigen ...
Giuliano muss bereits früh schwere Traumata erleiden: Seine Mutter verschwindet spurlos, in der Schule wird er gemobbt und in der ungeliebten Ausbildung, zu der er von dem empathielosen Vater und der selbstsüchtigen Stiefmutter gezwungen wird, erlebt er Missbrauch durch seinen Ausbilder. Als er Zuflucht als Bruder Laurentius im Kloster Assisi findet, machen ihm Intrigen eines Mitbruders zu schaffen, doch schließlich erlebt er ein Wunder: DIe Auferstehung des Heiligen Franziskus, der offenbar wirken soll, um die Welt zu retten. Laurentius Wunsch, dieses Wunder in die Welt zu tragen, bringt ihm allerdings die Zwangseinweisung in die Psychiatrie, doch er lässt nicht davon ab, seiner Berufung zu folgen....
Die süddeutsche Schriftstellerin Irene Matt legt mit "Laurentius' Wunder" bereits ihren sechsten Roman vor, der tief unter die Haut geht und dem man anmerkt, dass Matt weiß, worüber sie schreibt.
Auf keinen Fall sollte man sich von dem Titelbild des Mönches, der Nennung des Klosterlebens und des Kernthemas eines Wunders von der Lektüre abhalten lassen - dieses Buch ist auch bzw. gerade für Nicht-Gläubige geeignet und es ist alles andere als ein kitschiger Roman über großartige, die Welt verändernde Wunder oder gar die Selig- und Heiligsprechungen der Kirche in dieses Fällen.
Die Autorin nimmt ihre LeserInnen mit nach Italien; in die Stadt Assisi, das Franziskanerkloster, nach Rom, in den Vatikan und hinaus in die Welt, ja. sogar in die Psychiatrie - und bereits das Setting hat eine gewisse Rolle inne.
Der flüssige Schreibstil, die tiefen Emotionen und der angenehme Spannungsbogen zogen mich in ihren Bann, zusammen mit der Frage, ob die Erscheinung des Heiligen Franziskus' in der Basilika nun einfach nur "Laurentius' persönliches Wunder" ist oder tatsächlich ein objektives Wunder sein könnte. Im eigentlich offenen Ende löst die Autorin jedoch das zentrale Rätsel auf und lässt keine Fragen zurück.
Für mich überraschend war die Tatsache, dass Laurentius ein Wunder verspürte, das aber gerade von seinen Mitbrüdern abgetan wurde und diese ihn schließlich zwangseinweisen ließen, denn Wunder finden sich doch gerade im Zusammenhang mit christlichem Leben. DIeses Spannungsfeld vergrößerte sich sogar noch in den Schilderungen, wie eine Abteilung von Kirchendienern in Rom damit beschöftigt ist, angebliche Wunder zu überprüfen und dabei stets zu der Erkenntnis kommt, dass Wichtigtuerei oder ähnliches die Menschen dazu animiert, solche zu erfinden und damit auch Laurentius klar in diese Ecke positioniert.
Bemerkenswert ist dabei, wie viele gesellschaftliche Themen Irene Matt in die Handlung einbringt, die berühren und nachdenklich stimmen, ohne den Roman zu überladen; von der Zerstörung der Umwelt bis hin zur Corona-Pandemie finden sich zahlreiche Angelegenheiten. Die Handlung ist absolut glaubhaft und wirkt umso eindringlicher. Dabei gefielen mir besonders die Eindrücke aus der Psychiatrie mit einem Wechselbad an Gefühlen. Die Schilderung von psychisch auffälligen Patienten, mitfühlenden Psychologinnen und medikamentenhörigen unempathischen Ärzten sind wohl eher Tatsache als billige Klischees.
Vor allem besticht dieser Roman aber durch die großartige und feine Ausarbeitung der Figur des Giulianos/Laurentius, die psychologisch absolut stimmig ist. Dieser doch eher Anti-Held voller Zweifel, Ängste und Fehler, geprägt durch sein Umfeld und seine meist negativen Erfahrungen, bleibt zutiefst menschlich und entwickelt sich im Laufe der Handlung, ohne jedoch seinen Glauben aufzugeben. Gerade diese Positivität, die Hoffnung und die innere Stärke sowie sein Mut haben mich sehr beeindruckt, wenngleich mich seine seine nahezu an Bessenheit heranreichende Sturheit davon abgehalten haben, ihn wirklich zu mögen.
"Laurentius Wunder" ist wieder ein Roman von Irene Matt, der fesselt und noch lange nachhallt, absolut empfehlenswert für alle LeserInnen, die abseits des Mainstreams an tiefsinniger Unterhaltung Spaß haben, die zum Nachdenken und Diskutieren anregt.