London um 1900 - einfach über-irdisch
Das Haus in der Nebelgasseund unterirdisch auch! Und auf beiden Ebenen unglaublich spannend.
Diesmal entführt uns die virtuose und - so scheint es - allwissende Susanne Goga in das London der vorletzten Jahrhundertwende, wo Lehrerin ...
und unterirdisch auch! Und auf beiden Ebenen unglaublich spannend.
Diesmal entführt uns die virtuose und - so scheint es - allwissende Susanne Goga in das London der vorletzten Jahrhundertwende, wo Lehrerin Mathilda, früh zur Waisen geworden, ein sehr selbstständiges und für die damalige Zeit sehr intensives Leben führt. Die tatkräftige junge Frau lebt zur Untermiete bei einer Autorin von Heftchenromanen und pflegt ein enges und gutes Verhältnis zum älteren Bruder, der leider als Soldat in Südafrika weilt, wo der Burenkrieg tobt. In der Schule gilt Mathilda als etwas zu selbstständig und unternehmungslustig, gleichwohl ist sie bei den Schülerinnen - selbst nur wenige Jahre älter als diese - ausgesprochen beliebt.
Eine von ihnen, Laura, elternlos wie Mathilda selbst wird von ihrem Vormund unerwarteterweise von der Schule entfernt und auf eine Europareise "entführt" - was die Zustimmung des gesamten Lehrkörpers ausser Mathildas findet. Sie hat das junge Mädchen, das kurz vor dem Abschluss steht, als wißbegierig und ehrgeizig kennengelernt und kann sich nicht vorstellen, dass sie so kurz vorher abbricht. Und dann erhält sie Post von Laura - es scheint eine gewöhnliche Postkarte zu sein, doch Mathilda wittert einen Hilferuf.
Und dieser führt sie kreuz und quer durch London, lässt sie Bekanntschaft mit den abenteuerlichsten Gestalten wie dem Antiquitätenhändler Arkwright, aber auch dem interessanten und noch jungen Historiker Stephen Fleming schließen. Und sie lernt neben dem sichtbaren das unterirdische London kennen, zugeschüttete Häuser, Friedhöfe und Flüsse, die ihr eine eigene Welt offenbaren. Kann sie Laura helfen, muss sie das überhaupt und schafft sie das ohne sich selbst in Gefahr zu bringen?
Susanne Goga hat schon durch ihre historischen Krimis um Kommissar Leo Wechsler im Berlin der 1920er Jahre ihr großartiges Talent in Sachen historische Romane unter Beweis gestellt: auf der einen Seite recherchiert sie akribisch und integriert fundierte, oft wenig bekannte historische Fakten in ihre Handlung, auf der anderen Seite bietet sie eine fiktive Geschichte mit jeder Menge Spannung und Emotionen - aber ohne jeglichen Kitschfaktor.
Auch hier ist ihr dies wieder aufs Trefflichste gelungen: "Das Haus in der Nebelgasse" ist ein ebenso packender wie dramatischer und kluger Roman über eine spannende Epoche der englischen Geschichte, in die unter anderem die Geburt der Frauenbewegung fällt. Es ist faszinierend, die Lebensumstände des Londoner Bürgertums um 1900 zu erleben. Wie immer zeigt sich die Autorin auch von der humorvollen Seite, die sie diesmal ganz besonders häufig hervorblitzen lässt
Ein ganz großartiges Leseerlebnis ist es somit, das Ihnen mit diesem wunderbaren Buch geboten wird - eines, das lange nachhallen wird und dazu einlädt, sich auch weiterhin mit der Geschichte Londons zu beschäftigen. Definitiv eines meiner literarischen Highlights in den letzten Monaten!