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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 25.11.2021

Zwänge in Adelsfamilien

Wir sind schließlich wer
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Auf dieses Werk bin ich aufmerksam geworden, da ich Anne Gesthuysen und ihren Mann, Frank Plasberg, aus diversen Fernsehsendungen kenne. Ich war einfach neugierig und finde nun einen Familienroman vor, ...

Auf dieses Werk bin ich aufmerksam geworden, da ich Anne Gesthuysen und ihren Mann, Frank Plasberg, aus diversen Fernsehsendungen kenne. Ich war einfach neugierig und finde nun einen Familienroman vor, der sämtliche Vorurteile adligen Familien gegenüber bedient. Das gilt auch für die stereotypisierten Klatschtanten des Ortes, die mich aufgrund ihres Verhaltens oftmals haben schmunzeln lassen.
Das sehr einfach gestaltete Cover stellt die beiden unterschiedlichen adligen Schwestern im Zentrum dar. Anne Ist barfuß mit offenen Haaren, während Maria “ordentlich” frisiert ist und Sportschuhe trägt. Dominant ist der Titel, der auch genau in die Problematik einführt. Somit ist alles stimmig.
Im Zentrum der Handlung steht die Frage, warum die beiden Schwestern so unterschiedliche Lebensmodelle favorisieren.
Maria, die Vorzeigetochter, die einen adligen Banker geheiratet hat und die die von ihren Eltern geplante “Karriere” als stets wohl frisierte und gekleidete, nach außen perfekt funktionierende “Nur- Hausfrau und Vorzeigepuppe nie hinterfragt, sondern willenlos akzeptiert hat.
Anna hingegen hat gegen die Zwänge der Adelsfamilie opponiert, indem sie zum Beispiel einen nicht standesgemäßen Mann geheiratet hat, vom Katholizismus zum Protestantismus konvertiert ist und eine berufliche Karriere als Pastorin vollzogen hat. Aber sie ist kritisch genug, sich selbst zu fragen, ob sie nun das Leben führt, das sie sich erträumt hat oder eines, das möglichst radikal den Idealen ihrer Mutter widerspricht.
Die Art wie Mechthild von Betteray, die Mutter, dargestellt ist, erscheint mir sehr realitätsnah, da sie auch die Gefangene ihrer eigenen Wertvorstellungen ist. Die 92-jährige Großtante Ottilie gefällt mir besonders, aber sie ist stark idealisiert. Das Martinchen, der Postbote, lockert das Ganze auf. Anna, die Protagonistin, ist sehr mutig und erlaubt mir Identifikationsansätze.
Der einfache und angenehme Schreibstil ermöglicht ein rasches Vorankommen in der Lektüre. Durch die Rückblicke erfährt man viel über die Sozialisation der Protagonistinnen und deren jeweilige Probleme.
Erst durch die kriminellen Aktionen von Marias Mann wird ihre "perfekte" Idylle zerstört. Ihr zehnjähriger Sohn verschwindet, und Marias physischer und psychischer Ausnahmezustand wird offenbar.
Im letzten Drittel des Werkes nimmt die Handlung an Fahrt auf und wird spannend. Abgründe werden offenbar, aber diese entsprechen auch den Vorurteilen reichen Adligen gegenüber, denn mit Geld glaubt man, sich alles erkaufen zu können.
Für meinen Geschmack wurde zu viel mit Gegenpolen gearbeitet, daher wirkt Etliches geschraubt, daher nur 4 Punkte

Veröffentlicht am 07.11.2021

Wer bin ich?

Schwarzes Herz
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Jasmina Kuhnke hat mit ihrem von Brutalität nur so strotzenden ersten Roman gegen Rassismus voll ins Schwarze getroffen. Auch hat ihre Weigerung, das Werk bei der Buchmesse persönlich vorzustellen, ihren ...

Jasmina Kuhnke hat mit ihrem von Brutalität nur so strotzenden ersten Roman gegen Rassismus voll ins Schwarze getroffen. Auch hat ihre Weigerung, das Werk bei der Buchmesse persönlich vorzustellen, ihren Bekanntheitsgrad sicherlich gesteigert, denn das ging vermehrt durch die Presse.
Das Cover mit den groben Händen gefällt mir gut, denn es führt gut in die Problematik ein.
In der Inhaltswarnung führt sie verschiedene Gewaltformen an sowie Fäkalsprache, die für die Leserin belastend sein dürften, aber ich denke, dass sie dieses Werk in all seiner Wucht nur so zu seiner Intendierten Botschaft führen können. Ihr wechselnder Schreibstil zeigt die Bandbreite ihres Könnens.
Die Figuren aus dieser Parallelgesellschaft sind sehr authentisch dargestellt. Drogen, Gewalt und Krankheiten regieren das Leben der Protagonistin, die stellvertretend steht für geschundene Frauen aus diesem Milieu, mit dem ich bisher niemals konfrontiert wurde. Das Werk hat mich aufgerüttelt und meinen Horizont diesbezüglich erweitert, deshalb habe ich es auch in kürzester Zeit verschlungen.
Als Kind einer alleinerziehenden Kroatin und eines Senegalesen, der vor ihrer Geburt verstirbt, merkt Jasmina, dass sie aufgrund Ihrer Hautfarbe “anders” ist. Der Stiefvater behandelt sie oft schlecht, diskriminiert sie, ebenso wie die Kinder auf dem Gymnasium, die aus einem anderen sozialen Umfeld stammen. Ohne Berufsausbildung und hilflos, gerät sie in die Fänge ihres Ehemannes, der sie schlägt, in jeder Hinsicht erniedrigt und sie hörig macht.Sie lebt nur für ihre Kinder.
Nur der Laufsport gibt ihr Anerkennung und Kraft, jedoch muss sie diesen aus gesundheitlichen Gründen bald aufgeben. Die schwarze Ich - Erzählerin hat ein sehr negatives Selbstbild und erkennt erst spät, dass sie sich aus den auferlegten Ketten befreien muss, da sie aber keine Freunde und familiäre Unterstützung hat, fällt ihr das umso schwerer.
Im letzten Viertel des Buches tritt jedoch eine Wendung ein.
Wir haben hier eine sehr emotional erzählte Selbstfindungsgeschichte, die vielen Frauen die Augen öffnen sollte, um Ihnen Kraft zu einer Entwicklung vom abhängigen, hilflosen Opfer zu einem individualisierten, selbstbestimmten Leben zu geben.
Das Buch hat auch mir die Augen für die Problematik geschärft, und ich kann es allen Frauen empfehlen, die bereit sind zu hinterfragen: "Wieviel Gewalt kann ein Mensch ertragen".

Veröffentlicht am 12.10.2021

Undankbarkeit!

Wenn ich wiederkomme
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Die Thematik dieses Werkes hat mich sehr interessiert, denn, aufgrund des demografischen Wandels, und der Tatsache, dass in den sogenannten “reichen, westlichen Ländern" fast alle Frauen berufstätig sind, ...

Die Thematik dieses Werkes hat mich sehr interessiert, denn, aufgrund des demografischen Wandels, und der Tatsache, dass in den sogenannten “reichen, westlichen Ländern" fast alle Frauen berufstätig sind, werden immer mehr Alten- und Kinderbetreuerinnen gesucht, die, wie in dieser Geschichte, aus Osteuropa stammen und ihre Familie verlassen müssen, um in der Fremde Geld zu verdienen. Das mag sich zunächst negativ anhören, aber es war und ist schon immer so, dass man dorthin gehen muss, wo die Arbeit ist. Für viele Personen, zum Beispiel aus der ehemaligen DDR, ist das völlig selbstverständlich. Was würden diese Frauen aus Osteuropa aber machen, wenn es diese Jobangebote nicht gäbe, denn in ihren Heimatländern herrscht große Arbeitslosigkeit?
Das Cover hebt die Anonymität dieser Frauen durch den dunklen Hintergrund hervor, nur ein Lichtstrahl erhellt ihr Dasein. Aus dem Dorf der Protagonistin arbeiten die meisten Frauen und Männer im Ausland, und auch Daniela kann ihren halbwüchsigen Sohn in der Obhut der Eltern und der 8 Jahre älteren Schwester zurücklassen.
Die Geschichte wird aus drei Perspektiven erzählt. Zunächst erzählt der Sohn Manuel, wie einsam er sich ohne seine Mutter fühlt. Im zweiten Teil beschreibt die Mutter ihr arbeitsreiches Dasein in Italien. In diesem Hauptteil erfahren wir viel über ihre Vorgeschichte und ihre Beweggründe für den Weggang, denn sie arbeitet, damit die Kinder auf eine teure Privatschule in der nächstgrößeren Stadt gehen können. Der Tochter finanziert sie dann noch ihr Architekturstudium. Sie macht sich gewissermaßen zur Märtyrerin, indem sie auf fast alles verzichtet, um ihren Kindern teure Kleidung und Geschenke zu schicken. Als der Sohn dann einen Unfall hat ist sie, nach 4 Jahren, gezwungen zurückzukehren.
Natürlich entfremden sich Eltern und Kinder, aber, besonders der dritte Teil, mit dem bezeichnenden Titel “Bumerang” hat mich schockiert, denn hier spricht, Angelika, die Tochter, die wie ein Kind aus einer reichen Familie aufgewachsen ist und nie für ihr Universitätsstudium arbeiten musste. Sie stellt fest, dass ihre Mutter in den Vierzigern bereits müde und ausgelaugt ist, kritisiert diese, aber kommt nach ihrem Abschluss gar nicht auf die Idee, sich Arbeit zu suchen, sondern geht mit ihrem zukünftigen Mann nach Berlin. Die Hoffnungen und Wünsche der Mutter sind somit zerschlagen, denn diese hatte sich ein Leben mit der vereinten Familie im renovierten Haus vorgestellt.
Die Charaktere werden wahrheitsgemäß beschrieben, aber beide Kinder sind undankbar.
Alles wird in leisen, ruhigen Tönen erzählt. Kurze Kapitellängen und der recht einfache Erzählstil lassen einen durch die Seiten fliegen.
Das Werk hat mich sehr nachdenklich gemacht, und ich kann eine sehr positive Leseempfehlung aussprechen. Allerdings wurden viele Fakten doch zu weichgezeichnet.
Trotzdem 5 Punkte

Veröffentlicht am 03.10.2021

Der Flummi

Der Kolibri
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Das wunderschöne Cover in Grüntönen mit dem Kolibri im Zentrum und der Klappentext haben mich neugierig auf dieses Werk gemacht. Der Kolibri ist immer in Bewegung, und auch der Protagonist Marco Carrera ...

Das wunderschöne Cover in Grüntönen mit dem Kolibri im Zentrum und der Klappentext haben mich neugierig auf dieses Werk gemacht. Der Kolibri ist immer in Bewegung, und auch der Protagonist Marco Carrera ist immer wie ein flatternder Vogel.
Der spannende Einstieg hat mir noch gut gefallen, dann jedoch geht es weiter mit zerstückelter Narration, Vor- und Rückblenden ,in 46 einzelnen Kapiteln, mit großen Zeitsprüngen. Die verschiedenen Einblicke in das Leben von Marco werden durch Briefe an unterschiedliche Personen dargelegt. Er beschreibt das Verhältnis zu seiner Tochter, seinen Eltern, deren Ehe, zu seinen Geschwistern und zu seinem Freund und dessen Probleme. Über allem kreist die Liebe zu seiner Frau. Man muss sich fragen, welche Rolle eigentlich Luisa, die Jugendfreundin des Augenarztes, spielt.
Zwar konnte der Autor dem Anspruch gerecht werden, eine neue Art der Familiensaga zu präsentieren, jedoch haben mich weder die Erzähltechnik noch der Protagonist angesprochen. Leider fehlt dem Werk die Spannung, und ich hatte Mühe, mich bis zum Ende durchzukämpfen. Das wurde auch durch den Sprachstil unterstützt, denn der Autor (beziehungsweise der Übersetzer?) liefert teilweise endlose Bandwurmsätze, deren intendierte Aussage mir auch nach zweimaligem Lesen verborgen blieb.
Oder sollte damit das Chaos, die Sprunghaftigkeit des Protagonisten, noch unterstützt werden?
Somit bin ich von diesem Werk enttäuscht worden. Vielleicht spricht der Autor damit eine italophile Germanistenclique an, jedoch könnte ich es in meinem gebildeten Bekanntenkreis niemandem empfehlen.

Veröffentlicht am 26.09.2021

Freund oder Feind?

Der Sucher
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Wir finden eine sehr detaillierte Beschreibung der ländlichen Idylle im Westen Irlands vor. Das lässt an die Romane von Maeve Binchy denken, die überwiegend in Irland spielen. Hier gibt es auch den typischen ...

Wir finden eine sehr detaillierte Beschreibung der ländlichen Idylle im Westen Irlands vor. Das lässt an die Romane von Maeve Binchy denken, die überwiegend in Irland spielen. Hier gibt es auch den typischen Dorfladen und den Pub, an dem sich die alten Männer am Abend treffen.
Die jungen Männer und Frauen sind größtenteils aus Perspektivlosigkeit weggezogen, uns die männlichen Erben der Schaffarmen finden keine Frauen, so dass es zu Selbstmorden, Alkohlabusus und Drogenkonsum kommt, denn es fehlt vielen an Halt in einer „modernen Welt“, wo Konsum und Neid herrschen.
Somit ist das soziale Gefüge in Gefahr, aber das ahnt Cal nicht, der Protagonist, ein Cop aus den USA, der aus persönlichen Gründen seinen Dienst quittiert hat, um ein neues Leben im vermeintlich
sehr beschaulichen Irland zu finden. Es fällt ihm schwer, sein Copleben hinter sich zu lassen, und wir erfahren viele Details über sein vorheriges Leben.
Er ist glaubwürdig und detailliert beschrieben, ebenso wie die anderen, teilweise schrulligen, Charaktere, die das Lokalkolorit ausmachen.
Erst nach und nach bemerkt Cal, wie sehr er bespitzelt und abgeschätzt wird, denn ein Fremder könnte ja die Gemeinschaft mit ihren unaussprechlichen Konventionen durcheinanderbringen. Unerwarteterweise wird er in einen Fall hineingezogen, denn es hat sich herumgesprochen, dass er vorher Cop war. Es geschehen merkwürdige Dinge, er wird zusammengeschlagen und bedroht. Und es wird deutlich, was sich hinter der Maske der Unbedarftheit etlicher Bewohner alles abspielt. Der Ort hält zusammen, obwohl Viele ahnen, was passiert ist, aber die örtliche Polizei soll nicht eingeschaltet werden, denn man regelt die Dinge auf eigene Weise. Das war schon immer so. Die Frage ist: „Wird er durchhalten, oder nach 6 Monaten das Handtuch werfen,wie die allermeisten Aussteiger?“
Nachdem es für meinen Geschmack im 1.Drittel zu viele Naturbeschreibungen gegeben hat, nimmt das Werk im 3. Drittel so richtig an Fahrt auf, es wird spannend und viele Fakten werden gelöst. Das dazu in einer authentischen, leicht verständlichen Sprache, so dass der Lesegenuss groß ist.
Ich empfehle das Buch nicht nur für Irlandliebhaber.
5 Punkte