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Venatrix

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 02.01.2020

ein brisanter Krimi aus Österreich

Öxit
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Bevor die ehrgeizige Journalistin Lou Sorko das Ergebnis ihrer brisanten Recherchen veröffentlichen kann, wird sie ermordet. Wie zu erwarten, landet der Fall auf dem Schreibtisch von Oberst Radek Kubica, ...

Bevor die ehrgeizige Journalistin Lou Sorko das Ergebnis ihrer brisanten Recherchen veröffentlichen kann, wird sie ermordet. Wie zu erwarten, landet der Fall auf dem Schreibtisch von Oberst Radek Kubica, der mit Kollegen Franz Dvorak die Ermittlungen aufnimmt. Zu dieser Zeit wissen sie noch nicht, in welches Hornissennest der politischen Intrigen sie mit ihrer Arbeit stechen.

Da gibt es Moritz Petrell, einen Politiker, der ohne Rücksicht auf Verluste und um jeden Preis seinen Parteifreund und Bundeskanzler stürzen möchte, um selbst an die Macht zu kommen. Dazu ist ihm jedes Mittel recht: Österreichs Austritt aus der EU, Bestechung, Erpressung. Petrell scheut dabei auch nicht davon zurück, auch den Polizeiapparat für seine Zwecke einzuspannen. Er nützt dabei sein Charisma, das ihn bei Frauen besonders gut ankommen lässt, gnadenlos aus.
Der einzige wahre Aufrechte in diesem Sumpf aus Korruption ist Oberst Radek Kubica. Er lässt sich nicht verbiegen und muss seine schlimmsten persönlichen Schicksalsschläge hinnehmen.

Meine Meinung:

Im Lichte der aktuellen Ereignisse in Österreichs Innenpolitik, bekommt dieser Krimi einen besonderen Touch. Sind die Politiker wirklich so korrupt wie beschrieben oder geht es in Wirklichkeit noch ein bisschen ärger zu? Nun, von Morden an Journalisten ist bislang nichts zu lesen, aber wer weiß, was sich da hinter den Kulissen abspielt.

Hans-Peter Vertacnik hat mit seinem Oberst Radek Kubica einen sturen Charakter geschaffen, der auch ohne Rücksicht auf seine eigene Person, die Fälle lösen will. Wir haben das ja schon in den Vorgängern („Donauwölfe“ und „Totenvogel“) gelesen. Auch diesmal ist der Vorgesetzte Stankovic alles andere als hilfreich, sondern wirft Kubica und Dvorak jede Menge Prügel zwischen die Beine. Ein Seitenhieb auf mangelnde Führungskompetenz so mancher Vorgesetzter darf natürlich auch nicht fehlen, war doch der Autor früher Kriminalbeamter und weiß, wovon er spricht.
„...Weil man bei uns grundsätzlich nur Leute auf Seminare schickt, die ihr Metier beherrschen, während jene daheim sitzen, für die solche Trainings gedacht sind...“

Geschickt führt uns der Autor an der Nase herum, in dem er ein junges Paar à la „Bonnie & Clyde“ Überfälle begehen lässt und damit Kubica und Dvorak auf Trab hält.

Daneben nimmt der Konflikt mit Radeks Ex-Frau Anne, die mit dem gemeinsamen Sohn Oscar in London lebt, ordentlich Fahrt auf und endet in einer wahren Tragödie.
Gut gefällt mir, dass Pfarrer Wozzek, der nach wie vor die besten Beziehungen zu seinen ehemaligen (Ostblock)Geheimdienstkollegen hat, ein paar Erkundigungen einziehen darf.

Der Schreibstil ist fesselnd. Es ist kaum möglich, das Buch aus der Hand zu legen. Ein besonderes Schmankerl sind die vielen kleinen, aber feinen Hinweise auf mehr oder weniger bekannte Sehenswürdigkeiten der Stadt, die völlig unaufgeregt und unterschwellig eingebaut werden. Wien ist der passende Schauplatz, denn „ein bisserl was geht immer“ und gut vernetzt zu sein, hilft auch den Kriminalbeamten.

Auch die Namensgebung für die Protagonisten liest sich wie das altösterreichische Telefonbuch: Kubica, Dvorak, Sorko, Stankovic – Wien ist ein Konglomerat aus den verschiedensten Teilen der ehemaligen Habsburgermonarchie.

Wie tief die fiktive heimische Politprominenz in den Sumpf rund um Macht und Geld verstrickt ist, sieht man auch daran, dass Stankovic geheime Dossiers über seine Mitarbeiter angelegt hat. Selbst Marie Haller, die toughe Gerichtsmedizinerin, ist nur eine Marionette in diesem Intrigantenstadl.


Meine Meinung:

Ein politisch höchst brisanter Krimi über Korruption und Erpressung in höchsten Kreisen! Gerne gebe ich hier 5 Sterne und eine Leseempfehlung. Allerdings rate ich, die beiden Vorgänger zu lesen.

Veröffentlicht am 02.01.2020

Zwei Seelen wohnen, ach in seiner Brust

Goethes Leichen
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Zwei Seelen wohnen, ach in seiner Brust

Krimi-Autor Paul Kohl hat mich mit diesem historischen Krimi ein wenig zwiegespalten zurückgelassen.

Worum geht’s?

Kurfürst Georg III. von Hannover sendet seinen ...

Zwei Seelen wohnen, ach in seiner Brust

Krimi-Autor Paul Kohl hat mich mit diesem historischen Krimi ein wenig zwiegespalten zurückgelassen.

Worum geht’s?

Kurfürst Georg III. von Hannover sendet seinen Archivar Kestner nach Weimar, um eine wertvolle Zeichnung, die dorthin ausgeliehen war, zurückzuholen. Gemeinsam mit seinem Gehilfen Lorenz gerät Kestner in einen Strudel von Intrigen und Verbrechen, aus dem es kaum ein Entrinnen gibt.

Meine Meinung:

Die Idee und den Aufhänger finde ich grandios! Leider ist meiner Meinung nach die Umsetzung nicht ganz gelungen. Da ist zum einen, dass der Krimi in einige albtraumhafte ziemlich surreale Episoden abgleitet und zum anderen gibt es ein paar historische Ungenauigkeiten, wie z.B. dass Kestner einen Pyjama trägt (S. 42). Die Schlafbekleidung für Männer dieser Zeit ist das Nachthemd. Weiters kann ich nicht glauben, dass es in der Mühle „beschriftete Boxen“ für die jeweiligen Getreidesorten gab (S. 142) oder das „Klebeband“ (S. 278) oder kaltes/warmes Leitungswasser (!) in der Suite.

Der Großteil der Menschen sind Analphabeten. Daher ist auch der grammatikalisch und orthographisch richtig geschriebene Abschiedsbrief der Katharina Höhn (S. 109/110) unglaubwürdig. Dieser Brief bringt mich gleich zum nächsten Thema: Die Sprache der einfachen Leute, wie der Höhn oder dem anderen „Personal“ des Krimis ist viel zu gewählt. Eine Frau, die kurz vor ihrer Hinrichtung steht, spricht keine solchen gestelzten Sätze. Mehrfach wird die Worte „Chef“ (S. 272) oder „Chefin“ verwendet – viel zu modern.

Gut gefallen hat mir die bildhafte Beschreibung der Stadt Weimar mit den üblen Gerüchen, den ortansässigen Menschen, der offensichtlich ängstlichen Stimmung und der vorrevolutionären Ideen. Auch die Vorgänge rund um Zwangsrekrutierung von jungen Männern für die Preußische Armee, sind gut herausgearbeitet. Der Verkauf und Export von Soldaten hat damals manches Fürstentum vor der Pleite gerettet. Auch in Hessen, das Regimenter für den Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg bereitstellte, ein lukratives Geschäft.

Besonders hat mich die unübliche Charakterisierung des Geheimen Rates Johann Wolfgang von Goethe fasziniert: Auch er hat eine dunkle Seite (Zwei Seelen wohnen, ach in seiner Brust!). Hier ist Goethe weit weg vom Humanisten und (späteren) Bewunderer der Revolution.
Gleichzeitig lässt der Autor ein paar Figuren aus Goethes Werken „auferstehen“ bzw. hat in seinen Dichtungen Anleihe an der Wirklichkeit genommen. So ist das „Gretchen-Motiv“ an die Kindsmörderin Höhn angelehnt (oder umgekehrt), Mephisto steht plötzlich leibhaftig vor Kestner.
Die Szenen im Keller mit den in Gläsern eingelegten Gehirnen der Ermordeten, haben mich ein wenig frösteln lassen.

Fazit:

Wen die historischen Ungenauigkeiten nicht stören, der kann mit diesem Buch in das Weimar des 18. Jahrhunderts eintauchen. Von mir gibt es diesmal nur 3 Sterne.

Veröffentlicht am 01.01.2020

Vom Scheitern der Großmächte ....

Betrachtungen eines Weltreisenden
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Dieses Buch ist eine Zusammenfassung ausgewählter Texte des Autors aus seinen zwischen 1979 und 2014 erschienen Büchern. Wenn uns also einiges bekannt vorkommt, ist dies durchaus gewollt.

Peter Scholl-Latour ...

Dieses Buch ist eine Zusammenfassung ausgewählter Texte des Autors aus seinen zwischen 1979 und 2014 erschienen Büchern. Wenn uns also einiges bekannt vorkommt, ist dies durchaus gewollt.

Peter Scholl-Latour (1924-2014) gilt als profunder Kenner des Fernen Ostens. In seinen Betrachtungen beschreibt er die Situation während des Vietnam-Krieges und die unrühmliche Rolle, die die US-Regierung und ihre Armee dort spielte. Vielen von uns ist der Vietnam-Krieg und sein Ende nur durch teilweise verklärte Überlieferung bekannt.

Neben Vietnam hat sich Peter Scholl-Latour auch mit der Region im Hindukusch beschäftigt und schon frühzeitig davor gewarnt, in Afghanistan einzumarschieren. Der Krieg dort, sei für westliche Armeen nicht zu gewinnen (für die russische Armee aber auch nicht). Das Ergebnis ist bekannt.

Als dritter Schwerpunkt seiner Betrachtungen sind der Iran und Irak zu nennen. Auch hier sind die Bemerkungen zu den Verbündeten der beiden Krieg führenden Länder durchaus kritisch.

Das Buch spannt den Bogen von den Zeiten des Kalten Krieges bis hin zur neuen Weltordnung der Gegenwart. Es zeigt aber auch die Chronologie des Scheiterns der Großmächte. Von Indochina über Algerien, Vietnam bis hin zu Afghanistan sowie dem Desaster in der arabischen Welt.

Veröffentlicht am 31.12.2019

EIn Fall für Pierre Durand

Provenzalischer Rosenkrieg
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Pierre Durand lebt, nach aufregenden Jahren als Sonderermittler, nun beschaulich mit Freundin Charlotte in dem malerischen Sainte-Valerie. Er ist Dorfpolizist und ärgert sich über den überbordenden Papierkram ...

Pierre Durand lebt, nach aufregenden Jahren als Sonderermittler, nun beschaulich mit Freundin Charlotte in dem malerischen Sainte-Valerie. Er ist Dorfpolizist und ärgert sich über den überbordenden Papierkram und seinen Chef Maurice Marechal, den neuen Bürgermeister, der es mit der Bürokratie sehr genau nimmt.

Da kommt ihm Anouk, die verzweifelte Freundin von Charlotte, gerade recht, die ihn dringend um Hilfe bittet. Sie steht unter Verdacht, ihren betagten Nachbarn Hervé Bousquet durch vergiftete Pralinen ermordet zu haben.
Obwohl er keine Befugnisse hat im nahegelegenen Grasse zu ermitteln, beginnt Pierre gemeinsam mit dem Rechtsanwalt Monnier, Beweise für Anouks Unschuld zu suchen. Ganz einfach scheint die Sache nicht zu sein, denn Anouk ist Erbin von Bousquets Vermögens. Ein recht handfestes Motiv, wie man weiß. Dazu kommt, dass der Unfalltod von Lucien Aubert, eines anderen Parfumeurs, nun in einem anderen Licht erscheint. Ist Anouk eine Doppelmörderin?

Meine Meinung:

Der Titel hat mir einen Schlammschlacht zweier in Scheidung lebender Eheleute suggeriert und mich in die Irre geführt. Daher war ich ein wenig überrascht, dass mich diese Geschichte in die Welt des Parfums geführt hat. Dieses Missverständnis hat der Spannung wenig Abbruch getan, denn ich habe mich schnell auf die neue Situation einstellen können. Mir hat es gut gefallen, wieder über die Herstellung von Parfums zu lesen. Ich durfte als Jugendliche, anlässlich von Sprachferien in Nizza, eine Führung in einer der Parfumfabriken in Grasse erleben. Außerdem habe ich einiges über Giovanni Maria Farina, dem Erfinder des „Aqua Mirabilis“ gelesen, daher ist mir die Welt der Düfte nicht ganz unbekannt.

Der sechste Fall für Pierre Durand ist nach einem ähnlichen Muster wie seine Vorgänger „gestrickt“. Der etwas unterforderte Dorfpolizist, der gerne als „Retter der Witwen und Waisen“ seine Kompetenzen überschreitet, und durch seine Alleingänge immer wieder das Missfallen seines Chefs, des Bürgermeisters, hervorruft. Beim alten Bürgermeister Rozier war das alles kein Problem, doch der neue ist ein, nun ja, gewöhnungsbedürftiger Bürokrat.
Ich gehe davon aus, dass die ausgesprochene Kündigung noch nicht das Ende von Pierre Durands Polizeikarriere bedeutet. Es scheint diese Cliffhanger eher auf das Ende von Maurice Marechal als Bürgermeister hindeuten. In Sainte Valerie ist man ja im Demontieren des Bürgermeisters ja geübt.

Fazit:

Wer gerne einen Krimi aus der Provence liest und mehr über die komplexe Zusammensetzung der Düfte erfahren will, ist hier genau richtig. Gerne gebe ich für diesen Krimi 4 Sterne.

Veröffentlicht am 31.12.2019

Ein sehr persönliches Klassentreffen

Das Jubiläumsklassentreffen der Kriegskinder - Nachkriegskinder - Wunderkinder
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Dieses Buch ist eine höchst interessante Geschichte! Ein Lehrer und seine Schülerinnen und Schüler treffen sich 2006 zum 50-jährigen Abituriententreffen. Obwohl man einige Jahre in einer Klasse war und ...

Dieses Buch ist eine höchst interessante Geschichte! Ein Lehrer und seine Schülerinnen und Schüler treffen sich 2006 zum 50-jährigen Abituriententreffen. Obwohl man einige Jahre in einer Klasse war und oft auch nebeneinander gesessen ist, wissen die Teilnehmer nur wenig voneinander, gerade soviel, dass einige als Flüchtlinge im Gymnasium von Beerheim aufgenommen worden sind.

So werden sie vom 96-jährigen ehemaligen Klassenvorstand aufgefordert, ihre Lebensgeschichte in Kurzform darzustellen. Was dann folgt, sind höchst emotionale Geschichten von Flucht und Vertreibung, von ermordeten Verwandten und anderen traumatischen Kriegserlebnissen.

Dieses Buch habe ich mit großem Interesse gelesen, zumal ich in diesem Jahr mit meinen Klassenkameraden das 40-jährige Maturatreffen gefeiert habe. Allerdings weniger opulent und nicht wirklich emotional. Vielleicht ist dieses Buch ein Ansporn, das nächste runde (oder halbrunde) Jubiläum in ähnlicher Form zu begehen.

Fazit:

Ein sehr persönliches Stück Zeitgeschichte, das hier im Rahmen eines Abituriententreffens erzählt wird. Gerne gebe ich diesem Buch 5 Sterne.