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Venatrix

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Veröffentlicht am 17.01.2021

Von den Anfängen der Kinderheilkunde

Kinderklinik Weißensee - Zeit der Wunder (Die Kinderärztin 1)
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Marlene und Emma Lindow wachsen nach dem Tod ihrer Mutter in einem Waisenhaus auf, denn der Vater der Mädchen ist unbekannt. Anders als in vielen ähnlich gelagerten Fällen werden die Schwestern nicht ...

Marlene und Emma Lindow wachsen nach dem Tod ihrer Mutter in einem Waisenhaus auf, denn der Vater der Mädchen ist unbekannt. Anders als in vielen ähnlich gelagerten Fällen werden die Schwestern nicht getrennt und dürfen sogar das Abitur ablegen. Eine eher ungewöhnliche Vorgangsweise, die auch während ihrer Ausbildung zu Kinderkrankenschwestern zu allerlei Spekulationen Anlass gibt. Ist vielleicht der Chef der neu eröffneten Kinderklinik der Vater?

Meine Meinung:

Dieser historische Roman lässt sich leicht und flüssig lesen. Man fliegt als Leser nur so durch die Seiten. Die Autorin hat penibel recherchiert, denn die Kinderklinik gab es von 1911 bis 1977 wirklich.

Was ich interessant finde ist, dass die Ausbildung zur Kinderkrankenschwester nur wenige Wochen umfasst und die Prüfung gerade einmal eine Stunde dauert. Das erscheint ein wenig unglaubwürdig. Doch wer weiß, vielleicht war es wirklich so, zumal einige der jungen Frauen ja eher einen Ehemann als eine Anstellung suchen.

Geschickt verquickt die Autorin die Lehr- und Lerninhalte in die Handlung. So erhalten wir Einblick in die damaligen Behandlungsmethoden.

Gut gelungen sind die Charaktere der beiden Schwestern. Die ältere, Marlene, die, als die Mutter starb, schon mit sechs Jahren die Verantwortung für ihre jüngere Schwester übernommen hat, ist die zielstrebigere der beiden. Marlene will unbedingt Kinderärztin werden und das in Berlin, wo erst seit 1908 Frauen zum Medizinstudium zugelassen worden sind. Für ihren Traum arbeitet sie hart.

Emma hingegen hat nicht so hochfliegende Pläne. Sie findet heraus, dass Spiele, Denksportübungen und Kuscheltiere die Ängste der Kinder vor dem Krankenhaus mildern können. Hier ist sie zu Hause und gut aufgehoben.

Die persönlichen Gefühle bzw. Liebschaften sind mir persönlich einen Hauch zu Platz greifend. Hier hätte es ein wenig weniger auch getan.

Gut herausgearbeitet sind die Intrigen zwischen den Elevinnen. Doch auch die eine oder andere ausgelernte Schwester scheint nicht immun gegen Eifersüchteleien zu sein. Guter Geist ist der Pförtner, der manchmal ein Auge zudrückt, wenn Emma oder Marlene es mit dem Ausgang nicht ganz so genau nehmen.

Nicht vernachlässigt wird auch der Standesdünkel, der viele plagt und die wechselnden Koalitionen zwischen den Schülerinnen. Stellenweise ist dieser historische Roman ziemlich sozialkritisch, was mir gut gefällt.

Im Laufe der Zeit erfährt der Leser, wer und warum die schützende Hand über die Schwestern gehalten hat. Doch das Geheimnis, wer der Vater von Marlene und Emma ist, wird vielleicht erst im nächsten Band gelüftet.

Fazit:

Ein gelungener historischer Roman, der in einer Zeit des Umbruchs spielt. Gerne gebe ich hier 4 Sterne.

Veröffentlicht am 14.01.2021

keine leichte Kost

Die goldenen Jahre des Franz Tausend
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Titus Müller entführt uns mit in die als „Goldene Zwanziger Jahre“ bezeichnete Zeit der Weimarer Republik, die so golden gar nicht waren. Er erzählt aus vier Perspektiven die Geschichte des Franz Tausend, ...

Titus Müller entführt uns mit in die als „Goldene Zwanziger Jahre“ bezeichnete Zeit der Weimarer Republik, die so golden gar nicht waren. Er erzählt aus vier Perspektiven die Geschichte des Franz Tausend, einem Hochstapler und Betrüger, der unter anderem vorgegeben hat, Gold zu machen.

Die realen Ereignisse werden mit fiktiven ergänzt. Wir begegnen außer dem historisch belegten Betrüger noch zwei Nobelpreisträgern: Thomas Mann (Literatur) und Carl von Ossietzky (Frieden).
Fiktiv hingegen ist der Kommissar Heinrich Arndt, der den Betrüger Tausend vor dem Zorn einer betrogenen Frau schützen soll. Es wird alles daran gesetzt, das Betrugsopfer zu diffamieren. Auch Arndt ist zu Beginn Teil des perfiden Plans, in dem die aufkeimende NSDAP ihre schmutzigen Finger im Spiel hat. Als er erkennt, was läuft, wird er von München nach Berlin versetzt. Doch auch hier gerät er in Gewissenskonflikte, als er den regimekritischen Carl von Ossietzky beschatten soll.

Meine Meinung:

Titus Müller ist es wieder glänzend gelungen, eine spannende Geschichte aus der Zwischenkriegszeit zu schreiben. Die Stimmung sowohl in München als auch in Berlin ist authentisch beschrieben.

Zu Beginn laufen mehrere Handlungsstränge nebeneinander her und man fragt sich, wie die miteinander verknüpft werden sollen.
Mir persönlich war der Handlungsstrang rund um Thomas Mann ein wenig zu ausführlich und eine Spur zu langatmig.

Der Leidensweg Carl von Ossietzkys, der von den Nazis, wie viele andere Regimekritiker. in ein Konzentrationslager gebracht und dort de facto ermordet wurde, obwohl er letztlich in einem Krankenhaus gestorben ist, ist an Dramatik kaum zu überbieten.

Die Charaktere sind fein herausgearbeitet und dürfen sich entwickeln.

In Zeiten der Not haben Betrüger wie Franz Tausend leichtes Spiel. Doch auch die Gier der Reichen und Mächtigen darf nicht unterschätzt werden.

Fazit:

Das Buch ist keine leichte Kost. Es verlangt den Lesern einiges ab. Gerne gebe ich dafür 4 Sterne.

Veröffentlicht am 14.01.2021

Macht Lust, nach Amsterdam zu reisen

111 Orte in Amsterdam, die man gesehen haben muss
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Wenn man seit einem Jahr schon nicht in Wirklichkeit reisen darf, so bieten die Orte, die man in der 111er-Reihe aus dem Emons-Verlag besuchen ein wenig Abwechslung. Diesmal habe ich Amsterdam gewählt ...

Wenn man seit einem Jahr schon nicht in Wirklichkeit reisen darf, so bieten die Orte, die man in der 111er-Reihe aus dem Emons-Verlag besuchen ein wenig Abwechslung. Diesmal habe ich Amsterdam gewählt und bin ziemlich überrascht worden, dass sich einige Vergleiche mit meiner Heimatstadt Wien anstellen lassen. Es gibt durchaus Parallen zu entdecken.

Amsterdam ist ebenso reich an Museen wie Wien: vom Rijksmuseum bis zum Aviodrome (7) Das erinnert an Anthony Fokker, dem holländischen Otto von Lilienthal und die Geschichte der Flugpioniere.

Ähnlich wie in Wien gibt es hier ein Badeschiff „Badbuiten“ mit Bar und Sonnenterrasse (9). Noch ein Vorbild aus Wien: die 1744 gegründete Hollandsche Manege = Span. Hofreitschule (49). Und, eine coole Überraschung: man kann bei einer Fahrt mit historischen Straßenbahnen einer Original Wiener Tramway der Linie 5 begegnen (67).

Interessant ist die Ets Haim Bibliothek auch „Bibliothek des Baumes des Lebens“. Sie wurde 1616 gegründet und ist damit die älteste jüdische Bibliothek der Welt (35).

Als Vermesserin darf natürlich ein Besuch des NAP (Normal Amsterdamse Peil) nicht fehlen, hat doch auch Österreich seinen Bezugspunkt der orthometrischen Höhen auf den NAP umgestellt. Die Gebrauchshöhen werden nach wie vor als „Höhe über Adria“ (Molo Satorio/Triest) angegeben.

Natürlich dürfen auch Einblicke in das berühmt-berüchtigte Rotlichtviertel oder ein Zwischenstopp in den zahlreichen Bars nicht fehlen. Dass in einem Coffeshop keine Wiener Melange serviert wird, dürfte bekannt sein.


Fazit:

Macht Appetit auf eine Reise nach Amsterdam. Gerne gebe ich hier 4 Sterne.

Veröffentlicht am 14.01.2021

Wahrheit oder doch nicht?

Leonardos Fahrrad
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Wer glaubt, dass Fake News ein Produkt des 21. Jahrhunderts ist, der irrt. Schon frühere Präsidenten und Diktatoren habe sich getürkter Wahrheiten bedingt. Manche, wie die zahlreichen gefakten (weil selbst ...

Wer glaubt, dass Fake News ein Produkt des 21. Jahrhunderts ist, der irrt. Schon frühere Präsidenten und Diktatoren habe sich getürkter Wahrheiten bedingt. Manche, wie die zahlreichen gefakten (weil selbst in Auftrag gegebenen) Glückwünsche diverser Staatsmänner zu seinem eigenen Geburtstag, lassen den ehemaligen rumänischen Diktator Nicolae Ceausescu beinahe wie ein armes, ungeliebtes Würstchen dastehen.

Gefälschte oder verfälschte Nachricht gibt es seit mehr als 3.000 Jahren. Autor Peter Köhler hat einige aus unterschiedlichen Epochen, Kontinenten und Gesellschaftsschichten zusammengetragen. Manches klingt wirklich skurril, manches doch ziemlich glaubwürdig.

Wie sagt eine interviewte Passantin so treffend: „Wahrheit oder nicht - ich glaube die Geschichte“ (S. 72)

Dazu hat er die unterschiedlichsten Fake News in zehn großen Kapiteln zusammengefasst. Sie reichen von „Politik in postfaktorischer Zeit“ bis hin zum „Final“ in dem bekannte Persönlichkeiten wie Paul McCartney 1967 einen vorzeitigen Medientod sterben (mussten). Doch wie man weiß, leben Totgesagte länger. Der Musiker hat erst vor kurzem ein neues Album herausgebracht. Und nein, Elvis lebt tatsächlich nicht mehr.

Veröffentlicht am 14.01.2021

Ein gelungenes Sittenbild

Der Mann im roten Rock
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Julian Barnes entführt seine Leser in das Paris des Fin de Siècle. Der Leser lernt einen interessanten Mann dieser Zeit kennen: Dr. Samuel Pozzi, Chirurg und Gynäkologe. Die Ausstrahlung des schönen und ...

Julian Barnes entführt seine Leser in das Paris des Fin de Siècle. Der Leser lernt einen interessanten Mann dieser Zeit kennen: Dr. Samuel Pozzi, Chirurg und Gynäkologe. Die Ausstrahlung des schönen und charmanten Arztes öffnet ihm die Türen zur High Society von Paris. Pozzi trifft auf die Intellektuellen seiner Zeit. So haben Sarah Bernhardt, Marcel Proust, Èmile Zola, Joris-Karl Huysmans oder der Kunstsammler und Dichter Robert Montesquiou ihre Auftritte. Pozzi war ihnen Freund und kultivierter Gesprächspartner. Doch diese elitären Zirkel haben auch ihre Schattenseiten. Dekadenz und Allüren lassen manche nicht gar so sympathisch erscheinen.

Meine Meinung:

Gut gelungen ist dem Autor die Darstellung der langsam zerfallenden Epoche. Auch über Paris, das als die bestimmende Kulturhauptstadt angesehen wird, ziehen sich die düsteren Wolken des Ersten Weltkriegs zusammen.

Der Fortschrittsglaube ringt mit der Dekadenz - dieser Konflikt wird sich im kommenden Krieg entladen.

Fazit:

Ein gelungenes Sittenbild des Fin de Siècle. Nicht ganz einfach zu lesen. Gerne gebe ich hier 4 Sterne.