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Veröffentlicht am 09.01.2024

Vorhersehbarer Wohlfühlroman

Der späte Ruhm der Mrs. Quinn
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Das Cover dieses Romans macht nicht nur Lust auf Schokoladenkuchen, es passt auch perfekt zum Inhalt. Hauptfigur von „Der späte Ruhm der Mrs. Quinn“ ist eine 77-jährige Hobbybäckerin, wobei dieses Wort ...

Das Cover dieses Romans macht nicht nur Lust auf Schokoladenkuchen, es passt auch perfekt zum Inhalt. Hauptfigur von „Der späte Ruhm der Mrs. Quinn“ ist eine 77-jährige Hobbybäckerin, wobei dieses Wort ihrer Leidenschaft kaum gerecht wird: Jenny Quinn backt täglich, für Freunde, Nachbarn und ihren Ehemann Bernard, hütet Familienrezepte ihrer Eltern und früherer Generationen und findet ihre Erfüllung darin. Passenderweise ist jedes Kapitel mit dem Namen einer darin vorkommenden Kreation überschrieben, von Brandy Snaps bis Yorkshire-Kuchen mit Trockenfrüchten. Viele der Backwaren sagten mir nichts, oft habe ich mir Bilder gewünscht – oder zumindest das ein oder andere Rezept am Buchende. Leider wurde hier nichts aufgenommen.

Auch in Jenny Quinns Lieblingsfernsehsendung geht es um das Thema Backen. Sie verpasst keine Folge von „Das Backduell – Backen auf der Insel“ und sieht schließlich einen Aufruf, dass neue Kandidat*innen für die Sendung gesucht werden. Mrs. Quinn kann sich nicht vorstellen, tatsächlich in eine Fernsehsendung eingeladen zu werden – ist sie nicht zu alt oder überhaupt gut genug? Doch die Sehnsucht ist geweckt und sie bewirbt sich; ohne Bernard, mit dem sie seit 59 Jahren glücklich verheiratet ist, etwas zu verraten. Denn vermutlich klappt es ja eh nicht – diese Begründung fand ich allerdings etwas dürftig, nachdem Bernard als herzensguter, sie immer unterstützender Ehemann geschildert wird. Leserinnen und Leser ahnen natürlich schon, dass Jenny Quinn Teilnehmerin des Backduells wird. Die Szenen rund um die Fernsehproduktion habe ich dann auch am liebsten gelesen.

Es gibt allerdings auch immer wieder Einschübe aus der Vergangenheit, die Mrs. Quinns Leben nacherzählen und schließlich ein großes, lange zurückreichendes Geheimnis lüften. Auch hier lässt sich bald erahnen, worum es sich handelt. Und das hat mich an „Der späte Ruhm der Mrs. Quinn“ generell gestört: Der Roman ist ziemlich vorhersehbar. Die Geschichte plätschert relativ glatt vor sich hin, kein Charakter schert aus der Rolle, alle benehmen sich so, wie man es von ihnen erwarten würde, keine Brüche, kaum Unvorhersehbares. Dabei hätten mehrere Figuren das Potential gehabt, neue Facetten oder etwas mehr Tiefgang hineinzubringen, sie bleiben aber stattdessen etwas eindimensionale, farblose Komparsen. Bernard ist liebend und verständnisvoll, die Großnichte einfach niedlich, Jennys junger Konkurrent Azeez ein richtiger Schatz und die Producerin Carys ihr größter Fan. Ich habe gar nichts gegen Wohlfühlromane, aber von dem hier hatte ich mir doch etwas mehr versprochen. Das Potential wäre durchaus dagewesen, es hätte einfach ein paar Ecken und Kanten gebraucht.

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Veröffentlicht am 18.11.2023

Aus dem Leben eines Dreifachvaters

Väter sind was Wunderbares, das muss man den Müttern nur immer wieder sagen
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Humor ist bekanntermaßen Geschmackssache und Alexander Bayers und meine Wellenlängen kreuzen sich leider nur gelegentlich. Sein „Insiderbericht von der Windelfront“ deckt von der Verkündung der Schwangerschaft ...

Humor ist bekanntermaßen Geschmackssache und Alexander Bayers und meine Wellenlängen kreuzen sich leider nur gelegentlich. Sein „Insiderbericht von der Windelfront“ deckt von der Verkündung der Schwangerschaft bis hin zum Leben mit Schulkind alle möglichen Themenbereiche rund ums Familienleben ab. Über Geburtsvorbereitungskurse etc. hatte ich vielleicht einfach schon zu viele Kalauer gehört; die ersten Kapitel waren nicht so meins. Dann wurde es stellenweise viel besser; insbesondere die Passagen mit längeren Dialogen zwischen Vater und Kindern haben mir gefallen; schnelle Wortwechsel, viel Situationskomik und Mitgefühl für den Vater habe ich auch bekommen. Oft blieb mir Bayers Humor aber zu übertrieben. Vielleicht ist das Buch eher für Väter als für Mütter?

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Veröffentlicht am 02.11.2023

Niedliches Weihnachtsbilderbuch für kleine Entdecker

Weihnachtszeit! Bald ist’s so weit
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Dieses sehr süße Pappbilderbuch ist großformatig und enthält auf sechs Doppelseiten mehr als 30 Klappen – wow! Man entdeckt gar nicht alle auf den ersten Blick, weil sie sich auf jeder Seite an unterschiedlichen ...

Dieses sehr süße Pappbilderbuch ist großformatig und enthält auf sechs Doppelseiten mehr als 30 Klappen – wow! Man entdeckt gar nicht alle auf den ersten Blick, weil sie sich auf jeder Seite an unterschiedlichen Stellen verstecken, teils sehr groß und teils klein sind. Jede Doppelseite ist einem Tier oder einer Tierfamilie und ihren Weihnachtsvorbereitungen gewidmet und immer fehlt irgendwas, was kleine Leserinnen und Leser hinter einigen der Klappen für die Tiere wiederfinden können. Auf der letzten Doppelseite versammeln sich dann alle Tiere mit vielen (aufklappbaren) Geschenken unterm leuchtenden Tannenbaum – und wer aufgepasst hat, kann zuordnen, welches Tier sich über welches Präsent freuen darf. Die singende Eule hat sich z.B. eine Flöte gewünscht, Doro Dachs ist begeisterte Handwerkerin …

Die Texte sind nicht zu lang und gut verständlich und die Illustrationen liebevoll und detailliert. Auch wenn es kein Wimmelbuch ist, gibt es viele Kleinigkeiten zu entdecken, so dass auch mehrmaliges Anschauen absolut nicht langweilig wird. Trotzdem werden Kleinkinder nicht überfordert – Spaß an den Klappen kann man sogar schon mit unter zwei Jahren haben; Texte und Bildersuche sind dann für etwas Ältere. Mit ihnen kann man spielerisch darüber ins Gespräch kommen, dass es manchmal gar nicht so einfach ist, Dinge wiederzufinden, die man verlegt hat und was zur Weihnachtszeit alles dazu gehört.

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Veröffentlicht am 09.10.2023

Hommage

Eigentum
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Der österreichische Autor Wolf Haas erzählt in „Eigentum“ von seiner fast 95-jährigen Mutter. Er schildert die Gespräche mit der Hochbetagten an ihren letzten Lebenstagen im Altenheim, gibt ihre Erinnerungen ...

Der österreichische Autor Wolf Haas erzählt in „Eigentum“ von seiner fast 95-jährigen Mutter. Er schildert die Gespräche mit der Hochbetagten an ihren letzten Lebenstagen im Altenheim, gibt ihre Erinnerungen wieder und lässt seinen Gedanken freien Lauf. Diese springen zwischen der Situation, der Vergangenheit, einer anstehenden Poetikvorlesung und der zu planenden Beerdigung hin und her. Das Ganze liest sich keineswegs schwermütig, sondern ist eine feine Mischung nüchterner, anrührender und skurriler Betrachtungen – und eine Hommage an die Mutter.

Marianne Haas war offensichtlich kein einfacher Charakter und tickte ganz anders als der Autor selbst. Man war sich vermutlich fern, fremd und nah zugleich, wie das nur in engen familiären Beziehungen der Fall sein kann. 1923 in ärmlichen Verhältnissen geboren, hatte die Frau ein oft hartes und karges Leben und immer ein Ziel vor Augen, das der Autor auch als Titel seines Romans gewählt hat: Eigentum. Doch Marianne Haas konnte nie Eigentum erwerben, trotz „sparen, sparen, sparen“ (sie war eine Liebhaberin von dreifachen Wortwiederholungen). Die notwendige Anzahlung wurde immer erhöht, wenn das Sparziel in greifbarer Nähe schien, Inflation entwertete das Geld – im Jahr der Hyperinflation geboren, scheint sich dieses Motiv durch ihr Leben zu ziehen. Erst als ihr Mann beerdigt und auf dem Friedhofskreuz auch bereits ihr Name verewigt ist, ist dem Gefühl nach eigener Grund und Boden da – wenn auch anders als vom Leben erhofft.

Wolf Haas lässt seine Mutter selbst zu Wort kommen, wenn es um ihre Lebenserinnerungen geht. Familiengeschichte, Servierkurs, Arbeit im Grandhotel, Kriegserinnerungen werden aus ihrer Perspektive und in einem ihr eigenen, unemotionalen Erzählstil geschildert. Dazwischen hängt der Sohn seinen Gedanken nach. „Eigentum“ ist ein schmales Büchlein von 157 Seiten mit keinerlei Längen. Es betrachtet ein Leben und das Leben äußerst kurzweilig, liest sich mal tragisch, mal amüsant und hat mich so manches Mal wegen einer knapp geäußerten Lebensweisheit, einer scharfsinnigen Betrachtung, eines bittersüßen Einschubs oder ein paar unerwarteten Humorfunken innehalten lassen. Ein gutes Buch, eine gelungene Hommage. Lesen, lesen, lesen.

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Veröffentlicht am 01.09.2023

Stimmung & Atmosphäre

Die Neapolitanische Saga 1: Meine geniale Freundin
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Dass ich „Meine geniale Freundin“ gelesen habe, ist schon eine ganze Weile her. Tatsächlich ist es damals für mich beim ersten Band der neapolitanischen Saga geblieben, da mich die Geschichte nicht ganz ...

Dass ich „Meine geniale Freundin“ gelesen habe, ist schon eine ganze Weile her. Tatsächlich ist es damals für mich beim ersten Band der neapolitanischen Saga geblieben, da mich die Geschichte nicht ganz so sehr gepackt hat. Die Hassliebe von Lila und Lenù fand ich anstrengend, die meist nur flüchtig auftauchenden männlichen Protagonisten teilweise schwer auseinanderzuhalten und etwas deprimiert hat mich die Geschichte auch. Aber es kann ja immer sein, dass man ein Buch ein paar Jahre später anders bewertet und die Idee, mich dem Ganzen nochmal mit Hilfe einer Graphic Novel zu nähern, fand ich reizvoll.

Tatsächlich ist der Zugang zur illustrierten Adaption von „Meine geniale Freundin“ viel leichtfüßiger. Die Zeichnungen vermitteln sofort Atmosphäre. Stimmungen werden durch kühle Farben und ausdrucksvolle Augenpartien ausgedrückt, Armut und Trostlosigkeit des Rione, wo die Geschichte spielt, sind sofort greifbar. Als ich den Roman gelesen habe, hatte ich danach den Eindruck, dass mir einiges an Wissen über das damalige Italien fehlt, um die Situation der Protagonistinnen richtig erfassen zu können ... nach der Graphic Novel habe ich zumindest ein besseres Gefühl dafür.

Obwohl er großformatig ist und mehr als 250 Seiten fasst, kann der Comicroman die Geschehnisse natürlich längst nicht so detailliert schildern wie das Original. So werden viele Episoden nur angedeutet oder sehr verkürzt erzählt, zudem verleiten die plakativen Illustrationen, schnell durch die Seiten zu fliegen. Dadurch geht natürlich einiges verloren. Die Graphic Novel als Ergänzung zum Roman zu lesen, ist vermutlich ideal und wird der Geschichte am ehesten gerecht. Ich frage mich nur: Machen das so viele Menschen, dass sich das für den Verlag wirtschaftlich lohnt? Oder richtet sich die Graphic Novel vor allem an richtige Ferrante-Fans? Ich habe sie gerne durchgeblättert, gekauft hätte ich sie mir aber nicht.

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