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WinfriedStanzick

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Veröffentlicht am 21.08.2019

Ein Buch, das aus den vielen anderen Glücksratgebern auf dem Buchmarkt wohltuend herausragt.

Das gute Glück
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Michaela Brohm-Badry, Das gute Glück. Wie wir es finden und behalten können, Ecowin 2019, ISBN 978-3-7110-0170-2

Michaela Brohm-Badry, die Autorin des vorliegenden Buches, gilt als eine der renommiertesten ...

Michaela Brohm-Badry, Das gute Glück. Wie wir es finden und behalten können, Ecowin 2019, ISBN 978-3-7110-0170-2

Michaela Brohm-Badry, die Autorin des vorliegenden Buches, gilt als eine der renommiertesten Wissenschaftlerinnen auf dem Gebiet der Positiven Psychologie. Sie arbeitet als Professorin an der Universität Trier mit den Forschungsschwerpunkten Motivation, Lernen und Persönlichkeitsentwicklung.

Nach einem einschneidenden persönlichen Erlebnis, schreibt sie ihr erstes populärwissenschaftliches Buch „Das gute Glück“.

Um ein wissenschaftliches Buch fertigzuschreiben zieht Michaela Brohm-Badry wohl während eines Freisemesters mit ihren Hunden in eine einsame Mühle auf dem Land. Dort findet sie die Ruhe, die sie braucht um zu schreiben. Doch schon bald sieht sie sich mit dem bisher einschneidensten Erlebnis ihres Lebens konfrontiert. Von jetzt auf gleich fährt ihr ein Schmerz wie eine Pistolenkugel in den Kopf. Weitab von anderen Menschen bricht sie zusammen. Doch ihre Hündin Nike schubst sie eindringlich und ausdauernd und verhindert so, dass Michaele ins Koma fällt. Irgendwann schafft sie es, an eine Freundin einen Notruf zu schicken. Sie wird gerettet und eine schnelle Operation lässt sie das geplatzte Aneurysma in ihrem Gehirn überleben.

Wieder genesen, fragt sie sich, wie man so viel Glück haben kann und ausgehend von ihrem eigenen Schicksal und Leben beginnt sie, sich mit der Frage nach dem menschlichen Glücksempfinden auseinanderzusetzen. Sie erklärt in ihrem Buch, das sie als Ergebnis ihres populärwissenschaftlichen Nachdenkens einen breiten Publikum vorlegt,


Kann man so viel Glück haben? Die Professorin für Empirische Lehr-Lern-Forschung setzt sich nun eingehend mit dem Glück auseinander: Wir streben alle nach maximalem Wohlbefinden, nach einem sinnhaften Leben, nach Erfüllung im Privaten wie im Beruf. Glücklichsein ist des Menschen größtes Lebensziel. Doch manchen Menschen gelingt das nur unzureichend. Sie beschreibt, dass die Forschung nachgewiesen hat, dass Glück und die Fähigkeit dazu etwa zur Hälfte genetisch bedingt ist, das heißt auch durch die entsprechende Lebenserfahrung von Vorfahren vererbt.

Doch was ist mit der anderen Hälfte? Die Autorin zeigt im vorliegenden Buch, in einer gut lesbaren und inspirierend gelungenen Mischung aus Forschungsbefunden, Assoziationen aus Musik, Geschichte und Literatur einerseits und zahlreichen autobiographischen Passagen, dass Glück und Glücksempfinden auch etwas ist, was der Mensch lernen kann, was wir trainieren können wie etwa ein Hobby.

Durch die sehr persönliche Weise, wie sie ihre Leser anspricht, ist ihr Buch nicht nur zu einem wertvollen Ratgeber für Glückssucher geworden, sondern vermittelt auch zahlreiche und hilfreiche Anregungen zu den Themen Trost, Stärke und positiver Lebensmotivation.

Das Buch ist in sechs Hauptteile gegliedert:
1. Leben: Was wir wirklich brauchen
2. Leidenschaft für Leben und Leistung: Wie wir Energie erzeugen
3. Sehnsucht-Genuss-Befriedigung: Wie wir kriegen, was wir wollen
4. Abgründe und Halt: Wann wir uns zerstören und was hilft
5. Leid! Von Wellentälern und Wellenbergen
6. Glück und Stimmigkeit: Wie wir finden, was wir suchen

Es ist diese absolut gelungene Mischung zwischen persönlicher und biographischer Erfahrung und wissenschaftlichen Erkenntnissen, was dieses Buch so gut lesbar und wertvoll macht für seine Leser. Sie finden vielfältige Anregungen zu den Fragen:

- was konkret zum Glück verhilft und wie man es festhält
- was Freiheit, Motivation und Risikofreude mit Glück zu tun haben
- warum glückliche Menschen länger leben und weniger Stress haben
- wie man sich auf das fokussiert, was man am Leben liebt.

Ein Buch, das aus den vielen anderen Glücksratgebern auf dem Buchmarkt wohltuend herausragt.




















Veröffentlicht am 21.08.2019

In diesem originell gezeichneten Bilderbuch geht es vordergründig um das Radfahren,um Fahrräder und ihre Funktionen. Über den Straßenverkehr und seine Regeln und was man auf einer Fahrradtour so alles erleben kann.

Paul und Opa fahren Rad
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Karsten Teich, Paul und Opa fahren Rad, Gestenberg 2019, ISBN 978-3 8369-5614-7

In diesem originell gezeichneten Bilderbuch geht es vordergründig um das Radfahren,um Fahrräder und ihre Funktionen. Über ...

Karsten Teich, Paul und Opa fahren Rad, Gestenberg 2019, ISBN 978-3 8369-5614-7

In diesem originell gezeichneten Bilderbuch geht es vordergründig um das Radfahren,um Fahrräder und ihre Funktionen. Über den Straßenverkehr und seine Regeln und was man auf einer Fahrradtour so alles erleben kann.

Im Hintergrund und zwischen den Zeilen geht es aber auch um das Verhältnis eines kleinen Jungen namens Paul (er ist als kleiner Hase gezeichnet) und seinem auf dem Land auf einem alten Bauernhof lebenden Opa (er ist als langbeinige Ente mit einem extrem langen Hals porträtiert). Denn dieser Opa weckt seinen Enkel aus dessen Urlaubslangweile ohne Kino, Eisdiele und WLAN und Schwimmbad.

Es gebe da einen See, sagt er zu Paul. Aber wie dort hinkommen. Sie richten für Paul ein altes unter einer Hecke verstecktes Klapprad verkehrssicher her, und dann machen sie sich auf den abenteuerlichen Weg zum See. Unterwegs erleben sie, was es alles so an verschiedenen Rädern gibt, unter anderem ein Eisrad.

Bergauf und bergab geht es zum See. Selbst ein Platten kann die beiden nicht aufhalten. Und eines ist sicher: dieses Abenteuer mit seinem Opa wird Paul so schnell nicht vergessen. Und er wird nicht aufhören wollen in der Zukunft mit einem eigenen Rad unterwegs zu sein.


Veröffentlicht am 20.08.2019

Ein wichtiges Buch in einer Zeit, in der das, was den Menschen wirklich ausmacht, unter dem Druck wirtschaftlicher Interessen unterzugehen droht.

Die Wiederentdeckung des Menschen
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Andreas von Westphalen, Die Wiederentdeckung des Menschen, Westend 2019, ISBN 978-3-86489-213-4

Dass der Mensch wenn es darauf ankommt dem anderen Menschen ein Wolf ist, dass er quasi von Natur aus ein ...

Andreas von Westphalen, Die Wiederentdeckung des Menschen, Westend 2019, ISBN 978-3-86489-213-4

Dass der Mensch wenn es darauf ankommt dem anderen Menschen ein Wolf ist, dass er quasi von Natur aus ein egoistisches, immer auf seinen eigenen Vorteil bedacht und gerade aus der dadurch entstehenden Konkurrenzsituation mit anderen seine optimale Leistung erbringen kann - das kann als herrschende Meinung nicht nur in Wissenschaft, Politik und Wirtschaft betrachtet werden, sondern die meisten Menschen würden dieser Einschätzung aufgrund ihrer persönlichen Erfahrung hauptsächlich im beruflichen Kontext zustimmen.

Egoismus, Konkurrenz und Materialismus als den modernen Menschen leitende Interessen. Entspricht dieses "kapitalistische Menschenbild" wirklich der Natur des Menschen?

Der Autor des vorliegenden Buches widerlegt mit vielen Verweisen auf die wissenschaftliche Literatur vom Menschen diese Einschätzung. Seiner Meinung nach haben jene Wirtschaftswissenschaftler, die sie verbreiten, "offenbar keinerlei Anstrengung unternommen, einen wissenschaftlichen Beleg für ihre Grundannahmen über die Natur des Menschen zu suchen, auf die sie ein ganzes Gebäude errichten, von dessen strenger Wissenschaftlichkeit sie überzeugt sind..."

Das ist auch nachvollziehbar, denn "nichts ist gefährlicher für den Kapitalismus, der auf ständigem Wachstum basiert, als Genügsamkeit, als ein zufriedener Mensch … unsere Wünsche sollen durchaus geschürt, aber niemals dauerhaft befriedigt werden..."

An vielen Bespielen zeigt der Autor auf, dass der Mensch von seiner Natur her eben nicht egoistisch ist, und dass eine auf den Anderen bezogene Erziehung der Schlüssel für mehr Mitgefühl und Mitmenschlichkeit darstellt. Er zitiert Den Philosophen Richard David Precht, der darauf hinweist, dass die Wirtschaft "einen egoistischen Hedonisten und unersättlichen Konsumenten (braucht), der niemals zufrieden und auch nie in seiner Gier befriedigt ist. Die Gesellschaft hingegen bedarf eines altruistischen, anständigen, bescheidenen und zufriedenen Mitbürgers".

Und er kommt zu dem einsichtigen Schluss: "Wir stehen heute vor der Wahl: Entweder gestehen wir offen ein, dass wir das Wirtschaftssystem nicht ändern können. Dann sollten wir aber endlich so ehrlich sein und zugeben, dass dieses fundamental der Natur des Menschen widerspricht und diese zersetzt. Oder wir beginnen endlich, die Wirtschaft dergestalt umzubauen, dass sie der Natur des Menschen entspricht und sich der Mensch nicht mehr pervertieren muss, um sich der Natur der Wirtschaft anzupassen..."

Ein wichtiges Buch in einer Zeit, in der das, was den Menschen wirklich ausmacht, unter dem Druck wirtschaftlicher Interessen unterzugehen droht.





Veröffentlicht am 20.08.2019

Ein berührender Roman, der trotz allem Schmerz, den er beschreibt, so etwas wie begründete Hoffnung auf das Leben macht.

Männer in meiner Lage
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Per Petterson, Männer in meiner Lage, Hanser 2019, ISBN 978-3-446-26377-2

In der Nacht des 7. April 1990 geht die norwegische Fähre „Scandinavian Star“ mit 500 Passagieren an Bord auf dem Weg von Oslo ...

Per Petterson, Männer in meiner Lage, Hanser 2019, ISBN 978-3-446-26377-2

In der Nacht des 7. April 1990 geht die norwegische Fähre „Scandinavian Star“ mit 500 Passagieren an Bord auf dem Weg von Oslo nach Frederikshavn in Flammen auf und 159 Menschen kommen dabei ums Leben.

Der norwegische Erfolgsschriftsteller Per Petterson („Pferde stehlen“) lässt den Ich-Erzähler seines neuen Roman „Männer in meiner Lage“ von diesem Unglück betroffen sein, indem er die Handlung seines neuen Romans in das Jahr 1992 verlegt. Arvid Jansen, der in dem vorliegenden Buch seine Geschichte erzählt, hat bei dem Unglück nicht nur seine beiden Eltern, sondern auch einen Bruder verloren, nachdem sein anderer Bruder schon kurz vorher gestorben war.

Er ist verheiratet mit Turid und hat mit ihr drei reizende Töchter. Turid hat ihn verlassen und die Mädchen mitgenommen. Arvid ist Schriftsteller und lebt weiter in der ehedem gemeinsamen Wohnung. Doch obwohl er ein Stipendium bekommen hat, von dem er noch einige Zeit leben kann, ist an Schreiben nicht zu denken. Er leidet wie ein Tier unter dieser Trennung und auch der katastrophale Tod seiner Eltern und seiner Brüder holt seine Seele mit Macht ein

Mit vielen Rückblicken lässt Per Petterson Arvid auf eine sehr poetische Weise erzählen, wie er sein Leben versucht in der Griff zu bekommen und die Beziehung zu seinen geliebten Töchtern nicht abreißen zu lassen. Eine Tages entdeckt er in Unterlagen, die er in der Wohnung findet, dass seine Frau Turid schon sehr lange geplant hatte, sich von ihm zu trennen und lieber ein anderes Leben mit neuen Freunden (Arvid nennt sie die „Farbenfrohen“), die Trennung aber nach dem Schiffsunglück zunächst verschoben hatte.

Das macht für Arvid Jansens alles nicht einfacher. Er stürzt ab und es scheint bei seinem sozialen Abstieg zunächst keinen Weg zurück zu geben, bis er unter Schmerzen wieder die Kurve bekommt und langsam die Verantwortung besonders für seine älteste Tochter Vigdis erkennt und auch übernimmt, die unter der Trennung am meisten leidet und irgendwann zu ihm in die Wohnung zurückkommt. Mit einer eindrucksvollen Sprache voller „Zweideutigkeit, Melancholie, Galgenhumor und Zärtlichkeit“ (Aftenposten) lotet Per Petterson den existentiellen Schmerz und die Konflikte eines Mannes aus, der so kräftig im Leben zu stehen schien, drei erfolgreiche Bücher geschrieben und den lukrativen Auftrag für ein viertes in der Tasche hat, und der dennoch zunächst nicht verhindern kann, dass all diese menschlichen Verluste und Abschiede ihn zusammenbrechen lassen und für immer zu zerbrechen drohen.

Seine oft zufälligen Begegnungen mit anderen Frauen sind nicht befriedigend und er sehnt sich zurück zu seiner Familie, weiß aber nicht, wie er sie wieder zusammenbringen kann.

Per Petterson hat einen tiefgehenden und ernsten Roman geschrieben über einen verzweifelten Mann und wie er, wie vielleicht viele andere „Männer in meiner Lage“ verzweifelt, voller Schmerz und dennoch mutig versucht, dem Leben und der Zukunft zugewandt sein Leben wieder in den Griff zu bekommen. Behutsam, fast liebevoll und warmherzig ohne sentimental zu werden nähert er sich seinem Protagonisten und lässt ihn auf eine Weise ehrlich zu sich und zum Leser sein, die an vielen Stellen betroffen macht.

Auch wenn der Roman in Oslo und Umgebung spielt und man viel darin über das Leben und die Menschen in Norwegen lernt, kann das Schicksal Arvid Jansens stellvertretend für all jene Männer stehen, die die Bedrohung ihrer Beziehung zu lange übersehen und dann, wenn es zu spät ist, nicht wissen, wie ihnen geschieht.

Ob er seine Ehe retten kann, soll hier offen bleiben, aber man darf verraten dass er seine Verantwortung wieder entdeckt, zu alter männlicher und menschlicher Stabilität zurückfindet und auch seinen neuen Roman fertigstellen kann.

Ein berührender Roman, der trotz allem Schmerz, den er beschreibt, so etwas wie begründete Hoffnung auf das Leben macht.

„Männer in meiner Lage“ ist ein Roman, wie ihn Per Petterson seit „Pferde stehlen“ so überzeugend und gekonnt nicht mehr geschrieben hat.



Veröffentlicht am 20.08.2019

Eine neue Zeitexistenz jenseits des Uhrzeigergehorsams

Die Uhr kann gehen. Das Ende der Gehorsamkeitskultur.
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Karlheinz Geißler, Die Uhr kann gehen. Das Ende der Gehorsamkeitskultur, Hirzel 2019, ISBN 978-3-7776-2788-5

Eine neue Zeitexistenz jenseits des Uhrzeigergehorsams stellt Karlheinz Geißler, ein Experte ...

Karlheinz Geißler, Die Uhr kann gehen. Das Ende der Gehorsamkeitskultur, Hirzel 2019, ISBN 978-3-7776-2788-5

Eine neue Zeitexistenz jenseits des Uhrzeigergehorsams stellt Karlheinz Geißler, ein Experte für Zeit und Zeitempfinden, in seinem neuen Buch als neues Paradigma vor. Es gibt im Leben Wichtigeres als pünktliches oder unpünktliches Erscheinen.

Ja, so zeigt Geißler, die Verpflichtung zur Pünktlichkeit zehrt an den Kräften der Betroffenen und macht sie unfrei. Auch der Anspruch nach mehr Flexibilität in der modernen Gesellschaft, beraubt die Uhr ihres angestammten Herrschaftssitzes der Zeitorganisation.

So wichtig die Relativierung der Uhr als die das Leben der Menschen und die Ordnung der Gesellschaft beherrschende Instanz sein mag, so sehr Geißler auch recht hat mit seiner Kritik der Gehorsamkeitskultur als ein den Menschen knechtendes Herrschaftsinstrument, so sehr bleibt aber auch für mich jedenfalls richtig und wichtig, dass man sich auf feste zeitliche Vereinbarungen verlassen kann im sozialen Leben. Es ist halt nicht egal, ob jemand zu einem Medenspiel im Tennis etwa kommt, wann er will: Es ist nicht egal, ob der Handwerker einen Termin nennt bzw. einhält oder nicht. Viele weitere Beispiele würden mir noch einfallen.

Gleichwohl bleibt der befreiende Hinwies des Buches gültig: sich nicht mehr länger und die Knute der Uhr zu stellen, immer mehr in eine Stunde oder einen Tag hineinzupacken und sich damit seiner Freiheit zu berauben – das tut dem Menschen nicht gut. „Pünktlichkeit und ein gutes Leben, beides lässt sich schwerlich miteinander vereinbaren.“

Oder vielleicht doch?