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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 05.06.2017

Etwas andere Literaturgeschichte

Frauen und Bücher
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Einem speziellen Teil der Literaturgeschichte – nämlich dem weiblichen Lesen – widmet sich Stefan Bollmann in seinem Buch „Frauen und Bücher“. Jahrhundertelang haben Männer in der Vergangenheit versucht ...

Einem speziellen Teil der Literaturgeschichte – nämlich dem weiblichen Lesen – widmet sich Stefan Bollmann in seinem Buch „Frauen und Bücher“. Jahrhundertelang haben Männer in der Vergangenheit versucht Frauen das Lesen zu verbieten, gerade Unterhaltungsliteratur galt als gefährlich und verpönt. Hinter dem Verbot steckte vor allem die Angst der Männer, dass Frauen durch das Lesen gebildeter und aufgeklärter werden könnten. Wie kamen Frauen zum Lesen, wie bekamen sie Zugang zur Literatur und wie haben Frauen die Literaturgeschichte beeinflusst sind daher die Hauptfragen in diesem Buch.

Das Buch ist in vier Teile gegliedert, die das 18., das 19., das 20 und das 21. Jahrhundert behandeln. Bollmann beginnt seine Ausführungen 1750 mit dem Studienabbrecher Friedrich Gottlieb Klopstock, der die Dichterlesung erfand, als er seine Oden einer Schar junger Frauen Vortrug und dafür Küsse kassierte. Im zweiten Teil konzentriert sich Bollmann vor allem auf schreibende Frauen im 19. Jahrhundert, wie Jane Austen oder Mary Shelly. Im dritten Teil stellt Bollmann hauptsächlich berühmte Leserin des 20. Jahrhunderts vor, man erfährt zum Beispiel welche Lieblingsbücher Marilyn Monroe hatte. Im vierten Teil widmet sich Bollmann modernen Phänomenen wie der Fanfiction.

Bollmanns Schreibstil ist anspruchsvoll, aber durchaus verständlich und es ist ihm gelungen das komplexe Thema „Frauen und Bücher“ sehr anschaulich und auch unterhaltsam darzustellen. Geschichtliche Fakten lockert er gekonnt mit Anekdoten auf. Man darf trotzdem nicht vergessen, dass man es hier mit einem Sachbuch zu tun hat. Ich persönlich kann ein Sachbuch nie in einem Zug durchlesen, sondern lese immer mal wieder ein paar Kapitel und brauche daher für so ein Buch auch länger, als für einen Roman.

Im Großen und Ganzen ist „Frauen und Bücher“ ein sehr gelungenes Sachbuch, das sich einem interessanten Thema widmet. Geeignet ist es vor allem für alle Buchliebhaber und jeden, der sich sehr für Literaturgeschichte interessiert.

Veröffentlicht am 05.06.2017

Vergeudete Ideen

Der geheime Salon
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Nachdem ich von Karin Engels Büchern „Die Kaffeeprinzessin“ und „Das Erbe der Kaffeeprinzessin“ sehr begeistert war, wollte ich unbedingt noch mehr Romane der Autorin lesen. Leider war „Der geheime Salon“ ...

Nachdem ich von Karin Engels Büchern „Die Kaffeeprinzessin“ und „Das Erbe der Kaffeeprinzessin“ sehr begeistert war, wollte ich unbedingt noch mehr Romane der Autorin lesen. Leider war „Der geheime Salon“ ein Fehlgriff für mich. Zwar geht es auch in „Der geheime Salon“ um das Schicksal einer starken Frau zu Beginn des 20. Jahrhunderts, trotzdem ist der Roman ganz anders geraten als die anderen Bücher Engels. Zunächst ist „Der geheime Salon“ vielmehr ein Krimi als ein historischer Roman. Die Geschichte spielt zwar im Jahr 1905, das Jahr tut aber eigentlich überhaupt nichts zur Sache. Die Geschichte hätte genauso gut 50 Jahre zuvor oder danach angesiedelt sein können. De Roman handelt von der 38 Jahre alten Charlotte, Tochter einer angesehenen Bremer Kaufmannsfamilie, die vor Jahren unfreiwillig an einen spanischen Mandelbaumplantagen-Besitzer verheiratet worden ist – obwohl sie eigentlich das Familienunternehmen hätte erben sollen. Als sie nach dem plötzlichen Tod ihres Mannes auch noch völlig mittellos
dasteht, kehrt sie in ihr Elternhaus zurück und möchte herausfinden, warum ihr Vater sie damals hatte so dringend loswerden wollen. Im Großen und Ganzen geht es im ganzen Buch nur um die Frage, warum Charlotte bei ihren Eltern in Ungnade gefallen ist und ihre geplanten Rache.

Um Spannung zu erzeugen, hat Engel mehrere Handlungsstränge entworfen und erzählt die Geschichte aus der Sichtweise mehrerer Personen. Nur sehr zögerlich gibt sie nach und nach Stückchen preis, die dann zusammen zur Auflösung des Rätsels beitragen sollen. Dieser Kunstgriff ist Engel meiner Meinung nach misslungen. Anfänglich findet man die Geschichte dadurch tatsächlich sehr spannend, nach und nach strengt einen das viele nebulöse Geschwätz aber einfach an. Spätestens wenn man ab der Hälfte
des Romans merkt, wohin die Geschichte führen wird, wirkt der ganze Aufwand auf diese Art und Weise Spannung zu erzeugen einfach lächerlich. Viele Begebenheiten im Roman sind zudem sehr an den Haaren herbeigezogen. So trifft Charlotte natürlich ganz zufällig noch auf weitere Frauen, denen auch allen irgendwie mal Unrecht angetan worden ist und die sich jetzt an Charlottes Rachespielen beteiligen. Irgendwann wirkt der Roman wie eine seltsame Mischung aus „Club der Teufelinnen“ und einem Verwirrspiel, wie es normalerweise auf Volkstheaterbühnen
aufgeführt wird.

Schade, denn eigentlich stecken in dem Roman eine Menge Potenzial und gute Ideen. Es werden wahnsinnig viele Geschichten und Schicksale angeschnitten, die mich durchaus interessiert hätten die vielleicht sogar einen eigenen Roman verdient hätten. Leider werden sie aber nicht ausgearbeitet oder richtig zu Ende geführt. Sie bleiben einfach leer im Raum stehen. Da wird zum Beispiel der Hanfschmuggel zu Beginn des 20. Jahrhunderts erwähnt, richtig viel erfährt man darüber dann aber nicht. Ein Buch, das mich nicht bannen konnte.

Veröffentlicht am 05.06.2017

Bewegend, emotional, großartig

Ein Sommer wie dieser
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Normalerweise bin ich ja nicht so der Liebesroman-Typ. Doch obwohl „Ein Sommer wie dieser“ nichts anderes ist, hat mich das Buch extrem begeistert. Tatsächlich würde ich fast soweit gehen zu behaupten, ...

Normalerweise bin ich ja nicht so der Liebesroman-Typ. Doch obwohl „Ein Sommer wie dieser“ nichts anderes ist, hat mich das Buch extrem begeistert. Tatsächlich würde ich fast soweit gehen zu behaupten, dass der Roman einer der berührensten, schönsten, bewegensten und romantischsten ist, die ich je gelesen habe. Die Geschichte handelt von Klara und Stephan. Anfang der 80er Jahre lernen sich beide, damals noch junge Studenten, im Urlaub in Italien kennen und verlieben sich ineinander. Sie verbringen nur wenige, aber intensive Tage miteinander und werden durch eine unglückliche Verkettung von Umständen voneinander getrennt. Über 20 Jahre später begegnen sich die beiden durch einen Zufall wieder. Stephan ist mittlerweile Literaturprofessor und hat seine Affären. Klara ist verheiratet und hat eine erwachsene Tochter. Dieses Zusammentreffen stellt nun alles, was bisher im Leben der beiden passiert ist, in Frage und bringt alles durcheinander. Denn Klara und Stephan haben sich nie vergessen und auch ihre Liebe scheint nicht vergangen zu sein. Was dieses Buch vor allem ausmacht und was mich von Anfang an an das Buch gefesselt hat, ist der Schreibstil. Hohberg schreibt sehr gefühlvoll, auch ein wenig poetisch und exquisit, aber trotzdem angenehm. Das ganze Buch besteht im Endeffekt nur aus wunderschönen, immer treffenden Formulierungen, die alle sehr tief gehen und nie etwas Schmalziges an sich haben. Gelungen ist der Autorin auch der Plot. Viele Dinge sind eigentlich sehr vorhersehbar, doch der Roman legt es gar nicht darauf an, besonders spannend zu sein oder große Geheimnisse offenzulegen. Alles geschieht sehr schlüssig und die Geschichte ist zu keinem Zeitpunkt übertrieben oder kitschig. Auf der emotionalen Ebene hat mich der Roman auf jeden Fall gepackt. Ich habe gelacht, geweint, gebangt und hatte mehrmals Gänsehaut. Ganz große Literatur einer tollen Erzählerin.

Veröffentlicht am 05.06.2017

Tiefe Einblicke in die Machenschaften der Mafia

Der Pate
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Macht, Verrat, Liebe und Treue bis in den Tod: „Der Pate“ ist ja mittlerweile schon ein richtiger Klassiker und der Mafia-Roman schlechthin. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich die Filme noch ...

Macht, Verrat, Liebe und Treue bis in den Tod: „Der Pate“ ist ja mittlerweile schon ein richtiger Klassiker und der Mafia-Roman schlechthin. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich die Filme noch nicht gesehen habe. Jetzt wollte ich aber zumindest einmal den Roman lesen. Im Roman geht es grob zusammengefasst um den Aufstieg eines sizilianischen Mafioso in New York. Als Vito Corleone am Gipfel seiner Macht ist und bereits als einer der gefürchtetsten Paten in den USA gilt, kommt es zu Auseinandersetzungen zwischen der Corleone-Familie und anderen Mafia-Familien in New York. Derweilen versucht sich Vitos jüngster Sohn Michael ein anderes Leben, fernab der Mafia, aufzubauen. Doch dann wird auf Vito ein Attentat verübt. Mir hat der Roman ganz gut gefallen. Es wird deutlich, dass Puto sehr gut recherchiert hat und relativ viel Ahnung von dem, über das er schreibt, hat. Man erfährt so einiges über die Geschichte der Cosa Nostra, also der sizilianischen Mafia sowie ihr Wirken in den USA in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Diese Einblicke fand ich extrem interessant. Ich fand es auch erschreckend, wie korrupt der Staatsapparat in den USA war und wie weit die Macht der Mafia reichte. Der Schreibstil ist sehr klar, präzise und fesselnden. Manchmal, meist wenn Vito im Buch zu Wort kommt, schwingt sehr viel Gefühl, Melancholie und Sehnsucht zwischen den Zeilen mit. Die Charaktere sind klar gezeichnet und psychologisch ausgeklügelt. So lässt man sich als Leser auch schon fast von Vitos Charme einlullen. Fällt auf seine besonnene, freundliche, väterliche Art herein und verkennt, dass es auch ihm nur um Rache und Macht geht, die er auch mit Brutalität durchsetzt. Ein Roman, den ich – trotz einiger Längen hier und da – sehr empfehlen kann.

Veröffentlicht am 05.06.2017

Über das Erwachsenwerden

Ich gegen Osborne
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Wie schon in „Vincent“ stellt Goebel in seinem neuesten Werk „Ich gegen Osborne“ wieder einen Außenseiter ins Zentrum des Geschehens. Goebel beschreibt in seinem Roman einen Schultag im Leben des Zwölftklässlers ...

Wie schon in „Vincent“ stellt Goebel in seinem neuesten Werk „Ich gegen Osborne“ wieder einen Außenseiter ins Zentrum des Geschehens. Goebel beschreibt in seinem Roman einen Schultag im Leben des Zwölftklässlers James Weinbach. James ist anders als die anderen Schüler, ein Sonderling. Er trägt gerne Anzüge, will Schriftsteller werden, begegnet seinen Mitmenschen mit ausgesprochener Höflichkeit und hört nicht Pop oder Hip-Hop sondern Jazz. Mit den meisten seiner Mitschüler kann er nichts anfangen, zu oberflächlich sind sie ihm, zu sehr auf Party, Sex und Drogen versessen. Nach dem Spring Break möchte James endlich Chloe, in die er verliebt ist, um ein Date fragen. Doch sie scheint sich in den Ferien verändert zu haben. Und generell wird nach diesem ersten Schultag nach den Ferien in James´ Leben nichts mehr so sein wie zuvor. Mir hat der Roman recht gut gefallen, vor allem der Aufbau hat mich fasziniert. Goebel kritisiert in seinem Roman zunächst in erster Linie die amerikanische Party- und Spaßgesellschaft. James dient ihm sozusagen als Gegenpool, als der einzige Vernünftige in einer hedonistischen Welt ohne Moral, Anstand und Klasse. Allerdings kreiert Goebel dann eine Wendung, die auch James´ Verhalten als nicht ganz korrekt entlarvt. Ein wunderbares Buch über das Erwachsenwerden, das uns vielleicht auch ein wenig lehrt, dass man nicht allzu kritisch auf andere herabsehen sollte, dass man erst versuchen sollte hinter die Maske eines Menschen zu blicken.