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Veröffentlicht am 12.03.2020

Ein fantastisches, vielseitiges, originelles, und spannendes Abenteuer für Groß und Klein!

Siramir
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Als die Autorin an mich herantrat und ich diese Geschichte zum ersten Mal gelesen habe, hatte ich es an einem Tag beendet wurde sofort bezaubert von den originellen Ideen, der kindlichen Unschuld und Fantasie, ...

Als die Autorin an mich herantrat und ich diese Geschichte zum ersten Mal gelesen habe, hatte ich es an einem Tag beendet wurde sofort bezaubert von den originellen Ideen, der kindlichen Unschuld und Fantasie, die in dieser Geschichte steckt. Trotz dass ich nicht gerade der Zielgruppe des Kinderbuchs entspreche, wurde ich geradezu in die Welt von Siri, Drago, Sophie, Sam und all den anderen hineingezogen und konnte es bis zum Ende nicht mehr beiseite legen. Erfrischend innovativ, liebevoll erzählt und toll mit Bonusmaterial ausgestaltet!

Das Cover wirkt mit dem kleinen, grauen Drachen vor einem blauen Sommerhimmel zwar sehr verspielt, die Gestaltung ist aber so schlicht, dass nicht alles gleich KINDERBUCH schreit. Der Drache trifft genau meine eigene Vorstellung vom kleinen Drago und macht sich meiner Meinung nach deshalb ganz wunderbar in dieser prominenten Position. Auch der Titel - wenn er auch für Leser, die die Geschichte noch nicht kennen etwas wunderlich klingen mag - passt genau zur Handlung und hat zudem einen hohen Wiedererkennungswert. Er klingt geheimnisvoll, innovativ und hebt sich von anderen Titeln dadurch ab, dass es ihn noch nirgends gibt. Besonders toll ist jedoch die Gestaltung innerhalb der Buchdeckel, wo einige Überraschungen auf die Leser warten. Die von der Autorin selbst gezeichneten Skizzen und Illustrationen, die jedem Kapitel vorangestellt sind, runden den Gesamteindruck wundervoll ab und lockern den Text auf. Auch die vielen enthaltenen Briefe und Ausschnitte aus Lehrbüchern sind durch den Hintergrund optisch hervorgehoben und besonders ausgestaltet. Zudem hilft eine ausführliche Namensliste der Hauptpersonen am Ende der Geschichte dabei, den Überblick zu wahren.

Das ganz besondere Plus des Romans ist jedoch das Bonusmaterial. Wer nicht nur mitdenken, mitleiden und mitfiebern will, kann durch den Anhang hier auch tatsächlich mit-machen. Angefügt ist hier zum Einen Siris Denk-Mich-Buch, in dem sie während der Geschichte wissenswerte Informationen zu den Kräutern sammelt, die im Buch vorkommen und das außerdem spannende Rezepten und Anwendungstipps von Drago enthält, die man ganz einfach Zuhause nachmachen kann. Zum Anderen kann man mit den einfachen aber ausführlichen Anleitungen am Ende des Buches Sams spektakulären Zaubertrick nachmachen, einen funktionierenden (hab ich getestet ^^) Solarkocher bauen und Drago als 3D-Hologramm auferstehen lassen. Damit man das auch immer parallel zu den Protagonisten im Buch machen kann, weist der kleine Drago durch Sprechblasen im Text an den passenden Stellen der Geschichte darauf hin, wenn man eine vorgestellte Aktion einfach nachmachen kann und lässt so das ganze Leseerlebnis viel wahrhaftiger, realistischer und näher wirken. Als Selfpublisherin und ohne die Hilfe eines Verlags ein Mitmach-Buch zu gestalten finden ich wirklich beeindruckend!

Erster Satz: "Der Orkan schickte seine Vorboten"

Wir steigen schon mit einer sehr rasanten, spannenden Szene in die Geschichte ein und auch wenn sich diese schnell als Traum entpuppt, ist das Leben der jungen Siri Siebenstein alles andere als gewöhnlich oder langweilig. Denn die kleine Rebellin mit den wilden Locken und der Vorliebe für Kräuter, ist eine richtige Hexe. Natürlich muss sie wie alle Kinder das Hexen erst noch lernen und geht dafür auf die Hexenschule, wo sie es aber nicht gerade einfach hat. Nicht nur dass der gemeine Robert es immer auf sie abgesehen hat, auch das mit den Zaubersprüchen und dem Besenreiten will ihr nicht so gelingen, wie sie es gerne hätte. Gut dass ihr ihre beste Freundin Sophie und ihr Freund Sam zur Seite stehen. Als sie aber von ihrer Tante eine Drachenstatue aus Onyx geschenkt bekommt und von einer uralten Prophezeiung erfährt, beginnt sich das Blatt für sie zu wenden. Zusammen mit ihren Freunden kommt sie einer Verschwörung der Hexen auf die Schliche, deckt ein uraltes Geheimnis auf und als sie endlich zeigen kann, was in ihr steckt, ist der kleine Drache plötzlich viel lebendiger als angenommen...

Zugegebenermaßen gibt es etliche Hexen-/ Zauberer-/ Magiergeschichten auf dem Markt, sehr schön und besonders an dieser ist, dass sie in eine andere Richtung geht als die typischen Romane. Wie schon erwähnt geht es hier auch um die Kraft von Heilpflanzen, wobei die Autorin ihre Expertise zeigt und gut verständlich und als süßes Extra ihr Wissen miteinfließen lässt. Auch dass sie Drachen und eine Zauberschule mit Prophezeiungen, einer Verschwörung, einem Abenteuer und einer Rebellion verknüpft, empfand ich als abwechslungsreiche Mischung. Das Beste sind jedoch die vielen kleinen, kreativen und oft auch lustigen Ideen, die der Geschichte einen ansprechenden Charme verleihen und mich des Öfteren schmunzeln ließen. So wurde ich von Froschi, der etwas anderen Schulglocke, Orphelia, der leicht verrückten Orakeleule, dem Kleinkrieg der Wichtel gegen die Nemas, der Idee mit Mutter Natur und nicht zuletzt dem kleinen, frechen Drachen Drago, der so vehement darauf besteht, ein großer "Magnus" zu sein, völlig verzaubert. Er war mein absoluter Liebling und ich wünsche mir auch unbedingt ein nuschelndes Drachenarmband Und außerdem will ich unbedingt auch so ein Denkmichbuch, das würde mir meinen Alltag deutlich erleichtern!!!

Neben den Kleinigkeiten ist auch der gesamte Plot gut durchdacht, strukturiert und mit einer ausgefeilten Spannungskurve versehen. Der Anfang beginnt schon sehr packend und auch das Ende ist wartet mit einem spektakulären Showdown auf, den ich so niemals erwartet hätte. An dieser Stelle sei vorgetragen, dass die Geschichte auch unbedingt ältere Leser begeistern kann (ich bin da das beste Beispiel dafür), da viele kleine Anspielungen und politische Intrigen, die nebenbei ablaufen extra für Mitlesende oder Vorlesende Eltern eingebaut wurden. Dass viele wichtige Gedanken und Thematiken der angesprochenen Altersgruppe wie zum Beispiel Mobbing, Anderssein, Geheimnisse, der Umgang mit Technik und Respektspersonen und den Platz in der Gesellschaft zu finden geschickt verarbeitet sind, ist natürlich auch ein Punkt, den ich einfach genial fand.

All das verbindet der Schreibstil, der trotz dass das Noca Kreschs erster Roman ist, sehr erfahren wirkt und sehr oft genau den Punkt trifft. Wie sie es schaffst, die Personen die auftreten, gleich schnell und beinahe beiläufig zu charakterisieren, sodass man gleich ein gutes Bild vor Augen hat, hat mir sehr gut gefallen, genauso wie die umschreibenden aber nicht ausufernden visuellen Beschreibungen. Außerdem sind die Dialoge wunderbar ausgefeilt - sie klingen gleichzeitig so strukturiert, als ob sie sehr oft überarbeitet worden wären, aber noch zufällig und einfach genug, dass sie Kinder führen und verstehen können. Das ist eine wirkliche Kunst, die nicht von allen Kinderbuchautoren so gut gekonnt wird.

Als letzten Punkt will ich noch schnell auf die Protagonisten kommen. Die drei Hauptcharaktere sind alle als sympathische Helden aufgezogen, sodass bestimmt jeder Leser einen Teil von sich selbst in einem der drei Freunde entdecken könnte. Vor allem, wie gut die drei zusammenhalten und sich ergänzen hat mir sehr gut gefallen. Das Wort "Siramir" ist deshalb eine perfekte Zusammenfassung dieses Wir-Gefühls, ohne das die ganze Mission gescheitert wäre, und somit meiner Meinung nach der perfekte Titel für diese Geschichte. Dadurch dass die Autorin einen auktorialen Erzähler gewählt hat, bekommt der Leser einen Einblick in alle drei Hauptcharaktere, sowie einige Nebencharaktere und ab und an auch die Antagonisten. Sehr spannend fand ich auch die Figur Robert, die vielschichtiger ist, als zu Beginn gedacht. Wie vorher schon mal angedeutet ist Drago aber mein absoluter Favorit. Der kleine, freche Racker, der mit den typischen Wesenszügen eines Drachen nicht viel gemein hat und alles andere als weise und bedacht erscheint, birgt viele Überraschungen und ist immer für einen Lacher gut. Einfach hinreißend dieses kleine Biest.

Ihr seht, ich bin begeistert von diesem Kinderbuch, dass ich gerne an alle Fantasy-Leser weiterempfehlen möchte. Besonders die Wendung am Schluss, die vielen kleinen Details und das toll gestaltete Bonusmaterial haben mich überzeugt!


Fazit:


Ein fantastisches, vielseitiges, originelles, und spannendes Abenteuer für Groß und Klein. Viele kreative und lustige Ideen, authentische Protagonisten und das liebevoll gestaltete Bonusmaterial machen die Geschichte zu einem Muss für Fantasy-Leser!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 12.03.2020

Eine beeindruckende Geschichte über ein Jahr voller Freundschaft, Mobbing, Abenteuer, Trauer, Gewalt, Glück, Wut und erste Liebe...

Das Jahr in der Box
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Als ich begonnen habe, meine Rezension zu schreiben, war ich total geschockt, dass noch nirgends über dieses Buch geredet wird, noch nicht mal auf Instagram. Keine einzige Rezension auf Amazon, keine Kurzmeinung ...

Als ich begonnen habe, meine Rezension zu schreiben, war ich total geschockt, dass noch nirgends über dieses Buch geredet wird, noch nicht mal auf Instagram. Keine einzige Rezension auf Amazon, keine Kurzmeinung auf Lovelybooks, nicht mal eingetragen auf Goodreads (dank mir jetzt schon, gern geschehen, Carlsen Verlag!) und das obwohl der Roman schon am 5. März erschienen und überall zu kaufen ist. Dass ich mich mittlerweile fühle, als sei ich der einzige Mensch, der diese Geschichte schon gelesen hat macht mich sehr traurig, denn "Das Jahr in der Box" ist ein beeindruckender Jugendroman über ein Jahr voller Freundschaft, Mobbing, Abenteuer, Trauer, Gewalt, Glück, Wut und erste Liebe...

Das Cover ist wirklich toll und einfallsreich gestaltet. Unter dem hellen Umschlag ist das relativ dünne Büchlein dunkelblau und auch innerhalb der Buchdeckel ist die Gestaltung eher schlicht und unauffällig. Vorn auf dem Umschlag zusehen sind neben den überdimensionalen, ausfüllenden Buchstaben des Titels einzelne Gegenstände aus Pauls Box, die zusammengenommen eine Geschichte von einem ereignisreichen, prägenden Jahr erzählen, auf das wir nun zusammen mit dem Protagonisten Paul zurückblicken. Deshalb hätten Autor und Verlag auch keinen passenderen Titel für diese Geschichte finden können.


Erster Satz: "Die Box ist ungefähr so groß wie ein Schuhkarton"


Was ein kaputtes IPhone, eine Sonnenbrille, ein Kondom, eine Dose Mentos, ein rotes Armband, ein Stapel Kinokarten, eine Pizza-Speise-Karte, ein Bierdeckel mit einer Strichliste, ein Programmflyer der Theater-AG, eine Superhelden-Kurzgeschichte und ein Springmesser gemeinsam haben, erfahren wir erst nach und nach. Jedem Gegenstand in der Box wird ein Kapitel gewidmet, indem Paul sich an die Szenen erinnert, die er mit dem Gegenstand verbindet. Auf diese Weise ist es dem Autor erlaubt, gezielte Zeitsprünge zu wichtigen Ereignissen zu unternehmen und uns Schritt für Schritt zu erzählen, was im letzten Jahr in Pauls Leben passiert ist. Wir erleben große Entwicklungen, zum Bespiel wie drei Außenseiter (oder auch genannt MoFs) langsam Freunde werden, wie sie sich zusammen den fiesen Attacken und Anfeindungen der sogenannten "Wicker Crew" um Kotzbrocken Wieland und seinen Schlägerfreund Glotz stellen müssen, wie sich Paul zum ersten Mal verliebt. Wir lesen aber auch von ganz normalen Momenten aus dem Leben eines Teenagers wie Computer-Matches unter Freunden, Schulpartys, Mathe-Unterricht, Hausarrest und nächtlichen Abenteuern. Dabei nähern wir uns auf der zeitlichen Ebene immer weiter dem Tag X, an dem einer von ihnen tragisch zu Tode kommen wird. Dass es zu einem solchen Ende kommen wird, wissen wir schon von Beginn an aus den Kapiteln der Jetzt-Ebene, die mit "Heute" betitelt wurden. Auch wenn durch die zweigeteilte Erzählweise viel vorweg genommen wurde, bleibt offen: wer, wann, wie und warum? Und so stellen wir uns zusammen mit Paul den harten aber auch wichtigen Erinnerungen und angestauten Gefühlen, mit denen er sich am Tag des Umzugs endlich befassen muss und finden so heraus, was passiert ist...

Durch die Andeutungen und Vorgriffe, die Michael Sieben gekonnt einstreut, wird gerade so viel Information preisgegeben, um den Leser neugierig zu machen. Dieses geschickte Spielen mit der Zeit ist neben der sich im Verlauf der Geschichte immer mehr herausbildenden dunklen Vorahnung, die einen beschleicht der Hauptgrund, warum die Geschichte immer spannend bleibt. Zu einem späteren Zeitpunkt beginnt auch die Handlung auf der Jetzt-Ebene sich selbstständig zu entwickeln und für Dynamik zu sorgen. Ein weiterer Punkt, der diese Geschichte so reich und spannend macht, ist, dass in diesem dünnen Büchlein so viel an Inhalt enthalten ist. Hier geht es um Freundschaft, Mobbing, Nerdkultur, Kleinstadtleben, Sexismus, Armut, alltägliche Herausforderungen und in erster Linie um die überraschend echten Gedanken und Gefühle eines Teenagers, der vielleicht ein bisschen mehr mitmachen musste, als der Durchschnitt, sonst aber jeder von uns sein könnte. Ständig dachte ich bei einer Szene, bei einem Gefühl "ja genau" und war von der leisen Weisheit beeindruckt, die sich hierin versteckt ohne sich jeweils altklug zu zeigen.

Allgemein hat mir der Schreibstil des Autors sehr gut gefallen, da man hier die angestaute jugendliche Energie der Protagonisten wunderbar nachfühlen kann. Michael Sieben schreibt erfrischend, humorvoll, bildreich - schlicht aber träumerisch schildert er Situationen greifbar real und versteckt auch immer wieder ein wenig Ironie zwischen den traurigen Momenten. Trotz der ernsten Thematik schafft es der Autor ab und zu durch trockenen Humor, wunderschöne philosophische Sätzen und eine ruhige, angedeutete Liebesgeschichte, die sich aber hier eher am Rand abspielt, aufzulockern. Etwas gewöhnungsbedürftig ist nur die fehlende wörtliche Rede in den Gegenwart-Szenen, die durch Halbsätze und Spiegelstriche ersetzt wurden. Ich weiß nicht was das immer ist mit hippen Jugendromanen und wörtlicher Rede (siehe "tschick" oder "Schöner als überall")… Ansonsten trifft der Autor genau den Ton der Jugendlichen und man nimmt den Protagonisten man ihre Jugendsprache, ihre Gefühle und ihre Denkweise ab, was absolut nicht selbstverständlich ist und bei vielen anderen Autoren schon daneben gegangen ist (zum Beispiel bei einem der zuvor genannten Bücher, ich denke ihr findet schnell raus welches ich meine ^^). "Das Jahr in der Box" ist ungezwungen erzählt aber nicht flapsig, teilweise ungewöhnlich aber nicht unrealistisch, auf nette Weise schräg aber nicht konfus und allgemein so voller witziger, glücklicher aber auch trauriger, tragischer Momente, dass man es einfach lieben muss.

Das Kernstück der Geschichte ist hier aber -wie so oft- die Vielfalt an skurriler aber liebenswerter Protagonisten. Natürlich ist da der Protagonist Paul, der das gesamte U-Bahn-Netz von Berlin auswendig weiß, Superhelden-Geschichten schreibt, in denen er die Gedanken anderer lesen und kontrollieren kann, in seiner neuen Klasse aber aufgrund eines misslungenen Nasen-Spruchs auf der Abschussliste steht und jeden Tag Grausamkeiten ertragen muss, die weit über peinliche Spitznamen und Hänseleien hinausgehen. Zu seiner beziehungsunfähigen Oberarzt-Mutter Bille hat er eigentlich ein gutes Verhältnis, er will sie nur nicht noch mehr belasten und behält deshalb vieles für sich. Als er langsam mehr Kontakt zu dem übergewichtigen Mehmet knüpft, der ihn als einziges wie ein Mensch behandelt und auch der kleine, schmächtige Ken mit der großen Klappe für ihn einsteht, beginnt sich seine Lage zu verbessern. Wie aus den drei komplett unterschiedlichen Außenseitern Freunde werden, ist wirklich schön mitanzusehen. Mit Wieland und Glotz und deren Clique haben die drei einen harten Gegner. Gut dass ihnen auch Kens Cousine Mara zur Seite steht, die nachts als "Wicker City Queen" feministische Botschaften auf Hauswänden hinterlässt.

Das Ende kam für mich trotz einiger Andeutungen relativ überraschend und findet einen runden Abschluss für die Geschichte, sodass wir Paul guten Gewissens auf seinem weiteren Weg alleine lassen können.


Fazit:


"Das Jahr in der Box" ist ungezwungen erzählt, aber nicht flapsig, teilweise ungewöhnlich aber nicht unrealistisch, auf nette Weise schräg aber nicht konfus und allgemein so voller witziger, glücklicher aber auch trauriger, tragischer Momente, dass man es einfach lieben muss. Eine beeindruckende Geschichte über ein Jahr voller Freundschaft, Mobbing, Abenteuer, Trauer, Gewalt, Glück, Wut und erste Liebe...

Veröffentlicht am 12.03.2020

Eine beeindruckende Geschichte über ein Jahr voller Freundschaft, Mobbing, Abenteuer, Trauer, Gewalt, Glück, Wut und erste Liebe...

Das Jahr in der Box
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Als ich begonnen habe, meine Rezension zu schreiben, war ich total geschockt, dass noch nirgends über dieses Buch geredet wird, noch nicht mal auf Instagram. Keine einzige Rezension auf Amazon, keine Kurzmeinung ...

Als ich begonnen habe, meine Rezension zu schreiben, war ich total geschockt, dass noch nirgends über dieses Buch geredet wird, noch nicht mal auf Instagram. Keine einzige Rezension auf Amazon, keine Kurzmeinung auf Lovelybooks, nicht mal eingetragen auf Goodreads (dank mir jetzt schon, gern geschehen, Carlsen Verlag!) und das obwohl der Roman schon am 5. März erschienen und überall zu kaufen ist. Dass ich mich mittlerweile fühle, als sei ich der einzige Mensch, der diese Geschichte schon gelesen hat macht mich sehr traurig, denn "Das Jahr in der Box" ist ein beeindruckender Jugendroman über ein Jahr voller Freundschaft, Mobbing, Abenteuer, Trauer, Gewalt, Glück, Wut und erste Liebe...

Das Cover ist wirklich toll und einfallsreich gestaltet. Unter dem hellen Umschlag ist das relativ dünne Büchlein dunkelblau und auch innerhalb der Buchdeckel ist die Gestaltung eher schlicht und unauffällig. Vorn auf dem Umschlag zusehen sind neben den überdimensionalen, ausfüllenden Buchstaben des Titels einzelne Gegenstände aus Pauls Box, die zusammengenommen eine Geschichte von einem ereignisreichen, prägenden Jahr erzählen, auf das wir nun zusammen mit dem Protagonisten Paul zurückblicken. Deshalb hätten Autor und Verlag auch keinen passenderen Titel für diese Geschichte finden können.


Erster Satz: "Die Box ist ungefähr so groß wie ein Schuhkarton"


Was ein kaputtes IPhone, eine Sonnenbrille, ein Kondom, eine Dose Mentos, ein rotes Armband, ein Stapel Kinokarten, eine Pizza-Speise-Karte, ein Bierdeckel mit einer Strichliste, ein Programmflyer der Theater-AG, eine Superhelden-Kurzgeschichte und ein Springmesser gemeinsam haben, erfahren wir erst nach und nach. Jedem Gegenstand in der Box wird ein Kapitel gewidmet, indem Paul sich an die Szenen erinnert, die er mit dem Gegenstand verbindet. Auf diese Weise ist es dem Autor erlaubt, gezielte Zeitsprünge zu wichtigen Ereignissen zu unternehmen und uns Schritt für Schritt zu erzählen, was im letzten Jahr in Pauls Leben passiert ist. Wir erleben große Entwicklungen, zum Bespiel wie drei Außenseiter (oder auch genannt MoFs) langsam Freunde werden, wie sie sich zusammen den fiesen Attacken und Anfeindungen der sogenannten "Wicker Crew" um Kotzbrocken Wieland und seinen Schlägerfreund Glotz stellen müssen, wie sich Paul zum ersten Mal verliebt. Wir lesen aber auch von ganz normalen Momenten aus dem Leben eines Teenagers wie Computer-Matches unter Freunden, Schulpartys, Mathe-Unterricht, Hausarrest und nächtlichen Abenteuern. Dabei nähern wir uns auf der zeitlichen Ebene immer weiter dem Tag X, an dem einer von ihnen tragisch zu Tode kommen wird. Dass es zu einem solchen Ende kommen wird, wissen wir schon von Beginn an aus den Kapiteln der Jetzt-Ebene, die mit "Heute" betitelt wurden. Auch wenn durch die zweigeteilte Erzählweise viel vorweg genommen wurde, bleibt offen: wer, wann, wie und warum? Und so stellen wir uns zusammen mit Paul den harten aber auch wichtigen Erinnerungen und angestauten Gefühlen, mit denen er sich am Tag des Umzugs endlich befassen muss und finden so heraus, was passiert ist...

Durch die Andeutungen und Vorgriffe, die Michael Sieben gekonnt einstreut, wird gerade so viel Information preisgegeben, um den Leser neugierig zu machen. Dieses geschickte Spielen mit der Zeit ist neben der sich im Verlauf der Geschichte immer mehr herausbildenden dunklen Vorahnung, die einen beschleicht der Hauptgrund, warum die Geschichte immer spannend bleibt. Zu einem späteren Zeitpunkt beginnt auch die Handlung auf der Jetzt-Ebene sich selbstständig zu entwickeln und für Dynamik zu sorgen. Ein weiterer Punkt, der diese Geschichte so reich und spannend macht, ist, dass in diesem dünnen Büchlein so viel an Inhalt enthalten ist. Hier geht es um Freundschaft, Mobbing, Nerdkultur, Kleinstadtleben, Sexismus, Armut, alltägliche Herausforderungen und in erster Linie um die überraschend echten Gedanken und Gefühle eines Teenagers, der vielleicht ein bisschen mehr mitmachen musste, als der Durchschnitt, sonst aber jeder von uns sein könnte. Ständig dachte ich bei einer Szene, bei einem Gefühl "ja genau" und war von der leisen Weisheit beeindruckt, die sich hierin versteckt ohne sich jeweils altklug zu zeigen.

Allgemein hat mir der Schreibstil des Autors sehr gut gefallen, da man hier die angestaute jugendliche Energie der Protagonisten wunderbar nachfühlen kann. Michael Sieben schreibt erfrischend, humorvoll, bildreich - schlicht aber träumerisch schildert er Situationen greifbar real und versteckt auch immer wieder ein wenig Ironie zwischen den traurigen Momenten. Trotz der ernsten Thematik schafft es der Autor ab und zu durch trockenen Humor, wunderschöne philosophische Sätzen und eine ruhige, angedeutete Liebesgeschichte, die sich aber hier eher am Rand abspielt, aufzulockern. Etwas gewöhnungsbedürftig ist nur die fehlende wörtliche Rede in den Gegenwart-Szenen, die durch Halbsätze und Spiegelstriche ersetzt wurden. Ich weiß nicht was das immer ist mit hippen Jugendromanen und wörtlicher Rede (siehe "tschick" oder "Schöner als überall")… Ansonsten trifft der Autor genau den Ton der Jugendlichen und man nimmt den Protagonisten man ihre Jugendsprache, ihre Gefühle und ihre Denkweise ab, was absolut nicht selbstverständlich ist und bei vielen anderen Autoren schon daneben gegangen ist (zum Beispiel bei einem der zuvor genannten Bücher, ich denke ihr findet schnell raus welches ich meine ^^). "Das Jahr in der Box" ist ungezwungen erzählt aber nicht flapsig, teilweise ungewöhnlich aber nicht unrealistisch, auf nette Weise schräg aber nicht konfus und allgemein so voller witziger, glücklicher aber auch trauriger, tragischer Momente, dass man es einfach lieben muss.

Das Kernstück der Geschichte ist hier aber -wie so oft- die Vielfalt an skurriler aber liebenswerter Protagonisten. Natürlich ist da der Protagonist Paul, der das gesamte U-Bahn-Netz von Berlin auswendig weiß, Superhelden-Geschichten schreibt, in denen er die Gedanken anderer lesen und kontrollieren kann, in seiner neuen Klasse aber aufgrund eines misslungenen Nasen-Spruchs auf der Abschussliste steht und jeden Tag Grausamkeiten ertragen muss, die weit über peinliche Spitznamen und Hänseleien hinausgehen. Zu seiner beziehungsunfähigen Oberarzt-Mutter Bille hat er eigentlich ein gutes Verhältnis, er will sie nur nicht noch mehr belasten und behält deshalb vieles für sich. Als er langsam mehr Kontakt zu dem übergewichtigen Mehmet knüpft, der ihn als einziges wie ein Mensch behandelt und auch der kleine, schmächtige Ken mit der großen Klappe für ihn einsteht, beginnt sich seine Lage zu verbessern. Wie aus den drei komplett unterschiedlichen Außenseitern Freunde werden, ist wirklich schön mitanzusehen. Mit Wieland und Glotz und deren Clique haben die drei einen harten Gegner. Gut dass ihnen auch Kens Cousine Mara zur Seite steht, die nachts als "Wicker City Queen" feministische Botschaften auf Hauswänden hinterlässt.

Das Ende kam für mich trotz einiger Andeutungen relativ überraschend und findet einen runden Abschluss für die Geschichte, sodass wir Paul guten Gewissens auf seinem weiteren Weg alleine lassen können.


Fazit:


"Das Jahr in der Box" ist ungezwungen erzählt, aber nicht flapsig, teilweise ungewöhnlich aber nicht unrealistisch, auf nette Weise schräg aber nicht konfus und allgemein so voller witziger, glücklicher aber auch trauriger, tragischer Momente, dass man es einfach lieben muss. Eine beeindruckende Geschichte über ein Jahr voller Freundschaft, Mobbing, Abenteuer, Trauer, Gewalt, Glück, Wut und erste Liebe...

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Veröffentlicht am 08.03.2020

Hier konnte mich leider gar nichts überzeugen.

Mein filmreifer Sommer
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Die Eindrücke:

Handlung: Nach einem spannenden Start lässt die Geschichte leider stark nach und die Handlung plätschert über den Großteil der 336 Seiten träge und scheinbar ziellos, wie es nur ein Sommer ...

Die Eindrücke:

Handlung:
Nach einem spannenden Start lässt die Geschichte leider stark nach und die Handlung plätschert über den Großteil der 336 Seiten träge und scheinbar ziellos, wie es nur ein Sommer als Schüler mit ausgedehnten Sommerferien, faulen Tagen und endlosen Möglichkeiten sein kann, vor sich hin. Viele Wiederholungen, drei Erzählperspektiven und wenig essentielle Szenen - hier kommt leider kaum Spannung auf.

Schreibstil:
Der Schreibstil ist zwar - wie man es von Jugendromanen gewohnt ist - locker und flüssig, leider merkt man der Geschichte die Übersetzung aus dem Portugiesischen aber ordentlich an. Durch die teilweise eigentümlichen Formulierungen und die ungewöhnliche Ausdrucksweise wirkt die Geschichte zeitweise verfremdet und etwas schräg.

Charaktere:
Auch die Protagonisten konnten mich nicht wirklich überzeugen da die Freundinnen mit wenig Profil und auch die Love Interest nur sehr oberflächlich gezeichnet wurden. Bezeichnend dafür ist, dass ich Filippo und Frederico ab und zu auch mal verwechselt habe. Am seltsamsten war jedoch die Dreiecksgeschichte, die sehr konstruiert wirkte und mit der ich absolut nicht warm wurde.

______________________
Das Urteil:

Viele Wiederholungen, eine laue Erzählweise, schlecht profilierte Charaktere, ein eigentümlicher Schreibstil und eine nervige Dreiecksgeschichte. Hier konnte mich leider gar nichts überzeugen.

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Veröffentlicht am 03.03.2020

Selten hat ein handlungsfokussierter Genre-Mix so gut funktioniert: ein tolles Debüt!

Four Dead Queens
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Als ich "Four Dead Queens" in der Verlagsvorschau des Piper Verlags entdeckt habe, hatte ich zugegebenermaßen keine großen Erwartungen. Ich habe von dem Buch noch nie etwas gehört, kannte die Autorin nicht ...

Als ich "Four Dead Queens" in der Verlagsvorschau des Piper Verlags entdeckt habe, hatte ich zugegebenermaßen keine großen Erwartungen. Ich habe von dem Buch noch nie etwas gehört, kannte die Autorin nicht und stehe einbändigen Fantasy-Romanen grundsätzlich eher kritisch gegenüber. Doch der "Taschendiebin wird durch Zufall Teil einer königlichen, blutigen Intrige"-Klapptext hatte etwas an sich, dass ich der Geschichte unbedingt eine Chance geben wollte!

Wer meinen Blog treu verfolgt wird wissen, dass ich oft ein Fan der Originalcover bin. Doch hier hat mich der Piper-Verlag vom Gegenteil überzeugt: während auf dem Original nur relativ schlicht vier Kronen zu sehen sind, hat das deutsche Cover ein dunkleres, chaotischeres, detailreicheres Motiv abbekommen, dass so gut zur Geschichte passt, dass ich mich verliebt habe!!! Zusehen ist grauer ein Doppeladler mit ausgebreiteten Flügeln auf einem Sockel voller Rosen und Blätter. Das grau-schwarze Hauptmotiv hebt sich zwar gut vom schwarzen Hintergrund ab, wirkt aber recht düster und chaotisch. Etwas Farbe bringen die goldene Krone, das goldene Schwert und der haptisch hervorgehobene Titel, der zu den Seiten hin in Funken zu zerstieben scheint. Dabei ist das Cover noch nicht einmal das Beste an der Gestaltung. Richtig toll sind auch die bunte Karte in der vorderen und die von der Autorin selbst gestaltete Steckbriefe der vier Königinnen in der hinteren Leselasche. Außerdem sehr hilfreich fürs Verfolgen der Geschichte ist die kurze Vorstellung jedes der vier Quadranten, Archia, Eonia, Toria und Ludia mit Leitspruch, Königin und Kurzbeschreibung sowie das vorangestellte Gesetz der Königinnen, dessen 15 Regeln auch vor den einzelnen Kapitelanfängen aus der Sicht der Königinnen zu lesen sind. Insgesamt sind die 445 Seiten in 49 Kapitel aufgeteilt, in denen entweder Keralie oder eine der Königinnen erzählen darf.

Erster Satz: "Die Morgensonne ließ die goldene Palastkuppel erstrahlen und überflutete den Concord mit Licht."

Die erste erzählende Protagonistin ist die junge Taschendiebin Keralie, die im Concord, dort wo die vier Quadranten von Quadara aufeinander treffen, reiche Passanten bestiehlt um ihre Waren dann in Mackiels Auktionshaus im dunklen Hafenviertel von Toria zu versteigern. Seit sie nach einem Unfall, für den sie sich selbst die Schuld gibt, mit ihren Eltern gebrochen hat, lebt sie bei ihrem Boss, der gleichzeitig ihr einziger Freund ist. Als sie eines Tages dem Boten Varin sein Comm Case abnimmt, weiß sie noch nicht dass die vier darin enthaltenen Erinnerungschips ihr nichts geringeres als den Mord an den vier Königinnen von Quadara offenbaren und sie und den unglücklichen Boten in eine gefährliche Verschwörung verwickeln wird. Werden es die beiden vom Zufall Verbündeten rechtzeitig zum Palast schaffen? Wer ist der Attentäter? Und was hat Keralies Boss Mackiel damit zu tun?

Parallel zu Keralies aufregender Entdeckung und ihrer Indiziensuche durch verschiedene Quadranten, lernen wir die vier Königinnen Corra, Stessa, Marguerite und Iris kennen, die alle ein Geheimnis mit sich herum tragen und das Gesetz der Königinnen, um das sich alles dreht, in mindestens einer Hinsicht schonmal gebrochen haben. Denn neben ihrer Macht und Verantwortung sind die vier Frauen vor allem eins: Menschen, die sich nach Liebe sehnen. Nachdem wir einen Einblick in die Gedanken- und Gefühlswelt der Königinnen erhalten haben, ist es umso schockierender dass wir - wie der Titel und Keralies Entdeckung es schon vermuten lassen - ihre Tode miterleben müssen. Jeweils aus der Sicht er ermordeten Königin bekommen wir ihre letzte Momente und schließlich ihr Ende mit. Dabei beschreibt Astrid Scholte die Morde weder übertrieben grausam noch blutrünstig, doch trotz dass wir uns gedanklich darauf vorbereiten können, sind diese Szenen so lebensecht geschildert, dass sie unter die Haut gehen.

Dies alles ereignet sich vor dem Hintergrund einer gut durchdachten, runden Fantasy-Welt, von der wir aber leider nicht allzu viel zu sehen bekommen. Das ist bei Fantasy-/Science-Fiction-Geschichten mit kompletter neuer Welt sehr ungewöhnlich, da dabei häufig der Hauptaugenmerk darauf liegt, dem Leser zu zeigen, welch tolle Welt man als Autor erschaffen hat. Hier handelt es sich beim Setting mehr um Beiwerk - rundes, sehr spannendes zwar aber trotzdem nicht viel mehr als eine interessante Kulisse für die wirklich wichtigen Geschehnisse. Ein paar Szenen am Hafen von Toria zu Beginn, ein kurzer Spaziergang über die Concorde, ein Aufenthalt in einem Haus in Eonia und natürlich die Haupthandlung im Palast - mehr bekommen wir aber von Quadara leider nicht zu sehen. Auch was die Geschichte rund um die Entstehung des viergeteilten Königreichs anbelangt wurden zwar interessante Punkte angerissen, die Erklärung des Systems, der Lebensumstände in den einzelnen Quadranten und die Identität des Landes werden aber zum Großteil nur oberflächlich gestreift. Etwas mehr Details hätten mich sehr gefreut, der Spannung und dem hohen Erzähltempo aber höchstwahrscheinlich geschadet. Ich kann auf jeden Fall verstehen, dass die Autorin ihre erschaffene Welt hinter der Handlung anstellt, dadurch wirkt das Worldbuilding aber leider ein wenig unfertig - ich bin da von Größen des Genres anderes gewöhnt. Dass man spannende Handlung und grandioses Worldbuilding vereinbaren kann, beweist unter anderem Sarah J. Maas immer wieder (aber ich schweife ab...).


Lässt man den kritischen Unterton beiseite, kann man klar feststellen, dass die Geschichte vor allem von der Handlung lebt und diese auch klar im Vordergrund steht. Die spannende Verschwörung, die verborgenen Geheimnisse des Palasts, die Frage nach dem Tod der Königinnen, der Identität des Attentäters und dessen Verbindung zu Keralie - das sind die wirklich entscheidenden Punkte, die die Geschichte so mitreißend und aufregend machen, nicht die aktuelle Mode in Ludia oder die Einzelheiten der neusten Gentechnik in Eonia. Also auch wenn das Setting an einigen Stellen ausbaufähig ist, einige kleine Löcher in der Handlung existieren, viele Szenen, die ich gerne miterlebt hätte, im Off an uns vorbeiziehen und einige Aspekte nur am Rand thematisiert werden, kann man der Geschichte diese Schnitzer und Oberflächlichkeiten leicht verzeihen, da sie mit den insgesamt sechs verschiedenen Perspektiven und dem dichten Spannungsbogen genug zu tun hat und die Auflösung am Ende alles wettmacht. Ich habe mir lange Gedanken gemacht und mitgerätselt, was hinter den Morden und den Geheimnissen stecken könnte und auch wenn einige Andeutungen klar waren und die wichtigste aller Informationen bis zum Ende unter Verschluss gehalten wird, hätte ich niemals kommen sehen, wie Astrid Scholte ihre einzelnen Fäden zusammenlaufen lässt. An dieser Stell Hut ab!

Für die Aufrechterhaltung der packenden Atmosphäre und der unterschwelligen Spannung sorgt auch Astrid Scholtes geradliniger Schreibstil. Sie nutzt anders als ich es von anderen Fantasy-Autoren gewohnt bin, nicht viele Schnörkel oder Details um ihre Geschichte bunt auszuschmücken sondern erwähnt nur das Wichtigste, um uns auf falsche Fährten zu führen, die Protagonisten näherzubringen und uns immer wieder zu fesseln. Passend dazu, dass die Autorin aus der Filmbranche kommt und an der Entstehung von unter anderem "Avatar" und "Happy Feet" mitgewirkt hat, konnte ich mir die Geschichte durch ihren Stil total gut als Film vorstellen. Ein solider Fokus auf die Handlung, ein hohes Erzähltempo, zwei spannende Protagonisten mit der richtigen Balance aus sympathischer Oberflächlichkeit und Tiefe, die Erwähnung von nur den nötigsten Informationen aber trotzdem ein rundes, ansprechendes Setting - die Geschichte hat alles, um einen spannenden Blockbuster daraus zu machen.

Zum Abschluss noch ein paar Worte zu den Protagonisten. Am besten gefallen haben mir nicht Keralie und Varin, sondern die vier Königinnen. Auch wenn wir nicht so viel mit ihnen erleben wie mit Keralie und uns auch bald wieder verabschieden müssen, sind mir die vier Kämpferinnen mit ihren Geheimnissen und der Hingabe für ihr Land, der die vier total unterschiedlichen Frauen verbindet, doch sehr ans Herz gewachsen. Keralie ist eine typische Young-Adult-Protagonistin: kein Unschuldslamm, Altlast, auf Identitätssuche, angetrieben von Schuldgefühlen und ab und zu gerne mal auf dem Holzweg, dabei aber trotzdem immer sympathisch. Vielleicht wären einige Einblicke in Varins Sicht nicht schlecht gewesen, denn leider blieb er für mich ein wenig undurchschaubar und gerade die schnelle Entwicklung seiner Gefühle für Keralie erschien mir vor dem Hintergrund, dass er Eonist ist, etwas unnachvollziehbar.

Diese Kritik aber nur am Rande, denn die Beiden machen mit ihrer Liebesgeschichte zusammen mit den Antagonisten (über die ich aus Spoilergründen leider nicht viel sagen kann) und den Königinnen das Bild eines verrückten Genre-Mix´ komplett: ein paar Science-Fiction-Elemente wie Comm Lines, Comm Chips und genetischer Manipulation, eine Fantasy-Welt, dystopische Hintergründe, ein bisschen Krimi, ein bisschen Abenteuer, ein bisschen Thriller und eine leise Liebesgeschichte - wer hätte gedacht, dass ich diese wilde Kombination mal von Herzen weiterempfehlen würde...


Fazit:


Selten hat ein handlungsfokussierter Genre-Mix so gut funktioniert: Ein mysteriöser Krimi in einer Fantasy-Welt mit Science-Fiction-Konzepten, dystopischen Elementen, politischen Intrigen und verborgenen Geheimnissen umrahmt von einer süßen Liebesgeschichte. Ein tolles Debüt!

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