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Veröffentlicht am 30.05.2018

Ein ergreifender Roman, der seinesgleichen sucht!

Tausend strahlende Sonnen
0

Allgemeines:

Titel: Tausend strahlende Sonnen
Autor: Khaled Hosseini
Verlag: FISCHER (3. Februar 2014)
Genre: Historiendrama
ISBN-10: 3596030935
ISBN-13: 978-3596030934
ASIN: B00HWMVMRE
Seitenzahl: 400 ...

Allgemeines:

Titel: Tausend strahlende Sonnen
Autor: Khaled Hosseini
Verlag: FISCHER (3. Februar 2014)
Genre: Historiendrama
ISBN-10: 3596030935
ISBN-13: 978-3596030934
ASIN: B00HWMVMRE
Seitenzahl: 400 Seiten
Originaltitel: A Thousand Splendid Suns
Preis: 9,99€ (Kindle-Edition)
10,90€ (Taschenbuch)
12€ (Gebundene Ausgabe)




Inhalt:


Mariam ist fünfzehn, als sie aus der Provinz nach Kabul geschickt und mit dem dreißig Jahre älteren Schuhmacher Raschid verheiratet wird. Jahre später erlebt Laila, ein Mädchen aus der Nachbarschaft, ein ähnliches Schicksal. Als ihre Familie bei einem Bombenangriff ums Leben kommt, wird sie Raschids Zweitfrau. Nach anfänglichem Misstrauen werden Mariam und Laila zu engen Freundinnen. Gemeinsam wehren sie sich gegen Raschids Brutalität. Während der Taliban-Herrschaft überstehen sie die Bombardierungen, Hunger und physische Gewalt - und ihre Stärke wächst ins schier Unermessliche...



Bewertung:



Schon seit ich "Traumsammler" von ihm gelesen habe, gehört Khaled Hosseini für mich zu den Größen der Gegenwartsliteratur. Doch mit diesem ergreifenden Roman über das Schicksal zweier Frauen in Afghanistan lässt er den Vorgängerroman weit hinter sich zurück und geht mit der grausamen Intensität der rücksichtslosen Unterdrückung und Verachtung der Gesellschaft gegenüber Frauen unter die Haut und trifft mit der hoffnungsvollen Liebe der beiden Frauen, die ihnen die Stärke zum Überdauern verlieht, direkt ins Herz!


Erster Satz: "Mariam war fünf, als sie zum ersten Mal das Wort "harami" hörte."


Das Cover lässt mit der gelb-roten Farbgebung, der kahlen Landschaft und den vereinzelten Blättern im oberen Bereich auf die drückende Hitze Afghanistans schließen und greift mit der einsamen, leicht vornübergebeugten, verschleierten Frauensilhouette im Vordergrund das Hauptthema des Buches auf. Ganz besonders berührend finde ich jedoch den Titel "Tausend strahlende Sonnen", welcher von einem Gedicht von Saib-e-Tabrizi abgeleitet ist, welches in verschiedenen Zusammenhängen mehrmals im Buch zitiert wird. Sehr bald wird klar, wofür die strahlenden Sonnen stehen: für die Schönheit Afghanistans, die Liebe und die Hoffnung, die den Menschen über die schweren Zeiten hinweghelfen.


„Nicht zu zählen sind die Monde, die auf ihren Dächern schimmern,
noch die tausend strahlenden Sonnen, die verborgen hinter Mauern stecken.“


Die in vier Teile unterteilte Geschichte beginnt mit der Kindheit Mariams in einem kleinen Ort nahe Herat in der Mitte Afghanistans. Sehr sensibel, einfühlsam und mit großer Intensität erzählt Khaled Hosseini, wie die 15jährige Mariam nach dem Tod ihrer Mutter von ihrem Vater mit einem doppelt so alten Schuhmacher verheiratet wird und unterwürfig Missachtung, Misshandlung aushalten muss und auf ihrer Suche nach Liebe und Anerkennung nur Ablehnung, Schmerz und Unterdrückung findet.
Auf dem Tiefpunkt ihres Lebens lassen wir sie vorübergehend alleine, wie die restliche Welt auch und widmen uns stattdessen der jungen Laila. Während Mariam als unehelicher Bastard in ärmlichen Verhältnissen in ländlichem Gebiet aufgewachsen ist, ist Laila Teil eines gut situierten Lehrers und kann im lebendigen Kabul zur Schule gehen und zur selbst bestimmten, gebildeten Frau heranwachsen. An ihrer Seite steht der einbeinige aber sonst lebensfrohe Tarik, mit dem sie seit Kindertagen ein Herz und eine Seele ist und der mit vorschreitendem Alter ganz neue Gefühle in Laila weckt. Als jedoch der Krieg losbricht, ihre Familie von einer Bombe zerfetzt wird und Tarik mit seiner Familie ins Ausland fliehen muss, bleibt sie alleine zurück - und schwanger. Ihr bleibt nichts anderes übrig, als zu heiraten und als sich ihr viel älterer Nachbar anbietet, sie zur Zweitfrau zu nehmen, zieht sie kurzerhand bei Raschid und Mariam ein.
Im nun folgenden dritten Teil dürfen wir mit verfolgen, wie die beiden Frauen von Fremden, zu Rivalinnen, zu Geduldeten, zu Verbündeten werden und wie sich langsam eine Verbindung zwischen den beiden aufbaut, die auf tiefem Verständnis, Verbundenheit und Liebe fußt. Durch Laila findet Mariam endlich ihre Ankerkennung und Liebe und wird durch diese von ihrer Isolation befreit, bekommt die Kraft, Grenzen zu überwinden, ihre Verletzlichkeit zu entblößen und sich schließlich selbst zu opfern, damit Laila ein besseres Leben führen kann...


"Sie würde im Herzen ihrer Mutter keinen solchen Eindruck hinterlassen wir ihre Brüder, denn Mamis Herz war wie ein fahler Sandstrand, auf dem Lailas Spuren von den Wellen des Kummers, die darüber hinwegbrandeten, immer wieder weggespült wurden."


Während wir in der Erzählung um Mariam und Lailas Schicksal versinken, wird uns beiläufig die Geschichte Afghanistans von den 1970er Jahren bis zur Ära des 11. Septembers erzählt, wobei die persönliche Geschichte mit der historischen untrennbar verwoben wird. Dadurch sind die Aufruhr im Land, die Revolution, die Bombardierungen, die Machtergreifungen, die Unterdrückungen, die Gesetzesänderungen, die Kämpfe, eng mit Lailas und Mariams Geschichte verbunden, was Afghanistan, genauer Kabul, zu mehr als nur einer Kulisse macht. Ohne Fakten unter die Nase gerieben zu bekommen erhalten wir hier einen umfassenden Eindruck von dem Leid und der Ungerechtigkeit, die die Bevölkerung dieses Landes erdulden mussten und bauen nebenbei eine persönliche Beziehung zu dem stark gebeutelten Land auf, die weiteres Wegsehen eigentlich unmöglich macht! Das Auf und Ab, der von Fremdbestimmung, Unterdrückung, Gewalt aber auch aus Liebe entsprungener Willenskraft, geprägten Geschichte um die beiden Frauen, ist dabei repräsentativ für das Schicksal des gebeutelten Afghanistans. An jeder Kleinigkeit, Feinheit, scheinbaren Belanglosigkeit und in jedem Nebensatz, den der Autor über dieses Land schreibt, kann man seine Liebe und Faszination für die Kultur und Landschaft und die Menschen dort ablesen. Es werden gleichsam die schönsten und hässlichsten Seiten des Heimatlandes des Autoren präsentiert, die dunkle Zeit der Invasionen der Sowjets, der Amerikaner und der Taliban findet unkommentiert und objektiv einen Platz genau wie starke Frauenfiguren, der Nationalstolz und Traditionen. Doch das Land ist mehr als nur Kulisse, es ist Ursprung und Herzstück dieser Geschichte und das konnte selbst ich spüren, die mit der arabischen Welt keinerlei Verbindung habe.


"Tja, meine jungen Freunde, das ist das Schicksal unseres Landes", sagte der Chauffeur und schnippte eine Zigarettenkippe aus dem Fenster. "Ein Eroberungsfeldzug nach dem anderen. Mazedonier, Sassaniden, Araber, Mongolen. Und jetzt die Russen. Aber wir sind wie die Festungsmauer da drüben. Ramponiert und kein schöner Anblick, aber immer noch stehend."


Während "Drachenläufer" als Vater-Sohn-Geschichte verstanden wird, kann "Tausend strahlende Sonnen" als Mutter-Tochter-Geschichte gelesen werden, da die Beziehung der beiden Frauen, die vom Alter her Mutter und Tochter sein könnten, im Mittelpunkt steht. Bezeichnend ist, dass sie sich an mehreren Stellen im Buch als Mutter und Tochter ausgeben. Mit den beiden bekommen wir zwei sehr starke Frauenfiguren vorgesetzt, mit deren Träumen, Gefühlen und ihrem täglichen Kampf ums Überleben ich mich gut identifizieren konnte, auch wenn sie komplett anderen kulturellen Kreisen entstammen. Es ist ganz wundersam, wie viel Seele Hosseini seinen Figuren zuspricht und auf welche tiefgründige Art er es versteht, uns ihr Innersten darzubringen, ihre Ecken und Kanten, Runzeln und Falten wenn sie menschlich, grausam oder bemitleidenswert handeln und sie zutiefst verstanden darstellt.

Dabei kreist der Roman um ein sehr aktuelles Thema. Berichte über Ehrenmorde, Genitalverstümmelungen, Steinigungen wegen Ehebruchs, die Zugangsverweigerung zu Bildung und Erziehung, Arbeit und Gesundheitsversorgung und die zwanghafte Verschleierung lassen keinen Zweifel an der bedrückenden Situation von Frauen in einigen muslimischen Staaten. Die Geschichte sensibilisiert für die Unterdrückung der Frauen, weist jedoch gleichzeitig die Forderung nach mehr Druck durch den Westen zurück. Denn durch äußeren Zwang für gleiche Rechte zu sorgen, missachtet die Komplexität der kritisierten Gesellschaft. Der Roman gibt allen hinter einer Burka versteckten Frauen ein Gesicht und lässt mich mein Weltbild neu überdenken. Ich muss zugeben, dass ich bis vor wenigen Tagen auch noch mit einer leisen Gefühlsmischung aus Mitleid und Missbilligung an komplett verschleierten Frauen vorbeigelaufen bin und nicht verstanden habe, was für ein kultureller Druck hinter diesem Thema steht - auch bei Familien in Deutschland. Ich für meinen Fall werde auf jeden Fall für immer einen anderen Blickwinkel auf die Frau in Burka am Straßenrand haben.


"So wie eine Kompassnadel immer nach Norden zeigt, wird der anklagende Finger eines Mannes immer eine Frau finden. Immer. Denk daran, Mariam."


Ganz besonders schön ist, dass wir es hier mit einer berührenden Liebesgeschichte zu tun haben, die trotz all der furchtbaren Grausamkeiten im Großteil der Handlung hoffnungsvoll, warmherzig und schön anmutet. Auch wenn die beiden Frauen in absolut unglücklichen Verhältnissen leben und keinerlei Perspektiven zu haben scheinen, ist es letztlich die Liebe, die bei Hosseini siegt. Der Autor schafft es, gleichzeitig sehr still und eindringlich; distanziert und emotional; dramatisch und ruhig zu sein und sich in jeder erdenklichen Situation an die Protagonisten anzupassen. Dabei zwingt er den Leser niemals in eine bestimmte Richtung oder beantwortet wertende Fragen nach Unterlassung, Schuld, Preis oder Sühne. Stattdessen erlebt er, beobachtet, fühlt, erkennt und beschreibt, überlässt es aber dem Leser, über das Erfahrene nachzudenken und zu urteilen. Immer wieder stößt man auf kluge Dialoge und liest Sätze, die einen noch lange beschäftigen, während man dieser Geschichte folgt, die zeitweise fast ungemütlich und teilweise schwer zu ertragen ist, so viel Schmerz und Wahrheit, wie sie enthält.

Hosseinis Schreibstil ist wie seine Erzählweise einem Chamäleon gleich: er passt sich an. Mal leuchtend poetisch, mal sparsamer und farblich gedeckt, mal ausschweifend, mal aufs Wesentliche reduziert, aber immer sehr inhaltlich direkt und sprachlich dabei wundervoll verschachtelt und durchdacht. Dabei schafft er es die Geschichte auf eine Art und Weise zu erzählen, die klar macht, dass man einem Leben lauscht, welches genauso gelebt werden muss und auch bei schwierigem Inhalt ein gutes Gefühl zu vermitteln. Vor allem das Ende rührte mich zu Tränen, auch wenn uns hier kein typisches Happy End erwartet.


"Sie ist hier, zwischen den frisch gestrichenen Wänden, in den neu gepflanzten Bäumen, in den Wolldecken, die die Kinder wärmen, in diesen Kissen und Büchern und Stiften. Im Lachen der Kinder. Vor allem aber ist Mariam in ihrem eigenen Herzen, wo sie so ell wie tausend Sonnen leuchtet."



Fazit:

Der Roman geht mit der grausamen Intensität der rücksichtslosen Unterdrückung und Verachtung gegenüber den beiden Frauen unter die Haut und trifft mit der hoffnungsvollen Liebe, die Mariam und Laila die Stärke zum Überdauern verlieht, direkt ins Herz! Ein ergreifender Roman, der seinesgleichen sucht!

Veröffentlicht am 30.05.2018

Ein ergreifender Roman, der seinesgleichen sucht!

Tausend strahlende Sonnen
0

Allgemeines:

Titel: Tausend strahlende Sonnen
Autor: Khaled Hosseini
Verlag: FISCHER (3. Februar 2014)
Genre: Historiendrama
ISBN-10: 3596030935
ISBN-13: 978-3596030934
ASIN: B00HWMVMRE
Seitenzahl: 400 ...

Allgemeines:

Titel: Tausend strahlende Sonnen
Autor: Khaled Hosseini
Verlag: FISCHER (3. Februar 2014)
Genre: Historiendrama
ISBN-10: 3596030935
ISBN-13: 978-3596030934
ASIN: B00HWMVMRE
Seitenzahl: 400 Seiten
Originaltitel: A Thousand Splendid Suns
Preis: 9,99€ (Kindle-Edition)
10,90€ (Taschenbuch)
12€ (Gebundene Ausgabe)




Inhalt:


Mariam ist fünfzehn, als sie aus der Provinz nach Kabul geschickt und mit dem dreißig Jahre älteren Schuhmacher Raschid verheiratet wird. Jahre später erlebt Laila, ein Mädchen aus der Nachbarschaft, ein ähnliches Schicksal. Als ihre Familie bei einem Bombenangriff ums Leben kommt, wird sie Raschids Zweitfrau. Nach anfänglichem Misstrauen werden Mariam und Laila zu engen Freundinnen. Gemeinsam wehren sie sich gegen Raschids Brutalität. Während der Taliban-Herrschaft überstehen sie die Bombardierungen, Hunger und physische Gewalt - und ihre Stärke wächst ins schier Unermessliche...



Bewertung:



Schon seit ich "Traumsammler" von ihm gelesen habe, gehört Khaled Hosseini für mich zu den Größen der Gegenwartsliteratur. Doch mit diesem ergreifenden Roman über das Schicksal zweier Frauen in Afghanistan lässt er den Vorgängerroman weit hinter sich zurück und geht mit der grausamen Intensität der rücksichtslosen Unterdrückung und Verachtung der Gesellschaft gegenüber Frauen unter die Haut und trifft mit der hoffnungsvollen Liebe der beiden Frauen, die ihnen die Stärke zum Überdauern verlieht, direkt ins Herz!


Erster Satz: "Mariam war fünf, als sie zum ersten Mal das Wort "harami" hörte."


Das Cover lässt mit der gelb-roten Farbgebung, der kahlen Landschaft und den vereinzelten Blättern im oberen Bereich auf die drückende Hitze Afghanistans schließen und greift mit der einsamen, leicht vornübergebeugten, verschleierten Frauensilhouette im Vordergrund das Hauptthema des Buches auf. Ganz besonders berührend finde ich jedoch den Titel "Tausend strahlende Sonnen", welcher von einem Gedicht von Saib-e-Tabrizi abgeleitet ist, welches in verschiedenen Zusammenhängen mehrmals im Buch zitiert wird. Sehr bald wird klar, wofür die strahlenden Sonnen stehen: für die Schönheit Afghanistans, die Liebe und die Hoffnung, die den Menschen über die schweren Zeiten hinweghelfen.


„Nicht zu zählen sind die Monde, die auf ihren Dächern schimmern,
noch die tausend strahlenden Sonnen, die verborgen hinter Mauern stecken.“


Die in vier Teile unterteilte Geschichte beginnt mit der Kindheit Mariams in einem kleinen Ort nahe Herat in der Mitte Afghanistans. Sehr sensibel, einfühlsam und mit großer Intensität erzählt Khaled Hosseini, wie die 15jährige Mariam nach dem Tod ihrer Mutter von ihrem Vater mit einem doppelt so alten Schuhmacher verheiratet wird und unterwürfig Missachtung, Misshandlung aushalten muss und auf ihrer Suche nach Liebe und Anerkennung nur Ablehnung, Schmerz und Unterdrückung findet.
Auf dem Tiefpunkt ihres Lebens lassen wir sie vorübergehend alleine, wie die restliche Welt auch und widmen uns stattdessen der jungen Laila. Während Mariam als unehelicher Bastard in ärmlichen Verhältnissen in ländlichem Gebiet aufgewachsen ist, ist Laila Teil eines gut situierten Lehrers und kann im lebendigen Kabul zur Schule gehen und zur selbst bestimmten, gebildeten Frau heranwachsen. An ihrer Seite steht der einbeinige aber sonst lebensfrohe Tarik, mit dem sie seit Kindertagen ein Herz und eine Seele ist und der mit vorschreitendem Alter ganz neue Gefühle in Laila weckt. Als jedoch der Krieg losbricht, ihre Familie von einer Bombe zerfetzt wird und Tarik mit seiner Familie ins Ausland fliehen muss, bleibt sie alleine zurück - und schwanger. Ihr bleibt nichts anderes übrig, als zu heiraten und als sich ihr viel älterer Nachbar anbietet, sie zur Zweitfrau zu nehmen, zieht sie kurzerhand bei Raschid und Mariam ein.
Im nun folgenden dritten Teil dürfen wir mit verfolgen, wie die beiden Frauen von Fremden, zu Rivalinnen, zu Geduldeten, zu Verbündeten werden und wie sich langsam eine Verbindung zwischen den beiden aufbaut, die auf tiefem Verständnis, Verbundenheit und Liebe fußt. Durch Laila findet Mariam endlich ihre Ankerkennung und Liebe und wird durch diese von ihrer Isolation befreit, bekommt die Kraft, Grenzen zu überwinden, ihre Verletzlichkeit zu entblößen und sich schließlich selbst zu opfern, damit Laila ein besseres Leben führen kann...


"Sie würde im Herzen ihrer Mutter keinen solchen Eindruck hinterlassen wir ihre Brüder, denn Mamis Herz war wie ein fahler Sandstrand, auf dem Lailas Spuren von den Wellen des Kummers, die darüber hinwegbrandeten, immer wieder weggespült wurden."


Während wir in der Erzählung um Mariam und Lailas Schicksal versinken, wird uns beiläufig die Geschichte Afghanistans von den 1970er Jahren bis zur Ära des 11. Septembers erzählt, wobei die persönliche Geschichte mit der historischen untrennbar verwoben wird. Dadurch sind die Aufruhr im Land, die Revolution, die Bombardierungen, die Machtergreifungen, die Unterdrückungen, die Gesetzesänderungen, die Kämpfe, eng mit Lailas und Mariams Geschichte verbunden, was Afghanistan, genauer Kabul, zu mehr als nur einer Kulisse macht. Ohne Fakten unter die Nase gerieben zu bekommen erhalten wir hier einen umfassenden Eindruck von dem Leid und der Ungerechtigkeit, die die Bevölkerung dieses Landes erdulden mussten und bauen nebenbei eine persönliche Beziehung zu dem stark gebeutelten Land auf, die weiteres Wegsehen eigentlich unmöglich macht! Das Auf und Ab, der von Fremdbestimmung, Unterdrückung, Gewalt aber auch aus Liebe entsprungener Willenskraft, geprägten Geschichte um die beiden Frauen, ist dabei repräsentativ für das Schicksal des gebeutelten Afghanistans. An jeder Kleinigkeit, Feinheit, scheinbaren Belanglosigkeit und in jedem Nebensatz, den der Autor über dieses Land schreibt, kann man seine Liebe und Faszination für die Kultur und Landschaft und die Menschen dort ablesen. Es werden gleichsam die schönsten und hässlichsten Seiten des Heimatlandes des Autoren präsentiert, die dunkle Zeit der Invasionen der Sowjets, der Amerikaner und der Taliban findet unkommentiert und objektiv einen Platz genau wie starke Frauenfiguren, der Nationalstolz und Traditionen. Doch das Land ist mehr als nur Kulisse, es ist Ursprung und Herzstück dieser Geschichte und das konnte selbst ich spüren, die mit der arabischen Welt keinerlei Verbindung habe.


"Tja, meine jungen Freunde, das ist das Schicksal unseres Landes", sagte der Chauffeur und schnippte eine Zigarettenkippe aus dem Fenster. "Ein Eroberungsfeldzug nach dem anderen. Mazedonier, Sassaniden, Araber, Mongolen. Und jetzt die Russen. Aber wir sind wie die Festungsmauer da drüben. Ramponiert und kein schöner Anblick, aber immer noch stehend."


Während "Drachenläufer" als Vater-Sohn-Geschichte verstanden wird, kann "Tausend strahlende Sonnen" als Mutter-Tochter-Geschichte gelesen werden, da die Beziehung der beiden Frauen, die vom Alter her Mutter und Tochter sein könnten, im Mittelpunkt steht. Bezeichnend ist, dass sie sich an mehreren Stellen im Buch als Mutter und Tochter ausgeben. Mit den beiden bekommen wir zwei sehr starke Frauenfiguren vorgesetzt, mit deren Träumen, Gefühlen und ihrem täglichen Kampf ums Überleben ich mich gut identifizieren konnte, auch wenn sie komplett anderen kulturellen Kreisen entstammen. Es ist ganz wundersam, wie viel Seele Hosseini seinen Figuren zuspricht und auf welche tiefgründige Art er es versteht, uns ihr Innersten darzubringen, ihre Ecken und Kanten, Runzeln und Falten wenn sie menschlich, grausam oder bemitleidenswert handeln und sie zutiefst verstanden darstellt.

Dabei kreist der Roman um ein sehr aktuelles Thema. Berichte über Ehrenmorde, Genitalverstümmelungen, Steinigungen wegen Ehebruchs, die Zugangsverweigerung zu Bildung und Erziehung, Arbeit und Gesundheitsversorgung und die zwanghafte Verschleierung lassen keinen Zweifel an der bedrückenden Situation von Frauen in einigen muslimischen Staaten. Die Geschichte sensibilisiert für die Unterdrückung der Frauen, weist jedoch gleichzeitig die Forderung nach mehr Druck durch den Westen zurück. Denn durch äußeren Zwang für gleiche Rechte zu sorgen, missachtet die Komplexität der kritisierten Gesellschaft. Der Roman gibt allen hinter einer Burka versteckten Frauen ein Gesicht und lässt mich mein Weltbild neu überdenken. Ich muss zugeben, dass ich bis vor wenigen Tagen auch noch mit einer leisen Gefühlsmischung aus Mitleid und Missbilligung an komplett verschleierten Frauen vorbeigelaufen bin und nicht verstanden habe, was für ein kultureller Druck hinter diesem Thema steht - auch bei Familien in Deutschland. Ich für meinen Fall werde auf jeden Fall für immer einen anderen Blickwinkel auf die Frau in Burka am Straßenrand haben.


"So wie eine Kompassnadel immer nach Norden zeigt, wird der anklagende Finger eines Mannes immer eine Frau finden. Immer. Denk daran, Mariam."


Ganz besonders schön ist, dass wir es hier mit einer berührenden Liebesgeschichte zu tun haben, die trotz all der furchtbaren Grausamkeiten im Großteil der Handlung hoffnungsvoll, warmherzig und schön anmutet. Auch wenn die beiden Frauen in absolut unglücklichen Verhältnissen leben und keinerlei Perspektiven zu haben scheinen, ist es letztlich die Liebe, die bei Hosseini siegt. Der Autor schafft es, gleichzeitig sehr still und eindringlich; distanziert und emotional; dramatisch und ruhig zu sein und sich in jeder erdenklichen Situation an die Protagonisten anzupassen. Dabei zwingt er den Leser niemals in eine bestimmte Richtung oder beantwortet wertende Fragen nach Unterlassung, Schuld, Preis oder Sühne. Stattdessen erlebt er, beobachtet, fühlt, erkennt und beschreibt, überlässt es aber dem Leser, über das Erfahrene nachzudenken und zu urteilen. Immer wieder stößt man auf kluge Dialoge und liest Sätze, die einen noch lange beschäftigen, während man dieser Geschichte folgt, die zeitweise fast ungemütlich und teilweise schwer zu ertragen ist, so viel Schmerz und Wahrheit, wie sie enthält.

Hosseinis Schreibstil ist wie seine Erzählweise einem Chamäleon gleich: er passt sich an. Mal leuchtend poetisch, mal sparsamer und farblich gedeckt, mal ausschweifend, mal aufs Wesentliche reduziert, aber immer sehr inhaltlich direkt und sprachlich dabei wundervoll verschachtelt und durchdacht. Dabei schafft er es die Geschichte auf eine Art und Weise zu erzählen, die klar macht, dass man einem Leben lauscht, welches genauso gelebt werden muss und auch bei schwierigem Inhalt ein gutes Gefühl zu vermitteln. Vor allem das Ende rührte mich zu Tränen, auch wenn uns hier kein typisches Happy End erwartet.


"Sie ist hier, zwischen den frisch gestrichenen Wänden, in den neu gepflanzten Bäumen, in den Wolldecken, die die Kinder wärmen, in diesen Kissen und Büchern und Stiften. Im Lachen der Kinder. Vor allem aber ist Mariam in ihrem eigenen Herzen, wo sie so ell wie tausend Sonnen leuchtet."



Fazit:

Der Roman geht mit der grausamen Intensität der rücksichtslosen Unterdrückung und Verachtung gegenüber den beiden Frauen unter die Haut und trifft mit der hoffnungsvollen Liebe, die Mariam und Laila die Stärke zum Überdauern verlieht, direkt ins Herz! Ein ergreifender Roman, der seinesgleichen sucht!

Veröffentlicht am 26.05.2018

Ein eher mittelmäßiger Thriller

Girl on the Train - Du kennst sie nicht, aber sie kennt dich.
0

Allgemeines:

Titel: Girl on the Train - Du kennst sie nicht, aber sie kennt dich
Autor: Paula Hawkins
Genre: Thriller
Verlag: Blanvalet (15. Juni 2015)
ISBN-10: 3734100518
ISBN-13: 978-3734100512
ASIN: ...

Allgemeines:

Titel: Girl on the Train - Du kennst sie nicht, aber sie kennt dich
Autor: Paula Hawkins
Genre: Thriller
Verlag: Blanvalet (15. Juni 2015)
ISBN-10: 3734100518
ISBN-13: 978-3734100512
ASIN: B00TOFDJTG
Originaltitel: The Girl on the Train
Seitenzahl: 464 Seiten
Preis: 9,99€ (Kindle-Edition)
12,99€ (Taschenbuch)



Inhalt:


Jeden Morgen pendelt Rachel mit dem Zug in die Stadt, und jeden Morgen hält der Zug an der gleichen Stelle auf der Strecke an. Rachel blickt in die Gärten der umliegenden Häuser, beobachtet ihre Bewohner. Oft sieht sie ein junges Paar: Jess und Jason nennt Rachel die beiden. Sie führen – wie es scheint – ein perfektes Leben. Ein Leben, wie Rachel es sich wünscht.
Eines Tages beobachtet sie etwas Schockierendes. Kurz darauf liest sie in der Zeitung vom Verschwinden einer Frau – daneben ein Foto von »Jess«. Rachel meldet ihre Beobachtung der Polizei und verstrickt sich damit unentrinnbar in die folgenden Ereignisse ...


Bewertung:

Aufgrund des Hypes, der sich nach der Veröffentlichung um diese Geschichte ergeben hat, habe ich mir ein gebrauchtes Exemplar dieses Buches vor einiger Zeit auf einem Flohmarkt zugelegt und bin nun im Urlaub endlich dazu gekommen es zu lesen. Doch obwohl ich geringe Erwartungen, viel Zeit und entspannte Geduld mitgebracht habe, konnte ich mit diesem Buch einfach nicht warm werden. Aufgrund des Klapptextes und der ganzen, kursierenden Werbung hatte ich einen rasanten Thriller erwartet. Was auf mich zukam war jedoch ein träger, gefühlsduseliger und unreflektierter Lebensbericht über die dramatischen und weniger dramatischen Probleme dreier Frauen und deren kleinkarierten Verstrickungen als eine von ihnen verschwindet. Ich kann schon verstehen, dass viele Leser diese Geschichte mögen können und will ihr gerade für das Ende auch nicht die Spannung absprechen - mich konnte sie jedoch einfach nicht überzeugen.

Das Cover ist ... passend. Das ist das erste Adjektiv, dass mir zur Gestaltung einfallen ist. Nicht etwa wunderschön oder mystisch oder interesseweckend, kein besonderer Eye-Catcher, aber auch nicht langweilig - mit dem Titel im Verwischt-Look und den Andeutungen eines fahrenden Zuges ist es thematisch einfach passend. Der Titel ist ebenfalls stimmig gewählt, für mich ist jedoch der Untertitel viel zu reißerisch für die Geschichte, genau wie der Klapptext, der es schafft in sieben Zeilen einfach gar nichts über die Geschichte zu verraten, sodass ich mit völlig falschen Erwartungen an die Geschichte gegangen bin.

Erster Satz: "Da liegt ein Kleiderhaufen an den Gleisen."

Nach zwei kurzen, vorgeschobenen Szenenausschnitten, die bei mir jedoch mehr für Verwirrung als für angenehmes Gruseln gesorgt haben, steigen wir in das klägliche Leben der ausgelaugten Rachel ein, die auf ihren alltäglichen Zugfahrten nach London und wieder zurück stets ein ganz bestimmtes Haus an den Bahngleisen beobachtet. Das junge Paar, das dort lebt, stellt sie sich schwerverliebt und voller Harmonie vor - und ist geschockt, als sie eines Tages die Frau in zärtlicher Umarmung mit einem anderen Mann sieht. Kurz darauf ist die Frau verschwunden. Rachel ahnt Böses und nimmt Ermittlungen auf. Für die junge Alkoholikerin, der nach Scheidung und Jobverlust, geplagt von Gedächtnisverlusten und ihrem unkontrollierten Verhalten im Suff ein Ziel im Leben fehlt, ergibt sich so das Gefühl, endlich mal wieder gebraucht zu werden und an etwas beteiligt zu sein. Wie sehr sie selbst und ihr Exmann mitsamt neuer Familie in das tragische Schicksal des jungen Paares verstrickt sind, ahnt sie zu dem Zeitpunkt noch nicht. Doch als sie bei ihren Nachforschungen hinter etliche dunkle Geheimnisse kommt, werden in ihr längst vergessene Erinnerungen wach - unter anderem auch welche der Nacht, in der die junge Megan verschwand...

Die Geschichte wird von Anfang an aus zwei Perspektiven erzählt: Rachel erzählt aus der Ich-Perspektive von ihrem verkorksten Leben und wie sich dieses nach dem Verschwind von Megan ändert, während wir zeitgleich aus der Sicht Megans geschildert bekommen, was vor ihrem Verschwinden geschah. Nach einem guten Drittel der Geschichte kommt dann als weiterer erzählender Handlungsstrang noch Anna, die neue Frau von Rachels Exmann Tom, hinzu. Zu Beginn hatte ich große Probleme damit, in die Geschichte reinzukommen, da wir hier drei scheinbar langweilige Vorstadtleben charakterisiert bekommen und die Protagonistin einem echt auf die Nerven gehen kann. Mir ist schon bewusst, dass ich das der Autorin nicht vorwerfen kann, immerhin ist Rachel -genau wie die anderen Frauen auch- nicht als Sympathieträgerin angelegt. Mich in die Geschichte einzufinden, in der eigentlich außer endlose Zugfahrten und zwanghaft wiederholte Handlungen nichts passiert, erleichterte diese Erkenntnis jedoch keineswegs.


"Manchmal ertappe ich mich dabei, wie ich mich zu erinnern versuche, wann mich zuletzt ein Mensch berührt hat und sei es nur ein Umarmung oder ein vom Herzen kommender Händedruck, und dann krampft sich mein Herz zusammen."


Verwirrend sind auch die Zeitwechsel und Zeitsprünge. Während Anna und Rachel in der Gegenwart erzählen, liegen Megans Handlungen immer einige Monate zurück. Schwierig wird das erst, wenn sich die Handlungen überschneiden und man sich bei Schlüsselszenen aus Megans Erzählperspektive plötzlich zum Verständnis an scheinbare Belanglosigkeiten aus Rachels Perspektive von ganz am Anfang erinnern muss. Zudem ist der Thriller episodenhaft erzählt und lehnt sich in der Szenenauswahl an die Fahrtzeit Rachels Züge an: morgens und abends. Was dazwischen geschieht verschwindet - sofern nicht später kurz nacherzählt - im Nebel.

Ein zusätzlich erschwerender Punkt ist, dass diese Geschichte ganz eindeutig auf ein weibliches Publikum ausgelegt ist. Die wichtigsten Krisenthemen, aus denen dieser Thriller seine Spannung schöpft sind unerfüllte Kinderwünsche, der Stress eine gute Mutter zu sein, Kindersterblichkeit, Ehekrisen, Affären, häusliche Gewalt, Arbeitslosigkeit und Alkoholismus. Dabei liegt ein wichtiger Schwerpunkt auf den Gefühlen der einzelnen Frauen - die Männer bleiben bessere Lückenfüller. Da ich mich jedoch mit keiner der Frauen identifizieren konnte, fand ich die Gefühlsduselei etwas zu dick aufgetragen und blieb während des Lesens ein eher kritischer Beobachter, der sich einfach nicht so recht auf die Geschichte einlassen konnte. Immer wieder eingestreute, neue Erkenntnisse kommen zu spät und zu fad um noch überraschen oder entsetzen zu können. So entwickelte die Geschichte erst nach guten 200 Seiten so etwas wie Anziehung oder Spannung auf mich. Die Seiten zuvor waren mir zu undurchsichtig, belanglos, langatmig - schlicht unnötiges Geplänkel.

Auch der Schreibstil konnte nicht dazu beitragen, dass ich doch noch gefesselt wurde. Diese Geschichte wird ja oft mit "Gone Girl" von Gillian Flynn verglichen, was ja auch von der grundsätzlichen Handlung und Thematik nahe liegt. Mit jeder weiteren Seite, die ich gelesen habe, kam mir dieser Vergleich jedoch lächerlicher vor: denn "Girl on the Train" fehlt sowohl der psychologische Witz als auch die dunkle Grundatmosphäre von "Gone Girl" und während letzteres durch viele geschliffene Sätze und Dialoge glänzt, ist es mit Tiefgründigkeit in Paula Hawkins nüchternem und schnörkellosen Schreibstiel nicht weit her. Flüssig, ja. Einfach zu lesen, auch. Aber besonders und mitreißend? Wohl eher nicht.

"Wenn wir träumen betreten wir eine Welt, die ganz und gar uns gehört."


Wie schon erwähnt ist es mit der Sympathie für die Protagonisten auch nicht weit her. Das ist grundsätzlich kein Problem - wäre die Geschichte nicht so darauf ausgelegt, dass wir Leser mit den Charakteren mitfühlen und von unseren Emotionen geleitet Vermutungen anstellen, wer wohl wirklich hinter Megans Tod stecken kann. Denn sehr schnell ist klar, dass sich in dem kleinen Kreis der uns näher bekannten Personen ein Mörder befinden muss:

Ist es unsere problembehaftete Hauptprotagonistin Rachel, die sich bis zur Besinnungslosigkeit trinkt, deshalb ihren Job verloren hat, armselig untergemietet lebt, Geldsorgen hat, in ihrer Traumwelt lebt, nicht zu sich selbst steht, sich gehen lässt und ihren geliebten Exmann Tom einfach nicht loslassen kann?
War es Scott, der eigentlich so bedingungslos liebende Ehemann, der jedoch zu starker Eifersucht und Kontrollwut leidet, der Megans Emails überprüft und ihre Post gelesen hat und auch von Gewalt nicht abgeneigt zu sein scheint?
Oder vielleicht war es doch der ausländische Psychotherapeut Kamal Abdic, bei dem Megan in Therapie war, der mehr über sie und ihre Vergangenheit weiß, als ihr eigener Mann und mit dem sie so gerne eine Affäre angefangen hätte?
Oder der betrügerische, lügende und doch so charmante Tom, der Rachel abserviert hat und nun mit seiner neuen Frau und einem Kind im gemeinsamen Haus lebt?
Oder die perfektionistische Anna, die Rachel an Toms Seite abgelöst hat, sich von dieser gestalkt fühl, Angst um ihr Kind hat und auch Megan nicht vertraut hat?
Oder war es doch Megan selbst: eine scheinbar glücklich verheiratete Frau, die dennoch mit ihren eigenen Dämonen kämpft und mehr Geheimnisse zu verbergen hat, als man auf den ersten Blick denkt?
Wir Leser versinken in einem undurchsichtigen Strudel an Motiven, Hass, Liebe, Eifersucht und einer Menge anderer niederer Gefühle, die jede unserer drei erzählenden Frauen, ihre Ehemänner, Ex-Männer und Liebhaber zu potentiellen Mördern machen...

Das Ende, dass nach einem Finale erfolgt, das -wie der Rest der Geschichte auch- unspektakulär, langsam und auf seltsame Weise bedacht wirkt, hat mich mit einem Lächeln im Gesicht zurückgelassen. Nicht nur, weil ich mich nun endlich einer anderen Geschichte widmen kann, oder weil die aufgedeckte Wahrheit mich besonders überrascht oder entsetzt hätte, sondern weil die Autorin es in wenigen Sätze geschafft hat, allen verkorksten Charakteren noch auf die Schnelle das Ende zu geben, das sie verdient haben.


Fazit:


Ein eher mittelmäßiger Thriller, der mit seinem langatmigen Einstieg, dem schnörkellosen, einfachen Stil und den unsympathischen Charakteren nicht gerade glänzt, dennoch aber mit einem spannenden Ende unterhalten kann.
Für Freunde des Genres würde ich lieber Anderes wie unbedingt "Gone Girl" von Gillian Flynn empfehlen, wer aber auf der Suche nach einem ruhigen, überschaubaren Thriller für Zwischendurch ist, soll gerne zu dieser Geschichte greifen

Veröffentlicht am 26.05.2018

Ein eher mittelmäßiger Thriller

Girl on the Train - Du kennst sie nicht, aber sie kennt dich.
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Allgemeines:

Titel: Girl on the Train - Du kennst sie nicht, aber sie kennt dich
Autor: Paula Hawkins
Genre: Thriller
Verlag: Blanvalet (15. Juni 2015)
ISBN-10: 3734100518
ISBN-13: 978-3734100512
ASIN: ...

Allgemeines:

Titel: Girl on the Train - Du kennst sie nicht, aber sie kennt dich
Autor: Paula Hawkins
Genre: Thriller
Verlag: Blanvalet (15. Juni 2015)
ISBN-10: 3734100518
ISBN-13: 978-3734100512
ASIN: B00TOFDJTG
Originaltitel: The Girl on the Train
Seitenzahl: 464 Seiten
Preis: 9,99€ (Kindle-Edition)
12,99€ (Taschenbuch)



Inhalt:


Jeden Morgen pendelt Rachel mit dem Zug in die Stadt, und jeden Morgen hält der Zug an der gleichen Stelle auf der Strecke an. Rachel blickt in die Gärten der umliegenden Häuser, beobachtet ihre Bewohner. Oft sieht sie ein junges Paar: Jess und Jason nennt Rachel die beiden. Sie führen – wie es scheint – ein perfektes Leben. Ein Leben, wie Rachel es sich wünscht.
Eines Tages beobachtet sie etwas Schockierendes. Kurz darauf liest sie in der Zeitung vom Verschwinden einer Frau – daneben ein Foto von »Jess«. Rachel meldet ihre Beobachtung der Polizei und verstrickt sich damit unentrinnbar in die folgenden Ereignisse ...


Bewertung:

Aufgrund des Hypes, der sich nach der Veröffentlichung um diese Geschichte ergeben hat, habe ich mir ein gebrauchtes Exemplar dieses Buches vor einiger Zeit auf einem Flohmarkt zugelegt und bin nun im Urlaub endlich dazu gekommen es zu lesen. Doch obwohl ich geringe Erwartungen, viel Zeit und entspannte Geduld mitgebracht habe, konnte ich mit diesem Buch einfach nicht warm werden. Aufgrund des Klapptextes und der ganzen, kursierenden Werbung hatte ich einen rasanten Thriller erwartet. Was auf mich zukam war jedoch ein träger, gefühlsduseliger und unreflektierter Lebensbericht über die dramatischen und weniger dramatischen Probleme dreier Frauen und deren kleinkarierten Verstrickungen als eine von ihnen verschwindet. Ich kann schon verstehen, dass viele Leser diese Geschichte mögen können und will ihr gerade für das Ende auch nicht die Spannung absprechen - mich konnte sie jedoch einfach nicht überzeugen.

Das Cover ist ... passend. Das ist das erste Adjektiv, dass mir zur Gestaltung einfallen ist. Nicht etwa wunderschön oder mystisch oder interesseweckend, kein besonderer Eye-Catcher, aber auch nicht langweilig - mit dem Titel im Verwischt-Look und den Andeutungen eines fahrenden Zuges ist es thematisch einfach passend. Der Titel ist ebenfalls stimmig gewählt, für mich ist jedoch der Untertitel viel zu reißerisch für die Geschichte, genau wie der Klapptext, der es schafft in sieben Zeilen einfach gar nichts über die Geschichte zu verraten, sodass ich mit völlig falschen Erwartungen an die Geschichte gegangen bin.

Erster Satz: "Da liegt ein Kleiderhaufen an den Gleisen."

Nach zwei kurzen, vorgeschobenen Szenenausschnitten, die bei mir jedoch mehr für Verwirrung als für angenehmes Gruseln gesorgt haben, steigen wir in das klägliche Leben der ausgelaugten Rachel ein, die auf ihren alltäglichen Zugfahrten nach London und wieder zurück stets ein ganz bestimmtes Haus an den Bahngleisen beobachtet. Das junge Paar, das dort lebt, stellt sie sich schwerverliebt und voller Harmonie vor - und ist geschockt, als sie eines Tages die Frau in zärtlicher Umarmung mit einem anderen Mann sieht. Kurz darauf ist die Frau verschwunden. Rachel ahnt Böses und nimmt Ermittlungen auf. Für die junge Alkoholikerin, der nach Scheidung und Jobverlust, geplagt von Gedächtnisverlusten und ihrem unkontrollierten Verhalten im Suff ein Ziel im Leben fehlt, ergibt sich so das Gefühl, endlich mal wieder gebraucht zu werden und an etwas beteiligt zu sein. Wie sehr sie selbst und ihr Exmann mitsamt neuer Familie in das tragische Schicksal des jungen Paares verstrickt sind, ahnt sie zu dem Zeitpunkt noch nicht. Doch als sie bei ihren Nachforschungen hinter etliche dunkle Geheimnisse kommt, werden in ihr längst vergessene Erinnerungen wach - unter anderem auch welche der Nacht, in der die junge Megan verschwand...

Die Geschichte wird von Anfang an aus zwei Perspektiven erzählt: Rachel erzählt aus der Ich-Perspektive von ihrem verkorksten Leben und wie sich dieses nach dem Verschwind von Megan ändert, während wir zeitgleich aus der Sicht Megans geschildert bekommen, was vor ihrem Verschwinden geschah. Nach einem guten Drittel der Geschichte kommt dann als weiterer erzählender Handlungsstrang noch Anna, die neue Frau von Rachels Exmann Tom, hinzu. Zu Beginn hatte ich große Probleme damit, in die Geschichte reinzukommen, da wir hier drei scheinbar langweilige Vorstadtleben charakterisiert bekommen und die Protagonistin einem echt auf die Nerven gehen kann. Mir ist schon bewusst, dass ich das der Autorin nicht vorwerfen kann, immerhin ist Rachel -genau wie die anderen Frauen auch- nicht als Sympathieträgerin angelegt. Mich in die Geschichte einzufinden, in der eigentlich außer endlose Zugfahrten und zwanghaft wiederholte Handlungen nichts passiert, erleichterte diese Erkenntnis jedoch keineswegs.


"Manchmal ertappe ich mich dabei, wie ich mich zu erinnern versuche, wann mich zuletzt ein Mensch berührt hat und sei es nur ein Umarmung oder ein vom Herzen kommender Händedruck, und dann krampft sich mein Herz zusammen."


Verwirrend sind auch die Zeitwechsel und Zeitsprünge. Während Anna und Rachel in der Gegenwart erzählen, liegen Megans Handlungen immer einige Monate zurück. Schwierig wird das erst, wenn sich die Handlungen überschneiden und man sich bei Schlüsselszenen aus Megans Erzählperspektive plötzlich zum Verständnis an scheinbare Belanglosigkeiten aus Rachels Perspektive von ganz am Anfang erinnern muss. Zudem ist der Thriller episodenhaft erzählt und lehnt sich in der Szenenauswahl an die Fahrtzeit Rachels Züge an: morgens und abends. Was dazwischen geschieht verschwindet - sofern nicht später kurz nacherzählt - im Nebel.

Ein zusätzlich erschwerender Punkt ist, dass diese Geschichte ganz eindeutig auf ein weibliches Publikum ausgelegt ist. Die wichtigsten Krisenthemen, aus denen dieser Thriller seine Spannung schöpft sind unerfüllte Kinderwünsche, der Stress eine gute Mutter zu sein, Kindersterblichkeit, Ehekrisen, Affären, häusliche Gewalt, Arbeitslosigkeit und Alkoholismus. Dabei liegt ein wichtiger Schwerpunkt auf den Gefühlen der einzelnen Frauen - die Männer bleiben bessere Lückenfüller. Da ich mich jedoch mit keiner der Frauen identifizieren konnte, fand ich die Gefühlsduselei etwas zu dick aufgetragen und blieb während des Lesens ein eher kritischer Beobachter, der sich einfach nicht so recht auf die Geschichte einlassen konnte. Immer wieder eingestreute, neue Erkenntnisse kommen zu spät und zu fad um noch überraschen oder entsetzen zu können. So entwickelte die Geschichte erst nach guten 200 Seiten so etwas wie Anziehung oder Spannung auf mich. Die Seiten zuvor waren mir zu undurchsichtig, belanglos, langatmig - schlicht unnötiges Geplänkel.

Auch der Schreibstil konnte nicht dazu beitragen, dass ich doch noch gefesselt wurde. Diese Geschichte wird ja oft mit "Gone Girl" von Gillian Flynn verglichen, was ja auch von der grundsätzlichen Handlung und Thematik nahe liegt. Mit jeder weiteren Seite, die ich gelesen habe, kam mir dieser Vergleich jedoch lächerlicher vor: denn "Girl on the Train" fehlt sowohl der psychologische Witz als auch die dunkle Grundatmosphäre von "Gone Girl" und während letzteres durch viele geschliffene Sätze und Dialoge glänzt, ist es mit Tiefgründigkeit in Paula Hawkins nüchternem und schnörkellosen Schreibstiel nicht weit her. Flüssig, ja. Einfach zu lesen, auch. Aber besonders und mitreißend? Wohl eher nicht.

"Wenn wir träumen betreten wir eine Welt, die ganz und gar uns gehört."


Wie schon erwähnt ist es mit der Sympathie für die Protagonisten auch nicht weit her. Das ist grundsätzlich kein Problem - wäre die Geschichte nicht so darauf ausgelegt, dass wir Leser mit den Charakteren mitfühlen und von unseren Emotionen geleitet Vermutungen anstellen, wer wohl wirklich hinter Megans Tod stecken kann. Denn sehr schnell ist klar, dass sich in dem kleinen Kreis der uns näher bekannten Personen ein Mörder befinden muss:

Ist es unsere problembehaftete Hauptprotagonistin Rachel, die sich bis zur Besinnungslosigkeit trinkt, deshalb ihren Job verloren hat, armselig untergemietet lebt, Geldsorgen hat, in ihrer Traumwelt lebt, nicht zu sich selbst steht, sich gehen lässt und ihren geliebten Exmann Tom einfach nicht loslassen kann?
War es Scott, der eigentlich so bedingungslos liebende Ehemann, der jedoch zu starker Eifersucht und Kontrollwut leidet, der Megans Emails überprüft und ihre Post gelesen hat und auch von Gewalt nicht abgeneigt zu sein scheint?
Oder vielleicht war es doch der ausländische Psychotherapeut Kamal Abdic, bei dem Megan in Therapie war, der mehr über sie und ihre Vergangenheit weiß, als ihr eigener Mann und mit dem sie so gerne eine Affäre angefangen hätte?
Oder der betrügerische, lügende und doch so charmante Tom, der Rachel abserviert hat und nun mit seiner neuen Frau und einem Kind im gemeinsamen Haus lebt?
Oder die perfektionistische Anna, die Rachel an Toms Seite abgelöst hat, sich von dieser gestalkt fühl, Angst um ihr Kind hat und auch Megan nicht vertraut hat?
Oder war es doch Megan selbst: eine scheinbar glücklich verheiratete Frau, die dennoch mit ihren eigenen Dämonen kämpft und mehr Geheimnisse zu verbergen hat, als man auf den ersten Blick denkt?
Wir Leser versinken in einem undurchsichtigen Strudel an Motiven, Hass, Liebe, Eifersucht und einer Menge anderer niederer Gefühle, die jede unserer drei erzählenden Frauen, ihre Ehemänner, Ex-Männer und Liebhaber zu potentiellen Mördern machen...

Das Ende, dass nach einem Finale erfolgt, das -wie der Rest der Geschichte auch- unspektakulär, langsam und auf seltsame Weise bedacht wirkt, hat mich mit einem Lächeln im Gesicht zurückgelassen. Nicht nur, weil ich mich nun endlich einer anderen Geschichte widmen kann, oder weil die aufgedeckte Wahrheit mich besonders überrascht oder entsetzt hätte, sondern weil die Autorin es in wenigen Sätze geschafft hat, allen verkorksten Charakteren noch auf die Schnelle das Ende zu geben, das sie verdient haben.


Fazit:


Ein eher mittelmäßiger Thriller, der mit seinem langatmigen Einstieg, dem schnörkellosen, einfachen Stil und den unsympathischen Charakteren nicht gerade glänzt, dennoch aber mit einem spannenden Ende unterhalten kann.
Für Freunde des Genres würde ich lieber Anderes wie unbedingt "Gone Girl" von Gillian Flynn empfehlen, wer aber auf der Suche nach einem ruhigen, überschaubaren Thriller für Zwischendurch ist, soll gerne zu dieser Geschichte greifen

Veröffentlicht am 26.05.2018

Ein eher mittelmäßiger Thriller

Girl on the Train - Du kennst sie nicht, aber sie kennt dich.
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Allgemeines:

Titel: Girl on the Train - Du kennst sie nicht, aber sie kennt dich
Autor: Paula Hawkins
Genre: Thriller
Verlag: Blanvalet (15. Juni 2015)
ISBN-10: 3734100518
ISBN-13: 978-3734100512
ASIN: ...

Allgemeines:

Titel: Girl on the Train - Du kennst sie nicht, aber sie kennt dich
Autor: Paula Hawkins
Genre: Thriller
Verlag: Blanvalet (15. Juni 2015)
ISBN-10: 3734100518
ISBN-13: 978-3734100512
ASIN: B00TOFDJTG
Originaltitel: The Girl on the Train
Seitenzahl: 464 Seiten
Preis: 9,99€ (Kindle-Edition)
12,99€ (Taschenbuch)



Inhalt:


Jeden Morgen pendelt Rachel mit dem Zug in die Stadt, und jeden Morgen hält der Zug an der gleichen Stelle auf der Strecke an. Rachel blickt in die Gärten der umliegenden Häuser, beobachtet ihre Bewohner. Oft sieht sie ein junges Paar: Jess und Jason nennt Rachel die beiden. Sie führen – wie es scheint – ein perfektes Leben. Ein Leben, wie Rachel es sich wünscht.
Eines Tages beobachtet sie etwas Schockierendes. Kurz darauf liest sie in der Zeitung vom Verschwinden einer Frau – daneben ein Foto von »Jess«. Rachel meldet ihre Beobachtung der Polizei und verstrickt sich damit unentrinnbar in die folgenden Ereignisse ...


Bewertung:

Aufgrund des Hypes, der sich nach der Veröffentlichung um diese Geschichte ergeben hat, habe ich mir ein gebrauchtes Exemplar dieses Buches vor einiger Zeit auf einem Flohmarkt zugelegt und bin nun im Urlaub endlich dazu gekommen es zu lesen. Doch obwohl ich geringe Erwartungen, viel Zeit und entspannte Geduld mitgebracht habe, konnte ich mit diesem Buch einfach nicht warm werden. Aufgrund des Klapptextes und der ganzen, kursierenden Werbung hatte ich einen rasanten Thriller erwartet. Was auf mich zukam war jedoch ein träger, gefühlsduseliger und unreflektierter Lebensbericht über die dramatischen und weniger dramatischen Probleme dreier Frauen und deren kleinkarierten Verstrickungen als eine von ihnen verschwindet. Ich kann schon verstehen, dass viele Leser diese Geschichte mögen können und will ihr gerade für das Ende auch nicht die Spannung absprechen - mich konnte sie jedoch einfach nicht überzeugen.

Das Cover ist ... passend. Das ist das erste Adjektiv, dass mir zur Gestaltung einfallen ist. Nicht etwa wunderschön oder mystisch oder interesseweckend, kein besonderer Eye-Catcher, aber auch nicht langweilig - mit dem Titel im Verwischt-Look und den Andeutungen eines fahrenden Zuges ist es thematisch einfach passend. Der Titel ist ebenfalls stimmig gewählt, für mich ist jedoch der Untertitel viel zu reißerisch für die Geschichte, genau wie der Klapptext, der es schafft in sieben Zeilen einfach gar nichts über die Geschichte zu verraten, sodass ich mit völlig falschen Erwartungen an die Geschichte gegangen bin.

Erster Satz: "Da liegt ein Kleiderhaufen an den Gleisen."

Nach zwei kurzen, vorgeschobenen Szenenausschnitten, die bei mir jedoch mehr für Verwirrung als für angenehmes Gruseln gesorgt haben, steigen wir in das klägliche Leben der ausgelaugten Rachel ein, die auf ihren alltäglichen Zugfahrten nach London und wieder zurück stets ein ganz bestimmtes Haus an den Bahngleisen beobachtet. Das junge Paar, das dort lebt, stellt sie sich schwerverliebt und voller Harmonie vor - und ist geschockt, als sie eines Tages die Frau in zärtlicher Umarmung mit einem anderen Mann sieht. Kurz darauf ist die Frau verschwunden. Rachel ahnt Böses und nimmt Ermittlungen auf. Für die junge Alkoholikerin, der nach Scheidung und Jobverlust, geplagt von Gedächtnisverlusten und ihrem unkontrollierten Verhalten im Suff ein Ziel im Leben fehlt, ergibt sich so das Gefühl, endlich mal wieder gebraucht zu werden und an etwas beteiligt zu sein. Wie sehr sie selbst und ihr Exmann mitsamt neuer Familie in das tragische Schicksal des jungen Paares verstrickt sind, ahnt sie zu dem Zeitpunkt noch nicht. Doch als sie bei ihren Nachforschungen hinter etliche dunkle Geheimnisse kommt, werden in ihr längst vergessene Erinnerungen wach - unter anderem auch welche der Nacht, in der die junge Megan verschwand...

Die Geschichte wird von Anfang an aus zwei Perspektiven erzählt: Rachel erzählt aus der Ich-Perspektive von ihrem verkorksten Leben und wie sich dieses nach dem Verschwind von Megan ändert, während wir zeitgleich aus der Sicht Megans geschildert bekommen, was vor ihrem Verschwinden geschah. Nach einem guten Drittel der Geschichte kommt dann als weiterer erzählender Handlungsstrang noch Anna, die neue Frau von Rachels Exmann Tom, hinzu. Zu Beginn hatte ich große Probleme damit, in die Geschichte reinzukommen, da wir hier drei scheinbar langweilige Vorstadtleben charakterisiert bekommen und die Protagonistin einem echt auf die Nerven gehen kann. Mir ist schon bewusst, dass ich das der Autorin nicht vorwerfen kann, immerhin ist Rachel -genau wie die anderen Frauen auch- nicht als Sympathieträgerin angelegt. Mich in die Geschichte einzufinden, in der eigentlich außer endlose Zugfahrten und zwanghaft wiederholte Handlungen nichts passiert, erleichterte diese Erkenntnis jedoch keineswegs.


"Manchmal ertappe ich mich dabei, wie ich mich zu erinnern versuche, wann mich zuletzt ein Mensch berührt hat und sei es nur ein Umarmung oder ein vom Herzen kommender Händedruck, und dann krampft sich mein Herz zusammen."


Verwirrend sind auch die Zeitwechsel und Zeitsprünge. Während Anna und Rachel in der Gegenwart erzählen, liegen Megans Handlungen immer einige Monate zurück. Schwierig wird das erst, wenn sich die Handlungen überschneiden und man sich bei Schlüsselszenen aus Megans Erzählperspektive plötzlich zum Verständnis an scheinbare Belanglosigkeiten aus Rachels Perspektive von ganz am Anfang erinnern muss. Zudem ist der Thriller episodenhaft erzählt und lehnt sich in der Szenenauswahl an die Fahrtzeit Rachels Züge an: morgens und abends. Was dazwischen geschieht verschwindet - sofern nicht später kurz nacherzählt - im Nebel.

Ein zusätzlich erschwerender Punkt ist, dass diese Geschichte ganz eindeutig auf ein weibliches Publikum ausgelegt ist. Die wichtigsten Krisenthemen, aus denen dieser Thriller seine Spannung schöpft sind unerfüllte Kinderwünsche, der Stress eine gute Mutter zu sein, Kindersterblichkeit, Ehekrisen, Affären, häusliche Gewalt, Arbeitslosigkeit und Alkoholismus. Dabei liegt ein wichtiger Schwerpunkt auf den Gefühlen der einzelnen Frauen - die Männer bleiben bessere Lückenfüller. Da ich mich jedoch mit keiner der Frauen identifizieren konnte, fand ich die Gefühlsduselei etwas zu dick aufgetragen und blieb während des Lesens ein eher kritischer Beobachter, der sich einfach nicht so recht auf die Geschichte einlassen konnte. Immer wieder eingestreute, neue Erkenntnisse kommen zu spät und zu fad um noch überraschen oder entsetzen zu können. So entwickelte die Geschichte erst nach guten 200 Seiten so etwas wie Anziehung oder Spannung auf mich. Die Seiten zuvor waren mir zu undurchsichtig, belanglos, langatmig - schlicht unnötiges Geplänkel.

Auch der Schreibstil konnte nicht dazu beitragen, dass ich doch noch gefesselt wurde. Diese Geschichte wird ja oft mit "Gone Girl" von Gillian Flynn verglichen, was ja auch von der grundsätzlichen Handlung und Thematik nahe liegt. Mit jeder weiteren Seite, die ich gelesen habe, kam mir dieser Vergleich jedoch lächerlicher vor: denn "Girl on the Train" fehlt sowohl der psychologische Witz als auch die dunkle Grundatmosphäre von "Gone Girl" und während letzteres durch viele geschliffene Sätze und Dialoge glänzt, ist es mit Tiefgründigkeit in Paula Hawkins nüchternem und schnörkellosen Schreibstiel nicht weit her. Flüssig, ja. Einfach zu lesen, auch. Aber besonders und mitreißend? Wohl eher nicht.

"Wenn wir träumen betreten wir eine Welt, die ganz und gar uns gehört."


Wie schon erwähnt ist es mit der Sympathie für die Protagonisten auch nicht weit her. Das ist grundsätzlich kein Problem - wäre die Geschichte nicht so darauf ausgelegt, dass wir Leser mit den Charakteren mitfühlen und von unseren Emotionen geleitet Vermutungen anstellen, wer wohl wirklich hinter Megans Tod stecken kann. Denn sehr schnell ist klar, dass sich in dem kleinen Kreis der uns näher bekannten Personen ein Mörder befinden muss:

Ist es unsere problembehaftete Hauptprotagonistin Rachel, die sich bis zur Besinnungslosigkeit trinkt, deshalb ihren Job verloren hat, armselig untergemietet lebt, Geldsorgen hat, in ihrer Traumwelt lebt, nicht zu sich selbst steht, sich gehen lässt und ihren geliebten Exmann Tom einfach nicht loslassen kann?
War es Scott, der eigentlich so bedingungslos liebende Ehemann, der jedoch zu starker Eifersucht und Kontrollwut leidet, der Megans Emails überprüft und ihre Post gelesen hat und auch von Gewalt nicht abgeneigt zu sein scheint?
Oder vielleicht war es doch der ausländische Psychotherapeut Kamal Abdic, bei dem Megan in Therapie war, der mehr über sie und ihre Vergangenheit weiß, als ihr eigener Mann und mit dem sie so gerne eine Affäre angefangen hätte?
Oder der betrügerische, lügende und doch so charmante Tom, der Rachel abserviert hat und nun mit seiner neuen Frau und einem Kind im gemeinsamen Haus lebt?
Oder die perfektionistische Anna, die Rachel an Toms Seite abgelöst hat, sich von dieser gestalkt fühl, Angst um ihr Kind hat und auch Megan nicht vertraut hat?
Oder war es doch Megan selbst: eine scheinbar glücklich verheiratete Frau, die dennoch mit ihren eigenen Dämonen kämpft und mehr Geheimnisse zu verbergen hat, als man auf den ersten Blick denkt?
Wir Leser versinken in einem undurchsichtigen Strudel an Motiven, Hass, Liebe, Eifersucht und einer Menge anderer niederer Gefühle, die jede unserer drei erzählenden Frauen, ihre Ehemänner, Ex-Männer und Liebhaber zu potentiellen Mördern machen...

Das Ende, dass nach einem Finale erfolgt, das -wie der Rest der Geschichte auch- unspektakulär, langsam und auf seltsame Weise bedacht wirkt, hat mich mit einem Lächeln im Gesicht zurückgelassen. Nicht nur, weil ich mich nun endlich einer anderen Geschichte widmen kann, oder weil die aufgedeckte Wahrheit mich besonders überrascht oder entsetzt hätte, sondern weil die Autorin es in wenigen Sätze geschafft hat, allen verkorksten Charakteren noch auf die Schnelle das Ende zu geben, das sie verdient haben.


Fazit:


Ein eher mittelmäßiger Thriller, der mit seinem langatmigen Einstieg, dem schnörkellosen, einfachen Stil und den unsympathischen Charakteren nicht gerade glänzt, dennoch aber mit einem spannenden Ende unterhalten kann.
Für Freunde des Genres würde ich lieber Anderes wie unbedingt "Gone Girl" von Gillian Flynn empfehlen, wer aber auf der Suche nach einem ruhigen, überschaubaren Thriller für Zwischendurch ist, soll gerne zu dieser Geschichte greifen