Platzhalter für Profilbild

Xirxe

Lesejury Star
offline

Xirxe ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Xirxe über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 02.11.2016

Dystopie mit Hoffnung

NOX. Anderswo
0

Der zweite Teil dieser Dystopie beginnt nahtlos dort, wo der erste endete, was es für NeueinsteigerInnen etwas problematisch machen dürfte, der Geschichte ohne Verständigungsschwierigkeiten zu folgen. ...

Der zweite Teil dieser Dystopie beginnt nahtlos dort, wo der erste endete, was es für NeueinsteigerInnen etwas problematisch machen dürfte, der Geschichte ohne Verständigungsschwierigkeiten zu folgen. Während im ersten Teil ausführlich die Gesellschaft wie auch die Entwicklung der Personen beschrieben wurde, ist man zu Beginn von NOX - Anderswo sofort mitten in der Geschichte. Die früher engen Freunde Lucen und Gerges stehen nun auf entgegengesetzten Seiten, wobei Gerges Lucen nichts sehnlicher als den Tod wünscht. Lucen muss aufgrund einer Intrige sechs Monate in den verseuchten Wäldern arbeiten, bevor sein Todesurteil vollstreckt wird, während seine schwangere Freundin versucht, sich und ihr Kind zu retten. Ludmilla, das Mädchen aus der Oberstadt, findet sich plötzlich in Dinge verwickelt, die sie an die Grenzen ihrer Möglichkeiten bringen.
Während das erste Buch den Schwerpunkt auf die Entwicklung der Hauptpersonen legte, geht es nun ums nackte Überleben. Die obere Gesellschaft gegen die untere, die Mächtigen gegen die Machtlosen, die Starken gegen die Schwachen. Wer das Pech hatte, auf der falschen Seite geboren worden zu sein, muss sehen wo er/sie bleibt. Gerechtigkeit gibt es nicht und Solidarität herrscht bei den Meisten nur innerhalb ihrer eigenen Gruppe. Ob Ähnlichkeiten zur aktuellen Weltlage gewollt sind - wer weiß.
Wie schon zuvor erzählen die Hauptpersonen stets abwechselnd das von ihnen Erlebte, wobei die Überschneidungen hier deutlich geringer sind als im ersten Teil, was sicherlich den auseinanderstrebenden Lebenswegen geschuldet ist. Zu den bisherigen drei Protagonisten ist noch Firmie, die Freundin Lucens, hinzugekommen, die wie die Anderen ziemlich kühl und sachlich berichtet. Selbst die größten Ängste und Schmerzen werden beinahe emotionslos mitgeteilt, was mir beim Lesen immer wieder merkwürdig vorkam. War das im ersten Teil auch so? Vielleicht gab es dort aber auch einfach weniger solcher Situationen.
Insgesamt ist dieses Buch sicherlich fesselnder als der erste Band, dennoch gefiel mir jener besser. Es gibt einfach viele Dinge, die mir zu gewollt waren: junge Mädchen morden von jetzt auf gleich; ein brutaler Vater wandelt sich beinahe ins Gegenteil; am Ende Gedanken an Brüder, die die 300 Seiten vorher nie ein Thema waren; Happyend für Alle usw. So bleibt es bei einer Dystopie, die mit viel Potential begann, das zum Ende hin jedoch bedauerlicherweise nicht ausgeschöpft wurde.

Veröffentlicht am 02.11.2016

Glück ist Liebe, nichts anderes. Wer lieben kann, ist glücklich. Hermann Hesse

Auch das wird vergehen
0

Blancas Mutter ist verstorben, die wohl der wichtigste Mensch in ihrem Leben war und Blanca zu dem Menschen 'machte', der sie heute ist. Nicht immer entwickeln sich aus solchen Erkenntnissen positive Gefühle, ...

Blancas Mutter ist verstorben, die wohl der wichtigste Mensch in ihrem Leben war und Blanca zu dem Menschen 'machte', der sie heute ist. Nicht immer entwickeln sich aus solchen Erkenntnissen positive Gefühle, doch in diesem Fall entstand eine große Liebe. Blanca liebt ihre Mutter über alles und in den Tagen nach deren Tod ist sie ihr fast immer gegenwärtig, bei den unterschiedlichsten Gelegenheiten. Die Ich-Erzählung aus Blancas Perspektive habe ich wie einen Brief an die Mutter empfunden: Sie erzählt ihr von den Tagen nach der Beerdigung, wie sie sich versucht abzulenken und dennoch stets auf's Neue ihre Mutter in den Vordergrund rückt. Menschen, Orte, Gesten, Gefühle - immer wieder werden dadurch Erinnerungen hervorgerufen, denen Blanca sich hingibt. Voller Wehmut und Schmerz, aber auch mit Zärtlichkeit, Freude und voller Liebe. Dies mag nun Manchen allzu sehr nach Rosarot klingen, doch es gibt auch Rückblicke, die deutlich machen, dass die Mutter-Tochter-Beziehung nicht nur harmonisch war. Doch die Liebe überwiegt...
In diesem Buch gibt es so viele wunderbare und schöne Sätze, dass ich vermutlich ganze Wände damit tapezieren könnte Beispiele gefällig? Also: "Du hast mich so rigoros und nachhaltig gegen jede nicht spielerische Form von Unterwerfung erzogen, dass ich noch nicht einmal Feministin werden musste." oder "In deinen Augen rechtfertigte die Liebe eigentümliche Verhaltensweisen, die du unter allen anderen Umständen verurteilt hättest. Wenn ein Kellner ... dir die Suppe über's Kleid schüttete und du, eben dabei, dich zu beschweren, vom Maître erfuhrst, er sei verliebt ..., sahst du ihn wohlwollend an und sagtest: "Ach so, na dann..." Und aßest seelenruhig weiter in deinem suppendurchtränkten Rock." oder ""Leichtigkeit ist eine Form von Eleganz", sage ich, "leicht und fröhlich zu leben ist sauschwer." "Du verwechselst Leichtigkeit mit Schlendrian, Blanquita."" Vielleicht ist es das, was das Leben von Blanca und ihrer Familie ausmacht: Die Leichtigkeit und die Liebe, was sich auch in den noch immer sehr guten Beziehungen zu ihren Ex-Ehemännern zeigt, den Vätern ihrer beiden Söhne.
Doch es ist nicht nur die Liebe zum andern Geschlecht, sondern ganz allgemein die Liebe zum Leben, die Liebe an sich. Deutlich wird das besonders auf den letzten Seiten, wo Blanca ihrer Mutter eine wundervolle Dankesrede und Liebeserklärung schreibt, die alleine schon das ganze Buch lohnt. "Von dir habe ich die Liebe auf den ersten Blick als einzig mögliche Form, sich zu verlieben (du hattest recht), die Liebe zur Kunst, zu den Büchern, den Museen, zum Ballett, die Freigiebigkeit in Gelddingen, die großen Gesten in den passenden Momenten, die Rigorosität im Handeln und im Reden. Das völlige Fehlen von Schuldgefühlen und die Freiheit und die Verantwortlichkeit, die damit verbunden sind.... Du hast mir auch das irre Lachen geschenkt, die Freude am Leben, die völlige Hingabe, den Spaß an jedem Spiel, die Abneigung gegen alles, was in deinen Augen das Leben kleiner machte und einem die Luft nahm: Knauserigkeit, Mangel an Loyalität, Neid, Angst, Dummheit und Grausamkeit. Und den Sinn für Gerechtigkeit. Die Aufsässigkeit. Das überwältigende Erkennen von Glück in den Momenten, wenn man es in Händen hält und ehe es wieder davon fliegt.... Und die Grandezza, eine Fähigkeit, die Dinge zu benennen, sie zu sehen, eine aufrichtige Toleranz den Schwächen und Unzulänglichkeiten anderer Menschen gegenüber...".
Auch wenn das Hauptthema dieses Buches der Tod eines Menschen sein mag, ist es für mich viel mehr eine Hommage an das Leben und die Liebe.

Veröffentlicht am 02.11.2016

Auf der Suche...

Über den Winter
0

Lennard Salm, ein nicht erfolgloser Konzeptkünstler (oder etwas in der Art), erhält die Nachricht, dass seine ältere Schwester gestorben ist. Er kehrt nach Hamburg zurück, wo sein pflegebedürftiger Vater ...

Lennard Salm, ein nicht erfolgloser Konzeptkünstler (oder etwas in der Art), erhält die Nachricht, dass seine ältere Schwester gestorben ist. Er kehrt nach Hamburg zurück, wo sein pflegebedürftiger Vater und seine jüngere Schwester lebt. Sein Leben gerät aus dem scheinbaren Gleichgewicht, in dem es sich die letzten Jahre befand und er ist sich nur bei einem sicher: dass er seinem Vater nahe sein möchte. All das, was sein Leben bisher bestimmte, die Kunst, Reisen, Ausstellungen, interessiert ihn nicht mehr. Doch was statt dessen sein soll, weiß er nicht.
Es ist kein ereignisreiches Buch. Man begleitet Salm während seiner Wintertage in Hamburg und erhält Einblick in seine Gedanken- und Gefühlswelt, wobei letztere eher wenig ausgeprägt ist. Ich empfand ihn als einen Menschen auf der Suche nach dem, was er wirklich will. Seine Vergangenheit war bis dahin mehr durch Zufälligkeiten geprägt, die ihn dahin und dorthin brachten, ohne dass wirkliche Entscheidungen zu treffen waren. Wie bei seinem verloren gegangenen Koffer, der durch die Welt reist und ihn erst am Ende des Buches wieder erreicht. Und auch jetzt ist es keine aktive Suche. Vielmehr ein Sichtreibenlassen ohne sich tatsächlich offen zu etwas bekennen zu müssen.
Vieles in diesem Roman hängt mehr miteinander zusammen als man auf den ersten Blick ahnt, zumindest habe ich es so wahrgenommen (siehe auch den verlorenen Koffer). Im Prolog befindet sich Lennard an einer nicht näher bezeichneten Küste im Süden Europas (?). Und im ersten Kapitel ist es auf den ersten drei Seiten völlig unklar, wo er sich befindet: Noch immer in dem unbekannten Land? Nun aber im Hotel? Erst in der Mitte auf Seite 50 wird deutlich, dass es sich um Hamburg handelt. Alles scheint austauschbar, nichts von Bestand - ganz so wie Lennards Leben.
Es ist eine langsame Entwicklung, die der Protagonist hier durchläuft und damit umso glaubwürdiger. Sein Erschrecken, dass auch Menschen in seiner unmittelbaren Nähe teils existentielle Probleme haben. Oder die unerwartete Freundlichkeit und das aufrichtige Interesse an seiner Person, die ihn zu deutlich überhöhten Trinkgeldern greifen lässt. Erlebnisse, die sein bisheriges Leben in Frage stellen, ohne dass er diese laut äussert.
Die Lektüre regte mich zum Nachdenken an: zum Einen über das Buch selbst, zum Andern über mich. Nicht das Schlechteste, was man über ein Buch sagen kann

Veröffentlicht am 02.11.2016

Das Leben nach Katarina und Deepwater Horizon

Das zerstörte Leben des Wes Trench
0

Gleich zu Beginn muss ich erst mal das leidige Thema BUCHTITEL ansprechen. Denn weder erwartet einen bei dieser Lektüre die tragische Lebensgeschichte des Wes Trench noch ist dessen Leben zerstört (zumindest ...

Gleich zu Beginn muss ich erst mal das leidige Thema BUCHTITEL ansprechen. Denn weder erwartet einen bei dieser Lektüre die tragische Lebensgeschichte des Wes Trench noch ist dessen Leben zerstört (zumindest habe ich es so empfunden). Doch auch den Originaltitel finde ich eher seltsam: The Marauders (= Plünderer, nicht Rumtreiber wie ich irgendwo gelesen habe). Denn gerade das sind die Protagonisten dieses Buches nicht. Ist es zuviel verlangt, sich einen Titel zu wünschen der im richtigen Zusammenhang mit dem Inhalt steht?
Erzählt wird das Leben von acht Männern (Frauen scheint es kaum mehr zu geben) während des Sommers 2010, kurz nachdem die Ölplattform Deepwater Horizon explodierte und fünf Jahre nach dem Hurrikan Katarina. Sie alle leben im tiefen Süden von Louisiana, wo die Menschen Sumpfratten genannt werden und die meisten nach diesen beiden Schicksalsschlägen hart um ihre Existenz kämpfen müssen. Da ist Fischer Lindqvist, der wie die meisten Anderen mehr schlecht als recht von der Shrimpsfischerei versucht zu leben und seinen Kindheitstraum nie aufgegeben hat, einen Goldschatz zu finden. Die Zwillinge Toup, die auf einer Insel mitten im Sumpf Marihuana anbauen. Brady Grimes, der widerwillig in die Heimat zurückgekehrt ist und nun im Auftrag der Ölgesellschaft die Einheimischen über den Tisch zieht. Cosgrove und Hanson, zwei Männer, die nichts miteinander verbindet außer dem Wunsch, möglichst schnell an viel Geld zu kommen. Und natürlich Wes Trench, der gemeinsam mit seinem Vater ebenfalls auf Shrimpsfang geht.
Tom Cooper gelingt es bei seinem Erstlingswerk überraschend gut, die besondere Stimmung und Atmosphäre dieser Gegend und seiner Bewohner zu vermitteln. Es ist ein zäher und eigensinniger Menschenschlag der hier ausharrt und versucht, trotz der widrigen Umstände die auch ganz ohne Hurrikan und Ölpest zum Alltag gehören, sich und ihren Familien ein möglichst gutes Leben zu ermöglichen. Aber es sind nicht nur gute Geschichten, die Cooper hier erzählt anhand der teils schrägen Hauptfiguren, von denen jeweils abwechselnd kapitelweise berichtet wird. Die realen Ereignisse wie der Hurrikan Katarina und die Ölpest scheinen zwar nur eine Nebenrolle zu spielen, doch letzten Endes sind sie es, die die Ursachen für die massiven Schwierigkeiten dieses Landstriches darstellen. Die Zerstörung der ganzen Umgebung wie auch der Tod vieler Menschen durch Katarina, die Umweltverschmutzung durch die Ölpest, der dadurch erfolgte Zusammenbruch der gesamten Lebensgrundlagen der Einheimischen (Shrimps werden nun aus China importiert), das Davonstehlen der dafür Verantwortlichen - der Autor klagt nicht an, sondern schildert es eher beiläufig. Doch es ist auf jeder Seite präsent.
Tom Cooper ist ein toller Geschichtenerzähler und so sei es ihm verziehen, dass das Ende fast schon zu happyendmäßig ausfällt. Ihm ist ein überzeugender Roman mit schrägen, aber real wirkenden Menschen gelungen, der Ereignisse und insbesondere deren Folgen zurück ins Gedächtnis ruft, die von Vielen vermutlich bereits wieder vergessen wurden.

Veröffentlicht am 02.11.2016

Für Männer vielleicht nur bedingt geeignet ;-)

Die Halbwertszeit der Liebe
0

Die Ich-Erzählerin Margarete, Mitte 40, erfolgreiche Schönheitschirurgin mit wissenschaftlichem Schwerpunkt männliches Geschlechtsteil, sehr intelligent und sehr attraktiv (ohne Eingriffe ), hat ein bzw. ...

Die Ich-Erzählerin Margarete, Mitte 40, erfolgreiche Schönheitschirurgin mit wissenschaftlichem Schwerpunkt männliches Geschlechtsteil, sehr intelligent und sehr attraktiv (ohne Eingriffe ), hat ein bzw. mehrere massive Defizite. An Sex kann sie nichts finden und Gefühle sind ihr weitestgehend fremd. Zudem ist sie der Auffassung, missgestalt zu sein (ganz im Gegensatz zu den Männern) - Dysmorphophobie nennt man diese Krankheit. Auf einem Kongress begegnet sie Heinrich, einem ebenfalls sehr erfolgreichen Schönheitschirurgen, der völlig von ihr hingerissen ist. Margarete geht es mit ihm ähnlich, ohne dass sie weiss weshalb, und so beschließt sie, ihn zu lieben. Es beginnt eine, wie ich finde, seltsame Beziehung, die in St. Moritz in einer gemeinsamen Bergwanderung im wahrsten Sinne des Wortes gipfelt.
Ich lese ja nun wirklich viel, aber so ein Buch bzw. einen solchen Stil hatte ich bisher noch nie. Durch ihre Gefühllosigkeit ist Margaretes Ausdrucksweise kühl und rational, Menschen (insbesondere Männer) werden stets nach ihrem äusseren Erscheinungsbild analysiert, nicht beurteilt!. Das hört sich dann beispielsweise so an: "Er ist jünger als ich, klein, dunkel, Kraushaar an Kopf und Armen. Bauchfett: nullkommafünf Liter, Länge des Penis siebenkommafünf Zentimeter (nicht erigiert), Durchmesser drei, gerader Wuchs, erigiert dreissig Prozent Zuwachs, maximal. Der Kittel blütenweiß, gestärkt." Oder: "Sie haben Bäuche, eine Fettabsaugung könnte Abhilfe schaffen, ich schätze das Volumen des abzusaugenden Gewebes; im Fall des rechts Stehenden ein knapper Liter, links einskommafünf, der Mittlere leidet an schwerer Fettleibigkeit, zweikommafünf." Der Tonfall bleibt fast durchgehend völlig sachlich und nüchtern, was mir zu Beginn eher unangenehm war, doch nach 40 bis 50 Seiten hatte ich mich daran gewöhnt und die Lektüre machte mir immer mehr Vergnügen. Margarete enthüllt die Männer ohne Gnade - nicht bösartig sondern weil sie nicht anders kann, und das ist schon sehr amüsant. Doch ihr Verhalten steht im völligen Gegensatz dazu, sodass ich immer nur den Kopf schütteln musste, wobei es natürlich auch dafür Erklärungen gibt.
Trotzdem, so Manches bleibt unverständlich was jedoch meine Lesefreude nicht minderte. Alles in allem eine sehr ungewöhnliche Liebesgeschichte, insbesondere mit einem Blick auf Männer, wie ich ihn so noch nicht kannte