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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 15.01.2018

Ein Specht, ein vermisster Junge und ganz viel Kleinstadtödnis

Hier könnte das Ende der Welt sein
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Ein fünfzehnjähriger Junge verschwindet spurlos. In dem kleinen verschlafenen Nest Lily in Arkansas dreht sich jedoch bald schon wieder alles um eine ausgestorben geglaubte Spechtart, die scheinbar in ...

Ein fünfzehnjähriger Junge verschwindet spurlos. In dem kleinen verschlafenen Nest Lily in Arkansas dreht sich jedoch bald schon wieder alles um eine ausgestorben geglaubte Spechtart, die scheinbar in der Umgebung wieder aufgetaucht sein soll. Die Bewohner hoffen durch diese „Attraktion“ ihrem Kaff zu neuem Schwung und Ansehen verhelfen zu können. Relativ beklommen und resigniert, versucht die Familie des Opfers mit ihrer Situation umzugehen, die Hoffnung nicht zu verlieren und sich irgendwie mit der neuen Situation zu arrangieren, muss aber feststellen, dass, auch wenn sich viele bemühen, keiner so wirklich nachempfinden kann, was der Verlust eines Familienmitglieds in den Zurückgebliebenen auslöst.
Das Buch ist anders, teilweiße über Seiten hinweg so zäh und langatmig, wie man sich das Leben in Lily vorstellt, bleibt seltsam oberflächlich und geht dann doch viel tiefer als man dachte. Es lässt mich etwas ratlos zurück, wird aber wohl noch einige Zeit nachhallen – und darauf kommt es schließlich an.

Veröffentlicht am 07.01.2018

Totale Kontrolle – zum Wohle aller

Die Optimierer
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Interessante, sehr gut recherchierte Zukunftsvision, die einem vor Augen führt, weshalb die Vorratsdatenspeicherung gar nicht so belanglos ist, wie sie uns oft erscheinen mag. Erschreckend und gut!

Zugegeben, ...

Interessante, sehr gut recherchierte Zukunftsvision, die einem vor Augen führt, weshalb die Vorratsdatenspeicherung gar nicht so belanglos ist, wie sie uns oft erscheinen mag. Erschreckend und gut!

Zugegeben, ich gehöre auch zu denjenigen, die es nicht weiter tragisch finden, von Amazon aufgrund meiner Kaufhistorie neue, auf mich „zugeschnittene“ Kaufempfehlungen zu bekommen, und wenn Google bereits vorher weiß, nach was ich suchen werde, spar ich mir das Tippen.

Theresa Hannig erschafft in ihrem Roman nun eine Welt, deren Bewohner gerade aufgrund solcher Daten und einer allumfassenden „Dokumentation“ ihrer Leben zu gläsernen Bürgern werde. Kurz das jeweilige Profil aufrufen und schon weiß man bestens „bescheid“ über denjenigen, der vor einem steht, welchen sozialen Status er hat, wie er sich in der Gesellschaft engagiert und wo sein optimaler Platz in der optimalwohlökonomischen Gesellschaft ist. Denn jeder hat einen Platz, an dem er für sich und alle anderen am nützlichsten wirken kann – bei manchen ist dies tatsächlich das heimische Sofa! Und auch der Protagonist Samson Freitag muss auf sehr schmerzliche Art erfahren, wie es ist, vom System „aussortiert“ zu werden.

Unbedingt lesenswert!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Atmosphäre
  • Figuren
  • Idee/Originalität
  • Spannung
Veröffentlicht am 05.01.2018

Seichter „Tiefgang“ mit ganz viel Schmalz

Der Tanz unseres Lebens
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Wer Jennifer Aniston mag, wird dieses Buch lieben!
Florence ist eine begnadete Tänzerin, freundlich, aufmerksam, gutaussehend, „ein Wirbelwind“, eben der sympathische Traum aller Schnulzenleserinnen – ...


Wer Jennifer Aniston mag, wird dieses Buch lieben!
Florence ist eine begnadete Tänzerin, freundlich, aufmerksam, gutaussehend, „ein Wirbelwind“, eben der sympathische Traum aller Schnulzenleserinnen – selbst wäre sie aber viel zu umsichtig und zu bescheiden um das zu realisieren.
Ihr männlicher Gegenpart ist hochintelligent, bombastisch attraktiv und das Einfühlsamste und vorsichtigste was man wohl aufs Papier bannen kann.
Beide haben einen schweren Schicksalsschlag zu verkraften und ziehen sich in ein kleines, idyllisches Urlaubsparadies in der Französischen Schweiz zurück. Dort lernen sie sich kennen – natürlich, indem er ihr zunächst heldenhaft das Leben rettet.
Damit der geneigte Leser erkennen kann, welch unglaublich liebens- und bewundernswerte Menschen hier umschrieben werden, dürfen beide aufopferungsvoll Claire, einer allein erziehenden Mutter und ihren beiden Töchtern, die eine vielversprechendes Sportass und schwer erkrankt, die andere ein strahlender Sonnenschein mit Trisomie 21, unter die Arme greifen.
Dabei stellen sie sich die wichtigen Fragen des Lebens: Können verwundete Herzen jemals heilen? Wie lange darf man sich dafür Zeit lassen? Wie unendlich dankbar darf und kann man für sich und seine warmherzigen, einfühlsamen Freunde sein? Kann man jemanden verletzen, wenn man ihn nicht umsichtig genug nach seiner Schuhgröße fragt? Und wie viele Träume anderer zerstören wir unbedacht, einfach, weil wir sie nicht oft genug mit Samthandschuhen anpacken? Wie viel Schmalz passt in eine Geschichte, ohne dass es den Leser schüttelt?
Ich bin mir sicher, dass dieses Buch viele Begeisterte Leser finden wird, ich bin durch Zufall darüber gestolpert und lasse solche Art von Büchern in Zukunft besser liegen!

Veröffentlicht am 19.12.2017

„Satter“ Misanthrop auf Abschlusstournee

Das Jahr der Frauen
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Frank Stremmer ist ein Arschloch. Ein sexistisches, zynisches Arschloch. Wer damit kein Problem hat, dem könnte dieses Buch sehr gut gefallen!
Stremmer ist müde, lebensmüde. In einem letzten Aufbäumen ...

Frank Stremmer ist ein Arschloch. Ein sexistisches, zynisches Arschloch. Wer damit kein Problem hat, dem könnte dieses Buch sehr gut gefallen!
Stremmer ist müde, lebensmüde. In einem letzten Aufbäumen versucht er „Verständnis“ für seine Umgebung aufzubringen, eigentlich ist ihm aber längst alles relativ gleichgültig. Und so kann er recht locker aufspielen, denn wenn man erst einmal gelernt hat, dauerhaft neben sich zu stehen, ist einem nichts mehr peinlich: Wie ein zynischer Beobachter steht er neben seinem inhaltslosen Leben, kommentiert sich, seine Mitmenschen und vor allem auch seinen Job bei einer bedeutenden NGO, deren Hauptanliegen vor allem im „So tun als ob“ besteht, mit scharflakonischer Zunge, Er will die Welt und sich verstehen, findet letzten Endes aber doch nur alles lästig. Auf dem hohen Ross ist es auf Dauer sehr einsam, auch das gesteht er sich ein. Doch er kann nicht aus seiner Haut, lässt alle im Regen stehen, die einen, manchmal zwei Schritte auf ihn in zugehen.
Um auf eine daher gesagte Frage seines Psychiaters eine schnoddrige Antwort zu geben, schlägt er ihm eine Wetter vor: Sollte er es schaffen, im neuen Jahr jeden Monat eine andere Frau ins Bett zu bekommen, darf er sich Ende des Jahres endlich umbringen – mögen die Spiele beginnen!
Gerrit Bartels beschreibt es in seiner im Deutschlandfunk ausgestrahlten Rezension wie folgt: „So wird Stremmer zum verbrauchten Helden eines Romans, der sich angenehm quer stellt zu dem, was die deutschsprachige Gegenwartsliteratur sonst so produziert.“
Ich hab‘s gern gelesen!

Veröffentlicht am 13.11.2017

Nachdenklich, philosophisch, eine Bewältigung des (eigenen) Lebens und der Vergänglichkeit des Seins.

Die Kostbarkeit des flüchtigen Lebens
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Der Tod trifft einen meist unerwartet, auch wenn man weiß, dass er irgendwann kommt – wenn er es ernst meint nehmen es trotzdem die meisten persönlich.

Auch der Protagonist dieses Buches scheint sehr ...

Der Tod trifft einen meist unerwartet, auch wenn man weiß, dass er irgendwann kommt – wenn er es ernst meint nehmen es trotzdem die meisten persönlich.

Auch der Protagonist dieses Buches scheint sehr erstaunt darüber, dass sein bester Freund, allen guten Wünschen zum Trotz, den Krebs nicht überlebt hat. Ohne Verbitterung aber mit viel Gespür für die Eigenarten des Lebens und des Sterbens versucht er hinter die „Philosophie“ des Sterbens zu kommen und so den Verlust für sich zu verarbeiten.

Ausgehend von der schweren Krebserkrankung und dem unausweichlichen Tod seines engsten Vertrauten und langjährigen Weggefährten lässt er Episoden seines Lebens nochmal Revue passieren, erinnert sich an die Momente, in denen er dem Tod begegnet ist und ihm nahestehende Personen entrissen wurden, er lässt sich treiben im Leben und gibt sich diesem schlussendlich willenlos hin.

Eine sprachlich sehr schöne Reise in die Gedankenwelt eines „Stehengelassenen“.

Der Tod trifft einen meist unerwartet, auch wenn man weiß, dass er irgendwann kommt – wenn er es ernst meint nehmen es trotzdem die meisten persönlich.

Auch der Protagonist dieses Buches scheint sehr erstaunt darüber, dass sein bester Freund, allen guten Wünschen zum Trotz, den Krebs nicht überlebt hat. Ohne Verbitterung aber mit viel Gespür für die Eigenarten des Lebens und des Sterbens versucht er hinter die „Philosophie“ des Sterbens zu kommen und so den Verlust für sich zu verarbeiten.

Ausgehend von der schweren Krebserkrankung und dem unausweichlichen Tod seines engsten Vertrauten und langjährigen Weggefährten lässt er Episoden seines Lebens nochmal Revue passieren, erinnert sich an die Momente, in denen er dem Tod begegnet ist und ihm nahestehende Personen entrissen wurden, er lässt sich treiben im Leben und gibt sich diesem schlussendlich willenlos hin.

Eine sprachlich sehr schöne Reise in die Gedankenwelt eines „Stehengelassenen“.