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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 22.09.2016

Eindrücklicher historischer Krimi

Der Angstmann
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,,Der Angstmann“ spielt in Dresden in den Jahren 1944/45. Während die Dresdener vor allem im Winter unter den knapp bemessenen Lebensmittelrationen, der Armut und den täglichen Entbehrungen leidet, wird ...

,,Der Angstmann“ spielt in Dresden in den Jahren 1944/45. Während die Dresdener vor allem im Winter unter den knapp bemessenen Lebensmittelrationen, der Armut und den täglichen Entbehrungen leidet, wird Kriminalinspektor Max Heller zu einer grausam zugerichteten Frauenleiche geholt. Da alle wehrtauglichen Männer an der Front sind, ist Heller auf sehr wenige Helfer angewiesen. Denn nicht nur sein linientreuer Vorgesetzter Klepp legt ihm dabei allerhand Hindernisse in den Weg. Heller weiß auch nicht, wem er in den Wirren dieser Zeit überhaupt trauen kann. Schon bald findet man eine weitere Frauenleiche, wieder grässlich in Szene gesetzt. Und schon geht das Gerücht um, dass der ,,Angstmann“ heulend nachts durch die Ruinen schleicht und sich seine Opfer sucht.
Max Heller wird als sympathischer, ehrlicher und geradliniger Polizist dargestellt, der aber auch menschliche Schwächen zeigt. So stellt er sich z.B. nicht offen gegen seinen Vorgesetzten, er greift nicht in ein brutales Verhör ein, da ihm dazu der Mut fehlt und er sich und seine Frau Karin nicht in Gefahr bringen will.
Sehr eindrücklich sind die Schilderungen der entbehrungsreichen Lebensumstände, die Sorge um die Söhne im Krieg, von denen seit Monaten jegliche Nachricht fehlt. Besonders das Inferno der Bombardierung Dresdens wird so authentisch und eindringlich beschrieben, dass man als Leser das Gefühl hat, hautnah dabei zu sein. Man sieht durch Hellers Augen die völlig zerstörte, fremd gewordene Stadt, die Kinder, die ihre Eltern suchen, den alten Mann, der mit einem Handwägelchen durch die Ruinen zieht...
Der Kriminalfall selbst gerät dabei schon fast zur Nebensache. Doch der Angstmann hat den Bombenhagel überlebt und so sucht Heller, der von seinen Vorgesetzten nicht nur keine Unterstützung bekommt, sondern regelrecht schikaniert wird, den Täter alleine weiter. Dabei kann man Max Hellers Spürsinn nicht immer ganz schlüssig mitverfolgen, da er auf eigene Faust ermittelt und seine Erkenntnisse mit niemandem teilt, auch nicht mit dem Leser. Dennoch ist der Krimi sehr spannend und empfehlenswert.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Mühsame Angelegenheit

Nach einer wahren Geschichte
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Die zurückhaltende Schriftstellerin Delphine lernt auf einer Party die elegante und kluge L. kennen. Die beiden Frauen teilen das Interesse für Literatur und Theater und aus gelegentlichen Treffen wird ...

Die zurückhaltende Schriftstellerin Delphine lernt auf einer Party die elegante und kluge L. kennen. Die beiden Frauen teilen das Interesse für Literatur und Theater und aus gelegentlichen Treffen wird eine intensive Freundschaft. Doch L. mischt sich immer mehr in Delphines Leben ein, während diese sich immer mehr verunsichern und L. über sich bestimmen lässt. Delphine gerät zunehmend in eine schriftstellerische Krise, die sich so ausweitet, dass sie nicht einmal mehr am PC arbeiten oder emails beantworten kann. L. bietet ihre Hilfe an und übernimmt nach und nach alle Aufgaben Delphines, selbst eine Lesung an einer Schule, ohne dass es jemandem auffällt.
Dies hört sich zunächst spannend an, allerdings dauert es, bis die Handlung etwas an Fahrt aufnimmt. Durch viele kleine Episoden und lange Gespräche wird die Geschichte recht langatmig erzählt. Nicht ganz glaubwürdig erscheint, dass eine erwachsene Frau wie Delphine, mit großem Erfolg als Schriftstellerin, mit zwei erwachsenen Kindern und einem interessanten Mann in ihrem Leben, sich so leicht vereinnahmen lässt.
Auch diverse Vorfälle, z.B. dass zu Ls. Geburtstagsfeier kein einziger der geladenen Gäste kommt, außer Delphine, lassen diese zwar wachsam werden, dennoch zieht sie sich nicht zurück, sondern lässt L. weiter in ihr Leben eindringen.
Als Delphine irgendwann endlich bemerkt, dass L. für sie gefährlich wird, kommt doch noch etwas Spannung auf. Und als Leser wird man genauso verunsichert, ob man nur L. nicht trauen kann oder ob Delphine sich diese Ereignisse womöglich bloß einbildet, ja sogar ob es L. überhaupt gibt.
Dieses Spiel mit Realität und Fiktion ist an sich interessant, allerdings zieht sich die Geschichte sehr in die Länge, sodass die Lektüre von ,,Nach einer wahren Geschichte“ zu einer etwas zähen und mühsamen Angelegenheit wird.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Raffiniertes Puzzle

Sieben minus eins
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Zu Beginn ist man als Leser zunächst etwas orientierungslos – so als würde man in Band zwei einsteigen, weshalb man einige Andeutungen nicht verstehen und Figuren nicht sofort einordnen kann. Erst nach ...



Zu Beginn ist man als Leser zunächst etwas orientierungslos – so als würde man in Band zwei einsteigen, weshalb man einige Andeutungen nicht verstehen und Figuren nicht sofort einordnen kann. Erst nach und nach bekommt man weitere Informationen und allmählich fallen die Puzzleteilchen an ihren richtigen Platz.
Kriminalkommissar Sam Berger ist eigenwillig und kompromisslos. Als ein 15-jähriges Mädchen verschwindet und die Polizei das Versteck und Blutspuren findet, aber keine Leiche, ahnt Berger, dass das Verschwinden des Mädchens mit früheren Fällen zusammenhängt. Doch nur Berger erkennt diesen Zusammenhang und sucht einen Serientäter. Damit stößt er bei seinem Chef Allan Gudmundsson auf wenig Verständnis. Dieser hat von Bergers Alleingängen sowieso schon lange genug und droht ihm sogar mit Entlassung.
Doch Sam Berger ermittelt mit Hilfe seiner Kollegen, auch mit unerlaubten Mitteln, weiter. Er stößt auf eine Spur: eine Frau, die an mehreren Tatorten gesehen wurde. Ist sie eine Helferin des Serienkillers? Nebenbei erfährt man in kleinen Häppchen mehr über Bergers Familienleben, das keines mehr ist, über seine Kindheit und Jugend. Man ahnt, dass Berger mehr über den Serientäter weiß, dass es zwischen ihm und dem Täter eine Verbindung gibt.
Und plötzlich wendet sich das Blatt und Sam Berger wird vom Jäger zum Gejagten. Doch wem kann er noch vertrauen?
Äußerst raffiniert, hochspannend! Gut, dass es erst der Auftakt zu einer Serie ist, denn von Berger und Co möchte man definitiv mehr lesen!

Veröffentlicht am 15.09.2016

Verstörend, aber spannend

DIE WAHRHEIT
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Sieben Jahre lebt Sarah Petersen schon im Ungewissen. Vor sieben Jahren verschwand ihr Mann Philipp bei einer Geschäftsreise in Südamerika. Wurde Philipp entführt? Es gab aber nie eine Lösegeldforderung. ...



Sieben Jahre lebt Sarah Petersen schon im Ungewissen. Vor sieben Jahren verschwand ihr Mann Philipp bei einer Geschäftsreise in Südamerika. Wurde Philipp entführt? Es gab aber nie eine Lösegeldforderung. Ist er tot? Sarah hat sich gerade einigermaßen in ihr Leben als allein erziehende Mutter des achtjährigen Leo gefügt, hat sogar einen neuen Mann in ihr Leben gelassen – als sie die Nachricht bekommt, dass Philipp lebt und in Kürze heimkehrt. Sarahs Gefühle sind äußerst zwiespältig: Freude, Unsicherheit, Angst vor dem, was nun auf sie zukommt. Und dann der Schock: der Mann, der aus dem Flugzeug steigt, ist nicht ihr Mann! Es ist ein Fremder, der sich als Philipp ausgibt, der alles über sie weiß, und der ihr droht.
Zu Beginn wird die Handlung hauptsächlich aus Sarahs Sicht beschrieben, sodass man als Leser denkt wie sie, fühlt wie sie und genauso viel weiß wie sie. Man empfindet Respekt für sie als starke Frau, die diesen Schicksalsschlag so gut überwunden hat, dass sie ihrem Sohn eine so gute Mutter ist. Oder erkennt sie ihren Mann nur nicht mehr, da er sich so sehr verändert hat?
Erst als der Fremde in eigenen, kurzen Kapitel zu Wort kommt, erhärtet sich der Verdacht, dass Sarah doch Recht hat, dass der Fremde ein Betrüger ist. Doch was will er von ihr?
Zunächst identifiziert man sich mit Sarah, doch allmählich beschleichen einen Zweifel, ob man ihrer Sicht trauen darf. Kleine Andeutungen weisen darauf hin, dass sie etwas verbirgt, dass etwas Schlimmes geschehen ist, das sie aber offenbar so gut verdrängt hat, dass sie sich nur noch in Träumen daran erinnert. Auch die Motive des Fremden werden immer undurchsichtiger.
,,Die Wahrheit“ ist kein actionreicher Thriller. Die Spannung entwickelt sich eher wie in einem Kammerspiel. Die Protagonisten kommen einzeln zu Wort, ihre Gedanken und Gefühle werden meist im Präsens geschildert wird, sodass man als Leser unmittelbar dabei ist und immer wieder in die Irre geleitet wird. Psychologisch interessant, raffiniert und spannend.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Wunderbar poetisch

Die langen Tage von Castellamare
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Amedeo wächst als Findelkind in Florenz im Waisenhaus auf, bis ihn der Arzt Esposito unter die Fittiche nimmt, ihm Geschichten erzählt und ihn wie einen Sohn behandelt. Durch ihn kann Amedeo später Medizin ...

Amedeo wächst als Findelkind in Florenz im Waisenhaus auf, bis ihn der Arzt Esposito unter die Fittiche nimmt, ihm Geschichten erzählt und ihn wie einen Sohn behandelt. Durch ihn kann Amedeo später Medizin studieren, findet jedoch lange keine Anstellung, bis er auf einer winzigen Insel vor Sizilien eine Stelle als Dorfarzt bekommt.
Auf der Insel Castellamare wird er von den Einwohnern zunächst misstrauisch beäugt. Amedeo allerdings fühlt sich sehr wohl auf der kleinen Insel und beginnt, die alten Geschichten und Legenden, die ihm von den Inselbewohnern erzählt werden, aufzuschreiben.
Er heiratet die Lehrerin Pina, doch in der Nacht, in der ihr Kind zur Welt kommen soll, bringt auch Carmela d’Isantu, die Frau des Conte, ein Baby zur Welt und sie beschuldigt Amedeo, Vater des Kindes zu sein. Dieser Skandal führt dazu, dass Amedeo seinen Beruf als Arzt auf der Insel nicht mehr ausüben darf. Mit seiner Frau Pina, die ihm nach einigen Monaten verzeiht, renoviert er das ,,Haus am Rande der Nacht“ und sie betreiben dort eine Bar, die die Familie einigermaßen über Wasser hält. Die Bar wird zum zentralen Treffpunkt der Inselbewohner, Tratsch und Klatsch, Herzensangelegenheiten, Familienkonflikte und Politik werden dort diskutiert. Das Haus ist außerdem Herz und Mittelpunkt der Familie Amedeos, seiner Söhne, die zum Teil im Krieg bleiben, seiner Tochter Maria-Grazia, die später selbst das Café übernimmt und geschickt leitet.
Über Generationen ist das ,,Haus am Rande der Nacht“ Heim und Heimat für die Familie Esposito und der Leser liebt und leidet, lacht und trauert mit den Figuren in diesem Mikrokosmos. Geschickt wird die Familiengeschichte mit den historischen Ereignissen verwoben. Kriege, wirtschaftliche Krisen, politische Entwicklungen verändern das Familienleben ebenso wie der aufkommende Tourismus oder der gemächliche Einzug der Moderne, wie zuerst ein Radio, dann Fernsehen und später sogar ein Computer im Café.
Schade, dass man nicht den Originaltitel (,,The House at the Edge of Night“) ins Deutsche übernommen hat.
Eine wunderbarer und sehr poetischer Roman.