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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 08.03.2017

Nimm dir, was du willst!

So, und jetzt kommst du
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Dieser Roman beruht auf einer wahren Begebenheit. Der Autor Arno Frank erzählt von einer (seiner?) Kindheit in einem kleinen Ort bei Kaiserslautern in den 80er Jahren. Der Vater Jürgen ist ein Macher, ...

Dieser Roman beruht auf einer wahren Begebenheit. Der Autor Arno Frank erzählt von einer (seiner?) Kindheit in einem kleinen Ort bei Kaiserslautern in den 80er Jahren. Der Vater Jürgen ist ein Macher, der ständig irgendwelche ,,Projekte“ und kleine Geschäfte am Laufen hat. Von zu Hause aus verscherbelt er Krimskrams wie z.B. Hirschgeweihe aus Plastik, Heimtrainer, ja sogar alte Kübelwagen der Wehrmacht, bis das Geschäftsmodell scheitert, die Familie das Haus aufgeben und umziehen muss. Später arbeitet der Vater als Verkäufer von Gebrauchtwagen, wo er seine Talente als Blender voll einsetzen kann. Er erzählt den Leuten, was sie hören wollen und hat damit Erfolg. Sein Motto: ,,Du musst dir nehmen, was du willst. Niemand schenkt dir was.“ Und ganz plötzlich ist die Familie reich. Genauso plötzlich verlassen sie die Heimat für einen sehr langen Urlaub in Südfrankreich. Für die Kinder ist das Leben dort zunächst paradiesisch: in einer Villa mit Pool, mit Sportwagen.... Bis allmählich das Wasser für den Pool zu teuer ist, die Mutter kaum mehr das Haus verlässt und immer wieder merkwürdige Briefe kommen, die der Vater sofort zerreißt. Als eines Abends die Polizei vor der Tür steht, flieht die Familie Hals über Kopf nach Portugal.
Die kindliche Perspektive des Jungen, der manches spürt und ahnt, aber erst allmählich durchschaut, dass sein Vater kein Held ist, sondern er das Geld offenbar illegal beschafft hat, ist sehr eindringlich und packend. Auch die Mutter Jutta, die immer zum Vater steht und seine Entscheidungen nie in Frage stellt, ist von der Situation so überfordert, dass sie sich oft in eine eigene Welt zurückzieht. Sie vernachlässigt die Kinder, sodass sie am Ende regelrecht verwahrlosen. Erschütternd wird geschildert, wie die vermeintliche Realisierung der elterlichen Träume verhindert, dass die Kinder eine ,,normale“ Kindheit mit Schule, Freunden und Alltag erleben dürfen.
Während sich der Beginn des Romans noch etwas zäh gestaltet, bringt die Flucht deutliche Dynamik in die Geschichte – bis zu ihrem schlechten Ende. Erschütternd und sehr berührend.

Veröffentlicht am 27.02.2017

Weniger wäre mehr

DEMUT
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Harry Svensson, ehemaliger Reporter einer Stockholmer Zeitung und ansonsten Privatier,
mag Spanking, das heißt, er versohlt Frauen den Hintern und sie stehen drauf.
Bei einem übers Internet zustandegekommenen ...


Harry Svensson, ehemaliger Reporter einer Stockholmer Zeitung und ansonsten Privatier,
mag Spanking, das heißt, er versohlt Frauen den Hintern und sie stehen drauf.
Bei einem übers Internet zustandegekommenen Date mit der Weinhändlerin Ulrika Palmgren bekommt Svensson allerdings statt körperlicher Zuwendung einen Korb und eins auf die Nase. Bei der Rückkehr ins Hotel findet er im Nachbarzimmer den völlig zugedröhnten Sänger Tommy Sandell, der seinen Rausch neben einer Frau ausschläft – diese ist allerdings tot. Und ihr wurde offensichtlich der Hintern versohlt! Während die Polizei in den Ermittlungen kaum vorankommt, geschieht der nächste Fall. Dieses Mal trifft es einen erfolgreichen und vielversprechenden Politiker, der neben einer toten Frau im Hotelzimmer erwacht. Und diese Frau ist die Weinhändlerin Ulrika Palmgren!
Harry Svensson beginnt nun selbst zu recherchieren, ist er doch teilweise in den Fall involviert. Und er ahnt, dass er es mit einem Serientäter zu tun hat.
Svensson schildert in der Ich-Perspektive seine Ermittlungen, die allerdings immer wieder abschweifen. Das führt zu gewissen Längen, da es nicht wahnsinnig interessant ist, was Svensson isst und welchen Wein er dazu trinkt. Immer wieder trifft er Bekannte von früher oder lernt neue Menschen kennen, wobei sein Interesse vorzugsweise den Frauen gilt. Das führt stellenweise zu unterhaltsamen Situationen und Dialogen. Doch thrillermäßige Spannung kommt dabei nicht auf. Lediglich die eingestreuten Passagen, die das Geschehen aus der Sicht des Täters schildern und nach und nach dessen Motive ans Licht bringen, sind spannend. Erst im letzten Drittel, als Svensson dem Täter immer näher rückt und dadurch in dessen Visier gerät, kommt wirkliche Spannung auf.

Olssons Schreibstil ist locker und unterhaltsam. Er versteht es, Personen und Stimmungen anschaulich und prägnant zu beschreiben. Hätte er sich aber statt der über 700 Seiten auf die Hälfte beschränkt und sich mehr auf die Fälle konzentriert als auf das Privatleben seines ,Helden’ Harry Svensson, wäre es eventuell ein Thriller geworden. So aber handelt es sich eher um einen unterhaltsamen Krimi mit zu vielen Abschweifungen und Längen.

Veröffentlicht am 18.02.2017

Hochspannung bis zur letzten Seite

Schlaflied
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Wer die Vorgänger-Bände kennt, wird sich freuen, neben Tom Stilton und Olivia Rönning weitere alte Bekannte wiederzutreffen. Wer sie nicht kennt, wird sie sich nach dieser Lektüre unbedingt anschaffen ...

Wer die Vorgänger-Bände kennt, wird sich freuen, neben Tom Stilton und Olivia Rönning weitere alte Bekannte wiederzutreffen. Wer sie nicht kennt, wird sie sich nach dieser Lektüre unbedingt anschaffen wollen.
Wieder einmal greift das Autorenduo Cilla und Rolf Börjlind ein absolut aktuelles Thema auf: Flüchtlinge, insbesondere Jugendliche und Kinder, die allein auf der Flucht und damit leichte Beute für menschenverachtende Verbrecher sind. Im Zentrum steht das Flüchtlingsmädchen Folami, das sich allein in den Stockholmer Straßen durchschlägt, bis sich die selbst obdachlose und drogenabhängige Muriel ihrer annimmt. Für Muriel ist dies eine Chance, endlich einmal Verantwortung in ihrem Leben zu übernehmen und damit den Drogen – zumindest für eine Weile – zu entkommen. Sie suchen Zuflucht in einer kleinen, abgelegenen Hütte in den Wäldern. Doch bald sind sie auch dort nicht mehr sicher und Muriel bittet Tom Stilton um Hilfe.
Stilton, früher Kriminalkommissar, bevor ihn das Leben so aus der Bahn geworfen hat, dass auch er jahrelang als Obdachloser gelebt hat, hat inzwischen wieder einen Platz im Leben gefunden. Nun will er seiner früheren Chefin Mette Olsäter und seinen Kollegen beweisen, dass er der Polizeiarbeit wieder gewachsen ist. Als die Leiche eines ermordeten Jungen in den Wäldern gefunden wird, gibt es Hinweise auf einen Pädophilenring. Weitere Spuren führen nach Bukarest. Tom und Olivia versuchen dort, der Wahrheit näher zu kommen, bringen sich dabei aber selbst in höchste Gefahr.......
Was diese Reihe so interessant und abwechslungsreich macht, sind die authentischen Figuren, die ihre besonderen Eigenheiten, Widersprüchlichkeiten, Stärken und Schwächen haben und sich in jedem Band weiterentwickeln. Angesichts des schrecklichen Schicksals der jugendlichen Opfer bleiben Tom, Olivia und selbst Mette Olsäter trotz ihrer Professionalität nicht kühl und abgeklärt, sondern leiden mit den Opfern mit. Und Tom Stilton setzt sich verbissen und ohne Rücksicht auf sein eigenes Leben für Gerechtigkeit ein.
Brandaktuell, komplex und hochspannend bis zum Ende!

Veröffentlicht am 17.02.2017

Land der Illusionen

Das geträumte Land
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Jende Jonga aus Kamerun lebt seit einigen Monaten ohne Papiere in New York. Und endlich hat er es geschafft, seine Frau und seinen kleinen Sohn auch nach Amerika zu holen. Hier erhoffen sie sich Chancen, ...

Jende Jonga aus Kamerun lebt seit einigen Monaten ohne Papiere in New York. Und endlich hat er es geschafft, seine Frau und seinen kleinen Sohn auch nach Amerika zu holen. Hier erhoffen sie sich Chancen, die ihnen ihre Heimat Kamerun nicht bieten kann. Während Jende eher von einem eigenen Haus, etwas Luxus und finanzieller Sicherheit träumt, will seine Frau Neni unbedingt studieren und Apothekerin werden. Nicht zuletzt wünschen sie sich für ihren Sohn Liomi eine gute Ausbildung und eine besserer Zukunft.
Als Jende über Beziehungen den Job als Chauffeur des Bankmanagers Clark Edwards
bekommt, schwebt er zunächst im 7. Himmel. Doch allmählich blickt Jende durch seine Tätigkeit hinter die Fassade der reichen und glücklichen Familie.
Im Sommer wird auch Jendes Frau Neni von Mrs Edwards als Haus- und Kindermädchen engagiert. Auch sie ist zunächst geblendet vom luxuriösen und glamourösen Lebensstil der Bankerfamilie. Doch bald erkennt auch sie, wie einsam und traurig Mrs Edwards in Wahrheit ist. Als die Bankenkrise ihre Opfer fordert, verändert sich das Leben beider Familien dramatisch.
So aktuell der Roman über Familie, Immigration, Illusionen und Träume auch ist, hat er mich doch nicht ganz überzeugen können. Zu klischeehaft werden die Edwards als reiche Schnösel mit perfekter Fassade, hinter der sich wenig verbirgt, geschildert.
Jende und Neni dagegen wirken zwar realistisch mit ihren Träumen vom besseren Leben, gelegentlich aber auch recht naiv und blind für Amerikas Schattenseiten. Eher unsympathisch und zu ihrem Charakter unpassend empfand ich, zu welchen Mitteln Neni am Ende greift, um ihre Ziele zu erreichen. Die Dialoge wirken stellenweise etwas hölzern, was allerdings auch an der Übersetzung aus dem Amerikanischen und Afrikanischen resultieren kann.
,,Das geträumte Land“ ist insgesamt lesenwert, aber keine ,,unvergessliche Geschichte“.

Veröffentlicht am 09.02.2017

Der einzige Ausweg

Sein blutiges Projekt
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Der grausige Titel des Buches sollte nicht von der Lektüre abschrecken. Allerdings darf man auch nicht unbedingt einen Thriller erwarten, sondern eher die kriminalpsychologische Aufarbeitung eines Dreifachmordes.

Schottland ...

Der grausige Titel des Buches sollte nicht von der Lektüre abschrecken. Allerdings darf man auch nicht unbedingt einen Thriller erwarten, sondern eher die kriminalpsychologische Aufarbeitung eines Dreifachmordes.

Schottland im August 1869: Der siebzehnjährige Roderick Macrae ermordet im abgelegenen und verschlafenen Bauerndorf Culduie seinen Nachbarn, den tyrannischen Constable Lachlan Mackenzie, dessen fünfzehnjährige Tochter und den dreijährigen Sohn. Nach diesem grausamen Blutbad lässt Roderick sich widerstandslos verhaften, leugnet die Tat nicht, zeigt aber auch keine Reue. Welche Gründe und Ursachen haben zu dieser schrecklichen Tat geführt? Im Gefängnis beginnt Roddy auf Anraten seines Anwalts Mr. Sinclair, der Roderick wohlgesonnen ist, sein Leben niederzuschreiben. Dabei bemerkt man als Leser die Intelligenz und große Sprachgewandtheit des 17-Jährigen. Wie passen diese Begabungen zu dem Sohn eines armen Bauern, der für ein paar Jahre die dörfliche Schule besucht hat und ansonsten nur auf den Feldern des gepachteten Landes geschuftet hat, um die Familie mitzuernähren?
Graeme Macrae Burnet lässt in der ersten Hälfte des Romans hauptsächlich Roderick selbst zu Wort kommen, sodass man als Leser großes Mitleid für ihn und seine Familie empfindet. Seine Schilderungen werden durch Zeugenaussagen von Nachbarn, Dorfbewohnern, dem Pfarrer und dem Schulmeister ergänzt. So wird nach und nach deutlich, warum Roderick in der Ermordung des Constables Lachlan Mackenzie den einzig möglichen Ausweg sieht.
Im zweiten Teil werden psychologische Gutachten, Aufzeichnungen aus Gerichtsprotokollen und Zeitungsberichte über Rodericks Prozess mit fiktiven Passagen verknüpft. Interessant, aber auch schockierend sind dabei die Erkenntnisse der Kriminalpsychologen, die z.B. einen Verbrecher an seinen körperlichen Merkmalen nachweisen wollen.
Ein interessantes und lesenswertes Buch, düster und spannend, aber in meinen Augen kein Thriller.