Ein Spiegel unserer digitalen Welt
Please unfollowPlease Unfollow ist eines dieser seltenen Bücher, die einen nicht nur berühren, sondern regelrecht durchrütteln. Basma Hallack hat ein Setting geschaffen, das gleichermaßen atmosphärisch wie beklemmend ...
Please Unfollow ist eines dieser seltenen Bücher, die einen nicht nur berühren, sondern regelrecht durchrütteln. Basma Hallack hat ein Setting geschaffen, das gleichermaßen atmosphärisch wie beklemmend ist – und sie widmet sich einem Thema, das so unglaublich wichtig, so dringend und so erschreckend real ist, dass man manchmal kaum weiterblättern mag… und es trotzdem atemlos tut.
Der Schreibstil? Unfassbar schön. Flüssig, poetisch, nahbar. Man gleitet durch die Seiten, selbst wenn der Inhalt schwer auf dem Herzen liegt. Ich bin völlig entzückt von der Art, wie Basma schreibt – warm, klar und gleichzeitig brutal ehrlich, ohne je die Empathie zu verlieren. Genau diese Mischung macht das Lesen so intensiv: Man kann einfach nicht aufhören, obwohl man innerlich ständig denkt: Uff… das wird noch wehtun.
Schon früh im Buch kochte in mir eine Wut auf, die ich kaum bändigen konnte. Sherrys Eltern verkörpern all das, was in dieser Welt so schief läuft – und man fragt sich verzweifelt, wie Menschen tatsächlich so mit ihren Kindern umgehen können. Wie kann man seine Kinder im Netz ausstellen, als wären sie ein Produkt? Warum lernen so viele Eltern nichts daraus? Und warum, um Himmels willen, werden Influencer*innen, die genau solche Grenzen überschreiten, nicht kollektiv gecancelt? Dieses Buch hält der digitalen Welt einen Spiegel vor – und der Anblick ist erschreckend.
Sherry hingegen ist ein zauberhaftes Mädchen. Feinfühlig, verletzlich und trotzdem stark. Ich wollte sie in den Arm nehmen, während ich gleichzeitig dachte: Was muss passiert sein, dass sie in diesem Camp landet? Und dann dämmert einem: Vielleicht ist es tatsächlich das Beste, was ihr hätte passieren können. Dort trifft sie auf Aluna – ein Mädchen, das ihr so viel Halt gibt, dass man nur hoffen kann, dass diese Verbindung bestehen bleibt. Und dann ist da Paco… süß, aufmerksam, verständnisvoll – und doch bleibt ein Rest Misstrauen, ein flüchtiger Schatten, der einen leise warnt. Man hofft, man irrt sich.
Die Rückblicke waren schwer zu ertragen. Nicht, weil sie überzogen wären – im Gegenteil. Weil sie real sind. Weil genau solche Szenen in unserer Welt tatsächlich geschehen, täglich, unreflektiert, ohne Konsequenzen. Das macht wütend. So wütend, dass einem beim Lesen die Hände zittern.
Parallel dazu der zunehmende Druck der Eltern, die mit allen Mitteln versuchen, herauszufinden, wo ihre Tochter ist. Nicht aus Liebe, sondern aus Kontrolle. Aus Besitzdenken. Und plötzlich begreift man, wie viel schlimmer alles eigentlich ist. Wie groß der Schaden. Wie notwendig der Schutz.
Der letzte Abschnitt? Heavy. Einfach heavy. Als man endlich erfährt, was Sherry getan hat, wird einem schmerzhaft klar, wie verzweifelt sie gewesen sein muss. Und gleichzeitig: wie mutig. Denn genau das war der Wendepunkt, der Moment, der ihr den Weg in ein neues Leben öffnete, hin zu Menschen, die sie wirklich sehen.
Das Foto auf der letzten Seite war schließlich wie ein tiefes Aufatmen. Ein leiser, aber kraftvoller Abschluss, der zeigt, dass es Hoffnung gibt, Liebe, Zugehörigkeit – echte Familie.
Please Unfollow ist ein Geschenk. Ein Warnruf. Eine Umarmung. Ein Schrei. Eine Mahnung an alle, die ihre Kinder im Netz vermarkten: Lest dieses Buch. Bitte. Doch die Wahrheit ist: Selbst dann würdet ihr es nicht begreifen.
Ich bin dankbar, dass Basma Hallack diesem Thema endlich eine Stimme gegeben hat. Laut, klar, emotional – und wunderschön. Dieses Buch bleibt. Und es verändert.