Erwachsen in nur drei Tagen
Das Leben fing im Sommer anDer Fußball-Weltmeister Christoph Kramer schreibt ein Buch. Nein, kein Expertenbuch über Fußball, sondern einen (in Teilen) autobiographischen Roman.
Nicht nur das Leben, auch dieser Roman fängt im Sommer ...
Der Fußball-Weltmeister Christoph Kramer schreibt ein Buch. Nein, kein Expertenbuch über Fußball, sondern einen (in Teilen) autobiographischen Roman.
Nicht nur das Leben, auch dieser Roman fängt im Sommer an, im heissesten Sommer aller Zeiten. So erinnert sich der Autor an drei besondere Tage in seinem bis dahin 15-jährigen Leben. Er erzählt von Höhen und Tiefen des Erwachsenwerdens, der Freundschaft zu seinen beiden besten Freunden Johnny und Salvo und von der ersten großen Liebe.
Er erzählt so plastisch, daß in meinem Kopf ständig ein Film abläuft, der mich direkt in meine Jugend zurückversetzt. Und die war seiner gar nicht so unähnlich: Sommerferien, Freibad, Wolkenbilder, gemischte Tüten am Kiosk, Lieblingsplätze, Pickel, Unsicherheiten, die hinterste Reihe im Bus, die erste Party.
Chris ist ein ganz normaler Teenager mit ganz normalen Alltagssorgen. Aus einem Interview weiß ich, daß er damals schon Tagebuch geführt hat und das bis heute tut. Sicherlich haben ihm diese Tagebuchaufzeichnungen geholfen, Szenen seiner Jugend so detailreich wiederzugeben, auch wenn er am Ende vermerkt, daß der Roman keinen Anspruch darauf erhebt, die geschilderten Vorgänge könnten wahr sein oder sich so zugetragen haben.
Ich finde es mutig von ihm, seine Leser an intimen Momenten teilhaben zu lassen (Seite 116 oben). Niemals kam mir der Inhalt reißerisch oder effekthaschend vor. Im Gegenteil, ich habe nun ein sehr angenehmes und ehrliches Bild von diesem sympathischen und zurückhaltenden Mann.
Der Schreibstil ist eine wahre Freunde. Christoph Kramer benutzt gerne und oft Formulierungen, die Bilder erzeugen. Und er hat ein Gespür für die kleinen aber bedeutsamen Dinge im Leben.
„Wir verschluckten Meter für Meter der asphaltierten Straße. So schnell, daß die weiße, gestrichelte Leitlinie zu einer durchgängigen wurde. (…) Ohnehin hatte ich das Gefühl, daß wir auf einem Faß saßen, das jederzeit hochgehen konnte. (…) Die Benzinfahne, die wir hinter uns herzogen, vermischte sich mit dem Geruch von vertrocknetem Gras. (…) Ich schloß für einen kurzen Moment die Augen und spürte eine Vorfreude. Eine Freude auf alles, was vor mir lag.“
Hier wird der Weg mit einem Freund auf einem Moped ins Freibad beschrieben. Wer hat da nicht den Geruch von Heu, Chlor, Pommesfett und heißem Asphalt in der Nase? Und vor allem: diese Erinnerungen sind zeitlos.
Ich denke, das Buch spricht junge und ältere Leser und Leserinnen gleichermaßen an. Die jungen können Mut und Zuversicht schöpfen, daß auch pickeligen und unsicheren Kindern und Jugendlichen eine angenehme Zukunft nicht verwehrt sein muss und sogar ein Prominentenstatus möglich ist. Die älteren finden sich in vielen Abschnitten wieder und können eigene Erinnerungen aufleben lassen. Und vielleicht hatten einige auch ein Konto auf SchülerVZ oder wissen noch, was T9 war?
Ich glaube, jeder erinnert sich an den ersten Kuss und das Gefühl danach.
„Und immer, wenn man denkt, das Kribbeln im Bauch hört gleich auf, beschleunigt die Bahn erneut.“
Der Sommer 2006 wird für Chris eine Suche nach sich selbst. Aber finden wird er noch viel mehr.
Der Fußball-Profi Christoph Kramer hat mich mit diesem literarischen Debüt voller Sommergefühle überrascht, und es freut mich, daß der Fußball Nebensache ist. Dieser Coming-of-age-roman ist für alle Altersklassen empfehlenswert. Ich habe ihn in kürzester Zeit gelesen.