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Veröffentlicht am 01.09.2020

Beklemmendes Portrait einer "Wahnsinnigen"

Die Wahnsinnige
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INHALT
Spanien, 1503: In der Festung La Mota soll Johanna von Kastilien endlich zur Vernunft kommen. Zu viel steht für ihre Mutter, Isabella die Katholische, auf dem Spiel. Die Königin regiert das Land ...

INHALT
Spanien, 1503: In der Festung La Mota soll Johanna von Kastilien endlich zur Vernunft kommen. Zu viel steht für ihre Mutter, Isabella die Katholische, auf dem Spiel. Die Königin regiert das Land mit unerbittlicher Härte, sie hat die Mauren vertrieben und lässt Tausende als Ungläubige auf den Scheiterhaufen der Inquisition verbrennen. Sie kann ihr Reich nicht in die Hände einer Tochter geben, die nicht betet, nicht beichtet und der Macht nichts bedeutet. Johanna will nicht über andere herrschen. Alles, was sie will, ist, über sich selbst zu bestimmen. Aber das scheint eine Freiheit zu sein, die nur Männern vorbehalten ist. Als sie mit Philipp dem Schönen ins ferne Flandern verheiratet wird, sieht es für einen Moment so aus, als sei das Unwahrscheinliche möglich: ein Leben in Liebe in einer Welt aus Verrat. Doch auch als sich diese Hoffnung nicht erfüllt, hält Johanna unbeirrbar an dem fest, was alle um sie herum für Wahnsinn halten – dem unerhörten Wunsch, dass die Welt anders sein könnte als sie ist. 

(Quelle: DuMont Buchverlag - Erscheinungsdatum: 18.08.2020 - ISBN: 978-3-8321-8127-7)

MEINE MEINUNG
In „Die Wahnsinnige“, dem neuesten Werk der deutschen Autorin Alexa Hennig von Lange, steht mit Johanna I. Königin von Kastilien (1497-1555) eine faszinierend-ambivalente historische Persönlichkeit im Mittelpunkt. Eine starke Frau und eine mächtige Herrscherin hätte sie werden können, aber im gnadenlosen Spiel um die Liebe und Macht wurde sie zur tragischen Verliererin. Denn im Kampf um die Herrschaft in Kastilien wurde sie von ihrem Vater König Ferdinand II., und Ehemann verraten, stürzte nach dem plötzlichen Tod ihres Ehemanns in tiefe Trauer, unfähig sich um die Staatsgeschäfte zu kümmern und verbrachte schließlich die letzten 45 Jahre ihres Lebens in Tordesillas weggesperrt als Gefangene – veranlasst zunächst von ihrem Vater und später von ihrem eigenen Sohn Karl V.. Schon der Auftakt des Romans mit dem fiktiven Brief, den Johanna aus ihrer langjährigen Gefangenschaft an ihre Tochter verfasst hat, lässt erahnen, wie übel dieser Frau mitgespielt wurde und welch unvorstellbares Leid sie über sich ergehen lassen musste.
Inspiriert von der überaus beklemmenden wie berührenden Lebensgeschichte hat die Autorin jedoch keinen klassischen historischen Roman oder historische Biographie verfasst, sondern präsentiert uns ein facettenreiches Portrait und einfühlsames Psychogramm dieser außergewöhnlichen Königin, die mit dem wenig schmeichelhaften Beinamen „Die Wahnsinnige“ in die Geschichtsschreibung einging. Mit 16 wurde sie aus machtpolitischem Kalkül mit Philipp dem Schönen verheiratet, mit dem sie sechs Kinder hatte. Für sie war es die große Liebe, doch Philipp nahm es wie damals unter Herrschern üblich mit der ehelichen Treue nicht allzu ernst. Überliefert sind Johannas dramatische Wutausbrüche und Eifersuchtsszenen. Schon früh galt sie als psychisch labil, wobei es unklar ist, um welche Art Erkrankung es sich handelte, da sich viele Legenden um das Ausmaß ihres 'Wahnsinns' ranken.
Vor dem historischen Hintergrund beleuchtet die Autorin durchaus aktuell gebliebene, feministische Themen, die in damaligen wie heutigen Zeiten gesellschaftlich Bestand haben. Gekonnt zeigt sie uns das Schicksal einer um Selbstbestimmung und Anerkennung ringenden jungen Frau auf, die in starren patriarchalen Machtverhältnissen gefangen ist, und deren verzweifelte Versuche aus der ihr zugedachten Rolle auszubrechen und sich Freiheiten herauszunehmen, von ihrem Umfeld vehement unterbunden werden. Geschickt lässt die Autorin viele sorgsam recherchierte, historisch verbürgte Details aus Johannas Leben in Handlung ihres Romans einfließen und gibt uns aufschlussreiche Einblicke in höfische Leben insbesondere die zahlreichen Intrigen rund um die spanische Krone, die soziale Stellung der Frau und die große Macht der Religion Anfang des 16. Jahrhunderts.

FAZIT
Ein einfühlsam erzählter, berührender Roman über eine außergewöhnliche Frau und ihren verzweifelten Kampf um Selbstbestimmung.
Ein starker Roman über ein bewundernswerte Frau - sehr lesenswert!

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Veröffentlicht am 29.08.2020

Faszinierende, clever komponierte Spionage-Geschichte

American Spy
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INHALT
Ein Geräusch. Der Schatten eines Mannes. Ein Schuss.

Als Marie Mitchell eines Nachts in ihrem Haus von einem bewaffneten Mann angegriffen wird und ihm nur knapp entkommt, weiß sie, dass ihre Vergangenheit ...

INHALT
Ein Geräusch. Der Schatten eines Mannes. Ein Schuss.

Als Marie Mitchell eines Nachts in ihrem Haus von einem bewaffneten Mann angegriffen wird und ihm nur knapp entkommt, weiß sie, dass ihre Vergangenheit als amerikanische Spionin sie eingeholt hat. Und dass sie in den USA nicht länger sicher ist.
1986: Der Kalte Krieg ist noch nicht vorbei. Marie Mitchell arbeitet als Geheimagentin beim FBI. Sie ist außerordentlich gut in ihrem Job, und sie ist die einzige schwarze Frau in einem Club weißer Männer. Statt endlich ins Feld geschickt zu werden, muss sie sich Tag für Tag mit Papierkram herumschlagen. Dann wird ihr plötzlich doch die Teilnahme an einer Geheimoperation angeboten. Sie soll Thomas Sankara ausspionieren, den charismatischen sozialistischen Präsidenten von Burkina Faso.

Was Marie nicht ahnt: Dieser Einsatz wird nicht nur alles ändern, was sie über Spione, die Liebe und ihr Land zu wissen glaubte, er wird sie auch direkt ins Fadenkreuz des Geheimdienstes führen.

(Quelle: Tropen bei Klett-Cotta)

MEINE MEINUNG
„American Spy“ heißt der hochspannende Debüt-Roman der US-amerikanischen Autorin Lauren Wilkinson, der in den USA hochgelobt wird.
In ihrem Spionageroman zeichnet sie ein faszinierendes, facettenreiches und entlarvendes Portrait  einer von Rassismus geprägten Gesellschaft und des arroganten Selbstverständnisses der USA, das auch seine Außenpolitik bis heute prägt. Gekonnt nimmt Wilkinson sich verschiedener brisanter gesellschaftspolitischer Themen an, greift die Hysterie während des Kalten Kriegs auf, geht auf das keineswegs selbstlose Engagement der USA in afrikanischen Staaten ein und widmet sich zudem der Bürgerrechtsbewegungen während der 50er und 60er Jahre und der Schwarzen Emanzipation.
Trotz des packenden, actiongeladenen Auftakts handelt es sich bei dem Roman nicht um einen typischen Agenten-Thriller mit hohem Tempo und jeder Menge Thrill. Rasch schaltet die Autorin nach dem brutalen Überfall auf die Protagonistin und Ich- Erzählerin Marie Mitchell und ihrer überstürzten Flucht zu ihrer Mutter nach Martinique einige Gänge zurück, so dass sich der Spannungsaufbau sehr gemächlich anlässt.
Die clever komponierte und recht komplexe Spionagegeschichte, deren Haupthandlung Mitte der 1980ger Jahre angesiedelt ist, ist sehr ungewöhnlich angelegt. Die Autorin lässt die Protagonistin ihre Geschichte als Tagebuch verfassen, in dem sie ihren 4jährigen Zwillingssöhnen für den „Fall der Fälle“, dass ihre letzte Mission scheitert, ein Art Vermächtnis hinterlässt, damit sie später einmal die Hintergründe ihres Handelns nachvollziehen können.
Rückblickend erzählt Marie sehr ausschweifend und keineswegs chronologisch über ihre komplizierte Familiengeschichte, ihre Erlebnisse in Kindheit und Jugend, schildert in ihrem Bericht die vielfältigen Erinnerungen an ihre Agententätigkeit beim FBI, zeichnet aber auch die Geschehnisse rund um ihren letzten, alles verändernden Job auf, der sie für die CIA auf eine Auslandsmission nach Afrika brachte.
In den verschiedenen, geschickt miteinander verwobenen Erzählsträngen tauchen wir ab in eine undurchsichtige  Welt der Außenpolitik, der strenggeheimen Missionen und ominöser diplomatischer Verwicklungen und Intrigen der Geheimdienste. In dem Gewirr von Informationen aus verschiedenen Zeitebenen und den vielen Verwicklungen dauert es lange, bis man zu ahnen beginnt, worauf die Geschichte um Maries geheimdienstlichen Einsatz hinauslaufen könnte. Erst im letzten Drittel nimmt die Handlung dann wieder enorm an Fahrt auf.
Lauren Wilkinson hat mit Marie eine interessante, facettenreiche Protagonistin geschaffen und deren privates und berufliches Umfeld, ihre moralischen Prinzipien und Beweggründe sehr anschaulich und nachvollziehbar ausgearbeitet. Wir lernen sie als eine clevere, ehrgeizige Afroamerikanerin kennen, die zu Zeiten der Reagan-Administration allein aufgrund ihrer Hautfarbe und ihres Geschlechts im männerdominierten Geheimdienst FBI kaum Aufstiegschancen hat. Als sie endlich die herausfordernde Mission angeboten bekommt, den als integer und bescheiden geltenden kommunistischen Präsidenten von Burkina Faso, Thomas Sankara, als „Honey trap“ zu kompromittieren, hinterfragt sie zunächst die Hintergründe ihres Geheimdienstauftrags kaum. So wird sie schließlich selbst zum Spielball einer fatalen Intrige.
Schade, dass einige der Nebenfiguren etwas vage gezeichnet und wenig greifbar sind, auch ihre Motive und Rolle in der Geschichte bleiben leider bis zum Ende recht undurchsichtig.
Sehr gut hat mir hingegen der Handlungsstrang mit der historischen Persönlichkeit Thomas Sankara gefallen, einer Ikone des afrikanischen Befreiungskampfs, den die Autorin als einen redegewandten, charismatischen und sympathischen Volkshelden darstellt.
Sankara war von 1983- 1987 Präsident des afrikanischen Staates und wurde bei einem Putsch erschossen. Die Autorin hat viele gut recherchierte Hintergrundinformationen zu seinem Leben und seinen Überzeugungen als marxistischen Revolutionär in die fesselnde Handlung einfließen lassen. Mit seinem sozialistischen Kurs wollte er die Zustände seines Landes verbessern und wandte sich gegen die koloniale Ausbeutung. Er setzte sich für eine Stärkung der Landbevölkerung, einen Ausbau des Gesundheitssystems und die Gleichberechtigung der Frau ein.
So hat Lauren Wilkinson mit ihrer Geschichte zugleich eine gelungene Hommage an den inspirierenden Visionär und Revolutionär verfasst, der auch als "Che Guevara Afrikas" in die Geschichtsbücher einging.
Insgesamt ist der komplex angelegte Spionageroman mit seinem steten Wechsel der Zeitebenen und Handlungsstränge sehr abwechslungsreich und lebendig geschrieben und konnte mich mit seinen gesellschaftskritischen und politischen Einlassungen sehr fesseln.

FAZIT
“American Spy” ist ein fesselnder, vielschichtig angelegter und unterhaltsamer Spionageroman vor interessantem politischen Hintergrund.

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Veröffentlicht am 28.08.2020

Beeindruckender Krimi mit tollem DDR-Zeitkolorit

Morduntersuchungskommission: Der Fall Melchior Nikoleit
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INHALT
Jena, 1985.

Ein junger Mann ist ermordet worden. Ein Punker, so nennen sich diese Gestalten, die vom sozialistischen Staatswesen so schwer auf Linie zu bringen sind. Die Ermittler der Morduntersuchungskommission ...

INHALT
Jena, 1985.

Ein junger Mann ist ermordet worden. Ein Punker, so nennen sich diese Gestalten, die vom sozialistischen Staatswesen so schwer auf Linie zu bringen sind. Die Ermittler der Morduntersuchungskommission um Oberleutnant Otto Castorp nehmen schnell den Vater des Opfers ins Visier, einen Antiquitätenhändler mit Westkontakt, der dem Arbeiter- und Bauernstaat feindselig gegenüber steht. Der Ermordete, das weiß Castorp, hatte sich als Informeller Mitarbeiter bei der Staatssicherheit verpflichtet. Zudem scheint der Fall auch mit einer Einbruchsserie in der Stadt zu tun zu haben. Und mit alten Geschichten. Sehr alten, sehr finsteren Geschichten - sie reichen zurück in die Zeit vor 1945.

(Quelle: rowohlt Verlag)

MEINE MEINUNG
Der Krimi «Morduntersuchungskommission: Der Fall Melchior Nikoleit» vom Kölner Autor Max Annas ist bereits der zweite Band einer neuen, auf vier Bände angelegten Krimi-Reihe mit Otto Castorp als Hauptfigur, der Ermittler der Morduntersuchungskommission im Bezirk Gera und Oberleutnant bei der Volkspolizei in Jena ist und im Kampf um Gerechtigkeit stets alles gibt.
Für seine Kriminalromane wurde Max Annas bereits mehrfach mit dem "Deutschen Krimipreis" ausgezeichnet. Auch mit seinem neuesten Werk landete er für den Monat August 2020 prompt auf der Krimibestenliste von Deutschlandfunk Kultur und der Frankfurter Allgemeinen – zu Recht wie ich meine, denn Annas hat einen beeindruckenden, von Plot bis Atmosphäre sehr stimmigen Kriminalroman vorgelegt.
Nach dem spektakulären Auftakt der Krimireihe beruht der neue, im Jahr 1985 in Jena angesiedelte Fall zwar nicht auf wahren Begebenheiten, doch wirkt dieser ebenfalls äußerst authentisch. Die Ermittlungen um den rätselhaften Mord am jungen Punker Melchior Nikoleit, der als informeller Spitzel für die Stasi angeworben wurde, gestalten sich für Otto Castorp und seine Kollegen von der MuK Gera recht schwierig. Rasch gerät Melchiors Vater ins Visier. Etwas vorschnell will man ihn zum Täter machen, denn durch seine beruflichen Westkontakte und einen Ausreiseantrag ist er als Systemfeind per se höchst verdächtig. Doch für den gewissenhaften Castorp gibt es weitere heiße Spuren im engen Umfeld des Opfers und potentielle Motive, denen er im Gegensatz zu seinen Kollegen nachgehen will. So beispielsweise Melchiors IM-Tätigkeit, die Unterschlagung von gesellschaftlichem Eigentum oder das brisante Foto aus der finsteren deutschen Vergangenheit, das den Vater von Melchiors Freund zu belasten scheint.Annas hat den fesselnden, vielschichtigen Fall in einem nüchternen, distanzierten Erzählstil verfasst - passend zu den eher gemächlich vorangetriebenen Ermittlungen der MuK, denen wir hauptsächlich an der Seite von Otto folgen. In einem weiteren Handlungsstrang erhalten wir aus der Perspektive von Julia Frühauf, Tochter eines Pfarrers, Mitglied der Punkband „Ernteeinsatz“ und Freundin des Mordopfers, äußerst aufschlussreiche Einblicke in die Befindlichkeiten junger Menschen, die versuchten sich eigene Freiräume zu schaffen und dem staatlichen Anpassungsdruck und gesellschaftlichen Zwängen zu entkommen. Viele Jugendliche orientierten sich damals an der verbotenen westlichen Jugendkultur. Sehr informativ und anschaulich stellt Annas die jugendliche Subkultur der Punkszene in der DDR und ihre provokante Haltung aus Julias rückblickender Sicht dar. Interessanterweise konnten sich die Punker gerade im Schutze der evangelischen Kirche zwischen Bluesern und Friedensbewegten richtig entfalten. Mit dem Aussehen und ihrer negativen Dekadenz riefen sie die Sittenwächter der biederen DDR aber bald auf den Plan und wurden schließlich vom System brutal unterdrückt.
Gekonnt lässt uns Annas in das nüchterne Alltagsleben des „Arbeiter-und Bauernstaats“ Mitte der 1980ger Jahre eintauchen. Es ist eine Zeit, in der Gorbatschow gerade als neuer Generalsekretär der SU gewählt wurde, Glasnost und Perestroika noch in weiter Ferne sind, sich aber der desolate Zustand des Sozialismus allzu deutlich im Alltag zeigte, und Ausreisewellen den unausweichlichen Niedergang dokumentierten. Annas gelingt es hervorragend, die sehr beklemmende Atmosphäre einzufangen und die Folgen aufzuzeigen, die sich durch die ständige Bespitzelung der Bevölkerung durch das MfS und ihrer Spitzel herausbildeten. Dies prägte den Umgang der DDR-Bürger untereinander nachhaltig und führte zu permanentem Argwohn, gegenseitigem Misstrauen und latenten Ängsten. Sehr eindrucksvoll sind ebenfalls die verschiedenen Schauplätze der maroden DDR und die allgemeine Alltagstristesse beschrieben, die eine wundervoll authentische Kulisse für den Fall darstellen.
Im angehängten Glossar kann man zudem einige weniger geläufige Begriffe aus dem DDR-Vokabular nachschlagen.
Nicht nur seinen eigenwilligen Protagonisten Otto Castorp, sondern auch viele Nebenfiguren hat Anna sehr vielschichtig und lebendig angelegt und mit viel Liebe zum Detail gezeichnet, so dass man sich gut in ihr Innenleben hineinversetzen kann. Besonders gut gefallen aber hat mir Otto mit seiner ruhigen, nüchternen und abgeklärten Art und seinen Schwächen – in gewisser Weise ein tragischer Held. Er ist ein Mensch, der sich mit diesem System arrangiert aber dennoch seinen kritischen Blick bewahrt hat. So kann er sich durchaus in die Haltung der jungen Punker hineinversetzen und verurteilt sie nicht pauschal. Trotz massiver Eheprobleme, familiärer Schwierigkeiten und latenter Einschüchterungsversuche durch seinen Kollegen Rolf will er der Wahrheit im aktuellen Fall auf die Spur kommen und verbeißt sich in seine Nachforschungen ohne seine Kollegen zu involvieren.
Auch wenn die Ermittlungen nur mittelmäßige Spannung aufkommen lassen, konnte mich die einzigartige Atmosphäre und das stimmige Szenario dieses Krimis sehr fesseln. Zum Ende hin überschlagen sich die Ereignisse regelrecht und gipfeln in einem äußerst überraschenden, folgenschweren Finale mit offenem Ausklang. Ich bin sehr gespannt, wie es nach der nach der vermeintlichen Aufklärung des Mordfalls Melchior Nikoleit für Otto und seine Kollegen weitergehen wird.

FAZIT
Ein beeindruckender, von Plot bis Atmosphäre sehr stimmiger Kriminalroman mit tollem DDR-Zeitkolorit!
Sehr lesenswert!

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Veröffentlicht am 28.08.2020

Gelungener Spannungsroman von Nalini Singh

Im grausamen Licht der Sonne
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INHALT
Flieh, so weit du kannst – deiner Vergangenheit entkommst du nicht!

Als Ana nach acht Jahren am anderen Ende der Welt nach Golden Cove zurückkehrt, scheint sich dort kaum etwas verändert zu haben. ...

INHALT
Flieh, so weit du kannst – deiner Vergangenheit entkommst du nicht!

Als Ana nach acht Jahren am anderen Ende der Welt nach Golden Cove zurückkehrt, scheint sich dort kaum etwas verändert zu haben. Beinahe könnte sie glauben, dass die Zeit stehen geblieben ist – wäre da nicht Will, der neue und einzige Cop im Ort, der seltsam unnahbar wirkt.
Wie sehr die Dinge tatsächlich beim Alten geblieben sind, wird Ana allerdings erst bewusst, als erneut ein schönes junges Mädchen verschwindet, so wie es auch schon früher geschehen ist.
Nach und nach holt die dunkle Vergangenheit Golden Cove ein und zwingt die Bewohner, ihre gefährlichsten Geheimnisse preiszugeben. Denn eins steht fest: Wer auch immer für das Verschwinden des Mädchens verantwortlich ist, muss aus Golden Cove stammen!!!

(Quelle: Droemer Knaur)

MEINE MEINUNG
Mit ihrem neuen Buch „Im grausamen Licht der Sonne“ hat sich die vor allem mit ihren Romantic-Fantasy-Romanen erfolgreiche Bestsellerautorin Nalini Singh aus Neuseeland in ein neues Genre vorgewagt.
Auch wenn es sich hierbei nicht wirklich um einen Thriller sondern eher um einen atmosphärisch dichten und eher ruhigen Krimi handelt, ist Nalini Singh eine spannende und sehr abgründige Geschichte mit einigen Thriller-Elementen und Gänsehaut-Momenten gelungen, die mich bald in ihren Bann ziehen konnte.
Insbesondere die etwas düstere, unheilvolle Atmosphäre und die allmählich enthüllten menschlichen Abgründe bilden einen interessanten Kontrast zu dem idyllischen, traumhaft gelegenen und etwas verschlafenen Kleinstädtchen Golden Cove. Der Autorin ist es hervorragend gelungen, das Setting mit sehr bildhaften Beschreibungen der einzigartigen, von Wind und Wetter geprägten Landschaft einzufangen. Die raue Naturschönheit von Neuseelands Südinsel mit der atemberaubenden Küste und das wilde, dicht bewaldete und gefahrenvolle Hinterland sind eine grandiose, sehr stimmungsvolle Kulisse und tragen zum besonderen Flair dieses Krimis bei.
Indem Singh immer wieder Wörter und Sätze auf Māori sowie typische Traditionen in die Handlung einfließen lässt, gibt sie uns interessante Einblicke in die faszinierende Maori-Kultur, deren Geschichte, Rituale und Sprache tief in Neuseelands Kultur und Identität verankert sind. 
Singhs angenehmer, mitreißender und bildhafter Schreibstil konnte mich rasch in die Geschichte hineinziehen. An der Seite der Protagonistin Anahera, die vor vielen Jahren Golden Cave verlassen hat und nun nach dem Tod ihres Mannes aus London in ihre Heimat zurückkehrt, tauchen wir allmählich in die faszinierend unheilvolle Atmosphäre des beschaulichen Ortes ein und lernen die vielen Bewohner des Orts nach und nach kennen.
Sehr raffiniert hat die Autorin die Krimihandlung angelegt, die wir abwechselnd an der Seite der  Hauptfiguren Ana und dem etwas wortkargen, erst vor kurzen nach Golden Cave versetzten Polizisten Will erleben. Die anfänglich ruhige Handlung nimmt mit dem plötzlichen Verschwinden der jungen Miriama und der verzweifelten Suche nach ihr eine abrupte Wendung und gewinnt mit den beginnenden Ermittlungen deutlich an Fahrt. Nach und nach werden immer neue dunkle Geheimnisse der Bewohner der Kleinstadt aber auch der verschwundenen Miri enthüllt; Affären, geheime Obsessionen, Verfehlungen in der Vergangenheit aber auch schockierende Abgründe werden aufgedeckt, so dass beinahe jeder in Verdacht gerät. Der Autorin ist es hervorragend gelungen, uns beim Miträtseln auf einige falsche Fährten zu locken und mit potentiellen Motiven immer wieder für neue Verdachtsmomente zu sorgen.
Leider ist es ihr aber trotz der packenden Ausgangskonstellation nicht gelungen, den Spannungsbogen bis zum großen Finale durchgängig auf hohem Niveau zu halten. Dennoch versteht sie es hervorragend, eine tolle, unterschwellig beklemmende Grundstimmung heraufzubeschwören, die sich über die gesamte Handlung legt und für besonderen Nervenkitzel sorgt.
Singh hat ihre charakterstarken Protagonisten Ana und Will vielschichtig, lebensnah und mit interessanten Hintergrundgeschichten ausgearbeitet. Durch ihre Ecken und Kanten sowie ihre problembehaftete Vergangenheit hat sie gereifte Persönlichkeiten mit Tiefgang geschaffen, die sehr authentisch wirken. Dennoch dauerte es eine ganze Weile bis ich mit ihnen warm wurde. Während der gemeinsamen Ermittlungen kommen Ana und Will sich allmählich näher, so dass die Geschichte eher dezent auch mit etwas Romantik gewürzt wird. Auch die Nebenfiguren wurden abhängig von ihrer Rolle recht facettenreich und ansprechend ausgearbeitet. Bei einigen Charakteren hätte ich mir allerdings etwas mehr Tiefgang gewünscht, um ihre Handlungen besser nachvollziehen zu können.
Schrittweise lässt die Autorin die Erkenntnisse aus den Ermittlungen immer mehr zusammenlaufen, so dass der Fall mit einigen überraschenden Wendungen bis zum packenden Finale spannend bleibt. Die Auflösung des komplexen Falls und die erschütternden Erläuterungen der Beweggründe sind in sich schlüssig und auch die psychologischen Motive nachvollziehbar.
Ein wirklich gelungener und sehr vielversprechender Genrewechsel der Autorin, der mich schon sehr neugierig auf einen weiteren Thriller aus ihrer Feder macht!

FAZIT
Ein vielschichtiger, fesselnder und atmosphärisch dichter Kriminalfall vor der grandiosen Kulisse Neuseelands!

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Veröffentlicht am 25.08.2020

Stürmisches Finale für Sheridan Grant

Zeiten des Sturms (Sheridan-Grant-Serie 3)
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INHALT
Die Weite Nebraskas. Ein Herz voller Sehnsucht. Der Traum eines Lebens.

Sheridan Grant wollte alle Brücken hinter sich abbrechen, um ein neues Leben zu beginnen. Mit Paul Sutton, der sie liebt ...

INHALT
Die Weite Nebraskas. Ein Herz voller Sehnsucht. Der Traum eines Lebens.

Sheridan Grant wollte alle Brücken hinter sich abbrechen, um ein neues Leben zu beginnen. Mit Paul Sutton, der sie liebt und auf Händen trägt. Weit entfernt von der Willow Creek Farm, und weit entfernt von dem Mann, der ihr Herz gebrochen hat. Doch kurz vor der Hochzeit kommen ihr Zweifel. Sie kehrt zurück nach Nebraska, und völlig unverhofft bietet sich ihr die Chance, den größten Traum ihres Lebens zu verwirklichen. Aber dann holt sie das dunkle Geheimnis aus ihrer Vergangenheit ein, das ihr Leben zerstören kann…
Endlich: der dritte Teil der Bestsellerserie um Sheridan Grant!
(Quelle: Ullstein)


MEINE MEINUNG
Mit „Zeiten des Sturms“ hat die deutsche Erfolgsautorin Nele Neuhaus, die den meisten eher durch ihre Taunuskrimis bekannt ist, den letzten Band und wie ich finde auch einen würdigen Abschluss ihrer Sheridan Grant-Trilogie vorgelegt. Nele Neuhaus hat zugleich bewiesen, dass sie neben fesselnden Krimis durchaus auch mitreißende Unterhaltungsliteratur schreiben kann.
Auch ohne die beiden Vorgängerbände zu kennen, kann man der Handlung rund um die mittlerweile 21jährige Hauptfigur Sheridan gut folgen, da wichtige Ereignisse aus deren Vergangenheit und für das Verständnis notwendige Zusammenhänge in ausführlichen Rückblicken aufgegriffen werden.
Nele Neuhaus‘ mitreißender Schreibstil und ihr hohes Erzähltempo gefallen mir wirklich gut, so dass man nur so durch die Seiten fliegt und alles andere um sich herum vergisst.
Die Autorin hat ihre Geschichte um Sheridan mit reichlich Dramatik, großen Emotionen und unerwarteten Wendungen versehen, so dass kann man der Verwirklichung Sheridans‘ großen Traums Sängerin zu werden, gebannt mit verfolgt. Gelungen sind die atmosphärischen Beschreibungen von Land und Leuten, auch das ganze Flair des Musik-Business finde ich sehr fesselnd und treffend eingefangen. Die gelungene Mischung aus allem lässt uns Leser*innen in eine andere Welt eintauchen, sorgt für einen guten Spannungsbogen und beschert uns abwechslungsreiche und packende Lesestunden. Schade nur, dass viele Entwicklungen für meinen Geschmack doch etwas zu klischeehaft und unglaubwürdig waren, und zudem manche Wendung einfach zu viel des Guten.
Dafür versteht es die Autorin aber ihre so unterschiedlichen Charaktere zu entwickeln. Vor allem ihre Protagonistin Sheridan Grant ist eine wirklich faszinierende Figur, die von Nele Neuhaus sehr vielschichtig und detailgenau gezeichnet ist. Sie hat in ihrem noch kurzen Leben schon ganz schön viel durchmachen müssen und es nicht leicht gehabt. Sie ist zu einer selbstbewussten, mutigen jungen Frau herangewachsen, die mit Herzblut ihre Musikerinnen-Karriere verfolgt, aber auch jede Menge Komplexe und Ängste mit sich herumschleppt, innerlich zerrissen und sehr verletzlich wirkt. Ihre problembehaftete Vergangenheit verfolgt sie nicht nur in ihren Erinnerungen, sondern holt sie auch in der Wirklichkeit immer wieder ein.
Sheridan ist eine sehr interessante Persönlichkeit mit vielen Ecken und Kanten und durchläuft im Laufe der Story eine interessante und glaubwürdige Entwicklung.
Das Ende der Geschichte kam zwar nach den vielen Verwicklungen etwas unvermittelt, bildet aber einen runden und passenden Abschluss der gesamten Reihe und einen schönen Abschied von Sheridan Grant.

FAZIT
Ein stimmiger Abschluss der Sheridan Grant-Trilogie und eine mitreißende, abwechslungsreiche und unterhaltsame Geschichte, die sich auch als Standalone lesen lässt!
Trotz einiger Schwächen ein kurzweiliges und fesselndes Lesevergnügen für den Sommerurlaub!

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