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Veröffentlicht am 15.08.2023

Mitreißender Generationenroman

Porträt auf grüner Wandfarbe
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MEINE MEINUNG
Mit ihrem bemerkenswerten Romandebüt „Portrait auf grüner Wandfarbe“ ist der deutschen Autorin, Verlagsbuchhändlerin und Verlegerin Elisabeth Sandmann ein bewegender und unterhaltsamer Generationenroman ...

MEINE MEINUNG
Mit ihrem bemerkenswerten Romandebüt „Portrait auf grüner Wandfarbe“ ist der deutschen Autorin, Verlagsbuchhändlerin und Verlegerin Elisabeth Sandmann ein bewegender und unterhaltsamer Generationenroman gelungen, in dessen Mittelpunkt drei Generationen von außergewöhnlichen, starken Frauen und ihre faszinierenden Lebensgeschichten vor dem Panorama des 20. Jahrhunderts stehen.
Das vielschichtige und mitreißend erzählte Familienepos nimmt uns nicht nur mit auf eine spannende Reise quer durch Europa sondern die ereignisreiche Spurensuche der Protagonistin Gwen führt uns auch zurück in die bewegte Vergangenheit des letzten Jahrhunderts.
Es ist eine hochkomplexe und nachdenklich stimmende Familiengeschichte, die von Hoffnungen, Sehnsüchten und Träumen erzählt, von turbulenten Verwicklungen, folgenschweren Entscheidungen, sorgsam gehüteten, dunklen Geheimnissen, unbewältigten Traumata, traurigen Verlusten und hinterhältigen Intrigen, die bis in die Gegenwart nachwirken – kurzum ein fesselnder Roman, der bestens unterhält und ganz nebenbei ein wichtiges Stück Zeitgeschichte vermittelt.
Die sich abwechselnden, auf unterschiedlichen Zeitebenen angesiedelten Erzählstränge haben mich bald in ihren Bann gezogen. Einfühlsam und mit angenehmer Leichtigkeit zeichnet die Autorin in den Rückblicken bedeutsame Lebensstationen ihrer Figuren aus der Vergangenheit nach und nimmt uns mit auf eine faszinierende Zeitreise, in der sie geschickt die politischen Verwerfungen im 20. Jahrhundert aufzeigt, die durch zwei Weltkriege, Judenverfolgung, Enteignung, Flucht und Vertreibung deutlich Spuren im Leben der Menschen hinterlassen haben. Atmosphärisch dicht und anschaulich sind die unterschiedlichen Schauplätze beschrieben, die uns nach Berlin, London, Köslin in Polen, Salzburg, Bad Tölz und schließlich zum elitären Schloss Elmau in Oberbayern führen. Sehr eindrücklich sind auch die spannenden Einblicke in das Alltagsleben, die uns die Zwänge der damaligen gesellschaftlichen Realität im Wandel der Zeiten vermitteln zu denen neben Armut und Not, Verlusten und Neuanfängen auch der Kampf um Gleichberechtigung und Selbstverwirklichung gehörten.
Elisabeth Sandmann hat mit ihrer Familiengeschichte sehr beeindruckende, vielschichtige Frauenfiguren geschaffen, die mit ihren Leidenschaften und Träumen, Stärken und Verletzlichkeiten lebensnah und lebendig wirken. Sie versteht es, uns im Laufe der Handlung deren schillernde Persönlichkeiten, ihr Innenleben und Wunsch nach Selbstbestimmung näherzubringen, so dass man sich recht gut in sie hineinversetzen kann. Ob nun die lebenskluge und ehrgeizige Bauerntochter aus Bad Tölz als eine der zentralen Charakter, der es gelungen ist, die damaligen Standesschranken zu überwinden, oder die mondäne, bis ins hohe Alter exzentrische Ilsabé, die sich als Tochter aus großbürgerlichem Haus stets alles Freiheiten herausgenommen hat, oder schließlich Ilsabés Enkeltochter Gwen, die sich aufmacht die vielen Leerstellen in ihrer verworrenen Familiengeschichte mit Wahrheiten zu füllen, Geheimnisse aus der Vergangenheit aufzudecken und ihr eigenes Leben zu ordnen – sie alle sind äußerst liebevoll gezeichnete Heldinnen und faszinierende Charaktere, die sich nicht unterkriegen lassen und die man gerne durch die bewegende Geschichte begleitet.
Einige Episoden, in denen schließlich bislang verschwiegene Familiengeheimnisse, Lügen und Verrat aufgedeckt werden, wurden für meinen Geschmack etwas zu rasch und oberflächlich abgehandelt, auch kamen etwaige Reaktionen auf ungeheuerliche Enthüllungen deutlich zu kurz.
Zum Hörbuch
Die Schauspielerin und Sprecherin Elisabeth Günther liest den Roman sehr eindrucksvoll und abwechslungsreich, dass man schnell ins Geschehen hineingezogen wird. Aufgrund der Fülle der Personen und der Beziehungen zueinander ist der Einstieg nicht ganz einfach und erfordert zunächst erhöhte Aufmerksamkeit. Mit ihrer ausdrucksstarken sowie einfühlsamen Stimme nimmt uns Elisabeth Günther mit auf eine mitreißende und ergreifende Reise. Überzeugend schlüpft sie in die einzelnen Rollen und versteht es mit ihrer variantenreichen Stimme den verschiedenen Charakteren Leben einzuhauchen.
Ein rundum gelungenes Hörbuch, das einfach für gute Unterhaltung sorgt.
FAZIT
Ein bewegender und unterhaltsamer Generationenroman mit einer fesselnden, vielschichtigen Familiengeschichte, vielen Geheimnissen und starken Frauenpersönlichkeiten.

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Veröffentlicht am 14.08.2023

Etwas enttäuschende Liebesgeschichte

Vom Ende der Nacht
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MEINE MEINUNG
Die britische Autorin Claire Daverley erzählt in ihrem Debütroman „Vom Ende der Nacht“ die bewegende Liebesgeschichte zwischen Rosie und Will – zwei Menschen, die unterschiedlich kaum sein ...

MEINE MEINUNG
Die britische Autorin Claire Daverley erzählt in ihrem Debütroman „Vom Ende der Nacht“ die bewegende Liebesgeschichte zwischen Rosie und Will – zwei Menschen, die unterschiedlich kaum sein könnten und doch füreinander bestimmt zu sein scheinen. Als Teenager verlieben sie sich ineinander, werden aber durch ein tragisches Unglück getrennt – finden immer wieder zueinanderfinden und doch können sie ihre große Liebe nicht leben, da ihnen das Leben dazwischen funkt.
Keine klassische zuckersüße Liebesromanze also, sondern eine typische Coming-of-age Geschichte mit viel Dramatik, Romantik, Herzschmerz und auch tiefgründigen, emotional aufwühlenden Momenten.

Die Autorin hat für ihren mitreißenden Roman eine viel versprechende Ausgangssituation gewählt und verwebt in ihre Liebesgeschichte geschickt zahlreiche problembehaftete Themen, um ihr mehr Tiefgang zu verleihen. So dreht sich Geschichte von Rosie & Will auch um die vielen Hochs und Tiefs in ihrem Leben - insbesondere um verpasste Chancen, Schuld, Verluste, Einsamkeit und Trauer, toxische Beziehungen insbesondere problematische Eltern-Kind-Prägungen, Erwartungshaltungen, Selbstbetrug und Zwangsstörungen. Für meinen Geschmack war dies in Summe leider etwas zu viel an Dämonen und unbewältigten Altlasten, wodurch viel an Leichtigkeit verloren geht und sich eine drückende melancholische Grundstimmung über alles legt.
Daverleys lebendiger, abwechslungsreicher Schreibstil liest sich angenehm, so dass man rasch in Story hineinkommt. Die Beschreibungen sind sehr anschaulich, sodass man sowohl von den Charakteren als auch von den Schauplätzen sehr schnell ein klares Bild vor Augen hat. Erzählt wird abwechselnd aus Rosies oder Wills Perspektive, so dass wir die Gefühls- und Gedankenwelt der beiden Hauptfiguren sehr gut mitverfolgen können.
Insgesamt wird die etwas vor sich hin plätschernde Handlung durch die Perspektivwechsel zwar angenehm aufgelockert, doch richtig mitreißen konnte mich diese dennoch nicht, denn eine wirklich neue Geschichte mit dem gewissen Etwas erzählt die Autorin leider nicht. Die tragische Wendung und die daraus entstehenden Missverständnisse und widrigen Umstände auf dem Weg zum Happy End waren doch wenig originell und sehr vorhersehbar angelegt. Schade, denn eigentlich hatte die Geschichte schon großes Potential!
Recht gut sind der Autorin ihre sympathischen Charaktere gelungen, die sie mit ihren Eigenheiten vielschichtig aber leider auch etwas klischeebehaftet gezeichnet hat. Insbesondere die charakterliche Entwicklung von Rosie und Will im Laufe der Zeit konnte ich oftmals nicht nachvollziehen, da mir der Zugang zu ihren Emotionen und Beweggründen fehlte und mir die beiden Hauptfiguren seltsam fremd blieben. So war für meinen Geschmack auch die besondere Chemie zwischen Rosie und Will und die tiefe Verbindung zwischen ihnen als Seelenverwandte bei all ihren oberflächlichen Dialogen einfach nicht spürbar.
Sehr gut hat mir die Message der Geschichte gefallen, die dazu aufruft, sich von den Erwartungshaltungen seiner Mitmenschen zu emanzipieren, stets nur auf sich und seine Talente zu hören und sich zu bemühen, seine eigenen Wünsche und Träume zu verwirklichen! Dies ist ein schöner stimmiger Ausklang für diese leider etwas zu überladene und melodramatisch angehauchte Liebesgeschichte!
MEIN FAZIT
Eine bewegende Liebesgeschichte mit viel Dramatik, Romantik, Herzschmerz und auch tiefgründigen, emotional aufwühlenden Momenten, die mich leider nicht wirklich mitreißen konnte.

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Veröffentlicht am 14.08.2023

Nachdenklich stimmender Roman

Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe
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MEINE MEINUNG
In ihrem jüngsten Roman mit dem vieldeutigen Titel „Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe“ erzählt die österreichische Autorin Doris Knecht über eine Frau, die sich ...

MEINE MEINUNG
In ihrem jüngsten Roman mit dem vieldeutigen Titel „Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe“ erzählt die österreichische Autorin Doris Knecht über eine Frau, die sich an einem Wendepunkt in ihrem Leben befindet - in einer Zeit der Umbrüche, des Erinnerns, des Abschiednehmens und des hoffnungsvollen Neubeginns.
Ein Prozess der inneren Bestandsaufnahme, des Loslassens und der Selbstfindung setzt ein, den wohl viele Frauen er- und durchleben, deren Kinder flügge werden, auf dem Weg hin zu einem neuen Lebensabschnitt mit neuen Herausforderungen, unendlichen Möglichkeiten und vor allem auch neuer Freiheiten und echter Unabhängigkeit.
In unterschiedlichen, nicht chronologisch erzählten Episoden tauchen wir ein in das faszinierende Leben der alleinerziehenden, geschiedenen Protagonistin und Ich-Erzählerin (möglicherweise auch Alter Ego der Autorin?). Durch den baldigen Auszug ihrer beiden Kinder kann sie sich ihre geliebte, aber zu groß gewordene Wohnung nicht mehr leisten und sieht sich mit vielen existenziellen Fragen zu ihrer Zukunft konfrontiert. Wir begleiten sie auf ihrer Erkundungsreise in ihre bewegte Vergangenheit und folgen ihren bisweilen ungeordneten Gedankenkarussell. So haben wir ungefiltert Anteil an ihrer selbstkritischen und facettenreichen Auseinandersetzung mit ihren Lebensentscheidungen, Verletzlichkeiten, unverzeihlichen Fehlern und ungelösten Widersprüchen sowie den verschiedenen Rollen, die sie in ihrem Leben innehatte. Gewürzt ist das Ganze mit überraschenden Enthüllungen, humorvollen Passagen und feiner Selbstironie. Auf ihrer Suche nach Wahrheiten und Klarheiten, gewinnt sie immerhin einige wesentliche Erkenntnisse über sich, ihre Persönlichkeit und das Älterwerden, und kann ihren neuen Lebensabschnitt schließlich als glückliche #emptynesters zuversichtlich, voller Vorfreude und Tatkraft in Angriff nehmen.
So liest sich dieser faszinierende Roman auch als eine einfühlsam erzählte, nachdenklich stimmende und zutiefst menschliche Geschichte über ein Frauenleben in all seinen schillernden Facetten, die uns die Komplexität unserer Psyche auf höchst anschauliche Weise offenbart.

FAZIT
Ein warmherziger, episodenhaft erzählter Roman über eine Frau am Wendepunkt ihres Lebens. Ein zutiefst menschlicher Roman, der zum Nachdenken anregt!

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Veröffentlicht am 14.08.2023

Beeindruckendes Romandebüt

Das Pferd im Brunnen
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MEINE MEINUNG
In ihrem äußerst beeindruckenden Romandebüt „Das Pferd im Brunnen“ erzählt die vielfach ausgezeichnete Schauspielerin und Debütautorin Valery Tscheplanowa eine außergewöhnliche Familiengeschichte, ...

MEINE MEINUNG
In ihrem äußerst beeindruckenden Romandebüt „Das Pferd im Brunnen“ erzählt die vielfach ausgezeichnete Schauspielerin und Debütautorin Valery Tscheplanowa eine außergewöhnliche Familiengeschichte, in deren Mittelpunkt von vier starke Frauen im Russland des 20. und 21. Jahrhunderts stehen.
Es ist ein autobiografisch inspirierter Roman, denn ähnlich wie ihre Protagonistin Walja wurde Tscheplanowa 1980 im sowjetischen Kasan geboren und kam sie gemeinsam mit ihrer Mutter und ihrem Bruder im Alter von acht Jahren nach Deutschland.
Der Roman besteht aus zahlreichen, unchronologisch zusammengetragenen Momentaufnahmen, die aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt werden und zunächst irgendwo ihren Anfang und ihr Ende nehmen, ohne den Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben.
Geschickt hat die Autorin ihre sehr atmosphärischen und ergreifenden Episoden, in denen sie schlaglichtartig die schicksalhaften Lebensgeschichten und das Seelenleben der faszinierenden Frauen beleuchtet, mit einander verwoben, so dass sich am Ende schließlich ein bewegendes und sehr nachdenklich stimmendes Portrait der Familie zusammenfügt.
Mit ihrer wundervoll poetischen Sprache und einem literarisch anspruchsvollen, bildgewaltigen Schreibstil umreißt die Autorin in ihren recht kurzen, tiefgründigen Geschichten die unterschiedlichen Lebenswirklichkeiten vor dem Hintergrund des jeweiligen politischen Systems, die Härten und Entbehrungen sowie die teils bedrückenden und prägenden Erlebnisse der vier Frauengenerationen, die deutliche Spuren in ihrem Leben und in den Beziehungen zueinander hinterlassen haben. Ihre beklemmenden Erfahrungen mit dem sozialistischen Alltag, der bisweilen zu bizarren Auswüchsen und grotesken Handlungen führt und mit einer großen Portion Pragmatismus begegnet wird, bringt die Autorin geradezu schmerzlich scharfsinnig auf den Punkt.
Es sind sehr eindrückliche Geschichten, die tiefe Einblicke in die verschiedenen Facetten des menschlichen Daseins gewähren - mit teils amüsanten Highlights, teils sehr nachdenklich stimmenden Begebenheiten aus ihrem einfachen Leben, den vielfältigen Widersprüchlichkeiten und oft erstaunlichen Entwicklungen.
Gekonnt erzählt die Autorin von Ausgrenzung, Verzicht, Verlust und Entfremdung aber auch von Leid und Verzweiflung, gescheiterten Liebesbeziehungen und Einsamkeit.
In verschiedensten Episoden lernen wir die beeindruckenden Protagonistinnen mit ihren Eigenheiten und beeindruckenden Stärken kennen. Ob nun die Ich-Erzählerin Walja, die sich nach dem Tod ihrer hartherzigen Großmutter Nina auf Spurensuche nach ihrer „ in Stücke geschlagenen“ Familie macht, die bodenständige, vereinsamte Urgroßmutter Tanja oder ihre Mutter Lena, die ihr Glück im Westen an der Seite eines abgehalfterten Alleinunterhalters in Deutschland suchte - sie alle sind wundervoll vielschichtige, verletzliche Charaktere, die man einfach ins Herz schließen muss.
Trotz der Kürze der Episoden versteht es die Autorin hervorragend, verschiedenste Aspekte sehr eindrücklich und authentisch auf den Punkt zu bringen und dennoch auch immer vieles im Vagen zu belassen, so dass man stets zwischen den Zeilen der Bedeutung des Gelesenen nachspüren muss.
Zum Hörbuch
Der verhältnismäßig kurze Roman wird nicht von einer professionellen Sprecherin sondern von der Autorin selber gelesen, was das Hörbuch zu einem besonders eindrücklichen Erlebnis macht. Die talentierte Schauspielerin erweist sich als versierte und sehr überzeigende Sprecherin. Umso mehr, da sie ihre beeindruckende Geschichte uns exakt so vermitteln kann, wie sie in ihrem Kopf entsprungen ist. Nuancenreich, einfühlsam und eindringlich zugleich lässt sie uns an den intensiven Momentaufnahmen und ergreifenden Schicksalen ihrer vier charakterstarken Frauen teilhaben. Eine lebendige, bildgewaltige Lesung, die es mühelos vermag, die farbenprächtigen Bilder direkt in unsere Köpfe zu transportieren.
Eine absolute Hör-Empfehlung!
FAZIT
Ein sehr beeindruckendes und farbenprächtiges Debüt - mit tiefgründigen und berührenden Geschichten über vier starke Frauen im Russland des 20. und 21. Jahrhunderts.

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Veröffentlicht am 14.08.2023

Packende Fortsetzung des Mafia-Epos

City of Dreams (ungekürzt)
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MEINE MEINUNG
Nach dem großartigen Auftakt „City on Fire“ setzt der gefeierte US-amerikanische Bestseller-Autor Don Winslow nun mit „City of dreams“ seine packende Mafia-Trilogie fort.
Inspiriert von der ...

MEINE MEINUNG
Nach dem großartigen Auftakt „City on Fire“ setzt der gefeierte US-amerikanische Bestseller-Autor Don Winslow nun mit „City of dreams“ seine packende Mafia-Trilogie fort.
Inspiriert von der griechischer Tragödie rund um den Trojanischen Krieg und den Helden Aeneas geht die Saga um zwei amerikanische Gangsterfamilien – dem italienischen Mafiaclan Moretti und den irisch-stämmigen Murphys weiter, in der uns Winslow seine interessante Neuinterpretation des klassischen Stoffs im zeitgenössischen Gewand präsentiert. Nach langjährigen einvernehmlichen Geschäftsvereinbarungen hatte sich im ersten Band ein verhängnisvoller Krieg der beiden Clans um Kontrolle, Macht und Geld entsponnen, der im weiteren Verlauf vollkommen aus dem Ruder lief und eine Spur von Blutvergießen, Gewalt und Tod nach sich zog.
Geschickt lässt Winslow uns in seine brutale, blutrünstige Geschichte eintauchen, die in den 1980er Jahren angesiedelt ist und lückenlos an den ersten Band anknüpft. Mühelos tauchen wir in eine knallharte, unbarmherzige Gangsterwelt ab, in der für Sentimentalitäten, Moral und Gewissen kein Platz ist. Mit seiner klaren, prägnanten Erzählweise versteht er es hervorragend, die Szenen sehr plastisch und eindringlich einzufangen, so dass das eigene Kopfkino problemlos anspringen kann. Die knackigen, bissigen Dialoge vermitteln zudem für ein authentisches Flair.
Im Mittelpunkt der wendungsreichen Handlung steht erneut Danny Ryan als Protagonist, Oberhaupt des irischen Mobster-Clans und unfreiwilliger Held. Nach dem Krebstod seiner Frau Terri ist er nun im Zuge des Bandenkriegs auf der Flucht aus seiner Heimatstadt Providence. Er befindet sich zusammen mit seiner kleinen Gefolgschaft, seinem kleinen Sohn und dementen Vater auf einem Roadtrip Richtung Westen, fest entschlossen zunächst für FBI und die italienische Mafia auf ihrem Rachefeldzug unter dem Radar zu bleiben. Um ganz aussteigen und ein neues Leben in der City of Dreams im sonnigen Kalifornien beginnen zu können, lässt Danny sich auf einen heiklen Deal mit den Behörden ein und wird schließlich aber doch von seiner Vergangenheit eingeholt.
Winslow hat sich für seinen deutlich ruhigeren zweiten Band eine spannende und abwechslungsreiche Story ausgedacht, die mich mit gekonnt platzierten, bitterbösen Seitenhieben auf den Amerikanischen Traum, die Filmindustrie sowie die Inkompetenz und Korruption der US-Strafverfolgungsbehörden bestens unterhalten hat. Äußerst amüsant und originell fand ich insbesondere die Episode im glamourösen Hollywood, in der Danny und seine Entourage an einer Filmproduktion beteiligt sind, in der ausgerechnet ihr legendärer Bandenkrieg in Providence verfilmt wird, und es nicht lange dauert bis Danny sich mit der Mafia im Filmbusiness vor Ort anlegt. Neben vielen temporeichen und actiongeladenen Szenen gibt es sogar einer kleine Liebesgeschichte und ruhigere Episoden, in denen der Autor seinem Protagonisten erstaunlich viel Raum zur Trauerbewältigung, Selbstreflektion und Neuorientierung gibt. Nach einigen überraschenden wie tragischen Wendungen spitzen sich die Ereignisse schließlich im letzten Drittel enorm zu und gipfeln in einem beinahe apokalyptischen Showdown.
Seine recht sperrigen Figuren hat Winslow sehr facettenreich und glaubwürdig angelegt. Er verwendet viel Zeit darauf, uns ihre unterschiedlichen Charaktere und Hintergrundgeschichten nahe zu bringen, so dass man ihre Motive und ihre Entwicklung nachvollziehen kann.
Nach dem erstaunlichen Ausgang des zweiten Teils bin ich sehr gespannt, wie Winslow sein fesselndes Epos zum Abschluss führen wird und freue mich auf das große Finale.
ZUM HÖRBUCH
Der renommierte Hörbuchsprecher Dietmar Wunder ist mit seiner angenehmen, markanten Stimme eine ideale Besetzung für diesen Thriller. Mit viel Ausdruck, gekonnter Betonung und dem richtigen Gespür für die Atmosphäre der jeweiligen Szenen zieht er uns rasch in die Geschichte hinein.
Spannende Szenen unterstreicht er zudem gekonnt durch Anziehen des Sprechtempos. Dank seiner facettenreichen Stimmvielfalt gelingt es ihm hervorragend, den vielen Charakteren, denen wir im Laufe der Geschichte begegnen, Leben einzuhauchen und lebendig erscheinen zu lassen. Wunder fängt die verschiedenen Persönlichkeiten und ihre emotionale Verfassung sehr authentisch und lebendig ein und verleiht ihnen einen individuellen Tonfall, so dass sie stimmlich stets unterscheidbar und auf Anhieb zuzuordnen sind. Ein toller Hörgenuss!

FAZIT
Eine packende, aber deutlich ruhigere Fortsetzung der brillant angelegten Thriller-Trilogie über den brutalen Krieg zweier Gangsterfamilien mit viel Sex, Drugs und Blutvergießen.

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