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Veröffentlicht am 28.07.2022

Keine angenehme Lektüre, dennoch lesenswert!

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Der jungen Kayleigh gelingt es, einen Job bei dem Subunternehmen Hexa zu ergattern. Ihre Aufgabe ist es nun, für eine große Internetplattform Beiträge von Nutzern auszuwerten und zu entscheiden, welche ...

Der jungen Kayleigh gelingt es, einen Job bei dem Subunternehmen Hexa zu ergattern. Ihre Aufgabe ist es nun, für eine große Internetplattform Beiträge von Nutzern auszuwerten und zu entscheiden, welche bleiben dürfen und welche gelöscht werden müssen. Die Arbeitsbedingungen sind hart: kaum Pausen, der ständige Leistungsdruck und vor allem verstörende Inhalte in Texten, Bildern und Videos, mit denen Kayleigh und die anderen Mitarbeiter stets konfrontiert werden. Schon bald fällt Kayleigh auf, dass sich einige ihre Arbeitskollegen nach und nach verändern und merkwürdig verhalten. Sie selbst glaubt, gut klarzukommen und konzentriert sich auf die Liebesbeziehung zu Sigrid, die ebenfalls bei Hexa eingestellt ist. Als sich diese von ihr zu distanzieren beginnt, kann Kayleigh das nicht nachvollziehen. Doch: Ist sie wirklich die Einzige, die mit dem Job problemlos fertig wird, während alle anderen um sie langsam durchdrehen? Oder hat diese Arbeit auch sie bereits gefährlich verändert und sie selbst merkt es nur nicht?

Es ist ein brisantes Thema, mit dem sich die niederländische Autorin Hanna Bervoets in ihrem Roman beschäftigt. Die rasante Entwicklung von Internet und sozialen Medien bietet uns heutzutage unzählige Möglichkeiten, uns unseren Mitmenschen mitzuteilen. Doch was macht diese Flut an Informationen, Bildern und Filmmaterial mit uns? Wie verändert sie unseren Blick auf uns selbst und auf unsere Welt? Und: Wer oder was darf bestimmen, was uns im Netz tagtäglich präsentiert wird? Wie kommt es, dass unsere Sicht der Dinge manchmal so manipuliert wird, dass wir uns in Verschwörungstheorien stürzen, gewalttätig werden oder Ängste entwickeln?

Die Protagonistin des Romans (der Autorin gelingt mit ihr eine einfühlsame und schockierende psychologische Studie) glaubt, dass sie in der Lage ist, den verstörenden, von Gewalt geprägten Beiträgen mit professioneller Distanz zu begegnen und Kontrolle zu behalten. Doch tut sie das wirklich? Ich glaube nicht und ich fürchte, so geht es zahlreichen Menschen. Das Schlimme ist, dass wir vermutlich nicht mal merken, wann wir aufhören, der Herr der Lage zu sein...

„Dieser Beitrag wurde entfernt“ ist keine angenehme Urlaubslektüre. Es ist ein düsterer und aufwühlender Roman, der uns schonungslos in die Abgründe der sozialen Medien blicken und uns unangenehme Fragen stellen lässt. Es sind aber wichtige Fragen, die wir uns stellen sollen, ja müssen, wenn wir nicht wollen, dass unser Leben fremdbestimmt wird.

Fazit: Schwere Kost, dennoch lesenswert. Ein wichtiges Buch, das hoffentlich viele Leser zum Nach- bzw. sogar Umdenken anregen wird.

Veröffentlicht am 19.07.2022

Lesegenuss vom Feinsten!

Violeta
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Am Ende ihres langen und bewegten Lebens angekommen, schreibt die 100-jährige Violeta ihre Geschichte nieder. Sie soll ein Zeugnis und eine Gedächtnisstütze für den geliebten Enkel Camilo werden. Mit schonungsloser ...

Am Ende ihres langen und bewegten Lebens angekommen, schreibt die 100-jährige Violeta ihre Geschichte nieder. Sie soll ein Zeugnis und eine Gedächtnisstütze für den geliebten Enkel Camilo werden. Mit schonungsloser Offenheit und beeindruckender Direktheit berichtet Violeta über Personen, die in ihrem Leben eine wichtige Rolle spielten und über prägende Begebenheiten aus ihrer Vergangenheit vor dem Hintergrund dramatischer Ereignisse in ihrer südamerikanischen Heimat.

Ich bin seit Jahren ein großer Fan von Isabel Allende und ihrem außergewöhnlichem Erzähltalent. Mit Romanen wie „Das Geisterhaus“ oder „Porträt in Sepia“ hat sie mich begeistert und in ihren Bann geschlagen. Ich war also voller Vorfreude und sehr neugierig, als ich vor kurzem ein Exemplar ihres neuesten Romans in die Hand nahm und zu lesen anfing. Mein Eindruck nach der Lektüre? Ich mache es kurz: Isabel Allende ist und bleibt für mich eine Zauberin! „Violeta“ hat mich bereits mit dem ersten Satz in eine andere Welt eintauchen lassen und bescherte mir wunderbare Lesestunden. Die Geschichte ließ mich zuweilen meine Umgebung vergessen, ich konnte mich sehr gut in die Protagonistin hineinversetzen, freute mich und litt mit ihr. Allende ist es wieder mal gelungen, mit Violeta eine ganz besondere Heldin zu erschaffen, eine starke Persönlichkeit, die voll Leidenschaft ist und schon früh in der von Männern dominierten Gesellschaft für ihre Ziele kämpft. Selbst nach schlimmen Verlusten schafft sie es, sich neu zu orientieren und neuen Mut zu schöpfen. Wohltuend empfand ich ihren Umgang mit dem Älterwerden, der, wie ich stark vermute, die persönliche Haltung der Autorin widerspiegeln könnte. Violetas Beispiel gibt mir die Hoffnung, dass man in jeder, auch in der späten Phase seines Lebens glücklich und aktiv sein und durchaus noch eine erfüllende Aufgabe übernehmen kann.

Sehr spannend fand ich Schilderungen von historischen Vorkommnissen, die im Laufe des 20. und in den beiden Jahrzehnten des 21. Jahrhunderts nicht nur das Leben der Titelheldin, sondern Schicksale unzähliger Menschen prägten. Die Autorin spannt einen Bogen von dem Ausbruch der spanischen Grippe bis hin zu unserer Gegenwart mit den verblüffend ähnlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie. Dazwischen berichtet sie – immer aus der Sicht von Violeta - von den dramatischen Folgen der Weltwirtschaftskrise, dem langen, harten Kampf für die Rechte der Frauen und immer wieder von Krisen und Umbrüchen auf dem südamerikanischen Kontinent. Ich habe diese besondere Form des Geschichtsunterrichts sehr genossen. Mit 80 Jahren einen so großartigen Roman zu schreiben, von solcher Intensität und mit Figuren, die authentisch, voller Leben sind und im Gedächtnis bleiben, ist eine Glanzleistung und ein Beweis, dass Allende zu Recht zu den hellsten Sternen am literarischen Firmament gehört. Möge er noch lange leuchten – hoffe sehr, dass „Violeta“ noch weitere tolle Werke folgen werden.

Fazit: Ein grandioser, fesselnder, lebensbejahender Roman mit einer beeindruckenden Heldin – von mir eine klare Leseempfehlung!






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Veröffentlicht am 02.07.2022

Solider Krimi mit einer sympathischen Ermittlerin

Düsterbruch
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Eigentlich steht die Lübecker Kommissarin Pia Korittki kurz vor der Entbindung, denkt jedoch gar nicht daran, sich in den Mutterschutz zu begeben. Im Gegenteil: Als sie von einem neuen Fall hört, besteht ...

Eigentlich steht die Lübecker Kommissarin Pia Korittki kurz vor der Entbindung, denkt jedoch gar nicht daran, sich in den Mutterschutz zu begeben. Im Gegenteil: Als sie von einem neuen Fall hört, besteht sie darauf, ihn zu übernehmen. Der Fall führt sie und ihren Kollegen Broders in den kleinen Provinzort Düsterbruch, wo der Selbstmord einer Bäuerin untersucht werden sollte. Die Ermittlungen bringen eine alte Familientragödie ans Licht, die nie geklärt wurde...

Es war mein erster Krimi von Eva Almstädt und zugleich der erste aus der Pia-Korittki-Reihe. Ich habe schon öfters positive Kritiken zu den verschieden Bänden vernommen und so war ich gespannt, ob das Buch auch meinen Geschmack treffen wird. Bereits nach den ersten Seiten stand fest: Ich kann mich den positiven Kommentaren durchaus anschließen. Ich mag den Schreibstil der Autorin und auch die Heldin war mir auf Anhieb sympathisch. Die Spannung hielt sich zwar in Grenzen, ich habe aber nicht wirklich einen Pageturner erwartet, sondern eine angenehme Lektüre mit einer Prise Nervenkitzel und interessanten, glaubwürdigen Charakteren. Damit punktet „Düsterbruch“ allemal. Hinzu kommt eine ordentliche Portion Lokalkolorit, was mir persönlich ebenfalls gut gefällt. Alles in allem hat mir das Buch einige unterhaltsame Lesestunden beschert und ich freue mich jetzt schon auf die anderen Krimis von Eva Almstädt.

Veröffentlicht am 02.07.2022

Großartiger Roman mit Suchtpotenzial!

Der Papierpalast
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Seit ihrer Kindheit verbringt Eleanor Bishop jeden Sommer in Back Woods auf Cape Cod, wo ihre Familie ein Ferienquartier besitzt. Sie liebt den „Papierpalast“, wie die Unterkunft wegen der billigen Auskleidung ...

Seit ihrer Kindheit verbringt Eleanor Bishop jeden Sommer in Back Woods auf Cape Cod, wo ihre Familie ein Ferienquartier besitzt. Sie liebt den „Papierpalast“, wie die Unterkunft wegen der billigen Auskleidung der Innenräume scherzhaft bezeichnet wird, den See und den Wald. Es ist ihr magischer Ort, wo sie als Heranwachsende Abenteuer, Spaß, Freude aber auch Schmerz erlebte. Hier hat sie sich zum ersten Mal verliebt. Leider wurde diese Liebe von einem schlimmen Unglück überschattet, das sie und den etwas jüngeren Jonas zu zwei Königskindern machte, die nicht zusammen kommen können. Inzwischen ist Elle 50, eine gestandene Mutter von drei Kindern und scheinbar glücklich verheiratet. Doch dann kommt der Sommerabend, an dem sie in Back Woods Jonas wiedersieht und ihre jahrelang unterdrückten Gefühle für ihn nicht mehr im Zaun halten kann...

Schon länger hat mich kein Roman so mitgerissen und bewegt wie „Der Papierpalast“. Mit seiner Intensität zog er mich von der ersten Seite an in seinen Bann, ich spürte förmlich Sonne, Seeluft und Wasser an meiner Haut... Mehr noch: Ich wurde zwischendurch in die Sommer meiner eigenen Kindheit zurückversetzt, an einen Ort übrigens, der Back Woods nicht ganz unähnlich war und konnte in meinen eigenen, bittersüßen Erinnerungen schwelgen...

Elles Geschichte und die Geschichte ihrer Familie ist keinesfalls eine endlose Sommeridylle, sie hat es in sich. Die Autorin erzählt sie in zahlreichen Rückblenden, verbindet geschickt die Vergangenheit mit der Gegenwart und lässt keinen Augenblick lang Langeweile aufkommen. Fesselnd und mit schonungsloser Offenheit lässt sie Eleanor selbst von prägenden Ereignissen aus ihrem Leben berichten. Besonders zum Ausdruck kommt ihre innere Zerrissenheit und der in ihr tobende Kampf, den sie vor ihrer Umgebung geschickt zu verbergen vermag. Ich konnte mich sehr gut in die Lage der Protagonistin hineinversetzen, litt und fieberte mit... Und am Ende war ich einfach nur fassungslos. Miranda Cowley ist wahrhaftig eine begnadete Erzählerin und ich werde in Zukunft mit Sicherheit Ausschau nach weiteren Romanen aus ihrer Feder halten.

Last but not least muss ich noch das Cover erwähnen: Es ist nicht nur wunderschön, es passt auch sehr gut zur Geschichte und hat mich schnell in die richtige Stimmung versetzt.

Fazit: Ein wunderbarer Roman mit einer Sogwirkung, der man sich nur schwer entziehen kann, für mich die perfekte Sommerlektüre!

Veröffentlicht am 08.06.2022

Eine fesselnde Familiengeschichte, die unter die Haut geht

Die verlorene Frau
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Die junge Britin Jessie verlässt kurz nach der Entbindung heimlich das Krankenhaus und verschwindet spurlos mit ihrer neugeborenen Tochter. Da die Kleine lebensbedrohlich krank ist und dringend Medikamente ...

Die junge Britin Jessie verlässt kurz nach der Entbindung heimlich das Krankenhaus und verschwindet spurlos mit ihrer neugeborenen Tochter. Da die Kleine lebensbedrohlich krank ist und dringend Medikamente benötigt, beginnt für die Polizei und Jessies Familie ein Wettlauf gegen die Zeit. Eine der Personen, denen das Schicksal der jungen Frau besonders am Herzen liegt ist Iris, ihre Halbschwester. Rebecca, die Mutter der Beiden, bittet sie um Hilfe und Iris tut alles, um Jessie zu finden. Dabei stößt sie auf lange gehütete Familiengeheimnisse und erfährt erschütternde Fakten aus dem Leben ihrer Mutter und Großmutter....

Ich bin zufällig auf den Roman gestoßen, kannte die Autorin nicht und habe offengestanden einen Nullachtfünfzehn-Krimi erwartet. Die Lektüre hat mich eines Besseren gelehrt. Die Autorin Emily Gunnis erzählt eine spannende und sehr bewegende Geschichte, die drei Generationen umspannt. In ihrem Mittelpunkt stehen mehrere starke Frauen, deren Schicksale durch dramatische Ereignisse aus der Vergangenheit beeinflusst und miteinander verknüpft wurden. Es sind interessante, lebendige Figuren, die man ins Herz schließt. Dank dem häufigen Perspektivenwechsel und der Einfühlsamkeit, mit der Emily Gunnis ihre Charaktere entwirft und deren Erlebnisse schildert, bekommen wir tiefe Einblicke in die Gefühlswelt der Protagonistinnen und können uns besser in sie hineinversetzen. Mich persönlich hat die Geschichte von den ersten Seiten an gefesselt und auch sehr berührt, ich konnte das Buch kaum aus der Hand legen.

Fazit: Gut geschrieben, spannend und sehr emotional, ohne jegliche Effekthascherei. Definitiv kein Durschnittskrimi, sondern eine packende Familiengeschichte, bei der man mitfiebern und -fühlen kann, von mir eine klare Leseempfehlung!