Läuferin, Olympiasieger, (Nackt-)Model...
Die Frau, die allen davonrannteCarrie Snyders Frau, die allen davon rannte aus dem Hause btb Verlag lernte ich über die Buchhandlung Bücher Pustet kennen…
Erst kurz zuvor hatte ich in einer Leserunde zu einem historischen Roman bemängelt, ...
Carrie Snyders Frau, die allen davon rannte aus dem Hause btb Verlag lernte ich über die Buchhandlung Bücher Pustet kennen…
Erst kurz zuvor hatte ich in einer Leserunde zu einem historischen Roman bemängelt, dass Autoren nach wie vor das Klischee der „starken Frau“ bedienen und ich unglaublich gerne auch einmal etwas über normale Menschen lesen möchte. Keine Apothekerin oder Kastellanin oder Henkerstochter oder Dienstmagd, die vor Entschlossenheit und Zielstrebigkeit strotzt und die scheinbar nichts aus der Bahn wirft, sondern eine ganz normale, menschliche Frau.
Und tadaa, hier ist sie: Aganetha Smart, wohnhaft in einem beschissenen Pflegeheim und äußerst dement in ihrer eigenen Geschichte gefangen.
Eine Frau, die arm wie eine Kirchenmaus im Kanada der 1920er Jahre groß wird. Eine Frau, die „Freude unter dem steinernen Panzer“ suchen muss und Freundschaft als „paralleles Erleben, über das man nicht viele Worte machen muss“ bezeichnet. Eine äußerst bemerkenswerte junge Frau, die quasi aus dem Nichts bei den Olympischen Spielen eine Goldmedaille gewinnt und sich dann dem Sog von Erfolg und Ruhm hingibt; eine (Nackt-)Model-Karriere startet, mit einem Teamkameraden anbandelt, der sie zunächst schwängert und dann für ihre vermeintlich beste Freundin sitzen lässt. Aganetha Smart, die einfach mal so Journalistin wird, weil ihr das Geld ausgeht. Aganetha Smart, die Manipulation und Intrigen aushält, durchs Leben getrieben wird und sich durchs Leben treiben lässt und dabei so herrlich menschlich wirkt. Aganetha Smart, die nicht Stärke antreibt, „sondern der Wunsch stark zu sein!“
Carrie Snyder entwirft mit sehr viel Liebe für’s Detail diesen wunderbaren, oftmals etwas melancholischen und schwermütigen Charakter, als Gegenpol zu all den vermeintlich selbstbewussten Protagonistinnen, die sich sonst so im historischen Roman tummeln. Sie zeichnet ihre Figuren recht feingliedrig und lässt sie dadurch lebendig werden. Auch beherrscht sie die hohe Kunst äußerst komplexe Gefühle in klare und einfache Worte zu fassen.
Mein Kompliment dafür und definitiv eine Leseempfehlung an alle, denen Klischees zu den Ohren raushängen sowie allen, die ein realistisches Frauenbild brauchen!