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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 20.01.2024

Nachdenklich machend

Der große Wunsch
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"Der große Wunsch" von Sherko Fatah ist ein intensiver und bewegender Roman, der das Schicksal einer Familie in den Mittelpunkt stellt, die von den Auswirkungen von Radikalisierung und dem Konflikt im ...

"Der große Wunsch" von Sherko Fatah ist ein intensiver und bewegender Roman, der das Schicksal einer Familie in den Mittelpunkt stellt, die von den Auswirkungen von Radikalisierung und dem Konflikt im Nahen Osten betroffen ist. Der Autor entfaltet eine Geschichte, die nicht nur die Suche nach einer verschwundenen Tochter schildert, sondern auch die damit verbundenen Fragen nach Identität, Zugehörigkeit und den Einflüssen der Vergangenheit.

Die Handlung beginnt mit dem Verschwinden von Naima, die sich auf den Weg nach Syrien gemacht hat, um sich dort mit einem Glaubenskrieger zu verheiraten. Ihr Vater Murad, ein in Deutschland lebender Kurde, sieht sich mit der Herausforderung konfrontiert, seine Tochter in einem Umfeld zu finden, das von radikalen Ideologien und Gewalt geprägt ist. Die Selbstvorwürfe des Vaters und die Suche nach Naima werden zum zentralen Antrieb der Geschichte.

Sherko Fatah gelingt es, die Spannung und emotionale Intensität aufrechtzuerhalten, während Murad seine gefährliche Reise in das Kurdengebiet an der türkisch-syrischen Grenze unternimmt. Die Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit und den Versuchen, Naima zu verstehen, verleihen der Handlung eine tiefgehende und nuancierte Dimension.

Besonders bemerkenswert ist die Art und Weise, wie der Roman die Frage nach den Ursachen von Radikalisierung und dem Anziehungskraft von extremistischen Ideologien aufgreift. Durch die Erzählung aus der Perspektive von Murad wird dem Leser ermöglicht, die Komplexität dieser Thematik zu erfassen, die oft von persönlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen geprägt ist.

"Der große Wunsch" ist nicht nur ein spannender Thriller, sondern auch eine einfühlsame Reflexion über familiäre Bindungen, kulturelle Identität und die Auswirkungen von politischen Konflikten auf das persönliche Leben. Sherko Fatah schafft es, mit großer Sensibilität und sprachlicher Kraft eine Geschichte zu erzählen, die zum Nachdenken anregt und lange nach dem Lesen im Gedächtnis bleibt.

Veröffentlicht am 20.01.2024

Literarische Perle

Das Haus
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Monika Maron entführt die Leser in ihrem Roman "Das Haus" in die ländliche Idylle nordöstlich von Berlin, wo die Protagonistin Katharina, eine Tierärztin im Ruhestand, ein abgelegenes Gutshaus erbt. Die ...

Monika Maron entführt die Leser in ihrem Roman "Das Haus" in die ländliche Idylle nordöstlich von Berlin, wo die Protagonistin Katharina, eine Tierärztin im Ruhestand, ein abgelegenes Gutshaus erbt. Die Idee, dort eine Kommune mit Freunden zu gründen, um den steigenden Mietpreisen in Berlin zu entkommen und gemeinsam dem Alter entgegenzusehen, nimmt schnell Form an.

Die Geschichte setzt sich mit dem Thema des Alterns auseinander und präsentiert dabei eine facettenreiche Gruppe von Charakteren. Katharina, als Initiatorin der Kommune, repräsentiert den Wunsch nach Gemeinschaft und Solidarität im Alter. Die Freundin Eva hingegen zögert zunächst, sich auf diese unkonventionelle Lebensform einzulassen. Maron zeichnet die Entwicklungen und Widerstände der Figuren einfühlsam und authentisch nach, wodurch eine tiefgründige und lebendige Erzählung entsteht.

Besonders beeindruckend ist Marons Fähigkeit, die verschiedenen Perspektiven und inneren Konflikte der Charaktere darzustellen. Die Leser werden mit auf eine Reise genommen, die nicht nur das äußere Setting eines alten Gutshauses beschreibt, sondern auch die inneren Landschaften der Figuren erkundet. Die Entscheidung, in einem neuen Lebensabschnitt noch einmal von vorn zu beginnen, wird als ein bedeutender Schritt gewürdigt, der von Zweifeln und Herausforderungen begleitet wird.

Der Roman "Das Haus" bietet einen eindringlichen Blick auf die Suche nach Sinn und Gemeinschaft im Alter. Monika Maron verwebt geschickt Themen wie Freundschaft, Veränderung und die Kraft des Neuanfangs zu einer berührenden Erzählung. Ihr Schreibstil, geprägt von Präzision und Empathie, lässt die Charaktere und ihre Emotionen lebendig werden.

Insgesamt ist "Das Haus" eine literarische Perle, die nicht nur die Herausforderungen des Alters beleuchtet, sondern auch die Hoffnung und die Möglichkeit eines erfüllten Lebens im Kreise von Gleichgesinnten. Ein Buch, das nicht nur die ältere Generation anspricht, sondern jeden Leser mit seiner tiefgründigen Menschlichkeit berühren kann.

Veröffentlicht am 20.01.2024

Krimikönigin

Und dann gab's keines mehr
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Agatha Christie, die "Königin des Krimis", zeigt erneut ihr außergewöhnliches Talent für Spannungsaufbau und raffinierte Handlungsführung in ihrem Klassiker "Und dann gab's keines mehr". Das Buch entführt ...

Agatha Christie, die "Königin des Krimis", zeigt erneut ihr außergewöhnliches Talent für Spannungsaufbau und raffinierte Handlungsführung in ihrem Klassiker "Und dann gab's keines mehr". Das Buch entführt die Leser auf eine abgelegene Insel vor der Küste Devons, wo zehn Menschen aus unterschiedlichen Kreisen eine Einladung von einem mysteriösen Gastgeber namens U. N. Owen erhalten. Doch Owen bleibt unsichtbar, und die wahre Natur der Einladung wird erst beim gemeinsamen Dinner offenbart.

Die Atmosphäre auf der Insel ist von Anfang an gespannt und unheimlich. Als die Gäste beim Abendessen zusammenkommen, ertönt plötzlich Owens Stimme aus einem alten Grammophon und prophezeit Unheil. Der Wahnsinn nimmt seinen Lauf, als einer nach dem anderen der Gäste auf mysteriöse Weise ums Leben kommt. Christie webt geschickt ein Netz aus Geheimnissen, Intrigen und Verdächtigungen, das den Leser bis zur letzten Seite in Atem hält.

Die Charaktere sind meisterhaft gezeichnet, jeder mit seinen eigenen dunklen Geheimnissen und Motiven. Die psychologische Tiefe, mit der Christie ihre Figuren ausstattet, macht es dem Leser schwer, den wahren Mörder zu identifizieren. Die Spannung steigt kontinuierlich, und die Wendungen in der Handlung sind so geschickt platziert, dass sie selbst den erfahrensten Krimifan überraschen.

Besonders beeindruckend ist Christies Fähigkeit, die Isolation und Paranoia der Charaktere auf der einsamen Insel spürbar zu machen. Die raffinierte Art und Weise, wie die Handlung voranschreitet und die Wahrheit nach und nach enthüllt wird, macht "Und dann gab's keines mehr" zu einem fesselnden Pageturner, den man kaum aus der Hand legen kann.

Insgesamt ist Agatha Christies "Und dann gab's keines mehr" ein zeitloser Krimiklassiker, der auch nach Jahrzehnten nichts von seiner Faszination und Brillanz eingebüßt hat. Ein Muss für jeden Liebhaber von spannenden, intelligenten Kriminalromanen.

Veröffentlicht am 20.01.2024

Andy Africa

Andy Africa
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"Andy Africa" von Stephen Buoro ist ein fesselnder Roman, der die Geschichte des fünfzehnjährigen Andrew Aziza erzählt, der liebevoll als "Andy Africa" bekannt ist. Der Autor entführt die Leser in den ...

"Andy Africa" von Stephen Buoro ist ein fesselnder Roman, der die Geschichte des fünfzehnjährigen Andrew Aziza erzählt, der liebevoll als "Andy Africa" bekannt ist. Der Autor entführt die Leser in den Norden Nigerias und gibt einen Einblick in Andys Träume, seine Beziehungen, seine Leidenschaften und die turbulenten Ereignisse, die sein Leben prägen.

Andy Africa, ein aufgeweckter Jugendlicher, navigiert durch die Herausforderungen des Erwachsenwerdens in einer komplexen gesellschaftlichen Umgebung. Seine nächtlichen Träume von Blondinen und die Diskussionen mit Freunden über Gedichte und Black Power verleihen der Handlung eine lebendige und authentische Atmosphäre.

Die Einführung von Eileen, dem ersten weißen Mädchen, das Andy begegnet, markiert einen Wendepunkt in der Geschichte. Die Romanze zwischen Andy und Eileen steht im Kontrast zu den drohenden Gefahren, die sich in Form eines gewalttätigen Mobs mit Macheten manifestieren. Die Spannung und die Herausforderungen der Liebe inmitten sozialer Unruhen geben dem Roman eine tiefgehende emotionale Dimension.

Stephen Buoro zeichnet nicht nur ein lebendiges Bild von Andys inneren Kämpfen und Beziehungen, sondern stellt auch die sozialen und politischen Spannungen in der nigerianischen Gemeinschaft dar. Die literarische Verbindung von Verlaine, Kafka und den turbulenten Ereignissen vor Ort verleiht dem Roman eine anspruchsvolle kulturelle Note.

Die Stärke von "Andy Africa" liegt nicht nur in der Erzählung einer individuellen Geschichte, sondern auch in der kritischen Auseinandersetzung mit sozialen und politischen Realitäten. Stephen Buoro verwebt geschickt persönliche Erfahrungen mit breiteren gesellschaftlichen Themen und schafft damit einen Roman, der sowohl berührt als auch zum Nachdenken anregt.

Veröffentlicht am 20.01.2024

Laufendes Verfahren

Laufendes Verfahren
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"Laufendes Verfahren" von Kathrin Röggla ist ein fesselnder Roman, der sich mit dem NSU-Prozess auseinandersetzt und dabei die Perspektive derjenigen einnimmt, die oft als passive Beobachter gelten: die ...

"Laufendes Verfahren" von Kathrin Röggla ist ein fesselnder Roman, der sich mit dem NSU-Prozess auseinandersetzt und dabei die Perspektive derjenigen einnimmt, die oft als passive Beobachter gelten: die Zuschauer. Die Autorin wirft einen kritischen Blick auf die Grenzen und Schwächen des Prozesses und macht ihn zu einem Symbol für die Herausforderungen, denen sich die Gesellschaft in Bezug auf rassistischen Terror und den Schutz der Demokratie gegenübersieht.

Die Entscheidung, die Vergangenheitsform zu vermeiden und stattdessen die gegenwärtige Form zu verwenden, trägt dazu bei, eine Atmosphäre der Unabgeschlossenheit und der fortdauernden Unsicherheit zu schaffen, die dem Thema angemessen ist. Der unprofessionelle Standpunkt des kollektiven "Wir" auf den Zuschauerrängen spiegelt die Vielstimmigkeit und Komplexität der Gesellschaft wider, die sich mit dem Prozess auseinandersetzt.

Kathrin Röggla verwendet eine präzise, aber auch erstaunlich komische und musikalische Sprache, um die Rollen und Spielregeln des laufenden Verfahrens zu beleuchten. Der Roman öffnet einen Raum für eine radikal offene Form der Aufklärung und betont die aktive Teilhabe der Menschen, die das Gericht zu einem lebendigen Ort der Demokratie machen.

Die Vielstimmigkeit des Romans ermöglicht es, die verschiedenen Perspektiven und Erfahrungen der Menschen, die mit dem NSU-Prozess in Berührung kommen, zu erfassen. Der Text reflektiert nicht nur die juristische Dimension des Verfahrens, sondern auch die sozialen, politischen und kulturellen Aspekte, die damit verbunden sind.

"Laufendes Verfahren" ist nicht nur ein Roman über den NSU-Prozess, sondern auch eine reflektierte Auseinandersetzung mit den Herausforderungen und Verantwortlichkeiten der Gesellschaft im Umgang mit rassistischem Terror und dem Schutz der Demokratie. Kathrin Röggla schafft es, in ihrem Roman ein komplexes und wichtiges Thema auf eine künstlerisch anspruchsvolle und zugängliche Weise zu behandeln.