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Veröffentlicht am 13.08.2024

Vetternwirtschaft und Korruption als Basis des Erfolgs

Freunderlwirtschaft
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Das schlichte und doch durch die Farbgebung auffallende Cover des Buchs passt sehr gut zum Thema. Es geht um junge, erfolgreiche, konservative österreichische Politiker, die eloquent und dynamisch auftreten ...

Das schlichte und doch durch die Farbgebung auffallende Cover des Buchs passt sehr gut zum Thema. Es geht um junge, erfolgreiche, konservative österreichische Politiker, die eloquent und dynamisch auftreten und vordergründig stets zum Wohle des Landes handeln.
Der Tod von Landwirtschafts- und Tourismusminister Max Langwieser unter ungeklärten Umständen zieht Ermittlungen der Wiener Mordkommission nach sich unter der Leitung von Alma Oberkofler. Schon im Prolog lerne ich die Kommissarin kennen, sie hat sich nach einem traumatischen Erlebnis in der Kindheit entschlossen, Polizistin zu werden und hat die Stelle in Wien erst vor wenigen Tagen angetreten. Gern verfolge ich ihre Ermittlungen, die von Vorgesetzten und Politikern immer mehr erschwert werden und nur langsam zu Erkenntnissen führen. Alma ist sympathisch und engagiert und durch Rückblenden in ihre Vergangenheit vervollständigt sich mein Bild von der Protagonistin.
Eine zweite Erzählperspektive kommt durch Jessica hinzu, die Verlobte und Lebensgefährtin des toten Ministers. Sie ist aus Wien geflohen und es bleibt zunächst unklar, ob und was sie mit Max' Tod zu tun hat. Ihre gedanklichen Rückblenden erhellen immer mehr, was in den Tagen vor dem Ereignis passiert ist und auch die politische Entwicklung ihres Verlobten seit der Jugend.

Petra Hartliebs Schreibstil ist lebendig, bildhaft und zeichnet sich durch feinen Humor aus. Ihre Figurenzeichnung ist einfühlsam und glaubhaft und sorgt bei mir für Mitgefühl, ein Schmunzeln oder Wut, je nach dem. Auch die Entwicklung der Protagonistinnen überzeugt. Mit der Figur der nachbarschaftlichen Buchhändlerin scheint die Autorin sich selbst augenzwinkernd in die Geschichte geschrieben zu haben, das gefällt mir.

'Freunderlwirtschaft' ist ein ruhiger Krimi, dennoch spannend, da lange unklar bleibt, wie es zu Max' Tod kam und der Leser außerdem einen Einblick in die fiktiven, dennoch möglichen, politischen Gegebenheiten bekommt.

Die Autorin zeichnet eindringlich das Porträt moderner Politiker, die über ein weit gespanntes Netzwerk verfügen und die vor kaum etwas zurückschrecken, um sich Vorteile zu verschaffen, persönliche und auf parteipolitischer Ebene.

Trotz eventueller österreichischer Besonderheiten ist die dargestellte 'Freunderlwirtschaft' sicher nicht auf unser Nachbarland beschränkt, Vetternwirtschaft, Filz oder Klüngel gibt es überall.

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Veröffentlicht am 04.08.2024

Gelungener, spannender Auftakt einer neuen Serie

Tode, die wir sterben
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Der seit wenigen Monaten verwitwete Kommissar Jon Nordh und die junge Svea Karhuu, die nach einem misslungenen Einsatz als verdeckte Ermittlerin von Stockholm nach Malmö versetzt wird, sollen als neu gegründetes ...

Der seit wenigen Monaten verwitwete Kommissar Jon Nordh und die junge Svea Karhuu, die nach einem misslungenen Einsatz als verdeckte Ermittlerin von Stockholm nach Malmö versetzt wird, sollen als neu gegründetes Sonderteam den Tod eines 13jährigen Jungen aufklären, der bei einer Schießerei im Gangmilieu zum Opfer wurde.
Die beiden interessanten Protagonisten werden detailliert eingeführt, sie sind glaubhafte authentische Charaktere mit Ecken und Kanten. Ihnen bleibt kaum Zeit, sich besser kennen zu lernen, trotzdem müssen sie sich aufeinander verlassen und sich vertrauen. Ich begleite sie gern bei ihren spannenden Ermittlungen, die zu komplexen und auch unerwarteten Erkenntnissen führen. Die Autoren binden dabei aktuelle politische und gesellschaftliche Probleme in die Handlung ein, mit denen nicht nur Schweden konfrontiert ist.

Das Verhältnis zwischen Privatem und Beruflichem ist für mich gelungen, der trauernde Jon ist als alleinerziehender Vater von zwei kleinen Kindern überfordert und er hat unbeantwortete Fragen zum Tod seiner Frau. Auch die toughe Svea muss sich mit ihrer Vergangenheit und ihrer ungewissen Zukunft auseinandersetzen. Beider Gefühle sind glaubhaft ausgearbeitet und nachvollziehbar. Auch andere Figuren, die in der Geschichte eine Rolle spielen, finde ich überzeugend charakterisiert.

Erzählt wird abwechslungsreich aus personaler Perspektive Jons oder Sveas, und es gibt eine dritte Erzählstimme, die zunächst rätselhaft bleibt.
Der Schreibstil der Autoren ist bildhaft, lebendig und sprachgewandt und ist sehr angenehm zu lesen. Der vielschichtige Krimi-Fall wird abgeschlossen, aber es bleiben Fragen zu Jon und Svea offen, so dass ich mich auch deshalb auf den für den Sommer 2025 angekündigten zweiten Band der neuen Serie freue.

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Veröffentlicht am 29.07.2024

Mathematik macht keine Unterschiede

Pi mal Daumen
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In Alina Bronskys neuem Roman mit dem gelungenen augenzwinkernden Cover geht es um die ungewöhnliche Freundschaft zwischen der 53jährigen Moni, familiär sehr eingespannt, mit mehreren Enkeln und Nebenjobs, ...

In Alina Bronskys neuem Roman mit dem gelungenen augenzwinkernden Cover geht es um die ungewöhnliche Freundschaft zwischen der 53jährigen Moni, familiär sehr eingespannt, mit mehreren Enkeln und Nebenjobs, und dem 16jährigen Oscar, einem talentierten, ich-bezogenen Überflieger ohne soziale Kompetenz und mit autistischen Zügen.
Die Beiden lernen sich als unerfahrene und verwirrte Erstsemester beim Mathematikstudium kennen und Oscar, aus dessen nüchterner Ich-Perspektive erzählt wird, hilft Moni anfangs gönnerhaft, sich im Universitätsleben zurecht zu finden.

Die warmherzige, immer hilfsbereite Moni und der nie um mathematische Tipps und Empfehlungen zur besseren Strukturierung des Alltags verlegene Oscar profitieren voneinander und Oscar ist zunehmend fasziniert von Moni und ihrem Hintergrund. Beide Charaktere entwickeln sich und es macht Spaß, sie im Privatleben und beim Studium zu erleben. Die liebenswerte Moni habe ich schnell ins Herz geschlossen.

Alina Bronskys Schreibstil ist angenehm und leicht zu lesen, die Geschichte ist durch Oscars einerseits weltfremde und andererseits sachliche Erzählweise sehr humorvoll und unterhaltsam. Monis und Oscars Figurenzeichnung ist gelungen, während ich Nebenfiguren überspitzt dargestellt finde.
Mir gefällt, welche Rolle die Mathematik als Wissenschaft in der Geschichte spielt. Die Autorin weiß das Wesen der Mathematik gut zu vermitteln und auch wenn ich mit mathematischen Details manchmal nicht viel anzufangen wusste, hat das mein Lesevergnügen keineswegs beeinträchtigt. Diese Geschichte um die Freundschaft zweier Außenseiter hat mir gut gefallen und ich spreche gern eine Leseempfehlung aus.

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Veröffentlicht am 21.07.2024

Bedrückendes Familiendrama entwickelt sich zum Thriller

Tell Me Lies
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Nach einem Vertrauensbruch suchen Hannah und Sam nach der Möglichkeit eines gemeinsamen Neuanfangs und verbringen zusammen mit ihrer kleinen Tochter eine Woche im abgeschiedenen Owl Cottage in Cornwall.
Der ...

Nach einem Vertrauensbruch suchen Hannah und Sam nach der Möglichkeit eines gemeinsamen Neuanfangs und verbringen zusammen mit ihrer kleinen Tochter eine Woche im abgeschiedenen Owl Cottage in Cornwall.
Der spannende Prolog macht sehr neugierig und wirft viele Fragen auf. Schnell wird klar, dass die Protagonistin unter großem psychischem Stress steht. Die Erzählung aus ihrer Ehe und vom traumatischen Erlebnis in der Kindheit mit den häufigen Wiederholungen und oft nur Andeutungen weist auch Längen auf, aber in der zweiten Hälfte wird die Geschichte spannender und hat mich mit der Auflösung überrascht, die gern etwas detaillierter ausgearbeitet hätte sein können.
Teresa Driscolls Schreibstil ist packend, besonders die Figur der Protagonistin ist gut gezeichnet, kapitelweise unterschiedliche Erzählperspektiven und Zeitebenen lassen allmählich ein Gesamtbild der Familiensituation entstehen. Sympathisch war mir keiner der Charaktere, dennoch habe ich die atmosphärisch düstere Geschichte gern gelesen.

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Veröffentlicht am 10.07.2024

Von schwierigen Themen mit Humor und Feingefühl erzählt

Der Bademeister ohne Himmel
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Das Cover sieht nach unbeschwertem Freibadvergnügen aus und tatsächlich war der Protagonist Hubert jahrzehntelang Bademeister, aber nun ist er 86 Jahre alt und dement. An drei Nachmittagen in der Woche ...

Das Cover sieht nach unbeschwertem Freibadvergnügen aus und tatsächlich war der Protagonist Hubert jahrzehntelang Bademeister, aber nun ist er 86 Jahre alt und dement. An drei Nachmittagen in der Woche kümmert sich die 15jährige Linda um ihn, um die polnische Pflegerin Ewa zu entlasten.
Linda denkt oft darüber nach, vor ein Auto zu laufen, aber ihr Freund Kevin und Hubert halten sie bisher davon ab. Sie vergleicht ihre Situation mit Huberts, beide hängen in der Luft, sind überfordert und die Zukunft ist ungewiss. Sie ist Hubert gegenüber unverkrampft und sehr empathisch, ist selbst jedoch einsam, unverstanden und allein gelassen, besonders von ihrer Mutter.
Linda erzählt durchaus unterhaltsam von der Beschäftigung mit Hubert, ihren einfallsreichen Bemühungen und seinen (auch ausbleibenden) Reaktionen, von der sehr zugewandten Ewa, von ihrer Mutter und von Kevin, der permanent daran zu verzweifeln droht, dass die Menschheit an dem Ast sägt, auf dem sie sitzt. Sie lässt an ihren Gedanken teilhaben und ich fühlte mich ihr schnell nah.

Petra Pellinis Schreibstil ist trotz der ernsten Themen Demenz und Depressionen oft humorvoll. Bildhaft, realitätsnah und einfühlsam beschreibt sie den dementen Hubert, man merkt der Autorin ihre Erfahrung in der Pflege demenzkranker Menschen an. Die Figurenzeichnung der Pflegekraft Ewa ist komplex, glaubhaft und authentisch und auch die Herausforderungen, mit denen sich Angehörige konfrontiert sehen, kommen zur Sprache. Lindas Zweifel und Unsicherheit sind in den ersten Zweidritteln der Geschichte gut dargestellt, später empfinde ich ihre Gedanken als zu erwachsen, nicht mehr ihrem Alter entsprechend. Dennoch hat mir das Buch gut gefallen, 'Der Bademeister ohne Himmel' hat mich berührt, unterhalten und nachdenklich gemacht. Ich kann das Buch ohne Einschränkung empfehlen, denn jeder kann irgendwann auf Hilfe angewiesen sein und sich glücklich schätzen, wenn dann Menschen wie Linda und Ewa da sind.

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