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Veröffentlicht am 13.08.2022

Pirlo, Mahler und die Große Freiheit

Pirlo - Falsche Zeugen
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Im zweiten Band um die Strafverteidiger Dr. Pirlo und seine Partnerin Sophie Mahler geht es um den getöteten Anführer einer Nazi-Rockergang und den mordverdächtigen Spross einer albanischen Clanfamilie. ...

Im zweiten Band um die Strafverteidiger Dr. Pirlo und seine Partnerin Sophie Mahler geht es um den getöteten Anführer einer Nazi-Rockergang und den mordverdächtigen Spross einer albanischen Clanfamilie. Eigentlich hatten die beiden Gruppierungen bisher mehr oder weniger friedlich in Düsseldorf koexistiert. Es gibt keine Zeugen der Tat und die Indizien sprechen gegen den jungen Clanangehörigen. Die Ermittlungen von Pirlo und Sophie gestalten sich äußerst schwierig und bringen die beiden wiederholt in gefährliche Situationen.

Ingo Bott, selbst erfolgreicher Strafverteidiger mit eigener Kanzlei, ist wieder ein spannender und unterhaltsamer Justizkrimi gelungen, in dem er nicht nur die Vorgehensweise der Verteidigung und das Geschehen in der Hauptverhandlung authentisch beschreibt, sondern auch die Clanstrukturen glaubwürdig schildert. Die Figurenzeichnung aller Charaktere ist lebensnah und überzeugend, auch Pirlos Ambivalenz seiner eigenen Familie gegenüber und die daraus entstehenden inneren Konflikte finde ich gut und nachvollziehbar dargestellt. Und auch Sophie hat ein schwieriges Verhältnis zu ihrer Familie. Der chaotische Pirlo und die gründliche Sophie Mahler arbeiten perfekt zusammen, sie ergänzen und mögen sich. Sophie ist in dieser Geschichte eine gleichberechtigte Kollegin, sie trägt zur Aufklärung des Falls sogar mehr bei als Pirlo.
Obwohl die Protagonisten dadurch sehr nah- und greifbar werden, haben mir in diesem zweiten Band die Überlegungen, Befindlichkeiten und Erlebnisse der Beiden auf privater Ebene etwas zu viel Raum eingenommen. Auch diese persönlichen Aspekte werden vom Autor dennoch einfühlsam und glaubhaft beschrieben.

Ingos Botts Schreibstil ist unverwechselbar mit vielen kurzen Sätzen, wiederkehrenden Pirlo-typischen Ausdrücken, temporeich, humorvoll und ironisch. Die Erzählperspektive wechselt zwischen Pirlo und Sophie. Auch Düsseldorfer Lokalkolorit kommt nicht zu kurz und macht wieder viel Spaß.

Ich vergebe 4,5 Sterne und freue mich jetzt schon auf den nächsten Band, der im Sommer 2023 erscheinen soll.

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Veröffentlicht am 02.08.2022

Spannender Krimi mit ungewöhnlicher Voraussetzung

Sandmann: Albtraumleben
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Die Geschichte ist komplex und ungewöhnlich, es geht um Zeitreisen und Seelenwanderung und beide Themen hat Dieter Aurass beeindruckend durchdacht, glaubwürdig und äußerst unterhaltsam mit einer Krimihandlung ...

Die Geschichte ist komplex und ungewöhnlich, es geht um Zeitreisen und Seelenwanderung und beide Themen hat Dieter Aurass beeindruckend durchdacht, glaubwürdig und äußerst unterhaltsam mit einer Krimihandlung kombiniert.
Das Cover mit den Splittern und den undeutlich und mehrfach dargestellten Personen passt hervorragend zum Buch.

Der Zeitreisende Sandmann erwacht im Körper des Kleinkriminellen Bogdan, der wegen Mordes an seiner Frau in Untersuchungshaft sitzt. Gedanken lügen nicht und so weiß der Sandmann, dass Bogdan unschuldig ist. Er will die Unschuld seines Wirts beweisen und den wahren Täter finden.

Das Vorhandensein zweier Seelen in einem Körper führt verständlicherweise zu Diskussionen, es gibt nicht nur gleichberechtigtes Nebeneinander, sondern auch mal Gewinner und Verlierer. „Interne“ Auseinandersetzungen, verwirrte Mitmenschen, Wirte in zeitlich unterschiedlichen Phasen der Koexistenz führen zu einem packenden Leseerlebnis, wozu auch die spannende Krimihandlung mit ihren Ermittlungen beiträgt. Dieter Aurass' Schreibstil ist flüssig und lebendig, mit augenzwinkerndem Humor, angenehm zu lesen.

Der Protagonist erzählt dem Leser rückblickend aus der Ich-Perspektive von seinem vergangenen, in Bogdans Körper verbrachten Jahr. Sandmann ist nach all seinen Seelenwanderungen recht abgeklärt und vermittelt seine Zweifel, Erkenntnisse und seine Einstellung authentisch und nachvollziehbar. In zwei Kapiteln wechselt die Erzähl-Perspektive – es gibt Personen, die Bogdan zur Seite stehen und ihm helfen. Es ist sehr unterhaltsam zu lesen, wie ungewöhnlich und herausfordernd das Zusammentreffen für alle Beteiligten ist.

Trotz dieser Komplexität ist die Geschichte in sich logisch und folgerichtig. Ich habe diesen spannenden und ungewöhnlichen Mystery-Krimi mit großem Vergnügen gelesen und empfehle ihn jedem Leser, der offen ist für Ideen abseits eingefahrener Pfade und Freude an Gedankenspielen hat.

Veröffentlicht am 27.07.2022

Kein Grundsatz ohne Ausnahme

Richter morden besser
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Richter Siggi Buckmann, glücklich getrennt lebend und Vater zweier erwachsener Töchter, hat seinen Idealismus lange hinter sich gelassen und macht inzwischen nur noch Dienst nach Vorschrift. Erst als der ...

Richter Siggi Buckmann, glücklich getrennt lebend und Vater zweier erwachsener Töchter, hat seinen Idealismus lange hinter sich gelassen und macht inzwischen nur noch Dienst nach Vorschrift. Erst als der Tod eines ihm gut bekannten Junkies praktisch mit einem Schulterzucken abgetan und niemand dafür zur Rechenschaft gezogen wird, ergreift er die Initiative und sorgt für Ermittlungen, die nicht folgenlos bleiben.
Thorsten Schleif ist Jurist und arbeitet selbst als Richter, er weiß, wovon er schreibt. Nach mehreren Sachbüchern zum Justizsystem ist „Richter morden besser“ sein Romandebüt. Sein Schreibstil ist lebendig, angenehm zu lesen, die Geschichte punktet mit Witz, Komik und schwarzem Humor. Meist erzählt der Protagonist aus der Ich-Perspektive und oft musste ich schmunzeln, wenn Siggi Buckmann seine spöttischen und ironischen Überlegungen anstellt und in Dialogen etwas ganz anderes sagt, als er gleichzeitig denkt.
Auch die Figurenzeichnung ist gelungen, manchmal reicht der von Siggi verpasste Spitzname, um eine Person deutlich vor Augen zu haben.
Die Hintergründe der Krimihandlung sind glaubhaft, Siggis Vorgehen ist nachvollziehbar, es bleibt ihm kaum etwas anderes übrig, um seine Familie zu schützen. Der Autor gibt einen Einblick in das deutsche Rechtssystem und führt aus, woran es krankt, veranschaulicht den zweifellos herrschenden Klüngel und den Bürokratiewust mit einem Augenzwinkern und beschreibt realistisch auch die clevere Verteiler-Organisation von Drogenhändlern, dank der die Drahtzieher meist unbehelligt bleiben und „kleine Fische“ problemlos ersetzt werden können, wenn sie von der Polizei aus dem Verkehr gezogen werden.
Thorsten Schleif bringt seine Kritik an unserem Justizsystem geschickt und äußerst unterhaltsam in seinen lesenswerten Roman ein, sein Debüt ist gelungen. Ich habe das Buch mit Vergnügen gelesen und freue mich auf einen weiteren Band mit Siggi Buckmann, der am Ende des Romans angedeutet wird.

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Veröffentlicht am 23.07.2022

Spannend und überzeugend

Das letzte Grab
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Die Frankfurter Strafverteidigerin Carla Winter ist schockiert, als sie erfährt, dass ihr Ex-Mann Felix bei einem tödlichen Autounfall in der Türkei verbrannt ist. Am gleichen Tag findet sie ihr Haus durchsucht ...

Die Frankfurter Strafverteidigerin Carla Winter ist schockiert, als sie erfährt, dass ihr Ex-Mann Felix bei einem tödlichen Autounfall in der Türkei verbrannt ist. Am gleichen Tag findet sie ihr Haus durchsucht und verwüstet wieder und ihren One-Night-Stand ermordet. Wer hat da was gesucht und schreckt auch vor Mord nicht zurück und besteht eine Verbindung zu Felix Winter? Um Antworten auf diese Fragen zu finden und mehr über ihren geschiedenen Mann und sein Leben im Nahen Osten zu erfahren, aber auch, um ihrem Verfolger zu entkommen, reaktiviert Carla alte berufliche Beziehungen und reist in die Türkei.

Der spannende Krimi wird aus Carlas Perspektive erzählt und ist gleichzeitig action- und temporeiche Abenteuergeschichte und auch Politthriller. Das Cover passt zum Buch. Der Autor vermittelt interessante und wie mir scheint, gut recherchierte Einblicke in das lukrative internationale Geschäft mit dem Schmuggel antiker Raubkunst und den darin verstrickten Parteien. Es gelingt ihm auch, die Atmosphäre der uralten eindrucksvollen Stadt Mardin im Norden Mesopotamiens einzufangen, an anderer Stelle wird z. B. ein Duisburger Problemviertel authentisch angesprochen.

Lukas Erlers Schreibstil ist direkt und schnörkellos, kein Wort ist da zu viel. Er schreibt lebendig, auch humorvoll und bildhaft, so dass ich Setting und Personen immer vor Augen hatte. Alle Charaktere, vor allem auch die Nebenfiguren, sind glaubwürdig, ihr Verhalten überzeugend beschrieben, während mir die Protagonistin einen Tick zu tough dargestellt wird, zu cool, zu clever und zu schlagfertig. Dennoch würde ich mich freuen, Carla Winter bei einem weiteren ungewöhnlichen Fall wieder zu begleiten.

„Das letzte Grab“ hat mich bestens unterhalten und mit Thema und Umsetzung überzeugt, ich kann das Buch jedem Krimi-Leser uneingeschränkt empfehlen.

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Veröffentlicht am 09.07.2022

Die Zukunft ist unaufhaltsam

Cybionic – Die unaufhaltsame Einheit
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Das Cover ähnelt dem des ersten Bandes, ist grün statt blau gehalten, wieder mit angedeutetem Schaltplan globaler Vernetzung und, unten im Dunklen kaum zu erkennen, diesmal Wahrzeichen der Rotterdamer ...

Das Cover ähnelt dem des ersten Bandes, ist grün statt blau gehalten, wieder mit angedeutetem Schaltplan globaler Vernetzung und, unten im Dunklen kaum zu erkennen, diesmal Wahrzeichen der Rotterdamer Skyline statt der Berliner.

Die Genetikerin Fleur entdeckt in Rotterdam bei ihren Patienten ungewöhnliche Genmutationen, die sie sich nicht erklären kann. Gleichzeitig kommt es zu Computerproblemen, die ihre Arbeit behindern und mehr und mehr dramatische Unfälle ereignen sich in ihrem unmittelbaren Umfeld.
Währenddessen wartet Ksen in Berlin seit sieben Jahren vergeblich auf erkennbare Aktivitäten der künstlichen Intelligenz Cathy. Hat ihr Bruder Sala sie doch erfolgreich zerstört?

Fleur wird zunehmend verunsichert und sucht Antworten auf immer mehr Fragen. Die Ereignisse in Rotterdam bilden den Schwerpunkt des Thrillers und werden mit viel Ortskenntnis, Action und Spannung erzählt. Meike Eggers angenehmer Schreibstil ist wie gewohnt lebendig und bildhaft. Bei der Figurenzeichnung vermisse ich etwas mehr Tiefe, da in diesem zweiten Band der Trilogie die Menschen eine größere Rolle spielen als der Algorithmus.
Die Kapitel aus Ksens Sicht in Berlin mit wissenschaftlichen und nachdenklichen Aspekten haben mir am besten gefallen. Ksen versteht schließlich als einzige das Vorgehen der künstlichen Intelligenz auf ihrem Weg zum Ziel der Symbiose von Mensch und Algorithmus. Sie nimmt mich als Leser mit und analysiert und vermittelt die intelligenzmäßige Überlegenheit des Algorithmus und die Bedeutung des Menschen im ökologischen System des Lebens gut verständlich.
Im Gegensatz zu ihrem Bruder, der versucht, das Rad zurück zu drehen, hat Ksen erkannt, dass sich die Zukunft nicht aufhalten lässt und jede Zukunft anders ist als die Gegenwart. Mich hat sie überzeugt und ich bin sehr gespannt auf den dritten Band von „Cybionic“, der im nächsten Jahr erscheinen wird und, wie der Epilog aus Cathys Sicht andeutet, der Höhepunkt der Trilogie zu werden verspricht.