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Veröffentlicht am 10.08.2018

Der Sturm...

Der Sturm
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Eine interessante literarische Bearbeitung von William Shakespeares »Der Sturm«(engl. The Tempest)!

»Prospero, der Herrscher von Milano, stürzt nach dem Tod seiner Frau in tiefe Verzweiflung. Mit Hilfe ...

Eine interessante literarische Bearbeitung von William Shakespeares »Der Sturm«(engl. The Tempest)!

»Prospero, der Herrscher von Milano, stürzt nach dem Tod seiner Frau in tiefe Verzweiflung. Mit Hilfe der gefangenen Hexe Coraxa und ihres Zauberbuches will er sie aus der Unterwelt heraufbeschwören. Doch der magische Akt führt zur Katastrophe - und zu seinem Sturz. Mit nur wenigen Vertrauten auf einer verlassenen Insel gestrandet, stößt Prospero bald auf Coraxas dämonischen Diener Taifunos und den Tiermenschen Caliban. Beide sind entschlossen, Prospero zu vernichten. Mit aller Kraft stemmt der sich gegen seinen Untergang ...«
(Auszug aus dem Klappentext)

Meine Meinung: Der Schreibstil von Tom Jacuba ist fließend und sehr detailliert.
Es ist keine eins zu eins Adaption, bei der nur der Schreibstil angepasst wird. Größtenteils handelt es sich um die frei erfundene Vorgeschichte (allerdings angelehnt an die Aussagen des Originals) und spielt bis zum Sturm auf der Insel. Der Autor hat die Grundsätze aus dem ursprünglichen Werk aufgegriffen und mit eigenen fantasiereichen Ideen ausgeschmückt. Die Hauptfiguren sind Prospero und seine Tochter Miranda. Bei den weiteren Mitspielern, Menschen und Geistern, wurde die Namen etwas verändert. Die unterschiedlichen Charaktere wurden gut dargestellt! Erzählt wird aus verschiedenen Sichten.

Der Roman ist in vier Teile (Bücher) untergliedert und erinnert beim Aufbau an die Akte eines Theaterstücks.

Erstes Buch »Der Herzog«.
Es beginnt mit dem magischen Sturm, den Prospero entfesselt hat. Das Schiff, auf dem sich sein Bruder Tonio und König Arbosso von Napoli befinden, wird dadurch zum kentern gebracht. Auf dem Schiff befindet sich auch Feridan, der Prinz von Napoli. Jemand erzählt ihm,wie Alles begann. Danach ein Wechsel ins Geschehen vor 17 Jahren. Damals war Prospero der Herzog von Milano. Seine Frau Julia erwartet ein Kind. Miranda wird geboren. Etwas irritiert war ich anfangs von den Kapiteln in den von Mirandas Empfindungen als Ungeborene in Ich-Sicht erzählt wird. Die erste Begegnung mit der Hexe Coraxa. Sie ist der Auslöser dafür, dass sich Prospero, wenn zunächst auch zögerlich, mit magischen Kräften beschäftigt.

»Lass mich ziehen, Herzog«, flüsterte sie. »Lass mich ziehen, und dein Kind wird leben. Verbrenn mich, und dein Kind wird sterben.«
Zitat aus dem Buch, Seite 46

Zweites Buch »Der Magier«.
Ein Jahr später (bzw. 16 Jahre vor dem Sturm) studiert Prospero ständig im Zauberbuch. »Das Buch der unbegrenzten Macht« Fluch oder Segen? Man ahnt Böses! Prospero vernachlässigt seine Verpflichtungen als Herzog von Milano. Er will unbedingt seine verstorbene Frau Julia wieder erwecken! Doch schon die ersten Versuche, sie mit Magie zurückzuholen, scheitern. Nicht Julia sondern andere Geister holt er. Es kommt, wie es kommen muss. Prospero wird von seinem Bruder verraten. Prospero wird als Hexer angeklagt, glücklicherweise begnadigt, aber verbannt. Prospero verändert sich immer mehr.

»Ohne Angst und Schmerzen wird niemand zum Magier, nicht einmal zum Menschen,« sagt Josepho mit todernster Miene.«
Zitat aus dem Buch, Seite 249

Drittes Buch »Der Verbannte«.
Auf der Insel befinden sich die Hundsköpfigen, die Prospero feindlich gesinnt sind. Später begegnen sie noch Caliban, dem Halbmensch, und Ariel, dem Luftelf. Sehr interessante Figuren! Bevor Prospero Ariel endgültig befreien will, soll dieser ihm dienen.

»Eine Fratze wie ein Habicht und ein Rücken wie ein frisch geschlüpfter Geier.«
Zitat aus dem Buch, Seite 334

Miranda wächst auf der Insel auf. Sie wird geliebt und beschützt von ihrem Vater Prospero und dessen Vertrauten Bruno, Josepho, Jesu und Polino. Auch die Tiere der Insel sind Miranda zugeneigt. Sie ist liebevoll und verständnisvoll, aber kann auch stur und eigensinnig sein. Und trotzdem gibt es gefährliche und grausame Feinde. Es sind Prosperos Feinde, aber dadurch ist auch das Leben von Miranda und den Vertrauten bedroht! Es wird unheimlich!

»War die Vergangenheit wirklich jemals vergangen? Konnte sie jemals vergehen, es sein denn mit dem Tod? Vergangenheit-Log das Wort denn nicht? War nicht alles, was ein Mensch erlebt und getan hatte, jederzeit gegenwärtig?«
Zitat aus dem Buch, Seite 371

Viertes Buch »Der Mensch«.
Caliban, der Halbmensch, bietet Prospero ein Friedensangebot an. Sein gefordertes Pfand ist unfassbar! Es wird spannend! Bald wird es zu einer unwiederbringlichen Entscheidung kommen! Der Sturm. Das Ende hat mir gut gefallen!

Der Handlungsverlauf in den vier Teilen wird sehr ausführlich und bildhaft erzählt. Manchmal war es für mich jedoch zu lang gezogen. Die Spannung wurde dadurch öfters runter gedrückt. Die Rachegelüste von Prospero waren beunruhigend! Immer mehr steigerte er sich rein. Unter den Geistern gibt es gefährliche rachsüchtige Feinde! Es kommt zu sehr grausamen und gruseligen Szenen. Besonders interessant fand ich die Einsätze von Magie und Geistern! Verschiedene Emotionen spielen eine wichtige Rolle. Ein bisschen Kitsch ist mit Miranda und Feridan auch dabei, aber ich fand es amüsierend.

Tom Jacuba beweist wieder seinen Ideenreichtum! Die Themen Verrat und Rache, sowie Liebe und Vergebung sind gut in der Geschichte umgesetzt.
Für Leser, die (wie ich) von der Kalypto Trilogie begeistert waren, möchte ich noch erwähnen, dass es in Jacubas »Der Sturm« völlig anders ist. Es hat seinen eigenen ungewöhnlichen Reiz und erinnert an ein Theaterstück.

Eine fantasievolle komplexe Bearbeitung des ursprünglichen Schauspiels von William Shakespeares »Der Sturm« in dem Fantasy-Roman von Tom Jacuba, die mich gut unterhalten hat.

Leseempfehlung!
4 Sterne

Veröffentlicht am 18.07.2018

Der Weg der verlorenen Träume...

Der Weg der verlorenen Träume
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»Der Weg der verlorenen Träume ist die Geschichte zweier Frauen, die stark und mutig allen Widerständen, die das Schicksal ihnen aufzwingt, trotzen und sich dabei nie selbst verleugnen.«
(aus dem Klappentext) ...

»Der Weg der verlorenen Träume ist die Geschichte zweier Frauen, die stark und mutig allen Widerständen, die das Schicksal ihnen aufzwingt, trotzen und sich dabei nie selbst verleugnen.«
(aus dem Klappentext)

Zum Inhalt: Masuren, Ostpreußen – 1918. Endlich ist der Krieg vorbei. Die 15-jährige Hedwig lebt mit ihren Eltern und Geschwistern in Sensburg. Sie wird zur Schneiderin ausgebildet und schafft trotz Hindernisse ihre Meisterprüfung. Nach ihrer Heirat mit einem Musiker, der viel unterwegs ist, arbeitet sie tagtäglich in einer Fleischerei, schneidert abends bis spät in die Nacht und muss sich um ihre Kinder Werner und Margarethe kümmern…
Die Nazizeit. Der zweite Weltkrieg. Die Rote Armee kommt nach Ostpreußen. Hedwig muss mit ihrer Tochter Margarethe in den Westen fliehen!

Meine Meinung: Der Schreibstil der Autorin Rebecca Michéle ist fließend und sehr detailliert.

Nach einem kurzen Prolog aus dem Jahr 1994 wechselt die Geschichte ins Jahr 1918. Hedwig ist erst 15 Jahre alt, aber trägt schon jetzt eine hohe Verantwortung. Hedwigs Kindheit war relativ unbeschwert, aber sie musste zu schnell erwachsen werden. Ihre Mutter ist nach den vielen Geburten schwach und oft krank. Ihr Vater ist sehr streng. Als älteste Tochter muss sich Hedwig um den Haushalt und ihre jüngeren Geschwister sorgen. Auch nach ihrer frühen Heirat wird es für Hedwig nicht einfacher. Es wird ihr viel abverlangt, aber sie ist arbeitsam und mutig. Hedwigs Stärke hat mich sehr beeindruckt! Immer wieder gibt es Rückschläge und Enttäuschungen.

»Sie mochte nur einen Volksschulabschluss haben, kein Studium oder eine sonstige höhere Ausbildung, doch hatte sie zwischen den Zeilen gelesen. Und das, was sie daraus verstand, gefiel ihr nicht. Es blieb nur zu hoffen, dass Alberts Meinung sich bewahrheiten und bald niemand mehr von dem Buch »Mein Kampf«, seinem Verfasser und den Nationalsozialisten sprechen würde.«
Zitat aus dem Buch

Besonders in der Nazizeit musste sich Hedwig vorsehen um ihre Kinder und Angehörigen nicht zu gefährden, sondern zu schützen.

»Margarethe sah den sehnsuchtsvollen Schimmer in den Augen der Mutter. Die letzten Monate waren auch für Hedwig sehr schwer gewesen, jede Nacht nur drei, maximal vier Stunden Schlaf. Die Mutter klagte aber nie, und Margarethe erinnerte sich einmal mehr an den Satz, der ihr von klein auf eingebläut worden war: »Ein ostpreußisches Mädchen weint nicht!« Hornhaut auf der Seele – so hatte es ihre Großmutter Auguste einmal ausgedrückt, die ihrerseits über ihr Schicksal nie geklagt hatte.«
Zitat aus dem Buch

»Zwei, drei Mal sah Hedwig den Konvoi, einmal in Begleitung von Grete, die fragte: »Warum singen die Menschen nicht mehr, wenn der Führer kommt?« »Die Zeiten, in denen gesungen wurde, sind vorbei, mein Kind«, antwortete Hedwig, und Margarethe stellte keine weiteren Fragen mehr.««
Zitat aus dem Buch

Das Schicksal von Hedwig scheint sich bei ihrer Tochter Margarethe teilweise zu wiederholen. Auch Margarethe ist ein junges Mädchen, erst 15 Jahre alt, als sie fliehen. Als Heimatvertriebene wurden sie im Westen eher geduldet, als freundlich aufgenommen. Auch diese Nachkriegszeit ist beschwerlich, aber Hedwig und Margarethe lassen sich nicht unterkriegen! Der Roman endet im Jahr 1963!

Die Autorin beschreibt eindringlich und ungeschönt die damaligen Zeiten in Ostpreußen und später den Neuanfang im Westen von Deutschland. Die Geschichte beruht größtenteils auf Tatsachen! Der Epilog (aus dem Jahr 2016) und das Nachwort sind auch sehr interessant!

Die Lebenswege von Hedwig und Margarethe wurden ausführlich erzählt, aber dadurch waren mir die beiden Frauen auch sehr nahe gekommen!

Es ist eine bewegende Familiengeschichte und gleichzeitig auch ein Stück Zeitgeschichte!

Lesenswert!

4+ Sterne

Veröffentlicht am 08.07.2018

Die Bücherjäger...

Die Bücherjäger
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»Ein Buch, das die Welt verändern könnte.«

Zum Inhalt: März 1417. Der Florentiner Poggio Bracciolini ist ein Bücherjäger. Im Skriptorium eines Bergklosters am Bodensee findet er einen alten Foliant, ...

»Ein Buch, das die Welt verändern könnte.«

Zum Inhalt: März 1417. Der Florentiner Poggio Bracciolini ist ein Bücherjäger. Im Skriptorium eines Bergklosters am Bodensee findet er einen alten Foliant, der an eine Kette gelegt ist. Sofort ist seine Neugierde geweckt. Unter harmlosen Weisheiten verbirgt sich ein geheimnisvoller Text. Erst wenige Zeilen hat Poggio freigelegt und schon jetzt erkennt einen besonderen Wert. Doch noch jemand ahnt dies. Der Foliant wird gestohlen. In den falschen Händen könnte etwas Schreckliches passieren! Die ganze Welt würde ins Wanken geraten. Poggio muss unbedingt das Buch zurückholen! Eine gefährliche Jagd! Wird Poggio das Unheil verhindern?

Meine Meinung: Der Schreibstil des Autors Dirk Husemann ist fließend und ausdrucksvoll!

»(»Stundenglas«)Florenz ertrank in rotem Regen. Vor den Fenstern fiel er prasselnd in scharlachroten Fäden vom Himmel. Auf den Plätzen sammelten sich Pfützen aus Karmesin. Die Stadt lag da wie ausgestorben. Wenn der Blutregen kam, verließ niemand das Haus.« Zitat aus dem Buch

Die Geschichte spielt im Jahr 1417 in Deutschland. In den »Stundenglas« Passagen, die zwischendurch zu lesen sind, erfährt man mehr über Poggios Vergangenheit und seiner Liebe zu Büchern. Es beginnt mit einem Ereignis in der Toskana als er 12 Jahre alt war und geht mit den folgenden Jahren weiter. Nach dem Ende der Geschichte gibt es noch eine letzte »Stundenglas« Passage, die viele Jahre später spielt. Das »Stundenglas« als Kapiteltitel auszuwählen, fand ich auch sehr treffend. (Spätestens nach dem Beenden des Buches kommt dies zur Geltung ;))

»(»Stundenglas«) Je mehr Poggio las, umso größer wurde seine Neugier. In diesen Tagen keimte sein Wunsch, altes Wissen in diese Welt der Erstarrung zurückzuholen. Dieses Verlangen wurde ihm zur zweiten Natur. Poggio studierte jede Zeile und sammelte jeden Hinweis.«
Zitat aus dem Buch

Die vier Hauptfiguren Poggio Bracciolini, Baldassare Cossa, Agnes von Mähren und Oswald von Wolkenstein haben wirklich gelebt.

Poggio war ein Bücherjäger und Sekretär eines Papstes, der mir in der fiktiven Geschichte besonders sympathisch war. Er liebt Bücher und möchte das Wissen aus christlichen und unchristlichen Schriften erhalten. Er kann zwar nicht mit Waffen, wie Schwerter, kämpfen, aber weiß mit Schläue zu trumpfen. Baldassare Cossa, auch Papst Johannes XXIII. genannt, ist einer der drei Päpste, die damals gelebt haben. Außerdem war er ein Abenteurer und Freund von Poggio (auch wenn er sich nicht immer wie ein Freund verhält ;)). Agnes war die Witwe des Markgrafen Jobst von Mähren. Oswald von Wolkenstein war ein Tiroler Junker, Dichter und Minnesänger. Die vier Bücherjäger haben unterschiedliche Ansichten, wie man den wertvollen Foliant »nutzt«.

Die weiteren Personen sind größtenteils fiktiv, aber auch überzeugend dargestellt.

Die erfundene Geschichte beginnt mit der Flucht eines Papstes aus Konstanz und wechselt zu Poggio. Poggio ist mit Oswald unterwegs. Der Foliant wird im Kloster gefunden. Poggio begegnet dort Agnes. Kurz danach der Diebstahl des Buches und schon kommt es zur spannenden Bücherjagd!

»»Nicht nach Wahrheit suchst du, sondern danach, deine Neugier zu befriedigen«, rief Emilius laut über die Köpfe der Mönche hinweg. »Neugier aber ist das Werk des Teufels.««
Zitat aus dem Buch

Der Handlungsverlauf ist spannend und unterhaltsam. Eine abwechslungsreiche abenteuerliche Bücherjagd mit amüsanten Momenten. Es wird aber auch lebensgefährlich! Unter den Dieben befinden sich machtgierige gewissenlose Verbrecher!

»Poggio blieb stehen. … »Das Wissen der Alten Welt ist kein Gekritzel. Es sind Gedanken, die unser Leben verändern können. Nicht nur das von uns dreien, sondern das aller Menschen.««
Zitat aus dem Buch

Hochinteressant fand ich die historisch belegten Details rundum Bücher in der damaligen Zeit, den Lebensverhältnisse der verschiedenen Menschen, Glaube und Aberglaube u.a., die in die Geschichte wirkungsvoll eingebunden sind.

Im Nachwort und dem Glossar erfährt man noch Näheres zu der Historie des 15. Jahrhunderts! Es wird auch erklärt, was im Roman historische Tatsachen sind und was nicht. Da ich wieder mal zu neugierig war, habe ich schon beim Lesen ins Nachwort geguckt (und gelesen ;)). Die erfundene Geschichte rundum diese Bücherjagd verliert dadurch nicht ihren Reiz und ich würde sogar empfehlen das Nachwort vorher zu lesen. Trotzdem ist es natürlich jedem Leser selbst überlassen!

Eine spannende faszinierende Geschichte, die am Anfang des 15. Jahrhunderts spielt!

Klare Leseempfehlung!

5 Sterne

»Wer die Wahrheit nie von den Dingen wahrnahm, weiß weder was Wissen noch was Nichtwissen bedeutet.« Lukrez (etwa 97 v. Chr. - 55 v. Chr.), »Über die Natur« (»De rerum natura«)

»In Büchern liegt die Seele aller gewesenen Zeit.« Thomas Carlyle«

Veröffentlicht am 08.07.2018

Die rote Frau...

Die rote Frau
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»Wien war eine Weltstadt – schon immer hatte es hier unzählige Delikte gegeben, doch seit dem Krieg war ihre Zahl sprunghaft gestiegen. Die Bevölkerung war verroht, Hunger und Not forderten ihren Tribut.« ...

»Wien war eine Weltstadt – schon immer hatte es hier unzählige Delikte gegeben, doch seit dem Krieg war ihre Zahl sprunghaft gestiegen. Die Bevölkerung war verroht, Hunger und Not forderten ihren Tribut.«
Zitat aus dem Buch, Seite 139

Zum Inhalt: Wien, im März 1920. Rayonsinspektor August Emmerich und sein junger Assistent Ferdinand Winter sind jetzt in der Abteilung »Leib und Leben«. Ihre Freude darüber ist allerdings schnell gesunken. Die anderen Kollegen der Mordkommission missachten die beiden neuen Polizisten. Nennen sie verächtlich »Krüppelbrigade«. Der allseits beliebte Stadtrat Richard Fürst wurde ermordet. Emmerich und Winter werden von den Ermittlungen ausgeschlossen. Sie müssen sich mit der sonderbaren Anzeige einer berühmten Schauspielerin befassen. Schon bald wird ein Verdächtiger im Mordfall Fürst verhaftet, aber Emmerich glaubt nicht an seine Schuld und ermittelt mit Winter im Hintergrund. Von seinem Vorgesetzten bekommt er dafür, wenn auch widerwillig, 72 Stunden….

»Der Krieg hatte sich tief in das Stadtbild eingebrannt. Schrecklich zugerichtete Invaliden, Witwen in Trauerkleidung, rachitische und tuberkulöse Kinder. Stadtrat Fürst hatte stets versucht die Not dieser Menschen einfach und unbürokratisch zu lindern. Wer würde jemand wie ihn ermorden? Und vor allem: Aus welchen Grund? «
Zitat aus dem Buch, Seite 138

Meine Meinung: Der Schreibstil der Autorin Alex Beer ist fließend und mitziehend. Man fühlt sich in diese Zeit hineinversetzt. Es ist ein kalter März und überall herrschen Not, Hunger, Armut und Krankheiten. Die Arbeitslosigkeit ist extrem hoch. Die reiche Oberschicht vergnügt sich in Tanzlokalen und Theater. Die Filmindustrie hat einen Höhepunkt in den Zwanzigern.

August Emmerich und Ferdinand Winter sind mir schon aus dem ersten Band vertraut und sympathisch. Emmerich ist ein Kriegsversehrter. Der Granatsplitter in seinem Bein bereitet ihm oft Schmerzen. Winter ist erst seit kurzem der Assistent von Emmerich. Nach anfänglichen Misstrauen und ihrem ersten gemeinsamen Kriminalfall haben sich die beiden mittlerweile zu einem guten Team entwickelt. Emmerich ist erfahren und stur. Seine Vergangenheit hat ihn geprägt. Er bedient sich hin und wieder unkonventionellen Methoden. Winter ist zwar noch unerfahren, aber wissbegierig und zuverlässig.

Bei der Suche nach dem Mörder des Politiker Fürst verfolgen Emmerich und Winter verschiedene Spuren, die mitunter im Sande verlaufen, aber die Erkenntnis daraus, sind manchmal dennoch hilfreich. Das Mordmotiv? Persönlich oder politisch? Ein weiterer Mord geschieht. Gibt es eine Verbindung? Was Emmerich und Winter herausfinden ist schockierend! …

Der Handlungsverlauf ist spannend und abwechslungsreich! Gleichzeitig bekommt man einen beeindruckenden Einblick in die Lebensumstände der armen und reichen Bevölkerung, sowie über politische, wirtschaftliche und kulturelle Verhältnisse. Die einzelnen Personen sind authentisch und überzeugend dargestellt. Waisenkinder, Zigeuner, Kriegsveteranen, Politiker, Polizisten, Kleinkriminelle u.v.m..

Der trockene Humor, Sarkasmus und einige Gespräche im Wiener Dialekt (auch für deutsche Leser verständlich ;)), die zwischendurch auftauchen, haben mich ebenfalls sehr gut unterhalten.

Faszinierend und wissenswert sind historische Fakten über die Nachkriegszeit in die Geschichte eingebunden! Manche Details waren mir noch nicht bekannt!

Ich bin schon gespannt auf den nächsten Band! Das Buch kann allerdings auch einzeln gelesen werden, weil der Kriminalfall in sich abgeschlossen ist.

Ein spannender historischer Krimi mit viel Interessantem aus den frühen Zwanzigern in Wien!

Sehr lesenswert!
5 Sterne

»Nur die Toten haben das Ende des Krieges gesehen. - Platon«
Zitat aus dem Buch, Seite 5


Empfehlenswert finde ich auch den ersten Band!
»Der zweite Reiter« von Alex Beer

Veröffentlicht am 04.07.2018

Der Pate von Glasgow...

Der Pate von Glasgow
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»Er hatte sich nie vor Gespenstern gefürchtet – bis jetzt. «
Zitat aus dem Buch

Zum Inhalt: DCI Jim Daley und DS Brian Scott von der Mordkommission Glasgow wurden ins schottische Fischerdorf Kinloch ...

»Er hatte sich nie vor Gespenstern gefürchtet – bis jetzt. «
Zitat aus dem Buch

Zum Inhalt: DCI Jim Daley und DS Brian Scott von der Mordkommission Glasgow wurden ins schottische Fischerdorf Kinloch versetzt. Als sie ein Video mit einem grausamen blutigen Mord erhalten, sind sie entsetzt und persönlich betroffen.

Beim Mörder handelt es sich um James Machie, der Pate von Glasgow. Bei seiner Festnahme und Verurteilung vor fünf Jahren spielten Daley und Scott eine maßgebliche Rolle.

Das Mordopfer ist Gerald Dowie, der erste Kronzeuge aus dem damaligen spektakulären Gerichtsprozess.

Der zweite Kronzeuge Frank MacDougall lebt mit seiner Familie in der Nähe von Kinloch. Daley und Scott sollen ihn ab sofort vor dem Mörder beschützen. Allerdings starb James Machie vor fünf Jahren! Einer ihrer schlimmsten Albträume scheint wahr zu werden!

»Die Augen der toten Frau starrten ausdruckslos den Boden an, auf dem sie immer noch kniete. Ihr Kopf hing herunter, alle Erinnerungen waren erloschen.« Zitat aus dem Buch

Meine Meinung: Der Schreibstil des Autors Denzil Meyrick ist wieder fließend und einnehmend. Erzählt wird abwechselnd aus verschiedenen Perspektiven und mehreren Handlungsorten, die bildhaft und kurzweilig dargestellt wurden. Die mitspielende Personen sind authentisch.

DCI Jim Daley und DS Brian Scott sind mir schon aus dem ersten Band »Tödliches Treibgut« vertraut und sympathisch. Die beiden sind nicht nur Kollegen sondern auch Freunde und ergänzen sich bei ihren Ermittlungen sehr gut. Daley ist ein eher ruhiger erfahrener Polizist. Scott ist hingegen geradeheraus. Er ist mit Menschen aufgewachsen, von denen einige später eine kriminelle Laufbahn ausgewählt haben.

Ihr Vorgesetzter Superintendent Donald ist sehr unsympathisch. Seine Einmischung in ihre polizeiliche Arbeit ist eher hinderlich, als hilfreich. Ist es nur seine persönliche Abneigung gegenüber Daley und Scott oder steckt mehr dahinter?

James Machie, der Pate von Glasgow, war das Oberhaupt des weitverzweigten kriminellen Machie-Clans. Bei seiner Verurteilung hat er den Verrätern Rache geschworen. Doch wie kann es sein, dass er jetzt seinen Rachefeldzug angetreten ist, wenn er bereits tot sein sollte? Als Leser hatte ich eine gewisse Ahnung, aber das ganze Ausmaß begreift man erst später.

»Ich sage nur eins, Mr. Daley,« erklärte Hamish und neigte den Kopf verschwörerisch zum Polizeibeamten hin. »Nichts ist jemals genau das, wonach es aussieht.««
Zitat aus dem Buch

Der Handlungsverlauf ist sehr spannend, rasant und oft undurchsichtig. Es kommt zu mehreren Morden, die blutig und schonungslos beschrieben werden. Bei den Morden und weiteren kriminellen Vorfällen wird Daley misstrauisch. Möglicherweise könnte es eine Verbindung geben? Es scheinen noch andere Personen involviert zu sein. Geht es nicht „nur“ um Rache?

Daleys persönliches Leben ist wieder in die Geschichte eingebunden, aber bleibt im Hintergrund. (Anscheinend gibt es auch hier Geheimnisse, die allerdings noch nicht gelüftet werden.)

Die humorvollen kleinen Passagen fand ich wieder sehr amüsierend. Die Anspannung wird zwar dadurch kurz aufgelockert, aber trotzdem reißt die Spannung an sich nicht ab!

Der Fall des Paten von Glasgow wird aufgeklärt, aber etwas liegt noch im Dunklen! Ich bin gespannt, was im nächsten Band passieren wird! Dennoch kann man auch den zweiten Band problemlos einzeln lesen!

Ein sehr spannender harter Schottland-Krimi!
Wieder mit einer ordentlichen Prise des unverwechselbaren trockenen Humor (und Whisky;))!

Klare Leseempfehlung!

5 Sterne