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Veröffentlicht am 10.10.2022

Trotzt offenes Ende, ein empfehlenswerter Roman.

Nebenan
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Eine namenlose Kleinstadt am Nord-Ostsee-Kanal... Hier ist Julia mit ihrem Biologe-Freund Chris vor kurzem aus Hamburg eingezogen. Julia ist Ende dreißig, Töpferin, stolze Besitzerin von einer alten Hündin ...

Eine namenlose Kleinstadt am Nord-Ostsee-Kanal... Hier ist Julia mit ihrem Biologe-Freund Chris vor kurzem aus Hamburg eingezogen. Julia ist Ende dreißig, Töpferin, stolze Besitzerin von einer alten Hündin und noch älteres Backsteinhauses. Sie hat sich in diesem „Sterbens bedrohten“ Stadt selbständig gemacht, betreibt einen Keramikladen, in dem sie eigene Kreationen verkaufen möchte, doch die meisten vermarktet sie eher übers Internet, wo sie sowieso fast den ganzen Tag unterwegs ist. Denn sie beschäftigt sich mit ihrem unerfüllten Kinderwunsch, liest viel Online-Berichte darüber, lässt sich von verschönerten Familienleben auf Instagram-Accounts suggerieren. Bis sie eines Tages einen Jungen begegnet und dabei bemerkt, dass die direkte Nachbarfamilie spurlos verschwunden ist...

Astrid, Anfang sechzig, Ärztin, Mutter von erwachsenen drei Kinder. Sie ist die Einheimische, kennt auch andere Zeiten von der Stadt, betreibt schon seit Jahrzehnten die einzige Hausarztpraxis des Örtchens. Ihr Mann Andreas war Geschichtslehrer, jetzt ist er Rentner und vertriebt die Zeit mit den politischen Nachrichten. Astrid, die gerade sich nicht mit Achtlosigkeit der Menschen beschäftigt, führt eigentlich ein ganz normales Leben, bis sie bei einer Nachtschicht vor einem Acker steht, das voll mit Privat-Briefen bedeckt war...

In diesem Roman passiert nicht viel, kann ich es sogar als Handlungsarm bezeichnen. Doch mit ihrer haargenauen Menschen Beobachtungen, realistischen Beschreibungen der Gedanken von den Charakteren, ihre präzise, klare Sprache und mit ihrem ruhigen Erzählton nimmt Bilkau einem sehr bildhaft auf ein norddeutsches Örtchen mit. Es ist ein ruhiger, dennoch kraftvoller und kluger Roman, welches ich gern gelesen hab. Allerdings muss ich eins erwähnen, und zwar: Das Buch hat ein extrem offenes Ende! Dies hat mich überhaupt nicht gestört, im Gegenteil! Ich war froh, dass ich mit meinen Gedanken allein gelassen wurde. Aber nun gibt es Menschen, die unbedingt wissen wollen, wie es zu Ende geht und meiner Meinung nach, ist dieses Buch für diese Leser*innen nicht geeignet. Denn ich kann mir ganz gut vorstellen, wie sehr man sich darüber ärgern kann. Ansonsten ist es ein gutes Buch, das ich weiterempfehlen kann.

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Veröffentlicht am 30.08.2022

Vielschichtig, interessant, kurzweilig, klug

Zukunftsmusik
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März 1985... Fernab von Moskau in einer namenlosen Stadt ertönt Chopins Trauermarsch aus den Radios. Ein Klassiker, welcher bei Beerdigungen gespielt wird, aber für die Einwohner der Stadt wie eine Vorwarnung ...

März 1985... Fernab von Moskau in einer namenlosen Stadt ertönt Chopins Trauermarsch aus den Radios. Ein Klassiker, welcher bei Beerdigungen gespielt wird, aber für die Einwohner der Stadt wie eine Vorwarnung klingt. „Ihr wisst, was bedeutet“, ruft Jankas Arbeitskollege, der gerade den Trauermarsch aus seinem Transistorradio gehört hat. Janka, Produktionsmitarbeiterin in einer Glühbirnenfabrik, Anfang zwanzig, alleinerziehende Mutter von einem dreijährigen Mädchen, hofft, dass diesmaliger Marsch mehr Licht für die Sowjetunion bringt. So setzt „Zukunftsmusik“ ein...

Die 21-jährige Janka wohnt mit ihrem Großmutter Warwara (60), ihre Mutter Maria (45) und ihre Tochter Kroschka (3) gemeinsam in einem Zimmer in ein Kommunalka. Ein ehemals prachtvolles Haus aus der Gründerzeit, welches jetzt unter sechs Bewohner geteilt wurde. Bad und Küche ist Gemeinschaftssache. Eine sozusagen „Zwangs-WG.“ in dem für die Mieter neun Quadratmeter gesetzlich zur Verfügung steht. Falls ein paar Zentimetern mehr benutzt wird als zugeteilt, muss man halt den Tisch zu Recht sägen, weiß Matwej Alexandrowitsch Bescheid, ein weiterer Bewohner der Kommunalka, an einem geheimen Institut tätig ist. Als Matwej zusammen mit Maria den Trauermarsch aus dem Küchenradio hört, ahnen die beiden nicht, was in einem Tag alles passieren wird...

Mit viel Gefühl fürs Detail und mit präziser, klarer Sprache nimmt Katerina Poladjans ihre Leser*innen in das späte Sowjetunion mit. Wir begleiten ihre Figuren abwechselnd, manchmal Vergangenheit blickend an dem Todestag von Tschernenko. Sehr atmosphärisch erzählt uns aus dem Alltag der Kommunalka-Mitbewohner. Es wird gekocht, gelacht, getuschelt, geredet, geliebt, geboren und wir Leser sind mittendrin. Poladjans katapultiert uns zwar fast dreißig Jahren zurück, aber stimmt einen auch, Grund der heutigen Ereignisse, nachdenklich. Ein kurzer, sehr kluger und hoffnungsvoller Roman, welches ich nur noch weiterempfehlen kann.

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Veröffentlicht am 10.07.2022

Aufwühlend, traurig aber realistisch.

Nachtschwärmerin
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TW: Sexualgewalt, Drogensucht, Prostitution

Oakland, Kalifornien. Hier wohnt die siebzehn Jährige Kiara und ihr älterer Bruder Marcus in einer heruntergekommenen Wohnanlage, in der Crack-süchtige Nachbarin ...

TW: Sexualgewalt, Drogensucht, Prostitution

Oakland, Kalifornien. Hier wohnt die siebzehn Jährige Kiara und ihr älterer Bruder Marcus in einer heruntergekommenen Wohnanlage, in der Crack-süchtige Nachbarin ihr Kind vernachlässigt und im Pool Exkrementen schwimmen. Kiaras und Marcus Vater lebt nicht mehr, ihre Mutter sitzt im Gefängnis, deren einziger Verwandter, der Onkel Ty, wurde auf einem Tag zu den anderen als Rapper berühmt und will mit den Geschwistern nicht zu tun haben. Die beiden überleben die Tage ohne staatliche oder private Hilfe irgendwie, bis eine Mieterhöhung aufgehängt wird, die sie nicht bezahlen können. Wo Marcus seine Tage in einem Tonstudio verbringt und genau wie sein Onkel auf ein Durchbruch als Rapper hofft, sucht die minderjährige Kiara ohne Highschool-Abschluss und Lebenslauf unermüdet einen Job, ohne Erfolg. In der Hoffnung, dass sie ihr Bruder und vernachlässigten zehnjährigen Nachbarsjungen Trevor, der Kiara wie eigenen Bruder liebt und sorgt, aus der Dilemma zu helfen, geht sie den einen einzigen Weg: Prostitution. Bis sie eines Tages einen Polizisten als Freier hat...

Was aus Kiara, Marcus und Trevor wird, muss jeder selber lesen. Doch eins kann ich schon erwähnen: Es erwartet euch eine harte Kost! Denn man kann diese Geschichte nicht als ohne lesen. Mich hat es als Mutter gegen meine Grenzen gestoßen. Ich war wütend auf eine Mutter, die ihre Kinder dermaßen schwierige Situation gebracht hat. Ich war tief traurig um ein siebzehn jähriges Mädchen, die ihr Körper als Geldmaschine betrachten musste, um zu überleben. Ich war bestürzt über die realistische Erzählung von mittellosen schwarzen Menschen in einem Weltmachtland wie USA.

Die gerade mal 20 Jahre alte Autorin hat dieses Buch “Für Oakland und seine Mädchen” gewidmet und damit gibt sie eine Stimme für die Schwarze, an den Rand der Gesellschaft gedrängte Frauen. Schonungslos, teilweise unter die Haut drängend, zeigt sie uns die pechschwarze Seite vom sonnendurchflutetem Kalifornien. Einziger Kritikpunkt an diesem Debütroman ist die harte Sprache, welche nicht jedermanns Sache ist, und die Wiederholungen, denn ich habe einige Sätze markiert, die ich im Laufe des Buches oft lesen musste. Ansonsten wer sich mit der Thematik einlassen kann, ist es ein sehr wichtiger Roman, welcher uns zu wachschütteln versucht.

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Veröffentlicht am 03.07.2022

Ein Lesegenuss!

Eine Frage der Chemie
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Elizabeth Zott... Vollblut Chemikerin und Wissenschaftlerin. Eine selbstbewusste Frau, die nicht durchschnittlich ist und es nie sein wird. Doch es ist Ende 50'er Anfang 60'er, wo Frauen zu Hause bleiben ...

Elizabeth Zott... Vollblut Chemikerin und Wissenschaftlerin. Eine selbstbewusste Frau, die nicht durchschnittlich ist und es nie sein wird. Doch es ist Ende 50'er Anfang 60'er, wo Frauen zu Hause bleiben und Kinder großziehen und wenn überhaupt sie zur Arbeit gehen, nur als Sekretärin Anerkennung erhielten. Zott lässt sich nicht von Männer dominierten Welt kleinmachen und fängt als Labormitarbeiterin in Hastings Forschungsinstituts an zuarbeiten. Ein Institut, der gerade nicht mit seiner Gleichgerechtigkeit bekannt ist. Außer ihr Kollege, der Ruderprofi, Alleingänger, Nobelpreiskandidat Calvin Evans, der sich sofort in Elizabeth verliebt hat. Die beiden wurden ein Paar, trotz der Gesellschaftlicher-Druck um die Ehe, bleiben die unverheiratet und adoptieren einen Straßenhund. Nun wie in der Chemie, auch im Leben verändern sich die Zustände schnell und so findet sich Elizabeth Zott als alleinerziehende Mutter in einer TV-Kochshow vor der Kamera wieder...

Normalerweise halte ich mich von gehypten Romanen fern, denn erfahrungsmäßig funktioniert bei manchen Büchern das Marketing so gut, sodass ich mich am Ende meine verschwundene Lesezeit und um mein Geld bereue. Doch Ausnahmen zählen nicht und eins davon ist dieses Buch. Wohlverdienter Hype!

In einem lakonischen Stil, versüßt mit subtiler Ironie und herrlichem Humor, welches die Leser nicht nur zum Schmunzeln, sondern auch zum Schulterzucken bringt, nimmt Bonnie Garmus uns zurück in den 60'ern. Es geht hier um Rollenbild, Sexismus, Missbrauch, Lügen und Betrüge. Garmus Figuren haben alle ihre Art und Weise ein schweres Päckchen zutragen, doch ihr ganz besonderer Erzählstil macht es alles erträglicher, mitfühlender und spannender. Obwohl das Ende für „meinem Geschmack“ zu dramatisch war und ich in der Meinung bin, dass die Autorin diese etwas kitschige Finale nicht wirklich gebraucht hatte, war diese Geschichte trotzdem ein Lesegenuss für mich. Absolute Leseempfehlung von mir!!!

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Veröffentlicht am 14.06.2022

Unnötig detailliert, oberflächlich und langweilig

Der Papierpalast
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Elle... 50 Jahre alt, glücklich verheiratet, dreifache Mutter. Jedes Jahr verbringt sie ihren Urlaub mit der gesamten Familie in dem Sommerhaus von ihrer Mutter. Der Papierpalast, heißt das Feriendomizil, ...

Elle... 50 Jahre alt, glücklich verheiratet, dreifache Mutter. Jedes Jahr verbringt sie ihren Urlaub mit der gesamten Familie in dem Sommerhaus von ihrer Mutter. Der Papierpalast, heißt das Feriendomizil, in dem sie als Kind und Jugendliche all die Sommerferien verbracht und ihren besten Freund Jonas kennen und lieben gelernt hat. Sie und Jonas verbindet nicht nur die rosa-roten Kindheitserinnerungen. Ein Geheimnis teilen die beiden, welches sie auch auseinander gerissen hat. Nun nach jahrelanger Funkstille trifft Elle Jonas wieder und nach einem Tag stellt sie nicht nur ihre Gefühle, sondern auch ihr Leben infrage. Soll sie den Rest ihres Lebens mit ihrem Mann und ihre Kinder oder doch mit ihrem besten Freund, in dem sie lebenslang verliebt ist, verbringen?

TW: Kindesmissbrauch, Sexualgewalt

„Ein starkes Debüt“ kündigt The Times. „Ergreifender Roman“ schreibt Daily Mirror. Als „Lesehighlight“ beurteilen die Rezenten und Dank viele positiven Lesestimmen ist dieses Buch seit zehn Wochen auf die Bestsellerliste des Spiegels. Ich dagegen hab fast einen Monat gebraucht um es zu Ende zu lesen und lande ich hinterher in einer tiefen Leseflaute.

Klar, die Geschmäcker sind verschieden und es ist auch gut so, sonst wäre ja die Welt langweilig, aber ehrlich gesagt was andere Leserinnen hier empfunden haben, ist mir ein Rätsel. Was ich beim Lesen gespürt hab, ist: neben Langeweile auch tiefe Wut.
Langeweile weil: die Autorin erzählt eine Geschichte wie ein Erklärungsfilm. Ich habe über 400 Seiten lang ihre Protagonistin überall und bei jeder Kleinigkeiten begleitet. Wenn ich jetzt ein Röntgenbild von Elle zusehen bekommen würde, würde ich sie sofort erkennen, so kleinkariert ist der Schreibstil. Für einige heißt es bildgewaltig, für mich ist es ein unnötig detaillierter Erzählstil. Wut weil: angefangen von Elles Großmutter, gefolgt von ihrer Mutter und von ihr, Frauen, Müttern, die selbstsüchtig sind und obwohl die als Kinder selber unter Verachtung gelitten haben, aber den gleichen Fehlern, bewusst oder nicht, bei deren Kinder weitermachen, verursachen bei mir extreme Gänsehaut! Wie kann eine Mutter selbst unter Kindesmissbrauch gelitten hat, nichts merkt, dass ihr Kind missbraucht wird??? Ich, als Frau, Mutter, Tante und Tochter konnte und wollte diese Thematik nicht akzeptieren, geschweige denn mit Elle und all die anderen oberflächlichen Charaktere mitfühlen.

Grunde genommen, es geht eigentlich um ein einziges Tag, indem Elle eine Entscheidung treffen muss. Ein Tag, was wie ein Jahrhundert wirkt, denn hoppelt man hier wie ein Hase zwischen die Zeiten. Mal habe ich über Elles Kindheit und Jugend erfahren, mal über ihre Oma, ihr Mutter und ihren Vater gelesen. Kaum konnte ich in die Geschehenen eintauchen, zack war ich wieder in der Gegenwart oder in der Vergangenheit. Vielleicht wollte die Autorin so die Spannung aufrecht halten, auf jedenfalls waren die Zeitsprünge für mich sehr ermüdend, sodass ich oft das Interesse an dieses Buch verloren und nach paar gelesen Seiten wieder weggepackt hab. Dazu kommt eine Sprache mit vielen derben Ausdrücken, welche, meiner Meinung nach, in einem Erotik-Roman perfekt passend waren, aber hier nichts zu suchend sind.

„Der Papierpalast“ hat schon viele Liebhaber
innen gewonnen, indem ich nicht mitzähle. Deswegen kann ich dieses Buch nicht weiterempfehlen. Was ich hier geschrieben habe, ist meine ehrliche Meinung und mein Empfinden beim Lesen, daher bitte nicht persönlich nehmen!

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