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Veröffentlicht am 17.09.2023

Actionreiches Sci-Fi-Jugendbuch

Ocean City – Jede Sekunde zählt
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„Ocean City“ ist ein actionreiches Jugendbuch, das in einer Zukunft spielt, in der Zeit die maßgebende Währung ist.

Jackson und Crockie gehen beide in die Clark Kellington Highschool, eine Eliteschule. ...

„Ocean City“ ist ein actionreiches Jugendbuch, das in einer Zukunft spielt, in der Zeit die maßgebende Währung ist.

Jackson und Crockie gehen beide in die Clark Kellington Highschool, eine Eliteschule. Sie sind beste Freunde, obwohl sie doch sehr unterschiedlich sind: Jackson ist eher ein verantwortungsvoller, durchschnittlicher Schüler, während Crockie eher ein unangepasster Einzelgänger ist. Oder um es mit dem Buch zu sagen: „Crockie hatte meistens die Körperspannung eines Schnürsenkels“.

Sie wohnen beide in „Ocean City“, einer Großstadt, die auf einer schwimmenden Insel gebaut ist. Über 15 Millionen Menschen wohnen in Ocean City, das nur 6000 Quadratkilometer groß ist.

Die Menschen tragen Decoder in ihren Armen, in denen ihre Daten gespeichert sind – allen voran die Zeitdaten. Spazierengehen? Zeitverschwendung. In der Stadt bummeln? Das tut nur, wer es sich leisten kann. „Entwickle ein vernünftiges Zeitgefühl“, fordert Jacksons Vater von seinem Sohn. Die Generalsekretärin der Zentralbank ist die Herrn über alle Zeitkonten von Ocean City. Sprich: das gesamte Wirtschaftssystem basiert auf Zeit. Bezahlt wird in Minuten und Sekunden.

Kein Wunder daher, dass Jackson und Crockie Ärger bekommen, als sie einen Transponder bauen, mit dem sie Zutritt in das Zeitsystem bekommen und Zeit verschenken können. Bald schon ist ihnen ein Sonderkommando auf den Fersen, und eine turbulente Verfolgungsjagd beginnt. Und Jackson läuft zudem die Zeit davon. Er muss den versteckten Transponder finden. Überhaupt ist das Buch ziemlich actionreich, denn bald schon geht es um Leben und Tod. Die Regierung sieht in den jugendlichen Zeitdieben Terroristen und auch eine Widerstandsgruppe interessiert sich schnell für die beiden.

An manchen Stellen überfordern die vielen Namen der Figuren einen ein wenig, auch das Zeitsystem, das als Wirtschaftssystem fungiert, wird nicht ausführlich dargestellt. Dafür gibt es mit Jackson und Crockie zwei sehr sympathische Hauptfiguren, wenn auch eine vorübergehend von der Bildfläche verschwindet…

Zu den Stärken des Buches gehört, dass es einige Figuren gibt, die zunächst für den Leser undurchschaubar sind. Zum einen dauert es eine Weile, bis preisgegeben wird, ob sie zu den Guten oder Bösen gehören, zum anderen gibt es auch Figuren, die eben nicht in dieses Schwarz-Weiß-Schema passen. Etwas schade ist, dass das Buch sehr abrupt endet – man muss den zweiten Band lesen, um zu erfahren, wie einzelne Handlungsstränge ausgehen. Da hätte man sich doch einen nicht ganz so offenen Schluss gewünscht.

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Veröffentlicht am 16.09.2023

Dystopischer Roman

Hund 51
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Länder, die bankrott gehen, Intrigen um die Macht, Management statt Regierung: In Laurent Gaudés Roman „Hund 51“ leben die Menschen in düsteren Zeiten. Vor allem dann, wenn sie in „Zone 3“ leben. Nicht ...

Länder, die bankrott gehen, Intrigen um die Macht, Management statt Regierung: In Laurent Gaudés Roman „Hund 51“ leben die Menschen in düsteren Zeiten. Vor allem dann, wenn sie in „Zone 3“ leben. Nicht einem eine Glaskuppel gibt es dort, die wurde nur über Zone 2 gebaut. So sind die Bewohner Wind und Wetter gnadenlos ausgesetzt.

„Hund 51“ ist ein dystopischer Roman, der davon ausgeht, dass die Welt von Großfirmen regiert wird. Wie ihre Herrschaft ausgeübt wird, ist undurchsichtig, größtenteils zutiefst unmenschlich. Der Roman gibt sich eher sparsam mit Hintergrundinformationen.

So ist es am Anfang nicht so leicht, in das Buch hineinzufinden, manches muss man zweimal lesen. Auch die Hauptfigur, Zem Sparak, wirkt zunächst als Figur sehr sperrig, etwas undurchsichtig. Sympathisch macht ihn aber bald, dass er sich von der Masse abhebt und vieles, was andere hinnehmen, kritisch hinterfragt.

Zem Sparak arbeitet als eine Art Hilfspolizist in Zone 2, lebt aber in Zone 3. Bezeichnet wird er als Hund, genauer: als „Hund 51“. so wurde er von GoldTex angeheuert, als Griechenland bankrott ging. Die völlige Armut hinter sich zu lassen, macht ihn allerdings nicht glücklich. Tief in seinem Herzen ist er noch immer ein Rebell. Der Untergang Griechenlands hat ihn geprägt, nagt an ihm ununterbrochen. Dies wird auch sprachlich sehr deutlich. Nirgendwo sonst schreibt Laurent Gaudé so bildhaft wie über das Ende Griechenlands.

Als in Zone 3 eine aufgeschlitzte Leiche gefunden wird, schört er bei dem Toten, den Mörder zu finden. Doch das ist leichter gesagt als getan. Dem Ermittler werden nicht nur Steine in den Weg gelegt, es sind ganze Felsbrocken. Und die Erinnerung an die Vergangenheit kommt zudem immer wieder hoch.

Allerdings kommt das Ermittlerduo Zem & Salia, das bald entsteht, kaum in Fahrt. Haben sie sich gerade zusammengefunden, ermitteln sie kurz darauf schon wieder solo.

Nichtsdestotrotz: Es sind vor allem die vielen Spannungsmomente, die das Buch zu einem Lesegenuss machen.

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Veröffentlicht am 27.06.2023

Eine Jesidin und ihr Schicksal

Unruhe
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Eine Jesidin und ihr Schicksal: das ist das Thema von Zülfü Livanelis Roman „Unruhe“ .

Erzählt wird die Geschichte der Jesidin Meleknaz aus Sicht des Journalisten Ibrahim. Und so wird aus der tragischen ...

Eine Jesidin und ihr Schicksal: das ist das Thema von Zülfü Livanelis Roman „Unruhe“ .

Erzählt wird die Geschichte der Jesidin Meleknaz aus Sicht des Journalisten Ibrahim. Und so wird aus der tragischen Lebensgeschichte der Jesidin eine Geschichte um Liebe, Mitleid, Gewalt und Hilflosigkeit. Denn der Journalist recherchiert nicht nur, er lässt sich immer mehr hineinnehmen in die Geschichte, die er da erfährt – eine innere Unruhe befällt ihn. Eine Unruhe, die er sich selbst nicht erklären kann.

Auslöser der Recherchen des Journalisten ist eine kurze Nachricht aus den USA: ein „hate crime“, ein Muslim wird erstochen Dass er aus der Stadt Mardin stammt, lässt den Journalisten Ibrahim aufhorchen: die Stadt an der syrischen Grenze ist seine Geburtsstadt. Bald schon ist klar: der Ermordete war ein Schulfreund von Ibrahim. Der reist nach Mardin und stößt auf eine Liebesgeschichte, die fast schon wie Romeo und Julia klingt. Der fromme Hüseyin trifft in einem Flüchtlingslager, wo er arbeitet, auf eine Jesidin – und verliebt sich Hals über Kopf in sie. Die beiden wollen heiraten – gegen den Widerstand ihrer Familien und Religionen. Dass Hüseyin eine bestehende Verlobung dafür löst, macht die Sache nicht einfacher.

Doch an dieser Stelle beginnt erst der Alptraum für Meleknaz. An ihrem Beispiel erzählt Zülfü Livaneli das Schicksal der Jesiden in Syrien unter dem IS. Nach und nach trauen sich die Menschen, dem Journalisten Ibrahim zu erzählen, was geschehen ist. Und nach und nach findet Ibrahim so heraus, was Meleknaz erleiden musste und was aus ihr wurde. Je mehr er von ihr erfährt, umso mehr wächst in ihm der Wunsch, ihr und ihrem blinden Baby zu helfen. Sowohl dieser Wunsch in ihm wie auch die Ablehnung, die er erfährt, verstören den Journalisten immer mehr. Der Leser spürt förmlich, wie sehr ihn das beschäftigt, was er erfahren hat. Allerdings nimmt es auch sehr absurde Züge an, wenn er etwa beginnt, Liebesgedichte an Meleknaz zu schreiben wie es einst Hüseyin getan hat, um zu erreichen, dass sie seine Hilfe annimmt und ihren Stolz überwindet.

Ich muss zugeben, dass mich dieser Teil der Geschichte nicht ganz überzeugt hat, umso mehr aber die Geschichte der Jesiden, die in ihren Traditionen und in ihrem schweren Schicksal unter dem IS in Zülfü Livanelis Roman „Unruhe“ einem plastisch vor Augen treten.

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Veröffentlicht am 26.06.2023

Entfaltet sein dystopisches Potenzial

QualityLand
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In diesen Zeiten, wo die Diskussion über die KI und ihre Möglichkeiten am Beginn ist, ist es sicher kein Fehler, wieder einmal auf Marc-Uwe Klings Buch "QualityLand" zu greifen. "QualityLand" zeigt, was ...

In diesen Zeiten, wo die Diskussion über die KI und ihre Möglichkeiten am Beginn ist, ist es sicher kein Fehler, wieder einmal auf Marc-Uwe Klings Buch "QualityLand" zu greifen. "QualityLand" zeigt, was passieren kann, wenn gesetzliche Regeln zur KI und zur Verwendung von Algorithmen ausbleiben. 

"QualityLand" ist ein Roman, der etwas langsam in Schwung kommt, dann aber sein dystopisches Potenzial voll entfaltet. Der Schrecken einer KI-gesteuerten Zukunft ist dabei so gut wie durchweg im Alltäglichen angesiedelt. Menschen, die in sich selbst gefangen sind, von der die KI alles weiß, sind die Protagonisten.

Nein zu sagen ist in dieser Welt nicht mehr vorgesehen - bei relevanten Entscheidungen drückt man einfach nur auf okay. Die KI weiß schließlich, was man will. Auch, was man wählen will - allerdings hat man da noch die Möglichkeit, sich die anderen Kandidaten, die einem nicht empfohlen werden, anzeigen zu lassen. 

Dass es eine Kampftruppe gegen eine robotergesteuerte Zukunft im Untergrund gibt, erfährt der Leser. Durchgespielt wird der Kampf aber nur im kleinen Rahmen. Peter Arbeitsloser ist der Protagonist, der erkennen muss, dass der Protest gegen das Geschäftsgebaren von TheShop zwecklos ist - der Algorithmus macht keine Fehler, genauer: er darf keine Fehler machen. Und doch will Peter Arbeitsloser etwas an TheShop zurückschicken - was nicht vorgesehen ist, da die Firma weiß, was sich ihre Kunden wünschen. 

Gerade weil es vor allem um den kleinen Mann geht, entfaltet der Roman sein dystopisches Potenzial. Nur am Rande geht es um die Frage, was es heißt, dass Menschen mit Punkten in Gruppen eingeteilt werden, es genügt die Darstellung wie TheShop arbeitet, um eine Zukunft zu projizieren, die alles andere als wünschenswert ist - auch wenn die TheShop den Menschen die Wünsche von ihren Profilen ablesen kann. 

Was Peter Arbeitsloser erlebt, ist deutlich eindrucksvoller als etwa die diskutierte Frage, ob ein KI-Roboter Präsident werden darf. "QualityLand" zeigt eindrücklich, wie die KI die Frage nach der Würde des Menschen und nach einem gelingenden Leben stellt. 

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Veröffentlicht am 01.05.2023

Sprachlich beeindruckend

Licht
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1978 erschienen, hat der Langenmüller-Verlag dieses Jahr Christoph Meckels Erzählung "Licht" neu veröffentlicht. Aus der Zeit gefallen wirkt diese Geschichte auch heute nicht. Im Gegenteil: Die Frage, ...

1978 erschienen, hat der Langenmüller-Verlag dieses Jahr Christoph Meckels Erzählung "Licht" neu veröffentlicht. Aus der Zeit gefallen wirkt diese Geschichte auch heute nicht. Im Gegenteil: Die Frage, wie man als Paar das Zusammenleben regelt, was es für eine Beziehung braucht, sie ist auch heute hochaktuell. 

Glück, das sagt Gil gleich am Anfang der Erzählung, Glück braucht es nicht in einer Beziehung. Glück sei eine Illusion. Es müsse einfach zwischen den beiden alles stimmen. 

Aber stimmt mit den beiden, mit Gil und Dole, alles? Eher nicht. Denn Gil findet einen Liebesbrief von Dole - der allerdings nicht an ihn gerichtet ist. Hat Dole also eine Affäre? Gil geht davon aus, auch wenn er hin und wieder Zweifel hat. Gegenüber Dole spricht er das Thema allerdings nicht an. Stattdessen beginnt er, sie zu beobachten. Dabei ist er völlig verunsichert, wie er mit seinem Fund umgehen soll - sein Versuch, mit Anspielungen Dole zum Reden zu bringen, misslingt. Also bleibt es unausgesprochen zwischen ihnen. 

Nach und nach verliert aber der gefundene Brief an Bedeutung. Stattdessen entwickelt sich Meckels "Licht" von einem spannenden zu einem sperrigeren Text. Rückblenden prägen nun Gils inneren Monolog. Ihr Kennenlernen, gemeinsame Urlaube. Ebenso die Erkenntnis, dass beide ihren Freiraum brauchen, Zeit für sich selbst. Telefongespräche, die sich verändern. Der Besuch an dem Ort, wo Dole aufgewachsen ist .Die Unsicherheit: was interessiert den anderen? Und: haben beide die gleichen Gefühle? Gil weiß, dass Dole 33 Jahre alt ist - Dole muss erst rechnen, wenn sie nach Gils Alter gefragt wird... 

Die Rückblenden sind zum Teil etwas schwer zu lesen, da sie unterschiedlich lang sind und man nicht immer weiß, wo man gerade zeitlich steht. Eine klare Entwicklung lässt sich so dem Text nicht entnehmen - das hat der Autor aber sicher auch nicht beabsichtigt. Vielmehr geht es darum, was eine Beziehung ausmacht - und was sie trägt. Die Chronologie wird dafür außer Acht gelassen. 

"Licht und Geheimnis" heißt es in dem unglückseligen Brief. Beides macht ihre Beziehung aus: Licht und Schatten, Licht und Verborgenes. Lange, bis kurz vorm überraschenden Schluss des Buches, bleibt beides in der Schwebe. 

Sprachlich ist "Licht" beeindruckend. Schon allein wegen Wortschöpfungen wie "Mitternachtsstädte" oder schöne, treffende Formulierungen wie diese: "Wir frühstückten spät und viel zu lang und ließen den Tag bis gegen Mittag warten."  

Auch deshalb hat mir "Licht" trotz der etwas ausufernden Rückblicke und der sprunghaften Erzählweise gut gefallen. 

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