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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 24.05.2023

Konesquent und Melancholisch

Der Herr des Wüstenplaneten
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Jahre sind vergangen seitdem Paul Muad‘Dib den Padisha Imperator gestürzt und sich selbst als weltlicher wie geistlicher Führer auf den Thron gesetzt hat. Doch es ist genau so geschehen, wie es seine Mutter ...

Jahre sind vergangen seitdem Paul Muad‘Dib den Padisha Imperator gestürzt und sich selbst als weltlicher wie geistlicher Führer auf den Thron gesetzt hat. Doch es ist genau so geschehen, wie es seine Mutter in ihrer Vision vorausgesehen hat: Das Banner der Atreides wird an der Spitze eines blutigen Jihads durch das Universum getragen. Muad‘Dib hat die Fremen befreit, überzieht jedoch den Rest der Menschheit mit Krieg und Tod – die Kontrolle darüber hat er jedoch längst verloren. Es ist also kein Wunder, dass sich Verschwörer gegen ihn sammeln.



Mit „Der Herr des Wüstenplaneten“ (im Original passender „Dune Messiah“, etwa „Der Messias von Dune) setzt Herbert den grandiosen ersten Teil in schonungsloser Konsequenz fort. Wie hätte es auch anders enden können, wenn sich ein mitleidloses Volk von Kriegern und Überlebenskünstlern um einen Anführer schart, der von keinem anderen Konzept als der Rache getrieben wird? Dennoch finde ich es mutig, dass sich der Autor getraut hat, die Handlung in diese Richtung zu lenken.



In den schwerfälligen Mühlen des neuen Gottesstaates mit seiner tödlichen Eigendynamik ist die Stimmung dieses Romanes eine vollkommen andere als die seines Vorgängers. Sie ist stets auf einem dumpfen, gedrückten Niveau ohne die actionreichen Höhen und Tiefen des ersten Bandes. Gespräche, Beratungen und das Spinnen von Intrigen in Hinterzimmern sind der Kern des Buches. Dies funktioniert dank Herberts meisterhafter Dialoge sehr gut. Insgesamt ähnelt der Roman, in krassem Gegensatz zum Vorgänger, einem aristotelischen Drama: Begrenzt auf eine Handlung, einen Ort und wenige Tage.



Dennoch hätte ich mir an vielen Stellen gewünscht, dass Hintergründe und philosophische Konzepte etwas greifbarer aufbereitet worden wären. Es ist mir klar, dass Herberts Erzählprinzip darauf basiert, dass er seine Welt durch gezielte Anspielungen größer erscheinen lässt. Daran gibt es nichts auszusetzen, doch wäre hier viel Raum gewesen ein paar solidere Grundlagen, zum Beispiel für die Zensunna, zu liefern.

Auch hätte dem Buch im Vergleich mit dem ersten Band vielleicht ein wenig mehr Action nicht geschadet. Vielleicht hätte dies aber die melancholische Nachdenklichkeit zerstört. Insgesamt ließ mich die Handlung aber ein wenig unbefriedigt zurück, da nicht alles abgerundet und vieles erst am Ende im Handstreich erledigt wird.

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Veröffentlicht am 13.02.2023

Triumph und Schrecken

Erebus
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Michael Palin ist im allgemeinen mehr für seine Schauspielkarriere oder als Mitglied von Monty Python bekannt, doch er hat seinen ursprünglichen Beruf als Historiker niemals aufgegeben und es darin auch ...


Michael Palin ist im allgemeinen mehr für seine Schauspielkarriere oder als Mitglied von Monty Python bekannt, doch er hat seinen ursprünglichen Beruf als Historiker niemals aufgegeben und es darin auch zu einigen Lorbeeren gebracht. Mit „Erebus“ zeichnet er nun gekonnt und lebensnah die gesamte Lebensgeschichte eines weltbekannten Schiffes nach und beschreibt den Werdegang und das Sterben der Männer die auf ihm dienten.

Am Anfang graute mir fast etwas davor, mich durch die vielen Kapitel hindurchbeißen zu müssen, bis es endlich unter Franklins Kommando interessant werden würde, aber hier hatte ich mir unnötig Sorgen gemacht. Ganz im Gegenteil: als es auf das Ende zuging, graute mir fast davor, von der Erforschung der Nord-West-Passage zu lesen. Zu sehr hatte ich mich mit dem Schiff, seiner ungewöhnlichen Konstruktion und mit den interessanten Persönlichkeiten angefreundet.

Palin schöpft bei seinen Erzählungen aus einem reichen Schatz an Logbüchern, die auf jeder Reise eines königlichen Schiffes gleich mehrere Offiziere führen mussten und somit in großer Zahl in englischen Archiven verfügbar sind. Hinzu kommen persönliche Briefe der Seeleute und jener, die an Land geblieben sind. Somit ist es dem Autor möglich die Charaktere gut zu beschreiben und sie mit ihren Eigenarten und Schrullen zum Leben zu erwecken.

Die Reise beginnt ganz am Anfang, mit der Planung der damals noch als Bombarde ausgelegten Erebus, begleitet sie dann auf ihren ersten Patrollienfahrten um dann James Clarck Ross’ Expedition in die Arktis zu verfolgen.

Spätestens hier bekommt man ein hautnahes Gefühl dafür, wie sich das Leben auf einem Segelschiff des 19. Jahrhunderts anfühlen konnte. Man erfährt nicht nur trockene maritime Fakten, sondern auch Details, wie man es schaffte, die Mannschaft bei jahrelangen Fahrten bei Laune zu halten, beispielsweise mit welchen spontanen Einfällen auch einmal rauschende Feste zur See gefeiert wurden. Man fühlt mit, wie sehr die Männer sich bei monatelangen Zwischenstopps mit der Gesellschaft in einem Hafen angefreundet haben und diese dann aber wieder für immer verlassen müssen.

Mit der Franklin-Expedition reißt der Strom aus Logbüchern und Briefen natürlich irgendwann ab. Durch die intensiv bearbeitete Vorgeschichte kann man sich dennoch in die Köpfe der Seeleute hineindenken und die Katastrophe wirkt um so intensiver.

Insgesamt ist es ein sehr empfehlenswertes Buch, auch wenn man sich nicht im besonderen für die Seefahrt interessiert, denn Palin schafft es sehr gut, dieses Interesse zu wecken. Für schwache Nerven ist es dennoch nichts, denn der reale Schrecken, den das Ende der Erebus und der Terror mit sich brachte, wird durchaus schonungslos dargestellt.

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Veröffentlicht am 28.11.2022

"Alter Mann schreit Wolke an"

Das infizierte Denken
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Anders Indset schreibt über Gott und die Welt, was ihm eben so einfällt.

Mit Blick auf das Inhaltsverzeichnis könnte man meinen, dass man hier ein sauber gegliedertes philosophisches Werk bekommt, welches ...

Anders Indset schreibt über Gott und die Welt, was ihm eben so einfällt.

Mit Blick auf das Inhaltsverzeichnis könnte man meinen, dass man hier ein sauber gegliedertes philosophisches Werk bekommt, welches eine Theorie aufbaut, weiterspinnt und am Schluss noch einmal klar darlegt. Stattdessen erhält man einen Salat aus teilweise lose verbundenen, teilweise aber auch vollkommen im luftleeren Raum schwebenden Kapitelchen, die nirgends ein großes Ganzes ergeben. Am schlimmste ist das letzte Kapitel aufgebaut. Der Titel suggeriert hier eine Katharsis, doch es handelt sich um eine Resterampe. Hier wird nochmal aufgetischt, was anderswo vergessen wurde. Der Schluss selbst hätte dann auch von Simmel sein können.

Sprachlich bedient sich der Autor grausamster, sinnfreier Anglizismen. Ich bin kein Feind von Fremdwörtern, wenn sie die deutsche Sprache bereichern – man nehme nur das Wort Box – aber Indset verwendet sie in einer Weise, über die sich schon Mark Twain lustig gemacht hat: Er verziert mit englischen Begriffen seine Seiten um einen besonderen Eindruck zu erwecken. Welchen erschließt sich mir aber nicht. Vielleicht den, dass er zu viele Motivationsseminare für Bussiness Leader gehalten hat

Grob lässt sich das Buch in drei Themenbereiche einteilen: „Früher war die Welt noch in Ordnung“, „Manchmal denk’ ich mir so ...“ und „Jemand bei Joe Rogan hat gesagt …“. Diese Felder sind dabei in kleinen Klumpen über das Buch verteilt, vor allem zweiterer. Der Erste findet sich hauptsächlich am Anfang des Buches und wird im letzten Kapitel nochmal auf lauwarme Temperatur gebracht. Dabei fragt man sich zwangsläufig, was dieser Abschnitt am Schluss nochmal zu suchen hat.

„Früher war die Welt noch in Ordnung“ setzt sich hauptsächlich aus wohlfeiler Kritik an moderner Technologie und Nostalgie für die Kindheit des Autoren zusammen. Viele der Punkte, die Indset aufbringt stimmen zwar, dürften aber schon durch dutzende Focus, Welt und FAZ-Kommentarspalten gelaufen sein. Spitzers „Digitale Demenz“ mit noch weniger Substanz für die 2020er abgestaubt und mit einem philosophischen Zierdeckchen versehen. Lösungsvorschläge oder Kompromisse zu den aufgebrachten Problemen bring Indset nicht, er schimpft einfach gerne. Ich gehöre nicht zur Generation TikTok, aber diese Art der Literatur bin ich schon seit 20 Jahren satt.

Die zweite Kategorie ist wohl die stärkste, muss aber nicht genauer erklärt werden. Indset argumentiert ins Blaue, ohne Substanz, ohne Scheu vor der Tautologie. Es entstehen Sinnsprüche wie auf Glückskeksen aber auch unfreiwillig komische Stilblüten. Besonders humoristisch sind teilweise die Schlussfolgerungen, die am Ende mancher Kapitel stehen. Sicher, es wird die Welt retten, wenn reiche Snobs aus aller Welt ihre Kinder alle paar Monate um den halben Erdball in eine Nachhaltigkeitsschule nach Bali schicken. Eine ganz großartige Idee. Hätte von Musk sein können.

Aus der dritten Kategorie kommen Ergüsse irgendwelcher Pseudowissenschaftler, die nur dadurch bekannt geworden sind, weil ihnen Joe Rogan eine Plattform geboten hat. Von diesen zitiert und diskutiert Indset Theorien die vielleicht ganz interessant sein könnten, wenn der Autor irgendeinen Grund liefern könnte, warum diese erst zu nehmen seien. Man kann nicht einfach etwas in den Raum stellen, für das die Geschichte umgeschrieben werden müsste, wenn man keine Grundlage für diese Annahme liefern kann.

Im selben thematischen Kreis stellt Indset außerdem Elon Musk und Steve Jobs auf eine Stufe mit Einstein und Hawking. Von Musk ist er überhaupt ein großer Fan und hält diesen offenbar für einen Visionär allererster Güte. Wie es eben Joe Rogan tut.

Auf die Zitate im Buch kann man teilweise sehr wenig geben. Indset zitiert einen sehr bekannten Satz von Kant falsch, wohl weil er ihn aus einer Zusammenfassung übernommen hat. Anderswo münzt er ein Zitat von Greg Ketch um, ohne den Autoren jemals zu erwähnen.


Und was ist letztendlich das geheimnisvolle „Infizierte Denken“? Nun, dabei handelt es sich einerseits um den verzweifelten Versuch diese lose Textsammlung durch ein Schlagwort mit einem roten Faden zu verbinden. Andererseits ist es ein billiger Trick um das Buch irgendwie als tagesaktuell zu maskieren. Ich denke der ein oder andere Coronaleugner wird diesen Schinken versehentlich gekauft hat.

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Veröffentlicht am 24.10.2021

Ein Fantasyroman für Kulturwissenschaftler

Jonathan Strange & Mr. Norrell
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Es ist selten, dass ich über ein Buch sagen kann, dass es herrlich ist. Bei diesem ist es ganz klar der Fall. Ich habe noch nie eine so wunderschöne Persiflage auf das Gelehrtentum des 18. und 19. Jahrhunderts ...

Es ist selten, dass ich über ein Buch sagen kann, dass es herrlich ist. Bei diesem ist es ganz klar der Fall. Ich habe noch nie eine so wunderschöne Persiflage auf das Gelehrtentum des 18. und 19. Jahrhunderts gelesen - und gleichzeitig ist das Buch auch noch ein absolut solider Fantasyroman.
Mit den beiden namensgebenden Charakteren Mr. Strange und Mr. Norrell werden zwei unterschiedliche Typen von Akademikern beschrieben, die typisch für ihre Zeit waren. Norrell, der geniale aber menschenscheue, ängstliche Bücherwurm, der wirkt als könne er keiner Fliege etwas zu Leide tun - aus seiner Feigheit heraus aber auch vollkommen unfähig ist sich auf andere Ansichten einzulassen und diese rücksichtslos, mit unfairen Mitteln zu vernichten will. Wer hatte nicht schon mal den einen oder anderen Professor nach dieser Art?
Auf der anderen Seite steht Strange, der Geck, der aus purer Langweile Meister seines Fachs wird und darum nichts so richtig Ernst nehmen kann, Warnungen ignoriert und aus reiner Neugier Dinge versucht, die besser ausgebildete nicht wagen würde - auch weil dabei mit Opfern zu rechnen ist.
Auch die Art wie das Buch geschrieben ist, mit Fußnoten zu magiehistorisch interessanten Punkten, zeigt, dass sich die Autorin sehr gut in der Welt akademischer Zwistigkeiten auskennt. Sie versteht es, so etwas auf die Spitze zu trieben. Über die kleine Anmerkung zum "Pseudo-Master of Doncaster" muss ich heute noch schmunzeln.
Als kleinen Kritikpunkt muss ich anfügen, dass das Buch durch seine größeren Zeitsprünge und vielen kleinen Episoden in welchen der Werdegang der Charaktere beschrieben wird, etwas zerrissen wirkt. Die überspannende Geschichte wird dadurch etwas dünn.

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Veröffentlicht am 24.10.2021

Unausgegorene Machtfantasien

Ready Player One
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Und warum hat es dann auch noch Erfog? Vermutlich liegt es an der guten Werbung, denn an Sympathien für den Autor kann es, wenn man die Nachrichten über ihn verfolgt, nicht liegen.

Die Geschichte ist ...

Und warum hat es dann auch noch Erfog? Vermutlich liegt es an der guten Werbung, denn an Sympathien für den Autor kann es, wenn man die Nachrichten über ihn verfolgt, nicht liegen.

Die Geschichte ist eine ordentliche Idee, wenn auch nicht neu, und verspricht sehr viel: Ein sterbender Multimilliardär versteckt den Schlüssel zu seinem Reichtum in einer von der gesamten Menschheit täglich genutzten virtuellen Realität, die er mit seiner Firma geschaffen hat. Wer sein Rätsel löst, gewinnt nicht nur Milliarden, sondern auch die Kontrolle über die virtuelle Welt genannt „Oasis“. Und so machen sich Millionen von Menschen auf eine von der Kindheit des Milliardärs in den 1980ern geprägte Schnitzeljagd. Allerdings versucht auch ein großer IT-Konzern mit Hilfe seines Personals und unlauteren Mitteln den Schatz zu finden, um sich eine riesige Geldquelle zu sichern. Ein Sieg des Konzerns würde die -meiner Ansicht schon unrealistisch happige- Monetarisierung der „Oasis“ ins grenzenlose treiben.
Das fesselt erstmal und es könnte ein gutes Buch werden, aber dann lernen wir die Charaktere kennen:
Hier ist das erste Problem schon einmal, dass es nur eine handvoll wiederkehrender Charaktere gibt und wiederkehrend in diesem Buch schon heißt, dass sie in zwei Szenen auftauchen. Denn soziale Interaktion gibt es sehr wenig. Das ist einerseits logisch, da der Hauptcharakter ein ziemlicher Einsiedler sein soll, andererseits völlig unpassend, da der größte Teil des Buches quasi in einem MMORPG spielt. In dem die Leute scheinbar fast nie miteinander sprechen. Und auch nur sehr ungern zusammenarbeiten. Gut, so habe ich auch meistens solche Spiele gespielt, aber ich habe auch mitbekommen, dass 95% der Nutzer dies nicht so tun. In diesem Roman aber schon.
Das ganze geht so weit, dass sogar wichtige Charaktere, wie der große Antagonist Sorrento, nicht mehr als zwei Szenen haben. Zwei! Damit wird der Gegenspieler überhaupt nicht aufgebaut und wirkt vollständig eindimensional. Ein Strich in der Landschaft, sozusagen.

Alles andere wird nur aus dritter Hand erzählt. Bei den anderen, wichtigen Charakteren (wovon es etwa fünf gibt) verhält es sich nicht anders. Sie haben bis zu fünf Sprechszenen, sonst kommen sie höchstens am Rande und am Ende vor.
Mit einer guten Hauptfigur hätte man das vielleicht kompensieren können, aber auch der Ich-Erzähler ist nur ein Schatten, dessen Gefühle und Gedanken kaum vermittelt werden. Er lebt nur durch seine Aktionen. Das ist fast etwas positiv, denn er wirkt, wenn etwas Charakter durchkommt, wie ein typischer "Neckbeard". Zudem ist er extrem unglaubwürdig. Innerhalb von sechs Jahren soll er sich – neben dem Schulunterricht – ein gigantisches Wissen über die 80er Jahre angeeignet haben. Das schließt das mehrfache, teilweise genau abgezählt hundersechzigfache Ansehen von Serien und Filmen sowohl aus den USA als auch aus Japan ebenso ein, wie das Lesen mehrerer Biographien, das Spielen hunderter bockschwerer Computerspiele und das verinnerlichen von tausenden von Songtexten. Meine Deutschlehrerin hat vor Jahrzehnten einmal gesagt, dass sie das Lesepensum aus Schlinks "Der Vorleser" für rein physisch nicht machbar halte. Hier wird das noch deutlicher. Ich denke, die Laufzeit der angeblich mehrmals angesehenen Serien alleine übersteigt bereits die Zeitspanne, in welcher sie konsumiert worden sein sollen. Und das neben den Schularbeiten.

Auch die Erzählstruktur ist nicht das Beste. Das Buch hat gewaltige Längen, in welchen einfach nichts passiert, da die Jagd nach dem Ei nicht weiter geht. In dieser Zeit bohrt der Erzähler quasi in der Nase, da es keine weiteren Plotstränge gibt. Passiert dann etwas, folgt es eigentlich immer der gleicher Struktur: „Erst ging es nicht, doch dann plötzlich schaffte ich es“. Dabei wird hin und wieder zwar erfolgreich eine deutliche Spannung geschaffen – aber nur mit billigen Tricks. Oft eiert der Erzähler über ewige Textpassagen herum, obwohl völlig klar ist, dass er unter Zeitdruck steht. Dies ist am Ende des Buches regelrecht absurd. Zudem werden werden dem Leser einfach die Intentionen und Planungen des Protagonisten vorenthalten um es aufregender zu gestalten. Das ist in Filmen nicht ungewöhnlich und kann auch in Romanen funktionieren, ist aber vollkommen fehl am Platz, wenn aus der Ichperspektive geschrieben wird: Man hat nunmal nur das Innenleben des Erzählers als Blick auf die Handlung. Enthält dieser dem Leser Informationen auf solche Art vor, ist jedes Deus ex machina möglich.
Dabei ist der Plot mit diesem Kniff noch viel zu durchsichtig. Ich kann hier ohne zu spoilern nicht zu sehr ins Detail gehen, darum nur so viel: Bestimmte, scheinbar nur beiläufig erwähnte Gegenstände und Mechaniken werden genau dann eingesetzt, wann man es vermutet.
Zu allem Überfluss gibt es auch noch eine riesige Anzahl loser Enden und unnötig aufgebrachter Dinge. So werden beispielsweise mehrmals die hohen Kosten und die Finanzprobleme des Protagonisten erwähnt und erzählt, dass er in einem 40-Stunden-Job arbeite. Wieso wird das erwähnt, wenn es sich dann doch alles was er braucht ohne mit der Wimper zu zucken leisten kann und die Arbeit ihn scheinbar nie Zeit kostet? In der Schulzeit des Protagonisten sticht dies noch mehr ins Auge. Man erwartet Konsequenzen, aber die gibt es nicht.

Zu guter Letzt, die Liebesgeschichte: Sie existiert nicht. Der Autor behauptet zwar, es gäbe eine Romanze, aber die beiden Charaktere haben nicht den Hauch von Chemie zwischen sich. Vielmehr wirkt stalkt der Neckbeard-Protagonist seine ablehnende Angebetete über weite Teile des Buchs auf widerlicher Art und Weise, bis sie irgendwann grundlos nachgibt.

Auch als Fan der 80er Popkultur kann man sich nicht anders als veräppelt fühlen. Ständig werden irgendwelche zusammenhangslosen Anspielungen losgelassen, über welche der Erzähler natürlich alles weiß. Teilweise dienen diese scheinbar als Seitenfüller um das Buch in die Länge zu ziehen. Wieso sonst werden riesige Absätze aus Wargames und Ritter der Kokosnuss zitiert? Ich habe beide Filme mehrfach gesehen, ich kann wirklich auf eine eins zu eins-Nacherzählung in einem Roman verzichten. Es ist ja nicht so, dass darin irgendetwas neues passiert.

Ich könnte noch etliche weitere Punkte beschreiben: Warum sind die Beschreibungen des Autors so selektiv? Er rasselt halbe Diskographien und Bandgeschichten herunter, erklärt aber nicht was es mit dem berühmten geteilten Bildschirm bei Pac-Man auf sich hat – obwohl dieser einen prominenten Auftritt hat. Ein in Videospielgeschichte nicht bewanderter Leser weiß in dieser Szene sicher gar nicht, was gerade passiert.

Warum werden Szenerien bis ins kleinste Detail ausgearbeitet, die der Protagonist nur für eine Minute betrachtet, in längeren Szenen aber nur angedeutet? Wieso werden die Einkäufe der Hauptperson so weit ausgewalzt und irgendwelche Gadgets in aller Ausführlichkeit beschrieben, wenn diese dann nie wieder einer Rolle spielen? Hier fühlt man sich nicht nur veräppelt, es kommt einem fast so vor, als wären Kapitel gestrichen worden, aber nicht die darauf hinführenden Absätze.

Alles in allem: Ein quälendes Buch, das einen besseren Lektor gebraucht hätte. Man hätte so vieles kürzen können und die Qualität hätte sich damit nur verbessert. Hätte man beispielsweise die meisten 80er-Anspielungen inklusive der langen zitierten Filmszenen und die Beschreibung der Gadgets, besonders des Waffenkaufs, weggeschnitten, hätte sich schon viel verbessert.

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