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Veröffentlicht am 31.05.2024

Annäherung

Geschwister im Gegenlicht
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Dieser Roman ist eine Reise. Nicht nur an die Ostsee, an der sich die Geschwister Sonja und Rolf nach langer Zeit wiedersehen. Es ist auch eine Reise der Annäherung zwischen Bruder und Schwester, welche ...

Dieser Roman ist eine Reise. Nicht nur an die Ostsee, an der sich die Geschwister Sonja und Rolf nach langer Zeit wiedersehen. Es ist auch eine Reise der Annäherung zwischen Bruder und Schwester, welche seit Kindheit an ein eher distanziertes Verhältnis zueinander hatten. Doch Rolf offenbart Sonja, dass er im Zusammenhang mit seiner Burnout-Diagnose begonnen hat, sich mit seiner Kindheit und Jugend, mit den Eltern und deren Geheimnissen auseinandersetzen. Zaghaft nähern sie sich an. Tauschen sich aus über die Kindheit und Jugend, welche geprägt wurde durch die psychische und physische Gewalt der Eltern, überzeugte Nazis. Doch in all der schrecklichen Vergangenheit gibt es auch schönes zu entdecken: Schwester Anni, Sonjas wahre Mutter. Und auch, dass Geschwister nach all der Zeit zusammen finden können, Zusammenhalt finden beieinander.
"Geschwister im Gegenlicht" von Sabine Bode @klettcottaverlag hat zwar keinen klassischen Spannungsbogen, doch hat ihre Erzählweise eine ganz eigene Sogwirkung. Sie verwebt gekonnt Familiengeschichte mit deutscher Nazi- und Nachkriegsgeschichte. Es ist mir sehr schwer gefallen, das Buch nicht in einem Zug zu verschlingen. Und hat mich auch bei meinen Lesepausen immer wieder beschäftigt. Für mich war die Lektüre sehr bereichernd, dennoch halte ich eine Triggerwarnung für das Buch für sinnvoll, denn hier wird auch häusliche Gewalt geschildert. Abgesehen davon empfehle ich den Roman sehr zum Lesen.

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Veröffentlicht am 31.05.2024

Familiäre Verflechtungen

Todesblues
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In ihrem Kriminalroman "Todesblues" aus dem amerikanischen Englischen übersetzt v. Gertraude Krueger @diogenesverlag entführt mich Valerie Wilson Wesley bach Newark Indie USA. Dort bekommt Privatermittlerin ...

In ihrem Kriminalroman "Todesblues" aus dem amerikanischen Englischen übersetzt v. Gertraude Krueger @diogenesverlag entführt mich Valerie Wilson Wesley bach Newark Indie USA. Dort bekommt Privatermittlerin Tamara Hayley den Auftrag, Shawn Reynolds Tod noch einmal genau zu durchleuchten. Der Roman schildert jedoch nicht nur die Ermittlungen Tamaras, sondern thematisiert auch die strukturelle Diskriminierung US-anerikanischer Bürger*innen aufgrund

colorism und

rassism durch weiße Menschen in der Gesellschaft und vor allem bei der Polizei. Aber auch in den eigenen Reihen herrscht zumindestens in dieser Geschichte auch ein stark ausgeprägter Klassismus, wie es mir scheint. Denn im Zuge ihrer Ermittlungen erfährt Tamara nicht nur, dass Shawn Reynolds in eher prekären Verhälnissen und ohne Vater groß wurde, sondern auch in Waffengeschäfte verwickelt war. Darüber hinaus gab es viele Verhältnisse zu unterschiedlichen Frauen, wie einer gewissen Gina, Mutter des jüngsten Abkömmling Shawns, welche aus einer vergleichsweise wohlhabenden und Einflussreichen Familie stammt. Das genaue Mordmotiv und wer diesen Mord begangen hat wird erst kurz vor Schluss des Buches geklärt. Dennoch war es durchgehend spannend, die Ermittlerin zu begleiten und den familiären Verflechtungen auf den Grund zu gehen. Es gab immer wieder Überraschungen, welche den Roman in keinster Weise eintönig machten. Definitiv kein banaler Unterhaltungskrimi, sondern einer mit Tiefgang, was mir beim Lesen sehr gut gefallen hat.

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Veröffentlicht am 29.04.2024

Turbulent wie die Asse

Das letzte Feuer
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Eine Zeitreise ins 20. Jahrhundert, eine Reise in das Bergdorf Orpierre-d'Asse in der Haute-Provence ist "Das letzte Feuer" von Maria Borrély aus dem Französischen übersetzt v. Amelie Thoma @kanonverlag
Und ...

Eine Zeitreise ins 20. Jahrhundert, eine Reise in das Bergdorf Orpierre-d'Asse in der Haute-Provence ist "Das letzte Feuer" von Maria Borrély aus dem Französischen übersetzt v. Amelie Thoma @kanonverlag
Und obwohl mit unter 150 Seiten vollgepackt mit einer turbulenten Geschichte um eine Dorfgemeinschaft in den Bergen, eine Landschaft geprägt vom steifen Wind, trocken und karg. Menschen, welche sich nach fruchtbaren Getreidefeldern, Obstbäumen und einem reichhaltigen Leben sehnen. Mittendrin die eigenwillige Pélagie mit ihrer Enkelin Berthe. Während alle anderen Familien nach und nach in das neue Dorf unten an den Fluss, die turbulente, unberechenbare und unzähmbare Asse ziehen, bleiben ebendiese beiden oben in den Bergen. Die Großmutter ist fest davon überzeugt, dass das Klima nahe dem Fluss schädlich ist. Anfangs glaubt ihr niemand, das Dorf blüht auf. Doch das gtoße Glück währt nicht lange.
Auch den zweiten Roman von Maria Borrély habe ich mit großer Freude gelesen. Im Vergleich zu "Mistral" finde ich "Das letzte Feuer" deutlich turbulenter, lebendiger. Und doch blieb die Autorin ihrem Erzählstil treu, umschreibt die Region der Handlung gekonnt und malerisch mit starken Konturen, welche die Geschichte für mich beinahe greifbar machen. Ich freue mich sehr, dass auch dieser Roman der vergessenen französischen Schriftstellerin ins Deutsche übersetzt wurde.
Definitiv wieder ein Lieblingsbuch.

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Veröffentlicht am 29.04.2024

Ohne sie wären wir um ein Vielfaches ärmer

»Und so blieb man eben für immer«
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Aus den verschiedensten Ländern kamen sie nach dem 2. Weltkrieg nach Deutschland, u.a. Kosovo, Italien, Griechenland, Türkei und noch unzählige weitere. Sie wurden dringend gebraucht als Arbeitskräfte, ...

Aus den verschiedensten Ländern kamen sie nach dem 2. Weltkrieg nach Deutschland, u.a. Kosovo, Italien, Griechenland, Türkei und noch unzählige weitere. Sie wurden dringend gebraucht als Arbeitskräfte, sogenannte Gastarbeiter*innen. In "Und so blieb man eben für immer" erzählen Sabrije Asani Krasniqi, Arzije Asani, Elona Beqiraj, Esra Canpalat, Ornella Rosaria Cosenza, Sofie Soujon & Baris Yüksel in Gedichten, Lyrik, und Berichten aus ihren verschiedenen Leben. Ergänzt wird diese eindrückliche und äußerst diverse Anthologie mit Fotografien von Emine Akbaba & Julius Matuschik. Die Texte haben mich alle sehr unterschiedlich bewegt und berührt. Auch das Vorwort der Herausgeberin Jehona Kicaj. Es sind Geschichten von Eltern und Kindern, ohne welche wir alle, nicht nur die deutsche Industrie, sondern wir alle als Gesellschaft und Kultur um ein Vielfaches ärmer wären, Menschen, welche in unsere Mitte gehören und nicht ausgegrenzt. Es sind Geschichten vom Herkommen, Ankommen, Nicht-Ankommen, Dazwischen, manchmal Rückkehr aber auch vom Bleiben für immer.

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Veröffentlicht am 13.04.2024

Vom Festhalten & Loslassen

Bis wir Wald werden
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Nanush ist um die 30 und lebt mit ihrer Urgroßmutter Babulja in einem Hochhaus. Nachdem die beiden Sibirien verlassen mussten und nach Deutschland kamen ist eben dieses Haus ihr Lebensmittelpunkt. Hier ...

Nanush ist um die 30 und lebt mit ihrer Urgroßmutter Babulja in einem Hochhaus. Nachdem die beiden Sibirien verlassen mussten und nach Deutschland kamen ist eben dieses Haus ihr Lebensmittelpunkt. Hier leben nicht nur, aber auch viele andere Menschen, welche als Spätaussiedlerinnen unter Altkanzler Helmut Kohl nach Deutschland geholt wurden. Obwohl weit weg, liegt in der Geschichte um die beiden Frauen eine diffuse Sehnsucht nach Sibirien. Immer wieder klopfen Erinnerungen an die damalige Vertreibung bei Babulja an, welche sie jedoch bis fast an ihr Lebensende immer wieder beiseite schiebt, auch wenn die Urenkelin von klein auf immer wieder nachfragt. Während Babulja zunehmend in ihrer ganz eigenen Welt aus einem baumartigen Hochhaus, dem angrenzenden Wald, den Tieren Bär, Fuchs und Reh lebt, geht Nanush täglich arbeiten im örtlichen Real an der Kasse. Ist sie glücklich? Vielleicht ja. Die Beziehung zwischen den beiden Frauen ist liebevoll, zärtlich und innig. Sie halten aneinander fest. Doch bald ist es an der Zeit, dass sie einander loslassen müssen.
Birgit Mattausch @frauauge erzählt in ihrem Roman "Bis wir Wald werden" auf fast schon märchenhafte Weise von einer bunten Hausgemeinschaft. Sie alle sind sehr verschieden, doch eint sie die Vertreibung. In Sibirien wurden sie Faschisten geschimpft und hier manchmal abfällig als Russen. Und führen ein Leben dazwischen. Schön bei der Autorinnen-Lesung im vergangenen November im Literarischen Zentrum Braunschweig hat mich die Geschichte in dem Roman berührt und fasziniert. Und auch in mir hat es Erinnerungen geweckt an die Kinder und Jugendlichen in meinem Heimatdorf, welche wie hier im Buch aus Spätaussiedler
innen-Familien stammen. Ich habe diese als herzliche und freundliche Menschen in Erinnerung. Wenn ich nach der Schule dort zu Gast war, gab es in den Küchen der Familien immer reichlich zu essen, es war sehr lebhaft und familiär. Vorurteile gegenüber diesen Menschen sind für mich bis heute nicht nachvollziehbar, da ich bisher nur positives erlebt habe.
Der Roman ist auf jeden Fall äußerst lesenswert. Und mit seinen knapp 177 Seiten schnell verschlungen.

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